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- fredag 1. mai 2015
- 🌧 10 °C
- Høyde: 297 m
TysklandNürnberg Heilig-Geist-Spital49°27’9” N 11°4’50” E
Einführung

Mitte Mai 2015 geht die Wanderung am Steinhuder Meer weiter.
In diesem Jahr folge ich dem E1 nicht konsequent, lasse seine mitunter ausschweifenden Umwege aus und wähle stattdessen andere lokale Weitwanderwege.
Da die Anfahrtswege immer länger werden, gehe ich dazu über, zwei bis viertägige Wandertouren zu unternehmen.Les mer
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- torsdag 14. mai 2015
- ⛅ 12 °C
- Høyde: 72 m
TysklandHaste52°22’45” N 9°23’19” E
E1-16-D-Steinhuder Meer (32km)

Einmal nur ist Vatertag
Der Wecker klingelt früh, doch statt Vorfreude zu empfinden, dass es mit dem Wandern nun wieder los geht, verspüre ich eher einen nicht genau bestimmbaren Unmut. Habe ich etwa keine Lust mehr zum Wandern? Mein Blick nach draußen verspricht einen verhangenen Tag und im Bett zu bleiben scheint schöner als nach draußen zu gehen. Doch der zweite Kaffee, noch im Bett genossen, gibt mir die notwendige Energie, mich aufzuraffen und meine Siebensachen zu packen. "Was gehört noch einmal in den Rucksack?", frage ich mich still, "und was habe ich als Proviant immer dabei gehabt?" Die Routine ist noch nicht wieder da, aber schließlich habe ich alles beisammen. Es ist schon spät geworden, als ich zum Bahnhof fahre.
Während der Zugfahrt freue ich mich dann doch, dass es wieder los geht! Der Winter war lang und auch erfüllt. Ich hatte mich auf den ersten Marathon meines Lebens vorbereitet und bin ihn im April gelaufen. Damit starte ich jetzt gut vorbereitet in die neue Wandersaison.
Erst um 12:30 Uhr stehe ich am Bahnhof von Neustadt am Rübenberge. Vor einem halben Jahr wartete ich genau hier am Gegengleis auf den Zug, der mich nach meinem letzten Wandertag zurück nach Hamburg bringen sollte. Der Bahnhof sieht noch unverändert aus, es wird immer noch gebaut.
Aber das ist mir egal, ich schultere den kleinen Rucksack und verlasse schnell diesen trostlosen Bahnhof. Ich habe mich auf eine zunächst langweilige Strecke eingestellt, denn bis zum Steinhuder Meer ist der Weg nur ein Verbindungsstück. Umso mehr bin ich überrascht, dass der schmale Pfad an Wiesen und Feldern vorbei führt und wunderschön ist.
Meine Füße und Beine erinnern sich schnell ans Wandern und die ersten Kilometer fließen gemächlich und entspannt dahin.
Zehn Kilometer weiter erreiche ich den Ort Steinhude. Ich biege in die Deichstraße ein, sie führt direkt zum See und endet auf einem großen Platz, dahinter liegt der riesige See, dem der Ort seinen Namen gab: das Steinhuder Meer. Er soll nicht sehr tief sein, durchschnittlich nur 135cm. Könnte ich von hier aus ans andere Ufer waten? Ein interessante Frage, aber der Magen lenkt davon ab, denn er knurrt und signalisiert, es sei Zeit für eine Pause. Schnell noch einen Kaffee im Pappbecher gekauft, setze ich mich auf eine Steinbank direkt am Seeufer und hole meinen Proviant heraus. Während ich genüsslich in mein Brot beiße und ein Ei abschäle, schweift der Blick umher. Auf dem Platz herrscht munteres Treiben, denn es ist Vatertag. Menschen nutzen den Feiertag für Unternehmungen, alleine oder in Gruppen. Die Cafés freuen sich über den regen Zulauf. Neben mir hockt ein kleines Kind und will einen Schwan füttern. Hinter dem Kind die Mutter, legt schützend die Hände auf die Schultern des Kindes, ist aufgeregt, vielleicht hat sie selber Angst vor dem großen, weißen Tier. Oder, weil das Kind ins Wasser fallen könnte. Sie hält es fest und das Kind fängt an zu weinen. Etwas weiter entfernt eine Brücke über einen Seitenarm, der zu einem Bootsverleih führt. Ein Ruderer versucht, mit seinem Ruderboot unter der Brücke hindurch zu kommen, tut sich aber schwer damit. Ständig dreht er sich um, rudert mal hier, mal dort hin, aber nie gerade aus. Er hat offenbar keine Übung im Rudern. Hinter dem Ruderboot einige Segelboote mit schlaffen Segeln, sie dümpeln im glatten Wasser, denn kein Lüftchen bewegt sie vorwärts. Dahinter viel offenes Wasser, das andere Ufer ist nur undeutlich auszumachen. Der See hat riesige Dimensionen, aber ihn als Meer zu bezeichnen, erscheint doch etwas übertrieben. Die Bezeichnung „Meer“ kommt auch aus dem Plattdeutschen und im Mittelalter wurden große Seen so genannt.
Nach einer ausgiebigen Pause geht es weiter. Über die Brücke, eine Uferpromenade entlang, Ausflüglern ausweichend, die hier flanieren. Die Promenade weicht einem hübschen Uferweg, der mehrere Kilometer am See entlang führt, gesäumt von einer Baumallee. Dahinter ein kleines Waldstück. Ich komme vorbei an einem Stadtfest, das laute Musik wummernd herüberschickt. Vorbei an Menschen, die sich zum Picknick mit Bier oder Kaffee versammelt haben. Dann ein kleines Schauspiel: ein Mann legt seinen Kopf in den Nacken und heult mit tiefem Ton aus voller Brust. Die Luft entweicht seiner Lunge, dann wird er still, da stimmt ein neben ihm sitzender Hund ins Geheul ein. Er kann es besser als sein Herrchen. Danach ein Moment der Stille, doch der Mann versucht es ein zweites Mal. Der Hund erwidert seinen Ton. So geht es hin und her, ich kann es noch hören, als sie schon außer Sicht sind.
Der Uferweg endet am Lürssen-Damm, dort führt eine Brücke weit in den See hinaus und gewährt einen letzten, schönen Blick über das Meer. Viele Ausflügler haben es sich auf der Brücke bequem gemacht und genießen den Augenblick.
Der Weg wendet sich ins Landesinnere. Kaum einen Kilometer weiter kommt ein Kiosk in Sicht. Zeit für ein Eis, finde ich. Ich lehne mich auf den Verkaufstresen und bestelle ein Nogger. Neben mir leicht schwankend zwei junge Männer, vielleicht sind sie nicht mehr ganz nüchtern. Mutig geworden, flirten sie mit der ebenso jungen, aber weiblichen Bedienung, versuchen, sie zu überreden, vorzeitig Feierabend zu machen. Sie wollen, dass sie mit ihnen kommt und lassen sich eine Menge Sprüche einfallen. Dabei sind sie durchaus amüsant, sie aber hat für die beiden nur jede Menge kesser Antworten parat und denkt nicht daran, den Wünschen der Halbwüchsigen nachzugeben. Wie viele Sprüche sie sich wohl heute schon hat angehören müssen?
