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  • Eigelstein und Kunibertsviertel

    June 25, 2020 in Germany ⋅ ☀️ 26 °C

    Kölschgänger Spaziergang

    Eigelstein und Kunibertsviertel

    Bei diesem Spaziergang konzentrieren wir uns auf zwei Veedel. Zum einen geht es tief in die kölsche Vergangenheit, denn wir schauen uns St. Kunibert und den Kunibertsturm an. Danach besuchen wir das Brauhaus Max Stark, wo wir Gelegenheit auf den Genuss eines süffigen Päffgen Kölsch haben. Anschließend spazieren wir zum Türmchenshafen. Wie bitte? Da gibt es keinen Hafen? Stimmt, heute nicht mehr, aber zu dieser spannenden Geschichte kommen wir später.

    Das Eigelsteinviertel ist Kölner Tradition pur. Früher waren Schmiede, Töpfer und Glasbläser im Eigelsteinviertel angesiedelt, es war also immer ein Arbeiterviertel. Auch die Eigelsteintorburg sehen wir uns an, bevor wir uns aufmachen und drei wunderbare „Glasbierverkaufsgeschäfte“ besuchen. Der kölsche Boor macht den Anfang. Von da sind es jeweils nur ein paar Schritte zum Gasthaus Anno Pief und dem Weinhaus Vogel. Auf dem Weg zu unserem Startpunkt schauen wir uns dann noch das schmalste Haus in Köln an.
    Aber lasst uns losgehen. Wir starten am Hinterausgang des Hauptbahnhofs, dem Breslauer Platz. Von dort aus gehen wir ein paar Schritte nach links, biegen in die Domstraße ein und folgen ihr, bis wir auf die Machabäerstraße treffen. In dieser Straße lag im Mittelalter das Benediktinerinnenkloster zu den sieben makkabäischen Brüdern, daher der Name. Hier biegen wir rechts ab und kommen kurz darauf auf die Straße An der Linde. Jetzt gehen wir nach links und erreichen das Kunibertskloster.

    Der Heilige Kunibert, um 600 geboren und später Bischof von Köln, stiftete damals an dieser Stelle eine Kirche, in der er auch bestattet wurde. Ca. 1210 wurde dann mit dem Bau von St. Kunibert begonnen. Damit ist sie die jüngste der großen romanischen Kirchen in Köln. Die Kirche wurde im Laufe der Zeit immer wieder verändert und ausgebaut und im 2.Weltkrieg stark zerstört. Hier wurden die Kriegsschäden sehr spät komplett beseitigt, denn erst 1993 wurde St. Kunibert vollständig wiedereröffnet. Beim Aufbau wurden allerdings starke Veränderungen vorgenommen, so dass die Kirche heute anders aussieht als vor der Zerstörung. Sehr bekannt ist die Legende vom Kunibertspütz, einem Brunnenschacht. Dieser Legende nach befand sich auf dem Grund des Schachts eine Art Paradies, in dem Kinder spielten und von der Jungfrau Maria gefüttert wurden. Nach Ansicht dieser Kölner Legende wurden die Kinder also nicht vom Storch gebracht, sondern entsprangen dem Kunibertspütz. Bis ins 19. Jahrhundert war es Brauch, dass Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch Wasser aus diesem Brunnen tranken. Sehr schön ist auch die Orgel, die eher untypisch ebenerdig untergebracht ist und die schon sehr beeindruckend aussieht.

    Nachdem wir uns die St. Kunibert Kirche näher angesehen haben, biegen wir jetzt ab zum Rhein und gehen am Konrad-Adenauer-Ufer etwa 300 Meter entlang und stoßen dann automatisch auf den Kunibertsturm.

