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  • Dia 63

    Limingen Gjestegård - Einst. Børgefjell

    1 de agosto de 2023, Noruega ⋅ ☁️ 14 °C

    Das war mit Abstand die beste Nacht seit Wochen. Ich bin in der Nacht zwar ein oder zweimal wach geworden, aber immer wieder sofort wieder eingeschlafen. Und ich habe tief und gut geschlafen. Ich dusche ein letztes Mal für die nächsten Tage, ich glaube, in vier Tagen übernachte ich noch einmal auf einem Campingplatz. Dann gehe ich nach oben zum Frühstück. Richtig guter Kaffee und vermutlich selbst gemachtes Brot sind eine echte Wohltat. Mein Handy erinnert mich daran, dass ich gestern nicht den Bewegungsring der iPhone Gesundheits-App geschlossen hätte. Samma Siri, bekommst du eigentlich mit, watt ich hier mache? Geh mir mit Deinem Bewegungsring nicht auf die Eier!

    Kurz nach mir kommt auch Markus zum Frühstück. Das gemeinsame Essen mit Unterhaltung tut gut. Auch gestern Abend haben wir beim Essen zusammen gesessen. Heute werden wir getrennte Wege gehen, denn heute erreichen wir den Namsvatnet. Ich habe bislang nur von wenigen gehört, die versucht haben, den See zu Fuß zu umrunden. Die meisten nehmen hier das Boot, um 15 Kilometer über den See zu fahren und dort in das Børgefjell einzusteigen. Markus möchte querfeldein gehen und einen Weg um den See herum suchen. Er wiederum hat schon von einigen Norwegern mitbekommen, dass diese sich einige Kilometer vor dem See querfeldein in die Berge begeben und von dort aus den See umrunden. Ich habe auch kurz überlegt, als Markus mir das erzählt hat. Immerhin fühlt es sich ehrlicher an, am Ende alles zu Fuß gegangen zu sein. Aber in meiner Planung habe ich von Beginn an zwei Boote eingeplant, da diese wohl von einem Großteil der NPLer genutzt werden. So bleibe ich auch jetzt dabei, mir das Leben nicht schwerer zu machen als notwendig. Somit habe ich zum zweiten Mal einen Zeitpunkt, zu dem ich an einem bestimmten Ort sein muss. Das letzte Mal musste ich den Zug in Størlien erreichen. Heute habe ich um 15:00 Uhr das Boot gebucht. Das kann man online machen und es empfiehlt sich einen Zeitslot zu wählen, wo bereits jemand anders gebucht hat. Lieber wäre ich bereits um 13:00 Uhr gefahren, hätte das Boot aber dann alleine bezahlen müssen. Die Bootsfahrt kostet pro Person 400 Kronen. Bei drei Leuten oder weniger wird der Mindestpreis von 1300 Kronen durch die Anzahl der Passagiere geteilt.

    Nach dem Frühstück gehe ich in mein Zimmer und fange an zu packen. Da hab ich heute nicht so richtig Lust drauf. Vermutlich habe ich den schwersten Rucksack seit einigen Wochen. Ich muss Gas für 20 Tage transportieren und Lebensmittel für rund neun Tage bis zu meinem nächsten Depot in Umbukta. Außerdem habe ich wieder unzählige Packungen Trekkingnahrung, rund ein Kilogramm Nüsse und Nussmix, ein Kilogramm Schokolade und nun auch wieder meine Trekkingschuhe, die sicher etwas schwerer als meine Laufschuhe sind. Irgendwie schaffe ich es tatsächlich, alles im Rucksack unterzubringen. Mehr geht aber wirklich nicht. Als ich den Rucksack aufsetze, merke ich einen deutlichen Unterschied. Aber ich weiß auch, dass es in 3 bis 4 Tagen schon deutlich leichter wird. Ich bin eh noch unsicher, wie diszipliniert ich die Schokolade auf die kommenden Tage aufteilen kann. Es würde mich nicht wundern, wenn diese nach drei Tagen bereits aufgebraucht ist.