Weiter geht es. Bald durchquere ich den Ort Hagenburg, komme an einem Grundstück vorbei, in dem allerlei lustige Steinskulpturen aufgestellt sind. Ich kann Pferde sehen, ein rosa Schwein lugt lustig herüber, im Hintergrund scheint eine weiße Schafherde über das kurz geschorene Gras zu rennen, ohne je voranzukommen. Ein Klapperstorch steht auf einem Kutschbock und dirigiert stolz ein eingespanntes Pferd durch den Garten. Und vor einer kleinen Windmühle hat es sich ein Gartenzwerg gemütlich gemacht.
Hagenburg folgt ein Waldstück, das auf seiner anderen Seite von Düdinghausen begrenzt ist. Kurz bevor ich den Ort erreiche, ein Schild, darauf die Information, dass ich mich auf diesem Pfad auf zwei Pilgerwegen gleichzeitig bewege: der eine ist der Loccum-Volkenroda, der - über 290km lang - zwei Klöster miteinander verbindet, der andere der Sigwardsweg, der auf 170km die Wirkungsstätten eines ehemaligen Bischofs von Minden (1120 – 1140 n.Chr.) zeigt. Ich streife diese Pilgerpfade jedoch nur kurz. Eigentlich folge ich heute noch einmal dem E1, dessen Zeichen ich auf meinem Weg auch immer mal wieder entdecke.
Hinter Düdinghausen wird es beschwerlich, denn es geht eine Anhöhe hinauf, bis auf 100m. Oben angekommen, werde ich durch eine gute Aussicht belohnt. Zunächst interessiert mich, was östlich liegt, denn einige Kilometer weit entfernt ist ein schmutziggrauer Hügel zu sehen, er ist so hoch, dass er bereits vom Steinhuder Meer aus zu erblicken war. Meine Wanderung führt im weiten Bogen um ihn herum. Es ist die Abraumhalde des Kaliwerkes Sigmundshall, der letzten Abbaufläche von Kalisalz in Niedersachen. Abgebaut wird untertage, der Abraum wird zusammen mit dem gewonnenen Kalisalz nach oben befördert. Während das Salz zu Düngemittel verarbeitet wird, verbleibt der Abraum an Ort und Stelle und hat mit der Zeit einen imposanten Berg entstehen lassen. Nähert man sich, so wie ich heute, vom Steinhuder Meer, dann dominiert er die vor einem liegende flache Landschaft.
Ich wende meinen Blick jetzt südlich, in die Richtung, die ich gleich einschlagen werde. Eine wunderschöne Aussicht auf ein weites Tal liegt vor mir. Dort soll der Mittellandkanal hindurchfließen, den ich überqueren will. Allerdings ist er noch nicht auszumachen, unsichtbar ist er von hier aus. Hinter dem großen Tal, in noch weiter Entfernung liegt der Deister im Dunst. Seine Hügel ragen bis auf 400m hinauf, das ist für die norddeutsche Tiefebene eine mächtige Erhebung.
Über den Deister wird meiner nächsten Wanderung führen und in diesem Moment bin ich voller Freude auf das, was vor mir liegt.
Weiter geht es jetzt bergab. Im Nu bin ich am Mittellandkanal, der verborgen bleibt bis zu dem Moment, als ich den ihn begrenzenden Deich erklimme. Da liegt das Fahrwasser, zieht sich von Ost nach West in einem blauen Band. In der Ferne kommt ein langes Motoschiff langsam näher. Die Aufbauten ragen weit aus dem Wasser, es fährt ohne Ladung. Darüber die Sonne, die hell und warm scheint. Dazu der Himmel, er zeigt sein schönstes Blau, nur wenige weiße Wölkchen sind darauf getupft. Es ist schön geworden. Es ist bestes Vatertagswetter.
<<Exkurs: Der Mittellandkanal ist von Menschenhand erbaut und mehr als 100 Jahre alt, die Arbeiten begannen bereits 1906. An ihm wurde lange Zeit gebaut, zwei Weltkriege unterbrachen den Bau und behinderten schließlich seine Vollendung. Heute wird wieder an ihm gewerkelt, unter anderem wird er vergrößert. Für die Berufsschifffahrt hat der Kanal nach wie vor eine Bedeutung, aber auch für die Freizeit wird er viel genutzt. Während auf dem Wasser die Freizeitkapitäne mit ihren Motorbooten, Kanus oder Ruderbooten unterwegs sind, werden die Betriebswege, die über seine gesamte Länge von fast 400km auf mindestens einer Seite des Kanals immer vorhanden sind, von Fußgängern und Radfahrern genutzt. >>
Ich folge für vier Kilometern dem Wirtschaftsweg an der nördlichen Kanalseite, wandere in östliche Richtung und will in Wilhelmsdorf den Kanal auf einer der zahlreichen Brücken überqueren.
Kurz vor der Brücke begegne ich einem jungen Mann, der sich auf dem Weg reichlich breit macht. Er scheint zu torkeln, sein Schritt ist unsicher und er braucht Orientierung an den Wegbegrenzungen. Mal geht er links, dann wieder rechts. Er lässt sich auf einer Bank nieder, atmet schwer. Als ich an ihm vorbei komme, wünsche ich ihm einen guten Tag. Er erwidert freundlich, aber sichtlich bemüht, sich seinen berauschten Zustand nicht anmerken zu lassen. Ob ich ihm helfen soll? Doch da sind seine Kumpels, die bereits ein Stück weiter auf der Brücke auf ihn warten, ihm jetzt zurufen, er solle sich beeilen. Er rappelt sich hoch, torkelt weiter. Ein Kumpel kommt ihm entgegen, wohl um ihm unter die Arme zu greifen. So gehe ich weiter, bin jetzt unbesorgt. Sie werden ihm weiterhelfen. „Glücklicherweise ist nur einmal im Jahr Vatertag!“, denke ich.
Jetzt ist es nur noch ein kurzes Stück bis zum Bahnhof in Haste. Ich muss nicht lange warten und der Zug bringt mich zurück nach Hamburg. Die Fahrt im Regionalzug dauert fast drei Stunden.