    Der Kunibertsturm, errichtet um 1233. Nachdem die Torburg 1266 bei Aufständen der Bürgerschaft gestürmt und zerstört wurde, blieben lediglich die Turmbauten erhalten. Heute
    steht nur noch der kleine Turm, auch „Weckschnapp“ genannt. Dieses „Türmchen“ gab dem Wall, an dem es liegt seinen Namen, „Thürmchenswall“ eben. Die Sage der Weckschnapp erzählt von einem Turm, in dem im Mittelalter Gefangene eingesperrt wurden, die durch die sogenannten „heimlichen Gerichte“ verurteilt worden waren. Die dort Eingesperrten bekamen weder etwas zu essen, noch zu trinken und waren einem qualvollen Tod ausgeliefert. Ihre einzige Möglichkeit, an etwas Essbares zu gelangen, war ein Sprung zu einem Laib Brot (Wecken), der oben an der Decke hing. Sprang der verzweifelte Gefangene allerdings nach diesem Brot, öffnete sich unter ihm eine Falltür und er fiel durch ein mit scharfen Messern gespicktes Loch direkt in den Rhein. Und das wahrscheinlich nicht mehr an einem Stück.
    Nur ein einziger Gefangener soll den Sturz in den Rhein überlebt haben. Der Sohn einer reichen Kaufmannswitwe, der von seiner eigenen Mutter wegen Diebstahls angezeigt wurde, soll so zwischen den Messern durchgefallen sein, dass er unverletzt in den Rhein fiel und sich retten konnte.

    So schaurig- schön die Legende von der „Weckschnapp“ auch ist, die Wahrheit war wohl eine etwas andere. Im Kunibertsturm wurden, wie sie damals hießen, „Peinliche Verhöre“ abgehalten. Im Rhein stand nur eine „Ark“, ein Befestigungsteil, das mit dem Kunibertsturm über einen Wehrgang verbunden war. Die Ark ist 1784 beim großen Hochwasser untergegangen und zerstört worden. Nicht weit von hier befindet sich die “Bastei”, errichtet auf dem Stumpf eines ehemaligen Festungsturmes. Adenauer ließ 1923 von dem Architekten Riphahn das Panorama-Restaurant mit den Worten „bauen se dat Ding, aber machen se et schön“ bauen.

    Gehen wir nun einige Schritte zurück und biegen rechts ab auf den Thürmchenswall und nach 240 Metern links auf die Straße Unter Kahlenhausen. Direkt an der Ecke finden wir das Brauhaus Max Starck.

    Gut versteckt im Kunibertsveedel eröffnete im Jahr 2000 das Brauhaus Max Stark. Dieses sehr angenehme Ecklokal besitzt längst Kultstatus. 1998 abgerissen und im originalen Stil wieder aufgebaut, zapft man hier seitdem Päffgen Kölsch. Natürlich frisch aus dem Fass. Einziger Nachteil, man darf nicht zu spät kommen, denn der Laden ist nicht so groß und füllt sich abends schnell.

    Nachdem wir gestärkt das Brauhaus Max Stark verlassen haben, gehen wir einige Schritte wieder zurück, bis wir auf die Niederichstraße stoßen, auf die wir links abbiegen. Niederich hieß im 11. Jahrhundert die Vorstadt in diesem Gebiet. Sie wurde 1106 eingemeindet und lag vor der römischen Stadtmauer. Nach etwa 200 Metern treffen wir auf den Theodor- Heuss-Ring und haben den Park erreicht. In diesem kleinen Park ist, wie in vielen Kölner Parks, das Grillen erlaubt. Hier biegen wir im Park links ab in Richtung des Weihers, den wir von hier aus bereits sehen können.

