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- Day 9
- Saturday, August 24, 2019
- ⛅ 33 °C
- Altitude: 321 m
ChinaWulingyuan29°20’52” N 110°32’51” E
PlanetAvatar
August 24, 2019 in China ⋅ ⛅ 33 °C
....oder: Vom Hasenfuß zum Superkarnickel
Ich hole meine Kinder um 7:30 vom Traumland zurück in die Realität. Aufsatteln, frühstücken, Busbahnhof suchen. Der Patron des Hauses hatte mir gestern abend noch eine Tagestour durch den nördlichen Teil des Parks gezeigt und auf einer Karte eingezeichnet, 9 - 10 Stunden würde sie dauern, um 19 fährt der letzte Bus aus dem Park. Also haben wir Heute noch ordentlich was vor uns.
Der Busbahnhof. Es gibt einen direkt vor dem Bahnhof, der ist es nicht. Dann muss es aber noch einen geben, auch vor dem Bahnhof. Team Fähnlein Fieselschweif wird aktiviert. Die Hinweise verdichten sich auf einen Plastikvorhang in einem großen Gebäude auf der rechten Flanke des Bahnhofvorplatzes, auf den Vormittags schon über 30 Grad runter brizzeln.
Es ist der Ticketschalter, ein Teilerfolg.
Wir erwerben unsere vier Bustickets zum Parkeingang in Wulingyuan auf der Ostseite des Parks.
Die Frage ist, welcher Bus ist jetzt genau unserer und wo fährt der nur los? Wir kennen bisher nur die Busstation für die Stadtbusse.
Die Dame am Ticketschalter hat uns nur in eine ungefähre Richtung verwiesen. Wir irren also etwas im Ungefähren herum und zeigen unsere Tickets mit einem großen Fragenzeichen im Gesicht in die Runde. Und siehe da, eine Hand weist uns den Weg zu einer Wartehalle - aha! es gibt da auch eine Wartehalle. Dort befinden sich, wie bei den Zügen, die Schleusen mit dem üblichen Security Check und dahinter, von der Straße aus nicht zu sehen, die ganze Überland-Busflotte. Nach Begutachtung der Tickets werden wir in einen Bus bugsiert, hoffentlich den richtigen, der dann auch sofort los fährt. Das nenne ich Timing.
Manchmal kommt es uns vor wie so ein Adventure Game und wenn man alle Challenges bewältigt hat, kommt promt der verdiente Levelaufstieg.
Nach 40 Minuten Fahrt endet die Reise mitten im Ort Wulingyuan, zum Parkeingang ist es noch ein 10 minütiger Hatscherer. Die Touristenbusdichte und die schlechte Abgasluft nimmt zunehmend bedrohliche Ausmaße an, wir sind also richtig.
Im hübschen großen Turm am Eingang befinden sich die Kassen. Nele gilt noch als Minikind (hihi, wenn die wüssten...) und darf umsonst rein. Das Parkticket gilt für vier Tage.
Unsere erste Etappe bedeutet erneutes Busfahren bis zur Talstation einer Gondel.
Der ganze Park wird umfassend von einem genialen Shuttlebus System bedient und ermöglicht in kurzer Zeit so einige verstreute Highlights anzusteuern.
Im östlichen Parkteil, von dem aus wir starten, ist fast nichts los. So haben wir wartefreien Zugang zur Gondel, nicht aber ohne erneuten Security Check - es nervt langsam. Die Gondel muss man extra bezahlen btw.
Auch diese Gondel ist sehr abenteuerlich gebaut und schwebt gnadenlos hoch über den Baumwipfeln und den aufragenden Felstürmen. Und das ist das tolle an diesem Ride. Der Waldpark, so der offizielle Name, ist berühmt für seine solitären Felstürme aus Sandstein, die seitlich und auf der Spitze mit Bäumen bewachsen sind, untenrum manchmal schmaler als obenrum, das sieht wahnsinning aus, einfach außergewöhnlich und einmalig!
Die charakteristische Landschaft des Parks wurde von den Machern von Avatar zum Vorbild genommen, um die beeindruckende und faszinierende Welt von Avatar neu zu erfinden und zu komponieren. Und so schweben wir mit offenem Mund über die Gipfel dieser eigenwilligen Felsgebilde hinweg bis uns die Bergstation in Empfang nimmt.
Von dort führen gut markierte Wege zu befestigten Felsvorsprüngen, von denen aus man über Blicke in tiefe Täler und auf steile Felswände noch mehr dieser verzauberten Steinwelt bewundern kann. Unsere staunenden Münder bekommen wir gar nicht mehr zu. Die nähere Betrachtung ist erneut mit viel Höhenrespekt meinerseits verbunden, da es hinter den Geländern wieder senkrecht in tiefste Tiefen geht, mehrere hundert Meter allemal.