Ab jetzt wird es für eintägige Wanderungen zu weit, denke ich, kurz bevor ich sanft entschlummere.Les mer
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- lørdag 30. mai 2015
- 🌧 11 °C
- Høyde: 114 m
TysklandBad Münder52°11’43” N 9°27’48” E
E1-17-D-Bad Münder (35km)

Der Weg der drei Türme (1. Tourtag)
Früh geht es los am Samstag, denn nun sind es bereits zwei Stunden Autofahrt zum Ausgangspunkt der heutigen Tour. Das Auto bleibt am Bahnhof Weetzen auf dem Park&Ride Parkplatz zurück, weiter geht es mit der S-Bahn nach Haste. Ich kann es kaum erwarten, heute über den Deister zu gehen.
Aber von Haste ist es noch ein Stück bis dorthin. Eine Weile muss ich dem Wanderweg kreuz und quer durch die flache Feldmark folgen, den Blick sehnsüchtig Richtung Deister gerichtet, dessen Hügel ich mich ganz allmählich nähere.
Hinter Waltringshausen liegt eine gemauerte Autobahnunterführung. Sie ist lang und dunkel und wird mir im Moment des Durchschreitens zum Symbol des Übergangs in eine andere Welt des Wanderns. Hiermit verlasse ich das Norddeutsche Tiefland, trete ein in die bergige Landschaft des deutschen Mittelgebirges, das bis an den Alpenrand reicht. Das erscheint mir jetzt noch so unendlich weit weg. Ich vermute, das Wandern wird beschwerlicher werden als bisher, denn viele Höhenmeter gilt es ab jetzt zu überwinden.
Hinter dem Tunnel wartet das Niedersächsische Bergland, zu dem auch die Höhenzüge des Deisters und des Süntel gehören, beide bis zu 400 Meter hoch und überwiegend mit Buchen und Eichen bewaldet.
Dichter Wald empfängt mich und gleich geht es aufwärts. Hundert Höhenmeter sind in kurzer Stecke zu erklimmen, für mich als Flachländer eine ungewohnte Bewegung, die mich mächtig zum Schnaufen bringt. Aber bereits nach einem Kilometer werde ich erlöst. Der dichte Wald öffnet sich einen Spalt weit und gewährt mir einen einen letzten Blick zurück auf die norddeutsche Tiefebene. In der Ferne sehe ich den Kaliberg, den ich bei der letzten Wanderung umrundet habe. Von hier sieht er ganz klein aus.
Eine Bank lädt zum Verweilen ein, ich lasse mich nieder, denn zehn Kilometer liegen bereits hinter mir. Mit Genuss beiße ich in die mitgeführte Butterstulle, das hartgekochte Ei schmeckt köstlich. Zum Abschluss des kleinen Picknicks habe ich mir einen Baumkuchen auf die Bank gelegt, den ich als Wegzehrung geschenkt bekam. Er sieht mit seinem Zuckerüberzug richtig lecker aus. Doch als ich nach diesem Genuss greifen will, fällt er mir auf den schmutzigen Boden, direkt hinein in eine Pfütze. Nun ist er Futter für die Regenwürmer. Wie dumm von mir.
Während ich mich ärgere, packe ich die Sachen in den Rucksack, werfe ihn auf meinen Rücken und wende mich endgültig ab von dem, was hinter mir liegt. Auf zu neuen Ufern!
Wieder geht es bergauf, auf gut befestigten Wanderwegen erklimme ich weitere hundertfünfzig Höhenmeter. Dann eine verwitterte Treppe, sie führt steil hinab, ist feucht und glitschig. Auf halber Strecke kommen zwei Wanderer entgegen, wir müssen aufpassen, dass wir auf dem engen Pfad nicht ausrutschen. Alles geht gut.
Mein Abstieg endet an der Teufelsbrücke, die mit starken Bohlen die ruhig dahinfließende Ackersbeke überquert. Anschließend geht es wieder bergauf. Immer weiter hinauf. Auf 375 Höhenmetern endlich liegt der Kammweg. Er heißt so, weil er dem Kamm des Deisters über viele Kilometer von Norden nach Süden folgt.
Der Deister ist insgesamt 20 km lang und mit einem dichten Laubwald bewachsen, der leider jeden Weitblick ins Tal verhindert. Dafür belohnt er mit Ursprünglichkeit und Ruhe, unterlegt mit heiterem Vogelgezwitscher. Nur wenige Menschen sind unterwegs. Das ist nicht verwunderlich, denn ist kalt, es hat nur 12 Grad.
Ich bekomme klamme Finger. Meine einsame Wanderung wird durch einen Jogger unterbrochen. Er überholt mich, grüßt kurz und schon ist er vorbei. Ich schaue ihm lange nach, bis er schließlich hinter der nächsten Kurve verschwindet. Ich vermute, dass er auf einem langen Lauf unterwegs ist, denn er hat eine Wasserflasche an seinem Hüftgürtel hängen, die munter bei jedem seiner Schritte auf und ab wippt. Er muss eine gute Kondition besitzen, wenn er hier oben auf 350 Höhenmetern läuft. Ich bewundere ihn, während ich für einen Moment an mein eigenes Lauftraining erinnere, das zugunsten des Wanderns brach liegt. Beides zusammen geht irgendwie nicht.
Ich komme am alten Fernmeldeturm Barsinghausen vorbei, der seit 1969 Radiowellen in den Äther schickt. Mein Blick fährt den schlanken Turm hinauf, hält einen Moment an der runden Plattform inne, gleitet weiter entlang der rotweiße Antenne und bleibt schließlich an der dahinter stehenden tiefschwarzen und bedrohlich wirkenden Regenwolke hängen, die wirkt, als sei vom Mast aufgespießt worden. Noch hält sie ihren Regen, aber lange kann es nicht mehr dauern, bis sich ihre Schleusen öffnen.
Und tatsächlich. Unvermittelt prasseln dicke Tropfen auf meinen Kopf, ein Wasserband, das im Nu alles um mich herum nass werden lässt und mich Schutz suchend in den dichten Wald treibt. Das Laubdach hält perfekt und so schnell, wie es zu regnen begann, ist es vorbei und ich kann weitgehend trocken zurück auf den Kammweg. Dort haben sich dicke Pfützen gebildet.
Eine nahe Sehenswürdigkeit etwas abseits des Kammweges verleitet mich zu einem Umweg. Bald stehe ich vor der Alten Taufe, einem riesigen Quader aus Sandstein mit drei Metern Kantenlänge und einer tiefen Mulde auf der Oberseite. Es soll eine heidnische Opferstätte sein, auf der vor Urzeiten Menschenopfer dargebracht wurden. Oder vielleicht ist es ein altes Taufbecken der Christen, was dem Stein seinen Namen gab. So genau ist es nicht bestimmbar, wie ich lese. Fest steht, dass der Stein heute gerne von Esoterikern aufgesucht wird, die diesen Platz als einen Kraftort ansehen und ihm eine bewusstseinserweiternde Wirkung zugeschreiben. Zwei junge Männer, ganz in Schwarz gekleidet, sitzen gemütlich mit einer Flasche Bier in der Hand und betrachten in aller Seelenruhe den Opferstein. Ich frage nicht, was ich eigentlich fragen will, ob sie Esoteriker seien, die hier ihren Seelenfrieden suchen. Stattdessen frage ich, woher sie kommen und wohin sie gehen. Ihre Antwort kommt bereitwillig und sie erzählen, dass sie aus dieser Gegend stammen und den heutigen Samstag für eine Rundtour um den Deister nutzen. Im Gegenzug erzähle ich, dass ich auf meinem Weg durch Deutschland bin. Da staunen sie und meinen: „Soweit würden wir es nicht schaffen, die heutige Tour ist uns lang genug“. Ich bitte sie, mich vor dem Kraftstein zu fotografieren. Sie tun es gerne.