    Der Thürmchenshafen ist eigentlich ein kleiner Park mit einem kleinen Weiher in der Senke. Das ist alles, was heute noch übrig ist vom Hafen. Früher war hier mal ein kleiner Sicherheitshafen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den Franzosen für die Schifffahrt angelegt wurde. Den Auftrag erteilte Napoleon persönlich bei einem Besuch in Köln 1804.
    Eigentlich sollte der Hafen hinter St. Kunibert, also innerhalb der Stadtmauer, angelegt werden. Bei Hochwasser oder Eisgang fanden die Schiffe hier Schutz. Am nordöstlichen
    Rand der Grünanlage finden wir ein großes Eisengitter. Hier geht es abwärts in den berühmten Kronleuchtersaal, der sich in den Abwasseranlagen befindet. Kurios. Wir spazieren am kleinen Weiher vorbei und halten uns sofort danach links und verlassen den Park noch vor der vor uns liegenden Unterführung. Nachdem wir die Turiner Straße überquert haben, biegen wir halb links in die Greesbergstraße ein und folgen ihr bis zum Eigelsteintor.

    Das Eigelsteintor ist das Nordtor der mittelalterlichen Stadtmauer. Ab 1180 erbaut und 1881 abgerissen war dies die römische Verbindung zwischen den beiden alten Städten Neuss und Xanten und weiter in die südlichen Niederlande. Die Stadtmauer war ein starkes Bollwerk und die stärkste Befestigung nördlich der Alpen. In einer Nische des Tores steht ein Abguss des „kölschen Boor“. Er wurde 1891 als Symbol der Treue der Kölner zu ihrem Kaiser Wilhelm II. aufgestellt. Aber erst mit dem Dreigestirn wurde der „kölsche Boor“ wirklich populär. Das Original steht heute im Rathaus.

    Im Turmbogen hängt ein halb zerschossenes Schiffswrack, das an den Untergang der „Cöln“ im Seegefecht 1914 erinnern soll. Damals starben 379 Matrosen. Am Jahrestag findet hier immer eine Gedenkfeier statt. Ebenfalls hängt hier, wie an vielen Orten in Köln, das Stadtwappen. Aber was hat es damit eigentlich auf sich? Die Erklärung: Das Schild hat die Farben rot und weiß, die Farben der Hanse. Die Hanse war eine Vereinigung der Kaufleute zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert. Was heute kaum noch jemand ahnt, Köln war zusammen mit Lübeck Mitbegründer eben dieser Hanse und zählt damit zu den ältesten deutschen Hansestädten.

    Die drei Kronen im Wappen stehen für die heiligen drei Könige, denn ihre Reliquien wurden 1164 nach Köln gebracht und liegen im Goldenen Schrein des Kölner Doms. Seit dem 12. Jahrhundert sind die drei Kronen das Hoheitszeichen unserer Stadt. Die elf schwarzen Flammen sind seit dem 16. Jahrhundert im Kölner Stadtwappen zu finden. Sie erinnern an die Heilige Ursula. Eigentlich sollten die Flammen Hermelinschwänze darstellen, da diese im Wappen der Bretagne auftauchen, denn Ursula war eine bretonische Prinzessin.
    Wenn wir die Straße Eigelstein runterschauen, können wir unser nächstes Ziel bereits erblicken. Das Brauhaus “Em Kölsche Boor”.

    In unmittelbarer Nähe zur Eigelstein-Torburg, früher ein wichtiger Teil der alten römischen Heerstraße, die durchs komplette Rheinland führte, finden wir dieses schöne Brauhaus mit seiner über 250 Jahre alten Tradition. Namentlich erwähnt wurde es bereits vor der Zeit der französischen Revolution. Damit ist es eines der ältesten Brauhäuser Kölns. Einer der früheren Besitzer hatte vorher übrigens den „Roten Ochsen“ als Brauhaus (siehe Südstadttour).

    Ausgeschenkt wird nach Besitzerwechsel nun Mühlen-Kölsch. Sehr gut finde ich auch, dass hier der Senf unserer Kölner Senfmühle (siehe Südstadttour) benutzt und verkauft wird. So gehört sich das. Wer nicht aus Kölle kommt, sollte sich unbedingt das „Kontörchen“ in der Mitte des Brauhauses ansehen. Ein schönes Stück kölscher Brauhaus Tradition.

