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  • E1-009-D-Flensburg (31 km)

    16 августа 2014 г., Германия ⋅ ⛅ 17 °C

    Das kleines Finale!
    Heute werde ich auf meiner Nordroute die dänischen Grenze und damit den nördlichsten Punkt meiner Wanderung durch Deutschland erreichen. Ich freue mich schon wie Bolle darauf.
    Doch noch liegt eine dreißig Kilometer Wanderung plus Zugfahrt nach Tarp zwischen mit und dem Kleinen Finale.
    Die heutige Wanderung soll ruhiger und entspannter verlaufen als die letzte Etappe. Das habe ich mir fest vorgenommen, denn von Hast und Eile habe ich genug.
    Schon um acht Uhr geht's los. Die Hamburger Straßen sind noch menschenleer. Heute läuft alles wie am Schnürchen. Die Bahn bringt mich pünktlich nach Tarp. Ich bin herrlich entspannt. Doch am Bahnhof klemmt die Zugtür, sie geht einfach nicht auf. Ich gerate in Panik. Ich will raus! Voller Wucht stemme ich mich gegen das Hindernis. Es knackt. Doch nicht die Tür, sondern das Fenster gibt nach, bricht einfach aus der Fassung, kracht splitternd auf dem Bahnsteig. Mit meiner Fassung ist es ebenfalls vorbei, ich habe mich furchtbar erschrocken. Doch die Tür bleibt zu, hier ist nichts zu machen. Eilig haste ich durch den Waggon zur nächsten Tür, die sich wie Butter öffnen lässt. Endlich draußen. Gerade noch rechtzeitig, schon rollt der Zug weiter.
    Ich stehe sinnierend vor der geborstenen Scheibe.
    „Warum setzt die Bahn nur so alte Rumpelzüge ein?“, frage ich mich laut.
    Niemand kann mir antworten, der Bahnsteig ist menschenleer, keiner hat das Malheur beobachtet.
    Ich wende mich ab und gehe. Soll sich die Bahn doch um ihren Müll kümmern.

    Wenn alles gut läuft, werde ich heute meinen nördlichsten Punkt erreichen, der für viele E1-Wanderer doch eher der Startpunkt ist, denn die meisten starten den Fernwanderweg an der dänischen Grenze, um in südliche Richtung zu laufen. Karin Baseda Maas, deren Buch "E1 – das Buch zum Weg" ich gerade mit Vergnügen gelesen habe, beschreibt ihren persönlichen Startpunkt als „eine Rolltreppe an der dänischen Grenze“. Mein Weg wird südlicher enden. Den Yachthafen vor dem Hotel Wassersleben - kurz vor der dänischen Grenze - habe ich zu meinem Zielpunkt erkoren. Ein Bad in der Ostsee soll der krönende Abschluss der Tour sein. Sogar an Badehose und Handtuch habe ich heute gedacht.
    Bevor es so weit ist, liegen aber noch sechs Stunden Marsch vor mir. Der Wetterbericht hat sonnige zwanzig Grad vorhergesagt.
    Der Weg vom Bahnhof zurück auf den E1 führt mich noch einmal am Eulenwanderpfad vorbei. Heute habe ich mehr Zeit eingeplant, um mir die Skulpturen anzusehen. Es sind viele.