Der Kammweg wird auch der „Weg der drei Türme“ genannt. Der erste Turm kommt bald in Sicht. Der Nordmannsturm ist ein hübscher, aus Steinen gemauertes Bauwerk. In seinem Fuß befindet sich eine Schänke, am Tresen bestelle ich Kaffee und Kuchen. Der kleine Gastraum ist voller Menschen, die Schutz vor der Kälte suchend die Tische belegt haben. Die Luft ist stickig, es ist klamm und sehr laut. Deshalb möchte ich nicht drinnen bleiben, doch die nette Bedienung serviert gerne auch draußen, wo ich mich auf eine Bank ausstreckte. Der lange Weg hier herauf hat müde gemacht, doch der Kuchen gibt neue Kraft und bevor es weitergeht, erklimme ich noch die neunzig steinernen Stufen, die im Innern des Turms zur Aussichtplattform hinauf führen. Als ich die schwere Eisentür öffne, kann ich endlich den ersehnten weiten Blick über die Wipfel der Bäume genießen, der mir bisher im Wald verborgen blieb. In einem entfernten Tal liegt Bad Münder und dahinter erhebt sich der Süntel, den ich morgen bezwingen werde. Drüber türmen sich weitere regenschwangere Wolken, die in meine Richtung schweben und vermutlich nur darauf warten, an den Deister zu stoßen, um sich ihrer Wasserlast zu entledigen. Hoffentlich wird es nicht gerade hier sein.
Drei Kilometer weiter bricht das Unwetter los. Der Himmel wird rabenschwarz, ein heller Blitz zuckt aus dunkler Wolke und nur ein kurzer Moment vergeht, bis der Donner grollt. Das fiese Gewitter ist schon ganz nah. Ich weiß, dass ein Gewitter im Wald gefährlich sein kann, doch noch gefährlicher ist es, in so einem Moment auf dem Kamm eines Berges zu stehen. Der Radarturm der Deutschen Flugsicherung (DFS) kommt in Sicht und darauf dreht sich hoch über den Baumwipfeln eine eiserne Radarschüssel. Ich denke, dass dort wohl der Blitz zuerst einschlagen würde und nicht hier auf den Weg. Dieser Gedanke beruhigt mich, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Es blitzt wieder, der Donner folgt ohne Verzögerung, das Gewitter ist jetzt genau über mir und ich bekomme eine Gänsehaut. Noch ein Blitz und ein Donnerschlag, der am Berg widerhallt. Und noch einer. Doch nun dauert es schon etwas länger, bis der Donner folgt. Das Unwetter scheint weiter zu ziehen.
Das war unheimlich. Es folgt heftiger Regen. Ich weiß, dass in der Nähe der nächste bewirtschaftete Aussichtsturm ist und ich hoffe, dass ich ihn gleich erreichen werde, um ins Trockene und Warme zu schlüpfen. Ich gehe immer schneller, indes sich der Regen in Hagel verwandelt. Dicke, weiße Körner fallen vom Himmel, prallen hart und laut auf den Weg und verwandeln ihn im Nu in einen weißen Matschteppich. Ich muss Schutz unter den nahen Bäumen suchen. Die Temperatur stürzt um einige Grad und es wird noch kälter als es ohnehin schon ist. Der Atem dampft. Die Hände verschwinden in den warmen Hosentaschen. Wenigstens bleibe ich unter dem Laubdach weitgehend trocken. Und dabei beginnt in zwei Tagen der meteorologischen Sommer. Mir ist kalt.
Ein paar Minuten später ist es vorüber, doch der weiße Teppich bleibt noch eine Weile liegen. Ich trete aus dem Blätterdach hervor, zurück auf den Weg und schreite mit forschem Schritt weiter den matschigen Kammweg entlang. Nur langsam wird mir wieder warm.
Da ist endlich den Annaturm, doch jetzt brauche ich ihn nicht mehr. Ich lasse ihn links liegen, denn auf eine Pause habe ich jetzt keine Lust mehr. Er ist eh keine Augenweide.
Ein paar Kilometer weiter verlasse ich den Kammweg. Nun geht es den Deister durch dichten Buchen- und Eichenwald bergab. Der von den Blättern herabtropfende Regen zaubert eine besondere Stimmung, doch weite Blicke ins Tal bleiben weiterhin verwehrt. Erst kurz vor Bad Münder öffnet sich der Wald einen Spalt breit, gewährt mir einen Blick auf den immer noch fernen Süntel. Darüber lasten neue dunkle Wolken.
Ein junger Mann kommt mir entgegen, auf seinem Rücken trägt er eine mächtige Last, regendicht verpackt. Das liefert mir den Grund, ihn anzusprechen. „Wie schwer ist denn Ihr Rucksack?“, will ich wissen und bin neugierig auf die Antwort, denn mein winziger Rucksack drückt mittlerweile auf meine Schultern. „15 Kilo sind drin, aber ich trainiere nur. Nächste Woche geht es nach Island.“ Das klingt nach einer interessanten Geschichte, die ich aber nicht erfahren werde, weil er sich schon wieder in Bewegung gesetzt hat.
Ich nehme mir vor, allen Wanderern mit großem Gepäck, denen ich noch begegnen werde, nach ihren Geschichte zu fragen und sie dann hier aufzuschreiben.
Der feuchte Wald weicht nassen Wiesen und so bin ich also am südöstlichen Ende des Deisters angekommen. Bad Münder sollte nun in Sichtweite voraus liegen. Tut es aber nicht, denn es liegt irgendwo vor mir im Nebel. Ein Stück gehe ich die Wiese entlang, dann drehe ich mich zum Abschied noch einmal Richtung Deister.
Es verschlägt mir den Atem. Ein blaues Band erstreckt sich über dem hinter mir liegenden Deister und die Sonne bricht sich gerade ihre Bahn durch die dunklen Wolken, die langsam über mich hinweg Richtung Süntel ziehen. Keine Wolke folgt nach, so dass das tiefe Blau immer mehr Raum am Himmel findet. Die Sonne sendet ihre wärmende Kraft zu mir herab, bringt mir die ersehnte Wärme und die Straße zum Dampfen.