    Dann verabschiede ich mich von Markus, der sein Zimmer gleich nebenan hat. Er ist noch mit Packen beschäftigt. Wir wünschen uns eine gute Tour und wollen über Instagram in Kontakt bleiben. Dann gehe ich hoch zur Rezeption, um bei Hilde, der Inhaberin des Gjestegård, zu bezahlen. Umgerechnet 225 € für zwei Nächte inklusive Frühstück und Abendessen inklusive Getränk. Das ist deutlich weniger, als ich erwartet hätte. Dann mache ich mich auf den Weg.

    Draußen hängen teils richtig dunkle Wolken. Aber es regnet nicht. Ich folge der Landstraße für einige Kilometer vorbei an einigen Seen. Nach einiger Zeit fängt es doch an, leicht zu regnen. Ich montiere den Regenschutz an meinem Rucksack, ziehe selbst aber noch keine Regensachen an. Solange es nur ein leichter Sprühregen ist, trocknen die Sachen im Wind schneller, als dass sie nass werden. Außerdem gibt es immer wieder Regenpausen, bis es nach einiger Zeit sogar komplett aufhört zu regnen. Ich höre etwas Musik. Irgendwie hat mich das Verlassen des Limingen Gjestegård ein wenig emotional gemacht. Es ist das sprichwörtliche Verlassen seiner Komfortzone. Komfortzone Gjestegård Limingen. Mehrere Tage hatte ich mich auf den Aufenthalt hier gefreut, die Ruhe hier zu genießen, sich um nichts Gedanken machen zu müssen. Jetzt geht mein Weg weiter voran, zurück in die Ungewissheit, das Ungeplante. Bis zum See kenne ich meinen Weg und muss nur der Straße folgen. Danach erwartet mich wieder eine zweitägige Passage querfeldein.

    Die emotionale Stimmung ist aber bald wieder vorbei und ich freue mich einfach, dass nun wieder etwas vorangeht. Die meisten Autofahrer, die mir entgegenkommen, grüßen von sich aus. Eine Frau hält neben mir an und fragt, ob sie meinen Rucksack mit vor transportieren soll. Ich bin hin und hergerissen, entscheide mich aber, meinen Rucksack zu behalten. Nicht aus Misstrauen, einfach nur, weil es sich für mich ein wenig wie Schummeln anfühlt. Die Sinngaftigkeit kann man wieder diskutieren ohne Ende. Aber meine Tour, meine Regeln. Und wenn ich das nächste Mal so ein Angebot annehme, ist es für mich auch in Ordnung. Meinen linken Fuß merke ich heute wieder deutlich. Aber ich bin zuversichtlich, dass alles einfacher wird, wenn ich das Boot erreicht habe. Denn danach ist Schluss mit Asphalt. Immerhin habe ich in den letzten Tagen rund 90 Kilometer Straße zurückgelegt. Und wenn ich mich daran erinnere, wie groß vorher meine Befürchtungen waren, bin ich nun ziemlich zufrieden, alles insgesamt gut überstanden zu haben. Das Problem ist zwar deutlich spürbar, aber es hindert mich im Moment nicht daran weiter zu gehen.

    Ziemlich genau im 13 Uhr erreiche ich den kleinen Hafen. Ein Boot kommt gerade an und ein Mann schleppt einen Koffer zur Anlegestelle. Es ist das Shuttleboot, das einige Leute an Board hat, die hier aussteigen. Ich frage den Mann vom Boot, ob ich auch jetzt mitfahren könne. Da ja noch ein zweiter Passagier dabei ist, dürfte es ja der gleiche Preis sein wie um 15.00 Uhr. So ist es auch. Er erzählt mir, dass dieses Jahr viele deutsche Norge på langs laufen. Er bewundert das sehr, würde es aber selbst wohl nicht schaffen, meinte er. Erst vor ein paar Tagen hätte er ein neues Schild installiert. Der Namsvatnet sei der Mittelpunkt von Norge på langs. Würde man eine gerade Linie von Lindesnes zum Nordkap ziehen, würde die Mitte genau auf dem See liegen.

