衛星
マップで表示する
  • 日2

    Klimaerwartungsindex

    2019年4月22日, フランス ⋅ ☁️ 22 °C

    Trip 5, Tag 2, Wandertag 1: Vézelay - L'église de Talon, 25,4 km, Steigung 430 Meter, Gehzeit 5:17

    Gleich hinter dem Hotel führt uns eine kleine Straße steil abwärts zur „D 951“. Mit einem letzten Blick auf unser alt-ehrwürdiges Hotel und das darüber thronende Vézelay, machen wir uns auf den Weg zu unserem ersten Tagesziel, der Église (Kirche) von Talon.
    Wandern fühlt sich heute noch ungewohnt und fremd an. Auch die benötigte Zeit für die morgendliche Aufsteh-, Pack- und Frühstücksroutine bot noch deutliches Optimierungspotenzial. Da Günter zuvor auch noch das Leihauto in „Avalon“ zurückgeben- und zurück ein Taxi nehmen musste, waren wir relativ spät unterwegs.
    Nach einer kurzen- aber nervigen Stippvisite bei der Bundesstraße befreit uns die „Via Lemovicensis“ aus ihren Klauen. Fast haben wir vergessen, wie nervig und gefährlich Bundesstraßen sind, besonders solche, mit vielen Kurven und vielen Autos.

    Die himmlische Ruhe des gut 1.000 Jahre alten Pilgerweges, den die UNESCO 1998 zum Weltkulturerbe erklärte, wird nur von unserem leidendvollen Gekeuche irdisch gestört. Es geht bergauf, sehr bergauf, ohne Hoffnung auf einen baldigen Sieg. Wenigstens wird uns warm dabei, denn vom erwarteten Klimawandel gibt es weit und breit keine Spur.
    Im Gegenteil, es ist kalt, richtig kalt. Die Bäume schieben gerade mal ihren ersten Hauch von grün unter den bedeckten Himmel. Eigentlich, wenn man es genau nimmt, ist hier noch Winter wie in Deutschland. Kleine wilde Horden von ersten Schlüsselblumen, links und rechts des Weges belegten dies eindrucksvoll.
    In unseren Köpfen platzt gerade eine Seifenblase größeren Ausmaßes. Anstelle einer kalten Frühjahrswanderung, die sich Dank des Klimawandels und des schon deutlich im Süden gelegenen Breitengrades zur vermeintlichen Frühsommerwanderung mit angenehmen Temperaturen transformiert sollte, waren wir nun doch im Begriff im frühen Frühjahr- bzw. späten Winter zu wandern.
    Klimaschützer mögen mir an der Stelle meine Ironie bezüglich des Klimawandels, die sich mehr gegen die nach Skandalen haschenden Medien als gegen die traurige Anerkennung des Umstandes richtet, verzeihen.
    Während wir so von uns hin schnaufen, versuchen wir im atemlosen Dialog Argumente zu finden warum ab morgen alles anders sein könnte. Aber es hilft alles nichts, der Wald zeigt uns an seinem Zustand, dass er nicht bereit ist in den kommenden Tagen und Wochen daran etwas gravierend zu ändern, ihm waren die Hände gebunden. Die kalten Temperaturen waren noch nicht auf seiner Seite.
    Schließlich geben wir die Parole aus, dass der Sommer weiter im Süden bei Bordeaux, schon noch auf uns warten wird. Immerhin wären wir dann ja fast schon auf der geographischen Höhe Roms. Dass aber Rom am Mittelmeer-, und Bordeaux am Atlantik liegt, haben wir dabei verdrängt, gut so, es lebe die Illusion.

    Wie auch immer, deutlich geläutert und reichlich desillusioniert folgen wir dem breiten und uralten Waldweg. Wir versuchten uns vorzustellen welche Schmerzen, Strapazen und Gefahren die frühen Pilger im Mittelalter auf diesem Weg erdulden mussten. Nur den Glauben im Kopf, und mit nichts und ohne Geld unterwegs, waren sie eine willkommene Freibeute für jedes Schlitzohr dieser Gegend. Selbst schuld, dachte Günter gnadenlos.
    Aus dem ausgesetzten und lichten Buchenwald wird streckenweise schöner, dichter „Dschungel“ den wir auf dem rettenden Weg komfortabel durchwandern. Ein bisschen fühlt es sich an wie im botanischen Garten. Der immer noch bedeckte Himmel und die erfrischenden 12 Grad verbreiten dennoch eine leicht morbide Grundstimmung, die durch die Art des Waldes auch noch verstärkt wird.

    Nach rund dreieinhalb Kilometern hat das Leiden erst einmal ein Ende. Es geht wieder abwärts, angenehmes Wandern, wir haben es uns verdient.
    Mit dem zehnten Kilometer spuckt uns der Wald endlich aus. Wir landeten auf einer wunderschönen, sanft geschwungenen und menschenleeren Landschaft ohne Bäume, nur begrenzt durch den Horizont. Willkommen in „unserem“ Frankreich, dachten wir. Das ist das Frankreich, das wir lieben, was für ein erhabener Anblick.

    Aber nicht nur die Landschaft will uns mit „unserem Frankreich“ belohnen, auch die dringend benötigte Sonne begrüßt uns mit schlagartigen 22 Grad, wow. Wir können unser Glück kaum fassen, das Frieren hat erst einmal ein Ende. Vielleicht haben wir uns ja, wegen des kalten Klimas, heute Morgen, zu viel Gedanken gemacht. Schnell muss Günters lange Hose einer Kurzen weichen und Marions warme Jacke fortan im Rucksack schmoren.