Ein Anblick, der mich fröhlich stimmt. Gut gelaunt mache ich noch einen Abstecher in den Kur- und Landschaftspark, der links des Weges liegt, wandel die geschwungenen Parkwege entlang und komme an einem künstlichen See inmitten des Parks vorbei, dessen skurrile Künstlichkeit so gar nicht in diese Landschaft passt.
Am südlichen Parkende liegt das Hotel und ich bin froh, angekommen zu sein. Es thront auf einer kleinen Anhöhe und behauptet von sich, ein Themenhotel zu sein: „Zu Gast im Terrassen Café – in der Welt zu Hause." Jedes Zimmer sei ein Unikat und einem speziellen Land zugeordnet. Ich checke ein und bin gespannt, welches Thema der Wirt für mich bereit hält. Als ich mein Zimmer betrete, wartet Australien auf mich, mit Bumerang und Pusterohr an den Wänden und einem gemalten Bild hinter dem Bett, das wohl Ayers Rock darstellen soll, einem Wahrzeichen Australiens und Heiligtum der Aborigines.
So richtig interessiert es mich aber nicht, denn ich bin nur müde und freue mich jetzt auf eine heiße und sehr lange Dusche und danach auf ein leckeres Abendessen. Das deutsche Schnitzel schmeckt nach 30 Kilometern Fußmarsch einfach wunderbar und die zwei Biere befördern mich ruck zuck in das Land der Träume.Les mer

SommersprosseDas bei einem solchen Schietwetter so ein stimmungsvolles Foto entstehen kann.
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- søndag 31. mai 2015
- ⛅ 20 °C
- Høyde: 76 m
TysklandHameln52°6’9” N 9°22’37” E
E1-18-D-Hameln (25km)

Der Weg der drei Türme (2. Tourtag)
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf. Die Sonne zeigt sich bereits von ihrer besten Seite, die dunklen Wolken sind woanders hingezogen. Zunächst geht es durch die kleine Fußgängerzone von Bad Münder, die Geschäfte haben geschlossen, die Petri-Paul-Kirche ruft mit ihrem Geläut zum Sonntagsgottesdienst.
Hinter der Stadtgrenze beginnt der Süntel. Wie der Deister ist auch er mit Laubwald bedeckt. Wie gut, dass ich kräftig gefrühstückt habe, denn der fünf Kilometer lange Aufstieg ist steil, aber auch sehr anmutig. Nach einer anstrengenden Stunde erreiche ich den Gipfel in 437 Metern ü.NN. Erschöpft und froh, es geschafft zu haben, lasse ich mich auf einer Bank nieder. Sie steht vor dem Süntelturm, 1899 auf der Hohen Egge erbaut, der höchsten Erhebung des Süntel. Hier steht der dritte Turm der <Drei Türme Route>. Während ich Luft schöpfe, schaue ich mich um. Der Turm ist umgeben von Laubwald, sieht dem Nordmannsturm zum Verwechseln ähnlich, ist aber ein paar Meter höher, wie ich bei Wikipedia nachlese. Dort steht auch, dass der massive Steinanbau, in dem die Gaststätte betrieben wird, schon 1910 hinzu gekommen ist. Offensichtlich zieht er (oder seine Gastronomie) bei gutem Wetter viele Leute an, die vor dem Turm auf den Bänken bei Speis und Trank sitzen. Viele sind Sportradfahrern und ich frage mich, warum sich Radsportler immer die schwierigsten Ziele aussuchen.
Nachdem auch ich wieder Kraft geschöpft habe, entrichte ich für die Turmbesteigung meinen Obolus, öffne die schwere Tür zur Steintreppe und stapfe die 95 Stufen den Turm hinauf. Schwere, massive Holzbalken auf der Innenseite der gewendelten Treppe stützen die Stufen, trotzdem wirkt es auf mich nicht sehr vertrauenserweckend. Andererseits, baufällig sieht die Treppe auch nicht aus. Im Internet kann ich später bei Wikipedia lesen: „Im Jahre 2012 wurde der Aufstieg zum Turm wegen Einsturzgefahr der Treppenstufen gesperrt. Die Sanierung der Treppe wurde im Juli 2012 abgeschlossen“. Also sind die Holzbalken die Sanierung. Na, so was! Noch 12 Stufen eine Stahltreppe hinauf, dann bin ich auf der Aussichtsplattform. Ein junges Paar weicht aufgeschreckt zurück. Sie hatten sich heftig umarmt und verdrücken sich nun schnell. In aller Ruhe lasse ich den Blick über den Süntel schweifen. Wohin ich schaue - nur Wald. Da öffnet sich die Turmtür. Ein Vater tritt leise stöhnend auf die Aussichtsplattform. Er hat ein kleines Kind im Arm, ein zweites an der anderen Hand. Kaum angekommen, macht es sich von der Hand los und beugt sich weit über die Brüstung.
Nun ist es an mir, mich zu verdrücken.
Wenn man einen Berg hinauf steigt, muss man auch wieder hinab. Und so ist es auch jetzt, steil geht es die nächsten fünf Kilometer den Süntel runter, die erste Hälfte der Strecke auf einem gut ausgebauten Wanderweg, dann einen schmalen Waldpfad entlang, bis der Süntel im Ort Unsen zu Ende ist.
Nach dem Auf und Ab ist es entspannend, eine Weile auf der Ebene zu wandern, auch wenn es eine Straße entlang geht. Doch sie ist nicht viel befahren. Die Freude währt nicht lange, kurz hinter dem Ort geht es links wieder die Höhe hinauf, jetzt wartet der Schweineberg auf seine Bezwingung. Aber zuvor mache ich Rast und beobachte, auf einem Holzstoß sitzend, den eleganten Flug zweier Greifvögel. Es müssen Schwarzmilane sein, die gegabelten Schwänze und das dunkle Gefieder deuten darauf hin. Sie lauern auf Beute und kreisen dabei über einem nahen Feld, auf dem der Bauer gerade Heu wendet. Die Schwingen fast bewegunglos, gleiten sie hin und zurück, einem immer gleichen Bogen folgend. Lange Minuten, Runde um Runde, fliegen sie im Kreis, bis plötzlich einer der beiden in das Feld hinab stößt und mit einer Maus aufsteigt. Da fängt der andere aufgeregt an zu fiepen, der erste schraubt sich höher. Lange beobachte ich den Flug der beiden Milane, wie sie auf die andere Talseite fliegen, sich dabei necken und mit der Beute in der Luft spielen. Dann sind sie außer Sicht und meine Pause ist lang genug geworden. Ich folge dem Hinweisschild Richtung Schweineberg, der nur einen halben Kilometer von hier entfernt sein soll. Gleichzeitig wird das Schild auch als Marke für den E1 verwendet und so weiß ich, dass ich noch auf dem Fernwanderweg bin.
