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- Sunday, May 31, 2015
- ⛅ 20 °C
- Altitude: 76 m
GermanyHameln52°6’9” N 9°22’37” E
E1-18-D-Hameln (25km)

Der Weg der drei Türme (2. Tourtag)
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf. Die Sonne zeigt sich bereits von ihrer besten Seite, die dunklen Wolken sind woanders hingezogen. Zunächst geht es durch die kleine Fußgängerzone von Bad Münder, die Geschäfte haben geschlossen, die Petri-Paul-Kirche ruft mit ihrem Geläut zum Sonntagsgottesdienst.
Hinter der Stadtgrenze beginnt der Süntel. Wie der Deister ist auch er mit Laubwald bedeckt. Wie gut, dass ich kräftig gefrühstückt habe, denn der fünf Kilometer lange Aufstieg ist steil, aber auch sehr anmutig. Nach einer anstrengenden Stunde erreiche ich den Gipfel in 437 Metern ü.NN. Erschöpft und froh, es geschafft zu haben, lasse ich mich auf einer Bank nieder. Sie steht vor dem Süntelturm, 1899 auf der Hohen Egge erbaut, der höchsten Erhebung des Süntel. Hier steht der dritte Turm der <Drei Türme Route>. Während ich Luft schöpfe, schaue ich mich um. Der Turm ist umgeben von Laubwald, sieht dem Nordmannsturm zum Verwechseln ähnlich, ist aber ein paar Meter höher, wie ich bei Wikipedia nachlese. Dort steht auch, dass der massive Steinanbau, in dem die Gaststätte betrieben wird, schon 1910 hinzu gekommen ist. Offensichtlich zieht er (oder seine Gastronomie) bei gutem Wetter viele Leute an, die vor dem Turm auf den Bänken bei Speis und Trank sitzen. Viele sind Sportradfahrern und ich frage mich, warum sich Radsportler immer die schwierigsten Ziele aussuchen.
Nachdem auch ich wieder Kraft geschöpft habe, entrichte ich für die Turmbesteigung meinen Obolus, öffne die schwere Tür zur Steintreppe und stapfe die 95 Stufen den Turm hinauf. Schwere, massive Holzbalken auf der Innenseite der gewendelten Treppe stützen die Stufen, trotzdem wirkt es auf mich nicht sehr vertrauenserweckend. Andererseits, baufällig sieht die Treppe auch nicht aus. Im Internet kann ich später bei Wikipedia lesen: „Im Jahre 2012 wurde der Aufstieg zum Turm wegen Einsturzgefahr der Treppenstufen gesperrt. Die Sanierung der Treppe wurde im Juli 2012 abgeschlossen“. Also sind die Holzbalken die Sanierung. Na, so was! Noch 12 Stufen eine Stahltreppe hinauf, dann bin ich auf der Aussichtsplattform. Ein junges Paar weicht aufgeschreckt zurück. Sie hatten sich heftig umarmt und verdrücken sich nun schnell. In aller Ruhe lasse ich den Blick über den Süntel schweifen. Wohin ich schaue - nur Wald. Da öffnet sich die Turmtür. Ein Vater tritt leise stöhnend auf die Aussichtsplattform. Er hat ein kleines Kind im Arm, ein zweites an der anderen Hand. Kaum angekommen, macht es sich von der Hand los und beugt sich weit über die Brüstung.
Nun ist es an mir, mich zu verdrücken.
Wenn man einen Berg hinauf steigt, muss man auch wieder hinab. Und so ist es auch jetzt, steil geht es die nächsten fünf Kilometer den Süntel runter, die erste Hälfte der Strecke auf einem gut ausgebauten Wanderweg, dann einen schmalen Waldpfad entlang, bis der Süntel im Ort Unsen zu Ende ist.
Nach dem Auf und Ab ist es entspannend, eine Weile auf der Ebene zu wandern, auch wenn es eine Straße entlang geht. Doch sie ist nicht viel befahren. Die Freude währt nicht lange, kurz hinter dem Ort geht es links wieder die Höhe hinauf, jetzt wartet der Schweineberg auf seine Bezwingung. Aber zuvor mache ich Rast und beobachte, auf einem Holzstoß sitzend, den eleganten Flug zweier Greifvögel. Es müssen Schwarzmilane sein, die gegabelten Schwänze und das dunkle Gefieder deuten darauf hin. Sie lauern auf Beute und kreisen dabei über einem nahen Feld, auf dem der Bauer gerade Heu wendet. Die Schwingen fast bewegunglos, gleiten sie hin und zurück, einem immer gleichen Bogen folgend. Lange Minuten, Runde um Runde, fliegen sie im Kreis, bis plötzlich einer der beiden in das Feld hinab stößt und mit einer Maus aufsteigt. Da fängt der andere aufgeregt an zu fiepen, der erste schraubt sich höher. Lange beobachte ich den Flug der beiden Milane, wie sie auf die andere Talseite fliegen, sich dabei necken und mit der Beute in der Luft spielen. Dann sind sie außer Sicht und meine Pause ist lang genug geworden. Ich folge dem Hinweisschild Richtung Schweineberg, der nur einen halben Kilometer von hier entfernt sein soll. Gleichzeitig wird das Schild auch als Marke für den E1 verwendet und so weiß ich, dass ich noch auf dem Fernwanderweg bin.