    Wo ich gerade vom Essen spreche. Hier im Eigelsteinveedel lebte früher auch ein unvergessenes Kölsches Original, das einem immer einfällt, wenn man vom Essen spricht. Die Rede ist von Johann Arnold Klütsch. Den Kölnern besser bekannt als „Fressklötsch“. Sein Appetit war überall in Köln bekannt und er sorgte immer wieder für unglaubliche Anekdoten. So hat er einmal beim Entladen eines Holländischen Frachters geholfen und als
    Lohn ein großes Rad Käse erhalten. Als er in die Stadt wollte, forderte man ihn auf, die fällige Steuer für den Käse zu zahlen. Dies tat er nicht. Stattdessen setzte er sich hin und vertilgte das komplette Rad Käse vor den Augen des Offiziellen und stolzierte danach hämisch grinsend an ihm vorbei durch das Stadttor.

    Nachdem wir uns „gestärkt“ haben, gehen wir einige Schritte weiter und biegen nach rund 100 Metern rechts ab auf den Stavenhof. In dieser kleinen Gasse liegt das Anno Pief.
    Mal kein Traditions-Gasthaus, aber trotzdem prima. Das Anno Pief entstand aus einer normalen Wohnung, nachdem der Stavenhof, so heißt die Straße, seinen Ruf als Rotlichtgasse eingebüßt hatte. Hier im Stavenhof arbeiteten früher die sogenannten „Kleingeld- Prostituierten“, sprich die älteren Damen des horizontalen Gewerbes, die aus den lukrativen Bezirken verdrängt wurden. Hier ist es die Straße, die für die Tradition zuständig ist. Millowitsch drehte hier seine „Klefisch“ Krimis und Jürgen Zeltinger besang den Stüverhoff. Eine normale Kneipe ist es aber natürlich trotzdem nicht. Im hinteren Bereich des Raumes sitzt man auf Kirchenbänken. Hier „denkt“ man Kölsch. Zurück auf der Straße Eigelstein sehen wir gegenüber in 20 Metern bereits das Weinhaus Vogel.

    Das Weinhaus Vogel ist ein sehr angenehmes Wein- und Bierhaus mit gemütlich rustikalem Ambiente. Urig schön. Wenn man hier im Biergarten sitzt, fällt es schwer sich vorzustellen, dass es nur rund 700 Meter bis zum Hauptbahnhof sind. Früher wurde viel Wein getrunken, auch in Köln. Aus dieser alten Tradition stammt noch der Name. Wie in vielen Brauhäusern war es auch üblich, Schnaps zu brennen. Auch dafür stand das Weinhaus Vogel. Und ein kleiner Tipp von mir, probiert einmal das eigene, etwas stärker eingebraute „Hopfenblut“. Es lohnt sich, am besten im urigen Thekenraum.

    Typischer Köbes Spruch: Gast: Köbes noch ene dubbelte Schabau (Schnaps) – Köbes: Sull ich dä bränge, bevur ich d’r Notarz roofe oder später?! Das nur am Rande.

    Am Eigelstein 115 steht das schmalste Haus in Köln. Es hat eine Breite von nur 2,56 Metern. Dafür hat es eine Länge von rund 30 Metern. Wenn ihr genau hinseht, werdet ihr feststellen, dass die Außenmauern der Nachbarhäuser für dieses kuriose Haus die Innenwände sind. Die oberen Etagen sind nur über eine Freitreppe im Hinterhof zu erreichen. Würdet ihr hier wohnen wollen?

    Von hier aus ist es jetzt nur ein kurzer Weg bis zum Hauptbahnhof. Wir gehen den Eigelstein weiter runter bis zur Unterführung, die wir schon sehen konnten. Jetzt halten wir uns links und sind nach wenigen Schritten wieder am Breslauer Platz.

    Viel Spaß beim entdecken. Weitere Spaziergänge findet ihr auf unserer Homepage: www.koelschgaenger.net

    euer Ronald
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