Es folgen 600 Meter, die es in sich haben, denn es geht wieder bis auf 280 Meter ü.NN hinauf. Die Mühe wird wieder nicht mit einem Fernblick belohnt, denn auch hier stehen hohe Laubbäume dicht bei dicht und das Unterholz gewährt keine Durchsicht. Und schon geht es wieder bergab, jetzt ist es nur ein schmaler Pfad. Ich verlaufe mich, denn er endet mitten im Wald. Zurück will ich nicht, also schlage ich mich mit dem Smartphone vor der Nase, das mir mit der Komoot Karte beim Navigieren hilft, durch das Unterholz. Ein paar hundert Meter weiter treffe ich wieder auf den Weg. Glück gehabt.
Ich komme an sehr hohen Bäume vorbei, alten Veteranen von gewaltigem Durchmesser. Auf manchen von ihnen hat der Wegewart ein dickes, weißes Kreuz als Wegmarke des E1 gemalt, von weitem schon gut sichtbar. Ich bin auf einem Waldlehrpfad und Schilder erläutern mir die Geschichte einiger Baumriesen, die hier schon lange stehen. Manche sind über 200 Jahre alt. Respekt!
Das idyllisch gelegene Forsthaus Heisenküche mit seinen weiß gedeckten Tischen auf der Terrasse lädt zum Verweilen ein. Aber nein, keine Rast mehr, ich will weiter.
Doch das stellt sich im Nachherein als Fehler heraus. Hätte ich doch nur noch einmal Kraft bei einer Tasse Kaffee getankt. Denn kaum ist die Straße überquert, geht es schon wieder steil bergan. Noch einmal sind 80 Höhenmeter zu überwinden, und dieses Mal ist das Ende des Pfades in luftiger Höhe bereits von unten auszumachen, es geht schnurgeradeaus steil nach oben. Noch stehe ich ganz unten und fühle mich als Flachlandtiroler entmutigt, denn ich bin schon ganz ausgepowert von dem ständigen Auf und Ab. Mit meinen letzten Kraftreserven schaffe ich den Aufstieg und schnaufe mächtig. Der Schweiß rinnt und ich komme an meine Grenzen. Aber es hilft nichts, ich muss da hoch. Ein wenig versöhnt die Schönheit des Waldes. Endlich komme ich oben an – und wieder keine Fernsicht.
Dann folgt der letzte Abstieg. Der schmale Pfad windet sich durch den Wald, bis ich nach mehr als fünfzig Wanderkilometern wieder in den Lärm der Stadt eintauche. Doch vorher kann ich vom Aussichtspunkt <Paul-Gerhardt-Gemeinde> noch einen Blick auf Hameln werfen, das sich hier nicht von seiner schönen Seite zeigt.
Nur noch wenige Minuten, dann bin ich am Bahnhof. Ein Latte Macchiato im Restaurant gegenüber vom Bahnhof verkürzt die Wartezeit. dann bringt mich die S-Bahn nach Weetzen zurück, wo das Auto wartet. Ich fahre müde, aber glücklich und von vielen Eindrücken erfüllt von meiner zweitägigen Wanderung nach Hamburg zurück.Les mer

ReisendeAm Süntelturm war ich auch. Da kreuzt der Weserberglandweg (NST) den E1 und den E11. Leider war da alles wegen Corona geschlossen.

Michael-wandertDer Weserberglandsweg steht auch noch auf meinem Zettel. Beim Übertragen dieses Footprints dachte ich so bei mir: da musst Du noch mal hin… Nun ist Corona ja hoffentlich Vergangenheit.

ReisendeDer Weserberglandweg ist schön. Fang am besten in Minden an, falls du dort noch nicht warst. Das Wasserstraßenkreuz ist sehenswert. Von dort ist es nicht weit zur Kirche. Da gibt es den Jakobsweg hinauf zur Porta Westfalica. Oben auf dem Kamm gibt es auch noch einiges Interessantes zu sehen. Ich finde der Umweg lohnt.
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- søndag 7. juni 2015
- ☀️ 23 °C
- Høyde: 105 m
TysklandKönigs-Berg51°59’5” N 9°17’17” E
E1-19-D-Löwensen (27km)

Viel Muße auf dem Weg zur Quelle - Der Emmerweg (1/3)
(Wieder einmal macht der E1 einen Schlenker, der nach Detmold und dem Hermannsdenkmal führt. Ich kenne es schon von früher und entscheide mich, die Route zu verkürzen. Statt auf dem E1 geht es den Emmerweg entlang. So komme ich meinem Ziel, dem Bodensee, schneller näher.)
Früh sitze ich im Zug nach Hameln. Nun muss es schon der ICE nach Hannover sein, von dort geht es mit der S-Bahn weiter nach Hameln. Insgesamt dauert die Anfahrt bereits mehr als zwei Stunden. Als ich in Hameln aus dem Zug steige, ist der Himmel blau und klar, keine Wolke ist zu sehen.
Wenn man nach Hameln reist, sollte man sich für die historische Altstadt etwas Zeit nehmen. Es ist die Stadt der Rattenfänger, die Sage ist laut Wikipedia mehr als einer Milliarde Menschen bekannt: es war einmal ein Mann, der hatte eine wundersame Pfeife, mit der er erst die Ratten und später die kleinen Kinder aus der Stadt lockte. Keines von ihnen sah man je wieder...
Also bin auch ich erst einmal touristisch unterwegs, flaniere durch den historischen Stadtkern, die Touristen sind derweil wohl noch beim Frühstück. Einige Einheimische beten bereits in der Nikolai Kirche, den Gottesdienst will ich nicht stören, ein Foto durch die Glastür ins Kircheninnere muss genügen.
Dann ein Blick auf den Pferdemarkt. Dort steht das verspielte Hochzeitshaus, das im 17. Jahrhundert als letztes Steinhaus im Renaissance-Stil erbaut wurde. Siebenunddreißig Glocken hängen am Giebel nebeneinander aufgereiht und warten auf ihren Einsatz. Sollten sie ertönen, würde sich gleichzeitig eine Bronzetür öffnen, die Figur des Rattenfängers heraustreten und im Kreis laufen, verfolgt von einer Schar Ratten. Aber das findet zu einer anderen Zeit statt. Ich bekomme es nicht zu sehen. Weiter geht meine Entdeckungstour durch die Bäckerstraße, ich schaue nach links und nach rechts, sehe altehrwürdige, sehr sehenswerte Häuser und verlasse schließlich die sagenumwobene Stadt über den Europaplatz in Richtung Süden.
Es geht die Weser entlang, die ich mir breiter vorgestellt habe. Im Hafen liegt ein alter Mienensucher fest vertäut am Pier, die graue Tarnfarbe des ehemaligen Militärbootes blättert ab, die Scheuerleisten sind halb vermodert. An Deck schwanken Veteranen und halten sich an ihrem Bier fest.