    Nun stoße ich wieder auf den E1, der zusammen mit dem Ochsenweg (Haervejen) verläuft. Eine von insgesamt dreizehn Pilgerhütten lädt bald zur Rast ein, schön an einer Wiese gelegen. Ich kann nicht widerstehen, obwohl es für eine Pause eigentlich noch zu früh ist. Während ich die Brote mit Lust verzehre, denke ich sehnsüchtig an heißen Kaffee. In Gedanken ergänze ich die Ausstattungsliste um eine Thermoskanne.
    Kurze Zeit später packe ich alles wieder ein und schon hat mich der Wald wieder verschluckt. Meine Schritte bedächtig setzend, wandere ich gemächlich und ohne Hast. Kein Zeitdruck heute, aber das Wissen darum, dass ich einen Meilenstein auf meinem Weg durch Deutschland heute erreichen werde, lässt mich doch ein wenig ungeduldig werden. Es ist eine freudige Erregung in mir, bald etwas geschafft zu haben, dass ich mir vorgenommen habe.
    Jetzt aber genieße ich erst einmal den Wald und nehme ihn mit meinen Sinnen auf.
    Riech, wie würzig der Waldboden riecht!
    Schau, wie die Sonne durch das grüne Blätterdach blinkt!
    Hör, wie die Vögel singen!
    Einige Kilometer führt mich der Weg durch den verwunschenen Wald, dann erreiche ich Oeversee, wo ich der romanische Rundturmkirche St. Georg einen Besuch abstatte. Seit dem 12. Jahrhundert ist sie Anlaufstation für Pilger und Reisende auf ihrem Weg nach Rom oder Santiago de Compostela. Früher war hier sicher mehr los. Der Vorraum zur Kirche ist schlicht, eine Tür führt ins Innere der Kirche. Auch sie ist in schlichtem Weiß getüncht. Ich mache nur einen kurzen Rundgang, stehe bald wieder im Vorraum. In einer Ecke ruht das Kirchenbuch, in das ich einen Eintrag mache.
    Auf dem Friedhof erzählt ein alter Grabstein von einem Mann, der vor mehr als hundert Jahren hier in der Nähe in der Nacht erfroren aufgefunden wurde.
    Weiter geht es zum Sankelmarker See. Eine Aussichtsplattform oberhalb des Sees lädt zum Schauen ein, darauf eine Bank, auf die ich mich erst setze und dann lege. Schon bin ich eingenickt, sehe mich im Traum schon in der Ostsee schwimmen.
    Stimmen holen mich aus dem Traum zurück. Ich muss mir die Augen reiben, so fest habe ich geschlafen. die Stimmen stammen von zwei Frauen, die laut plaudernd mir gegenüber in der Sonne sitzen, neben sich zwei große und prall gefüllte Rucksäcke. Sie scheinen auf einer längeren Tour unterwegs zu sein. Das interessiert mich, ich spreche sie an. Mutter und Tochter erzählen bereitwillig, dass sie ihren Urlaub nutzen, um eine Woche auf dem E1 von Flensburg nach Kiel zu gehen. Erst heute morgen sind sie in Flensburg gestartet, abends wollen sie sich irgendwo ein Quartier suchen, gebucht ist nichts. Auf ihrer Wanderung orientieren sich am Wanderführer von Arthur Krause „Europäischer Fernwanderweg E1“ (erschienen 2000). Ich darf einen Blick hinein werfen. Von dem Buch hatte ich gehört, es ist mittlerweile vergriffen und wird wohl auch nicht neu aufgelegt. Obwohl schwer, haben sie es auf die Tour mitgenommen, weil es für sie nützlich ist für die Routenplanung, der Suche nach Unterkünften und als sonstige Informationsquelle für alles, was am Wegesrand liegt. Die Damen sind begeistert von dem Buch. Im Gegenzug erzähle ich von meinem Plan, durch Deutschland zu wandern und das ich kurz davor bin, meinen vorerst nördlichsten Punkt zu erreichen. Ich zeige ihnen, wie ich mit der Komoot-App plane und navigiere. Sie staunen, was Technik alles möglich macht.
    Es ist Zeit, weiter zu gehen. Unsere Wege liegen in entgegengesetzter Richtung. Wir wünschen uns gegenseitig viel Glück auf unseren Touren. Während ich den Hügel zum See hinunter gehe, bleiben die beiden auf ihrer Bank sitzen und schauen mir nach. Am See drehe ich mich noch einmal um und winke ihnen fröhlich zu. Sie winken zurück.
    Nun geht es vorbei an großen Maisfeldern, dessen Pflanzen schon hoch gewachsen sind und reif. Man kann nicht mehr drüber schauen, was das Wandern etwas trist macht.
    Kurz vor der Flensburger Stadtgrenze verlässt der Ochsenweg, der um Flensburg herum verläuft, den E1, der in die Flensburger Innenstadt führt.
    Hier komme ich endlich an einem Schild vorbei, dass die offizielle Längenangabe des E1 verrät: von Flensburg bis Konstanz sind es 1.800 km. Zweihundertsiebzig Kilometer davon habe ich bereits bewandert. Verbleiben also eintausendfünfhundertunddreißig Kilometer. Eine beachtliche Entfernung, die mir Respekt abfordert.
    Es geht über eine Brücke, die über den Flensburger Bahnhof führt. Fünf Kilometer sind es jetzt noch. Es geht durch die Flensburger Innenstadt, wo ich endlich einen Kaffee kriege.
    In der Fußgängerzone sind die Geschäfte geöffnet, es schäumt vor Menschen, in der Grenzstadt ist viel Dänisch zu hören. Mit Shoppen aber möchte ich meine Zeit nicht verbringen, denn ich habe mein Ziel nun schon fast vor Augen. Bald bin ich am Stadthafen, auch hier sind viele Menschen unterwegs. Alte Schoner sind im Hafenbecken verzurrt. Heute ist Hafenfest. Von Buden und Ständen strömt der Geruch allerlei Speisen und Getränke herüber, machen Lust auf Currywurst und Flensburger Bier.
    "Aber nein, halte aus, noch bist du nicht am Ziel!". Ich muss mich echt zusammen reißen.
    Weiter geht es durch ein tristes Gewerbegebiet.

    Die Ostsee blinkt durch die Bäume, mein Herz beginnt zu hüpfen.
    Nur noch ein kleines Stück am Sandstrand entlang und dann kann ich mein Ziel auch schon ausmachen. Es ist schon ganz nah. Die Beine werden von alleine schneller, alles in mir strebt dem Ende entgegen.
    Da, ein Pfiff. Ich schaue mich um. Woher kommt der denn?
    „Willkommen, Michael. Du bist fast da! Glückwunsch!“.
    Mit diesen Worten springt sie von einem umgestürzten Baum herunter, auf dem sie auf mich gewartet hat. Sie gegrüßt mich mit einer Umarmung. Ich war erst in der Marina mit ihr verabredet. Hier habe ich nicht mit ihr gerechnet. Sie hat mich überrumpelt. Kaum hat sich die freudige Überraschung gelegt, da fange ich an zu lachen. Und lache immer weiter, kann gar nicht mehr aufhören.
    Die Flasche Flensburger in ihrer Hand macht Plopp, als sie den Bügelverschluss mit einer Hand öffnet.
    „Für den wackeren Wandersmann“, sagt sie lächelnd und reicht mir die Flasche, die ich dankbar nehme. Das kühle Bier läuft die Kehle hinunter. Ah, wie lecker das schmeckt. Ich leere die Flasche in einem Zug. Dann umarme ich sie. Tränen steigen mir in die Augen. Ich spüre Dankbarkeit. Für das Bier, aber auch für die Entscheidung, los gegangen zu sein. Ich empfinde Glück.
    Und es ist ja erst der Anfang meiner langen Wanderung.
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