    Dann fahren wir los. Der Bootsfahrer ist vermutlich der Sohn. Laut Webseite ist das Shuttleboot ein kleines Familienunternehmen. Zu viert heizen wir einmal quer über den See. Ich schätze, dass wir eine gute viertel Stunde unterwegs sind. Dabei erzählt mir der Mann noch ein paar Fakten zum See. Mittlerweile ist es ein Stausee. Am Ufer sieht man einen alten Hof. Fünf seien es mal gewesen. Die anderen liegen aber nun unter der Wasseroberfläche. Dann fragt er mich noch einiges zu meiner Tour und gibt mir Tipps, wie ich ab der Anlegestelle am besten weitergehe. Dort angekommen reden wir noch ein wenig weiter. Im Stress ist hier keiner! Herrlich! Wir machen noch ein gemeinsames Foto und er sagt, ich solle mich gerne per Mail melden, wenn ich am Nordkap angekommen bin. Dann fahren sie wieder davon. Der andere Passagier wird an einer anderen Stelle rausgelassen. Dann kommt die Sonne raus und die blauen Anteile am Himmel werden immer mehr. Das Boot verschwindet in der Ferne und nun stehe ich hier alleine am See. Die Stimmung ist unfassbar schön. Das Grün der Berge um mich herum strahlt richtig in der Sonne. Ich spüre eine tiefe Zufriedenheit. Ein paar Meter vom Steg entfernt ist eine kleine Hütte, ähnlich einer Bushaltestelle. Hätte ich bis 15:00 Uhr auf das Boot warten müssen, hätte ich mir dort etwas zu essen gemacht. Das hole ich jetzt nach. Ich hole Wasser vom See und koche mir ein Trekkinggericht. Auf dieser Etappe habe ich Trekkingnahrung einer anderen Marke. Das bringt willkommene Abwechslung in Spiel: Marokkanischer Linseneintopf.

    Nach dem Essen mache ich mich auf den Weg. Die ersten 200 m folge ich einem Pfad bis zu einer Brücke. Hier mache ich ein paar Fotos, quere die Brücke aber nicht. Denn von hier aus geht es querfeldein. Zu Beginn finde ich sogar einen kleinen Trampelpfad, dem ich weiter Folge. Nach kurzer Zeit komme ich in offenes Gelände. Es gibt einige Sumpfpassagen, aber es ist sehr leicht, sich hier seinen Weg zu suchen. Einigen wenigen kleinen Wäldern weiche ich aus. Auch der in der Karte eingezeichnete Weitwanderweg E1 führt ungefähr hier lang. Nach eineinhalb Stunden mache ich eine Pause am Fluss. Das klare Wasser hat eine türkise Färbung, besonders wenn die Sonne hinein scheint. In das Børgefjell hab ich mich jetzt schon verliebt. Eine seltene Fuchsart soll es ihr geben. Außerdem auch Bären und Wölfe. Aber dass man diese zu Gesicht bekommt, sei ziemlich unwahrscheinlich. Nach wenigen Minuten fängt es an zu regnen. Der Rand eines Regenschauers scheint mich zu streifen. Der Wind frischt auf und es wird richtig ungemütlich. Aber schon 10 Minuten später kommt die Sonne wieder raus und der Wind beruhigt sich.

    Ich gehe weiter. 25 Wanderkilometer stehen heute auf meinem Programm. Rund fünf Kilometer sind es noch. Der Rucksack wird zunehmend schwerer und es geht stetig bergauf. Dafür wird das Gelände immer einfacher. Wenn ich das hier mit dem querfeldein gehen vor einigen Tagen vergleiche, ist das hier echt ein Spaziergang. Je höher ich komme, desto mehr legt auch der Wind zu. Und dann fängt es kräftig an zu regnen. Kalter Wind und Regen von der Seite. Das ist richtig ungemütlich. Ich ziehe meine komplette Regenmontur an und gehe weiter. Eigentlich habe ich mein Ziel erreicht. Aber bei diesen Bedingungen habe ich keine Lust, ein Zelt aufzubauen. Es dauert aber nicht lange, dann hört der Regen auf. Weiter unten am Fluss entdecke ich eine eben aussehende Stelle. Ich gehe runter, schaue mir das aus der Nähe an und entscheide mich, hier zu bleiben. Erst als ich gewaschen im Zelt liege, stelle ich fest, dass ich doch deutlich bergauf liege. Es ist deutlich, aber wiederum auch nicht so deutlich, dass ich mein Zelt noch einmal umstelle. Jetzt ist Feierabend. Ich mache Abendessen, um anschließend die erste Tafel Schokolade anzugreifen. Was für ein schöner Tag!
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