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  • Dag 10

    Ribbon Creek Trail

    31. juli 2023, Canada ⋅ ☀️ 14 °C

    *Verfasst von Kelly

    Beim Frühstück schauen wir in der App 'AllTrails' nach passenden Wanderwegen, und Henne kommt zu dem Schluss, dass er gern eine besonders ausgedehnte Wanderung machen möchte. Ich bin wenig begeistert von der Aussicht, 8h durch den Wald zu laufen, um mal wieder Wasserfälle zu sehen, lasse mich aber darauf ein. Immerhin erzählt uns die Gastgeberin ganz begeistert, dass sie diese Wanderung auch schon gemacht hat und nur der letzte Teil zum See etwas anstrengender wird. Wir starten also wenig später mit Pausenbroten und Wasser bewaffnet in einen sehr langen Tag.

    Der Anfang der Wanderung geht durch ein Waldstück, welches im Vergleich zu den bisherigen Wäldern irgendwie langweilig wirkt. Viele Bäume scheinen tot und sind mit Moosfäden bedeckt - was etwas gespenstisches an sich hat, und Tiere scheint es auch nicht zu geben. Wir wandern weiter und erreichen bald eine freundlichere Gegend und laufen nun in der Sonne am Fluss entlang. Meine Laune bessert sich merklich, als ich ein Hörnchen im Busch entdecke, welches gemütlich sein Frühstück verputzt und sich von uns nicht stören lässt 🐿🌰

    Wir laufen stundenlang weiter, ich bin mittlerweile nicht mehr sonderlich gut gelaunt und dementsprechend froh, als wir nach 3h die Wasserfälle erreichen. Wir machen eine kurze Pause, erfreuen uns am herabfallenden Wasser und weiter geht's - Henne möchte nämlich gern noch weiter zum Ribbon Lake. Uns kommt ein Pärchen mit Wanderstöcken entgegen und erklärt uns, dass der See noch ungefähr 2km entfernt ist. Was sie dabei nicht erwähnen ist, dass diese 2km bergauf, über Geröll und an Steilwänden entlang führen, die wir natürlich ungesichert beklettern. Die nächsten 90 Minuten sind die längsten meines Lebens 😅

    Während wir mit unseren Wandersneakers den Berg raufkrabbeln, der gefühlt immer steiler wird, und uns danach an den Steilwänden hinaufhangeln, merke ich, wie meine Muskeln immer mehr ermüden und die Höhenangst meine Stimmung komplett bestimmt. Während ich also auf 2000m Höhe auf Metallstufen stehe, bekomme ich eine mittelschwere Panikattacke und fange an zu heulen. Ein merklich schlechter Moment, die Nerven zu verlieren - ich bin also wütend auf mich, bemitleide mich aber auch ein bisschen selbst, verfluche Henne und versuche gleichzeitig, meinen zittrigen Hintern weiter die Stufen hochzuhieven. Henne, der hinter mir ist, ruft mir zu, dass wir auch umdrehen können und nicht weiterklettern müssen - leichter gesagt als getan, wenn man sich nicht traut runterzugucken und froh ist, dass die Gliedmaßen überhaupt noch gehorchen. Das ist der Moment, wo sich Trotzigkeit zu all den anderen Emotionen gesellt und das Gefühlschaos noch ein wenig aufmischt. Ich brubbele unablässig Flüche in meinen Bart, werfe Henne einen vernichtenden Blick zu und klettere weiter. Nach eeeendlosen Minuten des Kletterns erreichen wir wieder ein Waldstück und können normal weiterlaufen, was meine Stimmung leider nicht mehr verbessern kann. Zu sehr habe ich gedanklich mit meiner gefühlten Nahtoderfahrung zu kämpfen 💀🤣
    Als wir endlich den See erreichen, setzen wir uns erstmal hin und essen ein Käsebrot. Henne testet noch das Seewasser - mehr als der große Zeh landet aufgrund der Temperatur aber nicht drin - und nach einigen Minuten des seeligen Pausierens heißt es Rückweg - sehr zu meiner Begeisterung. Das Käsebrot und die Aussicht auf ein Ende dieses Spektakels wirken Wunder und ich habe nun richtig gute Laune. Ich renne fast zurück, und selbst die Steilwände können nichts an meiner Glückseligkeit ändern (ich glaube, ich war ganz arg unterzuckert oder im Käsebrot waren Stimmungsaufheller, denn selbst mir kommt diese Veränderung meiner Laune komisch vor 😅).

    Der Rückweg zieht sich wie Kaugummi. All die gelaufenen Kilometer müssen wir nochmal zurücklegen, und selbst Henne wird es irgendwann zu viel. Wir machen nochmal eine kleine Pause auf einer Brücke und essen einen Riegel, bevor wir die letzte Stunde des Rückwegs antreten. Kurz vor Ende geht die Sonne unter, und der Wald, der auf dem Hinweg so düster und wenig einladend aussah, wird nun in Goldenes Licht getaucht, sodass er freundlich und ein bisschen nach Märchenwald aussieht.

    Nach 8,5h und 23km kommen wir endlich wieder am Hostel an und könnten kaum platter sein. Wir essen erstmal Abendessen und fahren dann nochmal los, um uns zur Belohnung für unsere Leistung ein Eis zu kaufen. Da wir recht weit draußen sind, brauchen wir 40min mit dem Auto zum nächsten größeren Laden und dann leider auch 40min wieder zurück. Das ist einer dieser Momente, in denen uns klar wird, wie viel Glück wir haben, in einer Großstadt zu leben und idR nur 5-10min zum nächsten Laden zu brauchen. Als wir nach knapp 1,5h wieder zurück im Hostel sind, machen wir es uns wieder auf dem Sofa gemütlich, machen eine Folge Akte X an und lassen es uns schmecken. Was ein Tag. Rückblickend mit Eis in der Hand war es ja doch ganz schön. Reicht trotzdem erstmal wieder mit Wandern 😄
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