Es folgen 600 Meter, die es in sich haben, denn es geht wieder bis auf 280 Meter ü.NN hinauf. Die Mühe wird wieder nicht mit einem Fernblick belohnt, denn auch hier stehen hohe Laubbäume dicht bei dicht und das Unterholz gewährt keine Durchsicht. Und schon geht es wieder bergab, jetzt ist es nur ein schmaler Pfad. Ich verlaufe mich, denn er endet mitten im Wald. Zurück will ich nicht, also schlage ich mich mit dem Smartphone vor der Nase, das mir mit der Komoot Karte beim Navigieren hilft, durch das Unterholz. Ein paar hundert Meter weiter treffe ich wieder auf den Weg. Glück gehabt.
Ich komme an sehr hohen Bäume vorbei, alten Veteranen von gewaltigem Durchmesser. Auf manchen von ihnen hat der Wegewart ein dickes, weißes Kreuz als Wegmarke des E1 gemalt, von weitem schon gut sichtbar. Ich bin auf einem Waldlehrpfad und Schilder erläutern mir die Geschichte einiger Baumriesen, die hier schon lange stehen. Manche sind über 200 Jahre alt. Respekt!
Das idyllisch gelegene Forsthaus Heisenküche mit seinen weiß gedeckten Tischen auf der Terrasse lädt zum Verweilen ein. Aber nein, keine Rast mehr, ich will weiter.
Doch das stellt sich im Nachherein als Fehler heraus. Hätte ich doch nur noch einmal Kraft bei einer Tasse Kaffee getankt. Denn kaum ist die Straße überquert, geht es schon wieder steil bergan. Noch einmal sind 80 Höhenmeter zu überwinden, und dieses Mal ist das Ende des Pfades in luftiger Höhe bereits von unten auszumachen, es geht schnurgeradeaus steil nach oben. Noch stehe ich ganz unten und fühle mich als Flachlandtiroler entmutigt, denn ich bin schon ganz ausgepowert von dem ständigen Auf und Ab. Mit meinen letzten Kraftreserven schaffe ich den Aufstieg und schnaufe mächtig. Der Schweiß rinnt und ich komme an meine Grenzen. Aber es hilft nichts, ich muss da hoch. Ein wenig versöhnt die Schönheit des Waldes. Endlich komme ich oben an – und wieder keine Fernsicht.
Dann folgt der letzte Abstieg. Der schmale Pfad windet sich durch den Wald, bis ich nach mehr als fünfzig Wanderkilometern wieder in den Lärm der Stadt eintauche. Doch vorher kann ich vom Aussichtspunkt <Paul-Gerhardt-Gemeinde> noch einen Blick auf Hameln werfen, das sich hier nicht von seiner schönen Seite zeigt.
Nur noch wenige Minuten, dann bin ich am Bahnhof. Ein Latte Macchiato im Restaurant gegenüber vom Bahnhof verkürzt die Wartezeit. dann bringt mich die S-Bahn nach Weetzen zurück, wo das Auto wartet. Ich fahre müde, aber glücklich und von vielen Eindrücken erfüllt von meiner zweitägigen Wanderung nach Hamburg zurück.Read more
TravelerAm Süntelturm war ich auch. Da kreuzt der Weserberglandweg (NST) den E1 und den E11. Leider war da alles wegen Corona geschlossen.
Michael-wandertDer Weserberglandsweg steht auch noch auf meinem Zettel. Beim Übertragen dieses Footprints dachte ich so bei mir: da musst Du noch mal hin… Nun ist Corona ja hoffentlich Vergangenheit.
TravelerDer Weserberglandweg ist schön. Fang am besten in Minden an, falls du dort noch nicht warst. Das Wasserstraßenkreuz ist sehenswert. Von dort ist es nicht weit zur Kirche. Da gibt es den Jakobsweg hinauf zur Porta Westfalica. Oben auf dem Kamm gibt es auch noch einiges Interessantes zu sehen. Ich finde der Umweg lohnt.