Der Unterschied ist, dass man auf festem Grund steht und nicht auf in die Luft gebauten Stegen.
Ein schwacher Trost. Aber bei diesen grandiosen Aussichten wird auch der größte Hasenfuß zum mutigen Superkarnickel.
Vier Superkarnickel also unter Hundertschaften Fähnchen folgender, chinesischer Superkarnickel. Man braucht schon Nerven wie Stahlseile in diesem Land, wenn es denn etwas Sehenswertes gibt, allein ist man dann selten und es ist gerade nicht einmal Hochsaison.
Schon auf dem Weg zum Haupteingang sieht man die unglaublichen Hotelkapazitäten entlang der Straßen, und nahe dem Haupteingang des Parks wird auch gleich noch ein neues Hoteldorf in die Höhe gezogen. Auch die ewig meandernden Geländergänge vor Gondelbahnen und Bushaltestellen, um die vielen anstehenden Menschen in Reihe zu halten, unvorstellbar, was hier in der Saison an Massenbewegungen abgehen muss.
Unser erster Hotspot besteht aus mehreren nicht weit voneinander liegenden Aussichtspunkten, die über befestigte Plattenwege und Treppen miteinander verbunden sind. Viel gefährlicher als die bodenlose Tiefe der Felsabstürze sind vielleicht die von 20 Millionen (!) jährlichen Parkbesuchern abgewetzten und blank polierten Treppenstufen, höllisch rutschig, wehe es regnet...
Für unsere zweite Station gehen wir zurück auf die Shuttlebusstraße, vorbei an unendlichen Imbiss- und Souveniralleen bis zum leeren Geländergang der Bushaltestelle. Der Bus kommt promt und ist nur spärlich besetzt. Wir lassen uns in der Pampa aussetzen. Hier leitet mich Pocketearth sehr detailliert zum nächsten Aussichtspunkt. Die Kinder glauben mir erst nicht, dass wir richtig sind. Keine Menschen weit und breit, erst Asphaltstraße und dann unabgewetzte Pflasterwege und Stufen. Naturpfade sucht man hier übrigens vergebens. Über großzügig angelegte Wege durch die wilde Flora werden die Horden auf Kurs gehalten und die verschonte Natur freut sich. Zudem würde man ohne die Befestigungen nur unter wirklicher Lebensgefahr in den Genuss der Schwindel erregenden Panoramen direkt und ganz vorne an der Felskante kommen, mit befestigten Wegen aber: Panorama für alle! Und bei manchen ein Kribbeln im Bauch.
Nach einer erheblichen Anzahl von Stufen bergab, stehen drei Aussichtspunkte zur Wahl. Die Mädchen wollen lieber Pause machen, Fynn und ich entscheiden uns für den Besuch des „Peaking Chicken“. Wir steigen weitere Treppen ab, bis ein Pfad auf einen schmalen Felsausleger führt, den man bis ganz vorne zu einer umzäunten Plattform geht. Die Aussicht auf ein grünes Tal mit diesen zauberhaften Felssäulen ist traumhaft schön, dazu die glückliche Geräuschkulisse abertausend laut sägender Zikaden. In einer bestimmten Felsformation vor uns sollte man einen pickenden Hahn erkennen - nicht mit viel Fantasie...
Am liebsten würden wir hier etwas länger verweilen, aber die liebe Zeit…
Vereinzelte, vereinsamte Imbissstände in dueser unpopulären Ecke hoffen auf wenigstens ein bisschen Umsatz mit versprengten Touristen, wie wir es sind, eine unangenehme Situation für uns, von der wir uns aber nicht weiter unter Druck setzen lassen. Fynn und ich sammeln die Mädchen wieder ein und steigen tapfer die vielen Stufen zurück zur Straße hoch. An der Bushaltestelle, an der wir vorher ausgestiegen sind, brausen nur lauter volle Busse an uns vorbei, keiner hält. Bis aus einer Nebenstraße zufällig ein leerer Bus von seiner Pause auf unsere Straße abbiegt, Glück gehabt, wies scheint.
Station Nr 3. bietet die spektakulärsten Ausblicke und Formationen, hier steht auch der berühmte Avatarfels, der eine, der nahezu 1zu1 kopiert für den Film übernommen wurde. Bis zu diesem führen jedoch diverse Pfade und Wege an anderen, nicht weniger ausserordentlichen Felssäulen, Panoramen und Tälern vorbei. Aufgrund der Prominenz der Felsen ist die Reisebusbenutzerdichte hier wieder nervig hoch.
The Great Natural Bridge ist eine weitere Attraktion in diesem Panoptikum der Naturwunder. Zunächst läuft man lustig vor sich hin, dem Pfad folgend, mal wieder roten Bändchen nach, die wieder inflationär Bäume und Geländer ersticken, um wieder zurück auf den Hauptweg zu kommen, und dann sieht man erst, worüber man gerade gelaufen ist: eine riesige natürliche Verbindung zwischen zwei Felssäulen, eine dramatische und grandiose Steinbrücke. Puh, nachträgliches Angstschwitzen, was ein Anblick!
