Satellite
Show on map
  • Day 161

    Kolmanskuppe - alte Diamantenstadt

    July 17, 2022 in Namibia ⋅ ☀️ 24 °C

    Am nächsten Tag geht es dann morgens direkt in das ca. 15 Minuten entfernte Kolmanskuppe.
    Im Eintrittspreis ist eine kurze Führung inbegriffen, bei der uns (natürlich auf deutsch) die sehr spannende Geschichte zu diesem Ort erzählt wird, bevor wir im Anschluss auf eigene Faust die Gegend erkunden dürfen.

    Zwischen Entstehung und Beginn des Verfalls liegen in Kolmanskuppe nur 48 Jahre und alles begann mit August Stauch, einem Eisenbahnangestellten in Thüringen, der 1907 auf ärztlichen Rat hin – er litt unter Asthma – in die deutsche Kolonie kam. In seiner Freizeit hatte er sich hobbymäßig mit der Mineralogie beschäftigt. Stauch wurde am Bahnhof Grasplatz in der Nähe von Lüderitz stationiert und als Bahnmeister mit der Aufgabe betraut, dort einen ca. 20 km langen Eisenbahnabschnitt von den ständigen Sandverwehungen freizuhalten. Dafür wurde ihm ein einheimischer Arbeiter, Zacharias Lewala, als Hilfe beigegeben. Stauch hatte seinem Gehilfen, der auf Grund früherer Tätigkeit in einer südafrikanischen Diamantenmine über mineralogische Kenntnisse verfügte, aufgetragen, während seiner Arbeit auch auf besondere Steine zu achten. Am 10. April 1908 fand Lewala einen solchen und brachte ihn pflichtgemäß seinem Vorgesetzten. Dieser vermutete einen Diamanten, war sich dessen aber nicht sicher und ließ sich seine Vermutung durch seinen in Lüderitz wohnenden Freund und Bergwerksingenieur Sönke Nissen bestätigen. Diese Diamanten hatte der Oranje vor Millionen Jahren ins Meer gespült. Wind und Wellen spülten sie in den Sand der Namib zurück. Die Südwestdiamanten sind meist nicht besonders groß, aber wasserklar und damit auf dem Markt beliebt. Stauch und Nissen behielten ihr Wissen zunächst für sich, kündigten ihre Arbeitsverhältnisse und sicherten sich bei der Kolmanskuppe (so benannt nach einem vor Jahren hier steckengebliebenen und geretteten Nama namens Coleman) einen 75 km² großen Claim, um weiter nach Diamanten zu suchen. Der Erfolg blieb nicht aus. Beide wurden zu vermögenden Männern, noch bevor das Gebiet vom Deutschen Reich zum Diamantensperrgebiet erklärt wurde, um die Kontrolle zu erlangen. Daraufhin schlossen sich einzeln arbeitende Schürfrechte-Inhaber zusammen, um in der Gemeinschaft stark zu sein und ihre Interessen vertreten zu können. So entstand um August Stauch herum die Koloniale Bergbaugesellschaft (KGB). Ihr Hauptquartier und die Siedlung Kolmanskuppe bauten sie in größter Nähe zu ihren Abbaugebieten.

    Der auf Diamanten gründende Reichtum der Bewohner ließ eine Bergbaustadt entstehen, in der viel Luxus vorhanden war – und das in einer Umgebung, die trostloser und lebensfeindlicher wohl kaum gedacht werden kann. Es gab kein Wasser, keinen Regen, keine Erde, in der auch nur das Geringste hätte wachsen können, keinerlei Infrastruktur – nur Sand, regelmäßig heftige Sandstürme und eine unbarmherzige Hitze.

    Aber man hatte ja Geld. Daher wurde das Trinkwasser kurzerhand von Kapstadt nach Lüderitzbucht verschifft und über die Schiene nach Kolmanskuppe transportiert. Rund 1000 km durch den wilden Atlantik.
    Und um den nötigen Strom in die Siedlung zu bekommen, wurde 1911 ein neues Kohlekraftwerk bei Lüderitz gebaut. Die erzeugte Energie erreichte Kolmanskuppe über Transformatoren und per Kabel. Und so wird dieser kleine Ort schließlich mit kostenlosem Strom zu einer Zeit erleuchtet, als das ganze Deutsche Reich und sogar große Teile Londons nur von Gas betriebenen Straßenlaternen erhellt wurden.
    Und mit dem neuen Strom konnte nun auch vom Meer Wasser zur Kolmanskuppe gepumpt werden. Dafür hat man extra eine Pumpstation, eine 30 km lange Pipeline und ein Staubecken gebaut. Es dient nicht nur den neu angeschafften abbautechnischen Großanlagen, sondern auch den Bewohnern des noch jungen Städtchens als öffentliches Schwimmbad (mit Marmorwänden).
    Und so wuchsen die Möglichkeiten und mit diesen die Kapazitäten, Bedarfe und Bedürfnisse. Neben den neuen, großen Diamantengewinnungshallen entstanden Werkstätten und Lagerhallen. Sogar ein privates Eisenbahnnetz entstand trotz beweglichem Wüstenboden. Es verband Kolmanskuppe mit anderen Lokalitäten im Sperrgebiet und umfasste nach 1911 bereits ein Netz von 70 km. Die ersten provisorischen Hütten wurden nun durch massive Häuser aus Stahlmörtel, Stein und Ziegel ersetzt. Im deutschen Stil und Design wurden imposante ein- und zweistöckige Wohnhäuser nach den neuesten Erkenntnissen der Architektur im tiefen Sand gebaut – Villen im Jugendstil mit Insignien des wilhelminischen Eklektizismus.
    Da lokale Baumaterialien nicht verfügbar waren, mussten alle Materialien, Türen, Fenster usw. aufwändig aus dem Deutschen Reich importiert werden. Eine Metzgerei und eine Bäckerei garantierten vertraute Gaumenfreuden und ein Kasino, mit Veranstaltungssaal für Theater- und Kinovorführungen, einer Turnhalle, einer Küche, einer Bar, außerdem Clubräumen und im Untergeschoss einer Kegelbahn ließen eine Heimat in der Fremde für die obere und untere Führungsebene entstehen.