    Irgendwo dort in der Ferne, erahnen wir bereits „La Maison-Dieu“, 2 Kilometer später stehen wir am Ortschild. Es ist ein ländlicher-, von Landwirtschaft geprägter-, schöner alter Ort der von ungewöhnlich vielen alten Brunnen geziert wird. Mit seinen rund 120 Einwohnern ist er, wegen anhaltender Landflucht, mittlerweile eindeutig überdimensioniert. Menschen sehen wir, wie fast immer in solchen Orten, keine.
    Kein Zweifel, hier war der Frühling zu Besuch, wunderschön blühende Büsche waren seine Spuren. Unser „Klimaerwartungsindex“, der heute Morgen von 100 Punkten gegen null rauschte, erholt sich stetig. Als wir dann schließlich nach dem Ortsausgang auch noch am Wegesrand ein schönes Plätzchen für unsere Mittagspause auf einer Wiese entdecken, erholt sich der Index schnell auf satte 70%.
    In absoluter Ruhe, die höchstens von ersten, lebensmüden- und kälteunempfindlichen Insekten gestört wird, mampften wir unser belegtes Baguette das wir heute Morgen, am Frühstücksbuffet, liebevoll mit Wurst, Käse und ein paar Gürkchen aufwerteten. Danach gibt es zum Dessert für jeden einen Eiweißriegel. Es ist eindeutig einer der ersten Glücksmomente dieser Wanderung.

    Weiter geht es auf dem Jakobsweg der das Einzige ist, was dieser beeindruckenden Landschaft in Form einer Linie abgerungen wurde, wir sind tief beeindruckt.
    Einzig der versprochene Abholservice des Hotels, den ich im voran gegangenen Kapitel beschrieben habe und den wir bereits am ersten Wandertag nutzen wollen um noch eine Nacht länger im schönen Vézelay bleiben zu können und um gleichzeitig einmal weniger Koffer packen zu müssen, störte unsere völlige Unbesorgtheit.
    Treffpunkt ist die noch rund acht Kilometer entfernte Kirche in Talon, die L'église de Talon. Ohne ein wartendes Taxi vor der Kirche sind wir aufgeschmissen, denn dort ein Taxi rufen zu müssen könnte zur abendfüllenden Aufgabe werden. Unser Optimismus behielt dennoch die Oberhand.

    Wir stoßen auf die vernachlässigte „D 985“ die wir nach eineinhalb Kilometer gegen die nicht minder entspannte „D 165“, in Richtung „Tannay“, eintauschen und queren danach den romantischen, 174 Kilometer langen „Canal du Niveaus“ mit seinen 108 Schleusen. Versteht sich von selbst, dass Günter noch schnell von der Brücke in den Kanal spucken musste, um ein Zeichen zu setzen.

    Mit dem zwanzigsten Kilometer macht „Tannay“ und seine 585 nicht sichtbaren Einwohner mit uns Bekanntschaft. In dem schönen alten Ort gibt es einiges zu entdecken. Besonders spannend sind einige alte Villen mit ihren hinter hohen Mauern versteckten Gärten, die auch schon mal zu kleinen, herrschaftlichen Parks mutieren. Ihr Geheimnis geben sie nur auf den zweiten Blick, durch alte geschmiedete Eingangspforten, preis.

    Mittlerweile wandern wir gegen die Zeit, immerhin haben wir mit dem Fahrdienst eine feste Uhrzeit vereinbart.
    Mit dem zweiundzwanzigsten Kilometer nervt uns für einen Kilometer die „D 34“ mit ihrem „Feierabendverkehr“, der mit maximal einem Auto pro Minute auf sich aufmerksam macht.
    Dem rettende Wegweiser zum nur noch zwei Kilometer entfernten „Talon“, unserem heutigen Ziel, folgen wir auf der unbefahrenen „D 282“ gerne. Zwischenzeitlich fällt unser „Klimaerwartungsindex“ mangels wärmender Sonne wieder deutlich unter 50%.
    Den Ort, mit seinen 42 Einwohnern müssen wir fast schon suchen, eigentlich ist es mehr ein kleiner, versprengter Haufen von wenigen Bauernhäusern. Der örtliche Friedhof beherbergt vermutlich mehr Einwohner als seine Parallelwelt über der Erde.
    Nur mit zehnminütiger Verspätung, man staune, stehen wir vor der Eingangstür der Kirche und warten leicht nervös auf unseren verspäteten Abholer. So könnten wir uns wenigsten noch das alte Kirchlein ansehen, dachten wir uns. Das aber wollte nichts von uns wissen und verwies uns mit Hilfe des beißenden Schimmelgeruchs wieder nach draußen.

    Dort wartet mittlerweile der gut gelaunte, aus Marokko stammende Fahrer, um uns müde aber zufrieden wieder im Hotel in Vézelay, und unserer dringend benötigten, warmen Dusche, abzuliefern. Es brauchte viele Liter heißes Wasser, bis wir unser Blut wieder einigermaßen in Wallung bringen konnten um uns anschließend zum abendlichen Dinner aufzuraffen.
    Im Restaurant stoßen wir bei einem feinen französischen Menü an, „Prost, auf unseren ersten Wandertag“.
    もっと詳しく