Es windet sich der Weg dem Felsrand folgend, vorbei an Aussichtsplattformen mit todesmutigen Selfieshootern, Gruppenfotomachern und engagierten Teleobjektivisten, allesamt schwerst begeistert und beeindruckt von der unglaublichen Großartigkeit und Schönheit, die uns alle umgibt. Jeder Schritt bringt eine neue Perspektive.
Und dann steht er da, der Star der Stars, nicht von dieser Welt, der Hallelulja Fels, the Star of the Show, please welcome Misterrrrrrr A-VA-TAAAAR!
Ähhm, das isser doch, oder? Oder war das vielleicht schon doch der bei der Plattform da hinten? Hm. Egal ...Selfieeeee!
Nein, er ist es, wahrlich. Die Parkverwaltung hat nämlich einen schwer stilisierten fibergläsernen, blauen Flugdrachen aus dem Film vor dem Geländer platziert, zum draufsetzen und Instafoto machen.
Er ist wirklich besonders schön, also der Fels, muss man schon sagen, und riesig. Eine reguläre Kameralinse kann seine respektable Höhe nicht wirklich einfangen.
Ein Blick auf die Uhr, die Natur Show ist zuende, fast. Ein kurzer Anstieg zur Shuttlehaltestelle und promt sind wir Teil einer Menschenmasse, die auf einen Bus wartet. Laufend bremsen leere Busse ein und Windung für Windung arbeitet sich die Warteschlage in die Fahrgelegenheiten vor. Das geht erstaunlich schnell.
Nach nur vergleichsweise kurzer Fahrt erreichen wir den Weg zum sehr bekannten Bailong-Aufzug. Ein paar Affen sitzen da noch ganz unerwartet am Wegesrand herum, hat ja doch etwas exotisches, wenn man diesen Tierchen in freier Natur begegnet.
Der Aufzug ist einmal mehr spektakulär, weil er als langer Glaskasten vor die Wand eines massiveren Felsstocks gebaut wurde. Die Dimensionen sind es mal wieder, die beeindrucken. Er verschwindet dann weiter unten im Fels. Genau genommen sind es drei Aufzüge, schließlich müssen ja Massen von müden Touristen weggeschaufelt werden.
Vor der bequemen Sause nach unten sind extra Tickets für den Lift zu lösen.
Und dann sausen wir, mit Stehplätzen direkt vorne an der Glasfront, senkrecht hinunter ins Tal. Ein kurzes Vergnügen zwar, aber schon mit Staun- und Spaßfaktor. Wieder etwas massenbedingtes Warten auf den Bus zurück zum Wulingyuan Parkeingang. Es ist jetzt Viertelvorsieben und wir kurz vor kaputt. Die Rückfahrt dauert eine angenehme halbe Stunde, bevor wir wieder zur öffentlichen Nahverkehrsverbindung in den Ort latschen. Qualm und Abgase der zig abfahrenden Reisebusse vom Parkplatz in Wulingyuan ist auf eine andere Weise atemberaubend. Nur schnell weg hier.
Im Ort ist Ausstiegspunkt auch Einstiegspunkt für den Bus nachhause. Weitere 40 Minuten dauert die Fahrt. Wir beschließen gleich Essen zu gehen und dann erst ins Hotel. Bei der großen Restaurantauswahl ist es fast egal, in welches wir gehen. Also gehen wir in das mit den schönsten Bildchen und den meisten Gästen an den Tischen. Auf den Speisekarten hier steht auch Riesensalamander. In einem Bottich, der im Eingang eines anderen Restaurants stand, waren auch zwei lebende Exemplare zu bestaunen, eher unästhetische Tiere, dick, wulstig und braun - da wussten wir noch nicht, dass die auf der Speisekarte stehen. Jetzt empfinden wir irgendwas zwischen Mitleid, Empörung und Ekel.
Unser rustikales Dinner besteht aus drei verschiedenen Gerichten, die wir uns teilen. Gebratene Glasnudeln mit Pak Choi und Huhn, Schweinernes mit Bambussprossen und Speck und eine Art Suppe mit Ei und dicken Glibbernudeln, dazu knusprig gebackene dünne Reisfladen.
Fynns linke Backe ist jetzt auffällig angeschwollen, wenn das Morgen nicht besser ist, müssen wir da unbedingt etwas unternehmen. Gut dass die Ibus gut wirken erstmal.
Natürlich holen wir dann noch Wasser und etwas Obst vom Supermarkt auf dem Weg, letzte Restenergien werden verdaddelt und fließen in Tagebücher. Was für ein schöner und auch anstrengeder Tag das war!Read more