    Der Anblick dieser Prachtbauten verrät zu dieser Zeit viel über den wirtschaftlichen Erfolg. Rund 4,7 Millionen Karat Diamanten – etwa 960 kg – werden zwischen 1908 und 1913 aus dem Sandmeer der Namib gefischt. Kolmanskuppe gilt in diesen Jahren sogar als reichste Stadt Afrikas, berechnet nach Pro-Kopf Vermögen.

    Nach dem 1. Weltkrieg wird eine Ziegelfabrik gegründet, um Abfallmaterial zu Bausteinen zu recyceln und den Ausbau des Städtchens voranzutreiben. Alles andere musste nach wie vor aus deutschen Landen importiert werden. 1926 wurde eine neue Schule gebaut und das Krankenhaus modernisiert. Es war das Krankenhaus mit dem ersten Röntgengerät überhaupt im südlichen Afrika. Für den medizinischen Einsatz natürlich, aber für Kontrollen im Kampf gegen Diamanten schmuggelnde Minenarbeiter im Besonderen. Wer glaubte, die Juwelen einfach schlucken und damit entkommen zu können, irrte sich. Das Röntgenbild (und Abführmittel) brachte alles ans Tageslicht 😅🙈.

    Zu dieser Zeit wohnen etwa 300 bis 400 deutsche Erwachsene, 40 Kinder und 800 Owambo-Vertragsarbeiter in Kolmanskuppe. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden sogar 3.400 Owambo-Vertragsarbeiter und 2.500 Cape Coloureds („Farbige“) auf den Diamantenfeldern beschäftigt. Sie waren es vor allem, die hart auf den Feldern schufteten, während die meisten Weißen das Leben wohlhabender Wüstenstädter lebten. Über die Unterbringung der Nicht-Weißen und den herrschenden Lebensbedingungen dort gibt es vergleichsweise nur bescheiden Auskunft. Es scheint, dass die Minenarbeiter in der Regel in der Nähe der Ausgrabungen und Arbeitsstätten untergebracht waren und nicht in der Stadt selbst. Auch lassen die spärlich existierenden Fotos und Zeitbeschreibungen vermuten, dass sie in Massenunterkünften mit eng aneinander gereihten Schlafnischen lebten. Ebenso deutet alles darauf hin, dass während der gesamten Lebenszeit von Kolmanskuppe eine Vermischung weißen und nicht-weißen Zusammenlebens in jeder Hinsicht unerwünscht war. Für die Nicht-Weißen gibt es sogar ein eigenes Lazarett.

    Der April 1930 trifft aber alle ähnlich hart. Die Detonationswellen der Weltwirtschaftskrise lassen selbst die entlegensten Ansiedlungen der südlichen Namib erzittern. Ihre Auswirkungen sind verheerend. Ein Rezessionstsunami nie gekannten Ausmaßes begräbt abrupt die globale Produktion unter sich. Auch in Kolmanskuppe werden die Laufbänder zeitweilig abgeschaltet. Doch damit nicht genug. Bereits vor dem Weltwirtschaftsdesaster sorgt 1928 die Entdeckung weitaus reicherer Diamantvorkommen im südlichen Sperrgebiet für existenzielle Unruhe und zur Verlegung der Diamantensuche.
    Ab 1951 wurden die nördlichen Diamantenfelder aufgegeben und Kolmanskuppe nicht mehr benötigt. 1956 verließen die letzten Bewohner/innen Kolmanskuppe und das Krankenhaus schloß seine Türen. Seit dem erobert die Wüste sich ihren verloren gegangenen Raum zurück.

    Auch Stauch versuchte nach dem schnellen Reichtum, diesen weiter zu mehren und investierte in vielfältige Unternehmen. Jedoch verlor auch er 1931 in der Weltwirtschaftskrise sein Vermögen.
    Im Alter lebte er wieder in seinem Geburtsort Ettenhausen und verstarb im April 1947 als armer Mann infolge eines Magenkrebsleidens. Lediglich zwei Farmen in Südwestafrika waren ihm verblieben. Sie existieren heute noch und werden von den Enkeln Stauchs bewirtschaftet (eine Jagdfarm und eine Weberei in Dordabis).

    Nach dieser Geschichtsstunde machen wir uns nun auf die noch verbliebenen Gebäude zu besichtigen, man darf und kann noch in viele der Häuser rein gehen, wenn nicht schon zu viel Sand den Weg versperrt. Vor allem die beiden imposanten Häuser des Buchhalters und des Minenverwalters stehen etwas erhöht und lassen einen den Reichtum erahnen. Unzählige Zimmer, Terrassen, Balkone und Badezimmer, wir fühlen uns ein bisschen wie bei einer Besichtigung, so gut ist noch alles nachvollziehbar und wirkt direkt ganz nett zum Wohnen 😍.

    Auch das Krankenhaus lässt sich noch besichtigen und natürlich statten wir auch der Kegelbahn einen kurzen Besuch ab bevor es langsam immer heißer und windiger wird, weswegen der Ort bereist Mittags wieder für Besucher schließt und wir uns auf den Rückweg machen.
    Wir sind richtig begeistert, das ist wirklich mal ein Lost Place besonderer Art.
    Read more