• Forgotten Gili

    2. joulukuuta, Indonesia ⋅ ⛅ 30 °C

    Nach Frühstück, Zahlen und Packen werden wir um elf von unserem Boot abgeholt, das wir tags zuvor organisiert hatten. Sunnyboy Jordy mit der verkratzten Regenbogenspieglbrille fährt uns die vierzig Minuten hinüber zu Gili Gede (Gedde) und schwärmt uns vom Partymachen auf Gili Trawangan vor. Am freien Wochenende mit dem Roller hoch nach Bangsal und schwupp rüber auf die Insel mit dem Boot vom Freund.

    Der erste Eindruck, den wir beim Ansteuern von Gili Gede haben ist wie Gili Trawangan, ähnlich groß, nur ohne die ganze Spassfabrik, ein supergechilltes Inselidyll, am Ufer keine quirlige Strandpromenade, Bar oder Boutique, Touristen? Fehlanzeige, nur Fischerhütten und Fischerboote.
    Schon vom Ufer aus werden wir mit großem Hello angewunken, Dan und Danny vom Alam Karang erwarten uns schon.
    Die Anlage liegt direkt an einer kleinen Landzunge im Osten der Insel, wieder nix mit Sonnenuntergang. Hinter der Landzunge ist eine lehmige Lagune mit Mangroven.
    Nach einem Humpen kalten Zitronenwasser, einem kleinen Smalltalk und der Einführung in die Hausregeln beziehen wir unseren Bungalow. Eine dieser typischen, preiswerten Holzhütten im Sasak Style mit Schilfdach, aber absolut ausreichend und geschmackvoll schlicht eingerichtet. Fünf dieser Hütten zählen wir, in der Mitte das Restauranthaus, das wars. Links nix, rechts von uns eine kleine Tauchbasis.

    Rucksäcke in die Ecke. Sogleich müssen wir uns auf die Liegen am Strand legen, um uns von den Strapazen der Anreise zu erholen. Urlaubsfeeling stellt sich umgehend ein. Wieder dieser weite Himmel, das Meer, die Sonne, dieses Mal Lombok im Blick, wunderschöne, weisse Riesenwolken türmen sich über dem blauen Himmel, sogar den riesigen Mount Rinjani könnte man sehen, wären da nicht diese Dauerwolken um ihn herum.

    Nach dem Päuschen raffen wir uns auf, die Insel zu erkunden. Dan sagte uns auf Nachrage, dass man weder Scooter noch Fahrräder mieten könne, die Wege seinen dafür nicht geeignet. Oookay, hatten wir auch noch nicht.
    Der offizielle Weg, den Google Maps uns ins Dorf weist, führt zunächst am Strand entlang - ‘Weg’ - da gehts schon los, es gibt keinen Weg. Wir steigen über einen längeren felsigen Uferabschnitt, Gili Rock, und dann beginnt tatsächlich ein gepflasterter Weg. Hütten und Häuser links, Strand mit Fischerbooten rechts, mal ein kleiner Ladenkiosk, genauso wie auf Gili Tralala. Touristische Infrastruktur gibt es dagegen nicht wirklich. Ein etwas herausgeputzter Warung fällt aus der Reihe, aber er hat geschlossen.
    Halbzwei haben wir jetzt. Es geht ein gutes Stück den Pflasterweg am Strand entlang. Ausser verblasste Schilder mit Werbung für Schnorcheltouren, von Tourismus keine Spur. Keine Fahrradfahrer, keine Elektroscooter, keine Pferdekutschen, so stelle ich mir Gili Trawangan vor seinen massentouristischen Zeiten vor. Die Einheimischen sitzen wie immer gechillt oder gelangweilt, rauchend oder zockend in ihren Strohpavillons oder machen irgendetwas an ihren Häusern oder Booten rum. Wir grüssen, sie grummeln freundlich aber desinteressiert zurück. Ziegen durchsuchen Unmengen von Müll am Strand, alte Weiberl keckern und ratschen mit der Nachbarin.
    An einem Pier steht dann als maximaler Kontrast zur Dorfstruktur ein geschniegeltes Resort, Kokoma mut Namen. Man denkt: ah, jetzt kommt der Teil für die Touris, denkste. Gleich hinter dem Resort geht es trostlos weiter. Anscheinend hat der Staat seine Kinder hier vergessen. Die Infrastruktur ist desaströs, hier geht mehr kaputt als neu entsteht. Das indonesische Inselleben ohne Filter und Fassade, ein Leben in Armut.
    Es ist schon krass zu erleben, wie Tourismus wirkt und was er für das Leben der Einwohner und den Standort bedeutet, besonders, wenn ihr Leben in der neuen Zeit hoffnungslos perspektivlos ist. Die Armut auf diesem Eiland ist heftig, kennt man hardcore Bali, kennt man die anderen drei Gilis, sieht man die rasante Entwicklung auf Lombok.

    Der Weg zerbröselt stellenweise, hört plötzlich auf, setzt sich fort. Wir überqueren die Insel und landen auf der Seite, die wir von Asahan aus gesehen haben. In der Mitte der Siedlung tront die riesige Moschee und ein langgestreckter Schulbau.
    Wir haben gehört, dass es sich nach Auffassung der Regierung nicht lohnt, Elektrokabel vom Festland zu legen oder vernünftige Straßen zu bauen. Wobei ich diese Logik nicht verstehe, da eine solche Infrastruktur Investoren anlockt und damit Arbeitsplätze geschaffen würden, mit allem was daran hängt. Irgendjemand möchte offenbar nicht, dass sich Gili Gede entwickeln kann.