Der Hafen endet in einem Seitenarm der Weser, verrottete Güterwaggons warten auf ihre Verschrottung. Sie sind keine Augenweide für einen vorbeiziehenden Wanderer. Weiter geht es über eine Brücke zum Hauptfluss und nun begleite ich die Weser auf einem Uferweg, der, von knorrigen, alten Weiden gesäumt, mich bis ins Emmerthal führen wird. Er wird überwiegend von Radfahrern genutzt, die geschwind an mir vorbei radeln. Manche klingeln, andere zischen so knapp an mir vorbei, als gelte es, mich vom Weg zu verscheuchen. Die Tündernsche Warte - ein Gasthaus im bayrischen Flair - lockt mit Kaffeeduft, doch ich gehe vorbei, schließlich bin ich erst zwei Kilometer unterwegs. Kurz darauf ziehe ich an der schneeweißen Tündernschen Mühle vorbei, sie sieht aus wie ein knuffiges Bauwerk aus der Welt der blauen Schlümpfe. Immer mehr Radfahrer überholen mich, nur wenige kommen mir entgegen. Jeder Dritte von ihnen lässt sich elektrisch unterstützen, leise surren die E-Bikes. Unter dem Namen Pedelecs kennt man diese Gefährte auch, sie haben einen bis zu 250 Watt starken Elektromotor, der die Fahrt mehrere Stunden lang bis zu 25km/h elektrisch unterstützt. Eine feine Sache. Eine Familie kommt mir auf Fahrrädern entgegen, zwei Kinder fahren vorneweg, die Eltern hinterher. Die Kinder halten sich ordentlich rechts und lassen mir ausreichend Platz. Trotzdem ermahnt die Mutter:
„Thimo, Nele, fahrt brav hinter Klaus her.“
Warum macht sie das? Die Kinder haben alles richtig gemacht.
„Ist die Frau unentspannt,“, höre ich einen Mann hinter mir sagen. Auch er sitzt auf dem Fahrrad, radelt just an mir vorbei. Ich muss laut lachen, denn ich weiß um die Bedeutung seiner Worte und er schaut mich zuerst erstaunt an, dann lacht auch er. Wir wissen beide, warum und sind für einen Moment in diesem Wissen vereint.
Noch mehr Radfahrer schnurren vorbei, ich fühle mich allmählich wie auf einer Fahrradautobahn. Ein Schild weist darauf hin, dass hier der Weser-Radweg verläuft, folgt der Weser von der Quelle bis zur Mündung in der Nordsee. Radfahrer werde ich noch bis Emmerthal ertragen müssen, erst dort werde ich Wanderwegen folgen können, die Radfahrer vermutlich nicht nutzen. Komoot möchte, dass ich die Weser überquere. Eine alte Eisenbahnbrücke ist auch da, ein Weg neben den Gleisen, die über die Stahlbrücke führen, ist ebenfalls vorhanden. Nur das große Schild „Durchgang verboten – Bahnanlage“ kennt Komoot offenbar nicht. Ich ärgere mich, ob über Komoot oder das Verbotsschild, kann ich gar nicht genau sagen. Schnell entscheide ich, dem Verbot zu folgen, strebe der nächsten Brücke zu. Sie ist nicht weit entfernt, die Aufregung also unbegründet und den kleinen Umweg kann ich in Kauf nehmen. Außerdem hilft in solchen Momenten immer die Frage an sich selbst: „was ist das Gute daran?“ Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten, denn in Emmerthal ist ein Stadtfest in vollem Gange. Ohne Umweg hätte ich keine Bratwurst bekommen, die ich nun auf dem Rasen liegend vor der Petrikirche genüsslich verspeise, während ich dem munteren Treiben zuschaue. Wieder wurde mir ein mußevoller Augenblick geschenkt.
Gestärkt und gut erholt lasse ich Fest und Ort hinter mir, wende mich vom Tourismus ab, der mich seit Hameln begleitet hat. Unter einer Brücke am Ortsausgang strömt gemächlich der Emmer, den ich hier das erste Mal zu sehen bekomme. Seinetwegen bin ich ja gekommen, gehe ich doch den Emmerweg. Unweit von hier verbindet der Emmer sich mit der Weser. Ich werde dem Emmer nun sechzig Kilometer bis zur Quelle folgen. Hinter der Brücke geht es steil bergauf, die ersten Höhenmeter dieser Tour sind zu erklimmen. Schnell bin ich oben angekommen. Ein Blick zurück präsentiert das weite Emmerthal, das von bewaldeten Höhen in weiter Ferne begrenzt wird. Und endlich umgibt mich, was ich beim Wandern am Meisten genieße: Ruhe und das Alleine-Sein. Vogelgezwitscher überall, manchmal auch der Ruf eines Kuckucks, die Felder duften nach Heu und am Wegesrand blühen bunte Blumen. Der Flieder ist reif und schickt aus weißen Blüten betörenden Duft zu mir herüber. Das haben auch die Bienen gerochen, ihr Summen ist aus manchem Busch schon von Weitem zu hören. Herrliches Wandern!
Mein Alleine-Sein wird unterbrochen, als ein Greis mir, gestützt durch seine Wanderstöcke, entgegen humpelt. Als wir uns begegnen, fragt er:
„Haben Sie das hässliche AKW geknipst? Das haben sie uns hier mitten ins Emmerthal gebaut. Richtig verschandelt haben sie alles damit!“.
Wut schwingt in seiner Stimme mit. Er meint wohl das Kernkraftwerk Grohde, das hier seit vierzig Jahren seinen Dienst tut. Aus zwei Kühltürmen entweicht weißer Wasserdampf, der hoch steigt und sich zu den weißen Wolken gesellt, die am Himmel stehen. Es steht klotzig mitten im Emmerthal und es lässt sich kaum vermeiden, dass die große runde Kuppel und die Kühltürme mit auf das Foto geraten sind, das ich eben mit dem Smartphone geschossen habe.
„Ja, es sieht hässlich aus", entgegne ich, "und es passt so gar nicht in diese schöne Gegend. Aber ich habe es gar nicht fotografiert, sondern den Weg, den ich herauf gekommen bin“. Ich zeige Richtung Norden. Er folgt meinem Finger, deutet ihn aber falsch. „Ja, da hinten auf dem Schecken, da haben sie Hitler immer den roten Teppich ausgelegt, wenn er hier in der Gegend Gelder eingesammelt hat.“
„Haben Sie das miterlebt?“, frage ich. Vielleicht hat er eine interessante Geschichte zu erzählen, schließlich könnte er einiges aus dieser Zeit als Augenzeuge miterlebt haben.
„Nein, ich komme aus Böhmen, bin erst nach dem Krieg hierher gekommen. Da habe ich dann auch mein Haus gebaut, in dem wohne ich noch heute, aber jetzt geht die Heizung nicht mehr richtig…“.
