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- Jul 20, 2023, 1:46 PM
- ☀️ 30 °C
- Altitude: 173 m
- FranceOccitaniaThoirasRoc de la chapelle44°5’34” N 3°54’51” E
MORDS-TRAIL & TRAIN À VAPEUR
July 20, 2023 in France ⋅ ☀️ 30 °C
Da sich das mit dem frühen Aufstehen so anfühlt, als ob man damit ganz eindeutig auf der Gewinnerseite steht, mache ich es gleich nochmal. Heute allerdings besser ein flacher Lauf in Richtung Anduze, vielleicht etwas am Fluss entlang oder so. Leider verstehe ich ein Verkehrsschild falsch und denke, dass man ab einer bestimmten Stelle nicht mehr am Seitenstreifen (denn einen richtigen Fußgängerweg gibt es nicht) laufen darf. Artig schlage ich mich in die Stadt und weil dort alles einfach in den Berg hineingebaut ist, wird es direkt steil. So steil, dass ich leicht größenwahnsinnig werde und denke: Warum nicht gleich den ganzen Berg hier hoch? Wäre doch ein super Ziel! Handy gezückt und Komoot gecheckt: Aha, da ist doch ein Weg, der sich nach oben schlängelt. Ein paar verschlagene Gässchen weiter stoße ich auf eine Art Trampelpfad und mache mich an den Aufstieg.
Zu Beginn zeugen Überreste von Mäuerchen und Steinstufen von der Existenz oder der einstigen Existenz eines Weges, allerdings verlieren sich diese Spure recht bald. Aus Joggen wird Gehen, wenig später aus Gehen Klettern. Mit Zuhilfenahme aller freien Hände, die mir zur Verfügung stehen. Glücklicherweise sind es zwei. Dennoch ist der Aufstieg nahezu magisch. Die üppige, wenn auch kratzbürstige Vegetation beherbergt Schwärme von Zikaden, die ihre geisteskranke Musik in die Natur plärren. Sie unterbrechen sich, sobald ich ihrem Veranstaltungsort zu nahe rücke, und erheben sich wie kleine Vogelschwärme, um nur ein paar Meter weiter auf den nächsten Baum zu sinken. Dort kreischen sie erneut los und liefern die Performance ihres (verdammt kurzen) Lebens. Ich beschließe, dass diese kleinen Kumpels meine neuen Lieblingsinsekten werden. Am nächsten Tag werde ich mir mit Erik tolle Geschichten ausdenken, was sie so alles schreien. Trotzdem muss ich unablässig den Berg hinauf.
Mein Ziel, den felsigen Gipfel des Berges, sehe ich immer wieder vor mir, allein mangelt es an einem Pfad. Nun, da ich arg in Rückstand geraten meine Tage nacherzähle und an Tag 12 über Tag 7 berichte, sehen meine Beine noch immer aus, als hätte ein Gnom mit einer neunschwänzigen Katze auf mich eingedroschen. Das rechte Knie scheint überdies in Kontakt mit einer von Gott verlassenen und bösartigen Giftpflanze gekommen zu sein und sieht aus, als hätte ich mir einen Topf siedendes Öl darüber gegossen. Fühlt sich übrigens auch so an. Erik rät mir, einen Arzt zu konsultieren. Ich lehne dankend ab. (Kurze Anmerkung des Korrekturgangs: An Tag 19 dieses Urlaubs sehen meine Beine immer noch aus wie Schrott. Immerhin scheint das Knie auch ohne Arztbesuch überlebt zu haben.)
Meinen Pfad muss ich mir selber trampeln, die borstigen Sträucher und Kräuter hatten dem wohl einiges entgegenzusetzen. Oben angekommen bietet sich mir ein Ausblick, der Belohnung genug ist: Herrliches Morgenlicht taucht die Gegend mit Fluss, Bergen und viel Grün in pures Läuferglück. Volle drei Minuten sauge ich den Anblick in mich auf, mache obligatorische Handyfotos und befrage erneut das Komoot-Orakel. Der Weg – also eine wegartige Linie, die da in der Karte verzeichnet ist – würde mich direkt über die Klippe führen. Lieber nicht. Ich eiere noch etwas um die ungefähre Fährte des Weges herum, finde ihn allerdings nicht. Also den ganzen Quatsch wieder zurück. Und runter ist immer blöder als hoch. So viel steht fest. Der erste Sturz lässt auch nicht lange auf sich warten, zwei oder drei kommen noch dazu, denn das Geröll hier rutscht gern tückisch unter meinen Füßen weg. Mein Hintern fängt mich zuverlässig auf. Trotzdem fühle ich mich wie ein Held, als ich zerschunden und zerkratzt am Campingplatz eintreffe.
Dort startet Erik just gähnend in den Tag und wir bereiten uns auf einen Ausflug vor: Diesmal sogar ohne übermäßigen Protest, denn wir planen eine Fahrt mit einer Dampflokomotive. Und welcher Achtjährige könnte wohl etwas gegen eine Fahrt mit einem Hogwartsexpress-artige Gefährt haben? Eben! Die Fahrt wird wirklich sehr schön. Der private Verein hat 4 Lokomotiven sehr liebevoll restauriert und wir haben das Glück, uns in die hübsche rote setzen zu dürfen. Als brave Touristen hatten wir beim Fahrkartekauf das Infoheft erstanden und schmöckern ein bisschen darin herum, sodass wir uns schon auf das Durchfahren von Tunneln und das Überfahren von Aquädukten freuen. Unser Zug fährt rumpelnd übers Land und wirft fröhlich Wassertröpfchen und Rußflocken um sich. Er ist groß und laut und schrecklich und es bereitet ein großes Vergnügen, sich damit fortzubewegen. Gleichzeitig ist man ein bisschen froh darüber, nicht mehr auf derartige Mobilität angewiesen zu sein. Auch die Belegschaft scheint großes Gefallen am ihren Tun zu finden. Die Lokführer und das Schaffner-Personal tragen adrette Halstücher und lässige Uniformen, sie alle strahlen aus: Geiler Job. Wir kommen ein bisschen ins Schwärmen. Ein rundum schöner Ausflug.
Den Rest des Tages glitschen wir auf einen Film unseres eigenen Schweißes herum, denn die Sonne erhitzt alles um uns herum unerbittlich. Erst der Abend wird etwas Abkühlung bringen und David beschließt, die Radtour auf den nächsten Morgen zu verschieben. Denn heute ist selbst diesem wüsten-wurzelnden Sommer-Haudegen ein klein wenig zu warm.Read more