    In der Gasse, die direkt von der Moschee weggeht stehen im Verhältnis etwas gediegenere, gepflegtere Wohnhäuser aus Stein, aber dennoch sehr einfach. Der Weg am Ufer in einer großen Inselrunde zurück ist wieder ernüchternd. Unfassbar viel Müll am Ufer, die Kinder spielen mit leeren Shampooflaschen Eincremen, manche Familien haben sich ganz smart einen kleinen Obst- und Gemüsegarten angelegt. Die kleinen, braunen Kühe mit ihren Holzbimmeln sind gefühlt überall, ihre Haufen auch. O man, wie muss das sein, wenn man hier geboren wird, lebt und stirbt. Alte Mutterl tattern mit leerem Blick durch die Gassen, manch alter Mensch liegt in einem Holzverschlag ausserhalb des Hauses.
    Aber ich denke in meinen Maßstäben, vielleicht sind die Menschen hier mit ihrem Leben ja auch zufrieden, sogar glücklich? Trotzdem schwer vorstellbar für uns.

    Wir müssen über einen Hügel, über den in einem Graben mitten im Weg gerade eine dicke Wasserleitung zu einem Dorf verlegt wird. Das Material dafür wird halsbrecherisch, fast akrobatisch auf Motorrädern die steile Crosstrecke hinaufmanövriert. Oben am Scheitelpunkt warten schon die rauchenden Arbeiter mit Spitzhacken und Spaten, um weitermachen zu können. Auch der ganze Weg den Hügel wieder runter ist aufgerissen und wir balancieren uns auf dem Erdhaufen den Abhang hinunter, noch oben entschuldigen sich die Arbeiter dafür, wie entzückend. Immerhin haben wir dadurch einen kurzen Ratsch mit ihnen, richtig nett mal wieder.

    Der Pflasterweg wieder in der Ebene führt uns in einem weiten Bogen an einem großen schlammigen Etang vorbei, in dem unzählige Krabben mit jeweils einer riesigen roten Schere aus unzähligen Löchern kriechen. Als wir uns nähern verschwinden die meisten blitzschnell, kommen dann aber auch wieder neugierig heraus. Mangroven mit ihren eigenwilligen Stelzenwurzeln stehen in den vielen Wasserbecken des Etangs. Auf der anderen Seite versteckt sich ein kleines Dorf am mit Grün dicht bewachsenen Hang. Der Pflasterweg ist an einigen Stellen komplett zerstört, absolut unüberwindbar für Fahrzeuge, deshalb kein Rollerverleih!
    Am Strand um die Ecke läge so viel stabiler Korallenschrott, mit dem man ratzfatz diese kaputten Stellen instand setzen könnte, warum macht das niemand hier? Hier geht eigentlich alles nur kaputt, eindeutig in die falsche Richtung.
    Wäre es nicht eine riesen Chance, diese wunderbare Insel mit konsequentem Eco-Tourismus zu erschließen und Arbeitsplätze zu schaffen, das bessere Trawangan, hochgeschätzte Regierung von Indonesien?
    Diese Insel ist wirklich wunderbar, aber eben auch abgewrackt. Die Menschen hier sind wunderbar, vielleicht ein wenig flegmatisch, bräuchten vielleicht jemanden, der sie an die Hand nimmt und ihnen den Weg zeigt, Stichwort Bildung. Interessant dabei, dass das viel kleinere und schwerer zu erreichende Asahan erste Schritte bereits erfolgreich vollzogen hat. Die Insel ist öko-touristisch erschlossen, viele Arbeitsplätze sind entstanden, hat sich dabei ihren Charme und ihre Ruhe bewahrt. Nur das Dorf kommt hier bisher noch zu kurz, aber Ansätze sind erkennbar, z.B. der Warung, der sehr gepflegt ist und der Mann der Inhaberin, der Visitenkarten für sein Transport- und Tourenbusiness verteilt und beide sprechen ok-nes Englisch. Bei Gili Gede werden wir sehr stark an Laos erinnert, so wie uns hier die Gesamtsituation erscheint …aber bitte keine Chinesen, die hier ein Spielcasino errichten wollen, ha, ha.

    Und auf einmal stehen wir zweieinhalb Stunden später wieder an unserem Strand vor unserer Sasak-Hütte, komplett nass geschwitzt, matt und hungrig. Ungebremste Sonne die ganze Zeit ist echt krass und ungewohnt für uns. Wir setzen uns ins Resto und ein fast schon überfreundlich beflissener, aber sehr putziger Junge bringt uns zunächst die Karte, dann zwei große kalte Bintang, eine Chicken Bakso Suppe und ein Club Sandwich, wir sind gerettet.
    Satt und faul legen wir uns an den Strand und wetten, ob das Gewitter über Lombok zu uns herüber kommt oder nicht, lesen und schreiben und genießen. Der Sonnenuntergang jenseits des Hügels taucht die Gewitterwolke und das Meer in magische Farben.
    Um acht bestellen wir dann schon wieder Essen, sind eigentlich aber fast noch satt von vorhin, aber in der Panik, dass die Küche schon um halbneun schliesst …das Essen hätten wir uns sparen können.
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