Er redet sich warm, vielleicht froh, jemanden gefunden zu haben, der sich sein rückwärts gerichtetes Denken anhört. Doch ich möchte Wandern und Neues erleben. Mit den Worten: „Toll, dass Sie noch so gut zu Fuß sind“ wende ich mich ab zum Gehen.
Wenn es Zeit wird für eine Pause und der Wanderer keinen Gasthof ansteuern möchte, dann sucht er sich gerne eine geeignete Bank für seine Rast. Geeignet bedeutet dabei: sie soll ruhig liegen, einen schönen Ausblick bieten, im Schatten liegen, sofern die Sonne scheint, sauber und heil sein. Selten findet der Wanderer, wonach er sucht. Heute aber treffe ich auf die perfekte Bank für meine Rast. Sie ist ganz neu, blitzeblank, wohlgeformt und lang genug, um die Beine auszustrecken. Gekennzeichnet ist sie mit den Buchstaben XW, das Zeichen des WeserWanderweges. Vermutlich wurde die Bank vom Weserbergland Tourismus e.V. aufgestellt, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich danken möchte. Und das Highlight ist: die eine Seite der Bank liegt in der Sonne, die andere im Schatten. So verschlummere ich auf ihr eine entspannte, sonnige Stunde. Mein Kopf liegt im kühlen Schatten und der Körper wird von der Sonne gewärmt. Aber auch die schönste Pause muss irgendwann zu Ende gehen, schließlich will ich heute noch bis Bad Pyrmont kommen.
Nur noch ein kurzes Stück durch den Wald, dann stoße ich auf eine Nebenstraße, die nach Hämelschenburg führt. Es ist aber keine Burg, sondern ein im 15. Jahrhundert gebautes Schloss. Karpfen ziehen Kreise in einem Teich direkt an der Straße. Sie schwimmen knapp unterhalb der Wasseroberfläche, heben ihre Köpfe aus dem Wasser, die Mäuler weit geöffnet. Schnappen die Fische nach Luft oder wollen sie Enten gleich gefüttert zu werden? Ich finde es nicht heraus, denn ich habe kein Brot in der Tasche und bin auch schon vorbei. Ein paar Schritte weiter liegt die Ostseite des Schlosses. Dort gibt es fünf riesige Wasserspeier zu bestaunen, die, langen Speeren gleich, weit über das Dach des Schlosses hinaus ragen. Bei Regen fließt das Regenwasser vom Dach über die Speier aus der Höhe des dritten Stockwerks direkt in den Schlossgraben. Das Plätschern wird den Schlossbewohnern wohl manch schlaflose Nacht beschert haben. Heute aber scheint die Sonne und Regen ist fern. Was die Schlossanlage zu bieten hat - ob Kunstsammlung, Gartenanlagen, Wassermühle, Wirtschaftsgebäude oder Kirche - ich muss es links liegen lassen. Denn ich will weiter. Der Eindruck des Schlosses verfliegt rasch. Erst meine nachträgliche Recherche ergibt, dass ich hier an einem Hauptwerk der Weserrenaissance mit seiner langen und bewegten Geschichte eilig vorbei geschritten bin. Wären die Tagesdistanzen kürzer als ich sie plante, hätte ich länger verweilen können.
Der Weg führt nun an Bahngleisen entlang, die von Hameln nach Bad Pyrmont führen. Der Emmerweg folgt ihnen durch grüne Wälder und sanfte Hügel. Erst geht es hinauf, dann wieder hinunter, an Getreidefeldern entlang, deren noch unreife Halme schon bis an die Hüfte reichen. Wald, Felder, Hügel - eine endlose Folge. Kilometer reiht sich an Kilometer. Mittendrin liegt der Ort Welsede mit seinem großen Gehöft. Der Weg macht einen Bogen um die Steinmauer, der Blick auf das dahinter liegende Gutshaus wird mir so verwehrt. Ein schnelles Foto bannt ein Informationsschild auf die Speicherkarte des Smartphones, für spätere Recherchen, denn auch hier bleibe ich nicht lange stehen. Dann geht es das zweite Mal über den Emmer. Nein, es ist nur der Mühlenbach, zu schmal ist der Flussarm für den Emmer. Früher hat das Wasser eine Mühle angetrieben und heute liefert es für das Gut den Strom. Erst unter der nächsten Brücke fließt der Emmer hindurch, er ist viel breiter als der Mühlenbach. Überhaupt, wo ist er die ganze Zeit gewesen? Obwohl es der Emmerweg ist, auf dem ich gehe, hat sich der Fluss bisher rar gemacht.
Steil geht es nach Löwensen hinab. Bis zur gebuchten Pension ist es jetzt nicht mehr weit. Rechts von mir liegt der Königsberg, zum Abschluss wollte ich ihn eigentlich noch besteigen, um die Aussicht über Bad Pyrmont vom hohen Bismarckturm zu genießen. Aber jetzt fehlt mir die Lust und auch die Energie dazu. Gleich die Füße hochzulegen ist auch eine gute Aussicht. Die Klingel an der Haustür meiner Pension lässt oben im Haus ein Fenster öffnen. „Einen Moment, bitte“. Kurz darauf werde ich vom Pensionswirt eingelassen. Ich bekomme ein schönes Einzelzimmer. Auch wenn ich müde bin, für das Abendessen muss ich noch in den Ort gehen. In der Brunnenstraße, der Fußgängerzone von Bad Pyrmont finde ich im Ratskeller, was ich suche: Spargel mit Schinken. Ein Bier rundet diesen herrlichen Wandertag ab.Les mer
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- mandag 8. juni 2015
- ⛅ 18 °C
- Høyde: 143 m
TysklandSteinheim51°52’2” N 9°5’56” E
E1-20-D-Steinheim (30km)

Viel Muße auf dem Weg zur Quelle - Der Emmerweg (2/3)
Bad Pyrmont war früh bekannt, bereits 1556 sollen Menschen aus ganz Europa hier her gekommen sein, um durch wundertätige Quellen Heilung zu finden. Von diesen Quellen profitiert die Stadt noch heute, viele mondäne Gebäude belegen dies. Auch das Glücksspiel hat zum Ruf der Stadt beigetragen.
Wenn man schon in Bad Pyrmont ist, dann muss man es sich auch ansehen. Deshalb habe ich mein Frühstück für acht Uhr bestellt.
"Geht auch acht Uhr fünfzehn? Da kommen dann auch die anderen Gäste", fragt der Wirt. Ja, das geht auch. Zu dritt im Frühstücksraum nehmen wir ein gutes Frühstück zu uns.
Die Brunnenstraße, durch die ich nun zum zweiten Mal gehe, ist heute morgen wesentlich belebter als gestern Abend. Für eine Stunde bin ich Tourist, besuche den Brunnenplatz, das Goethehaus, das altehrwürdige Hotel Fürstenhof, flaniere am großen Hotel Steigenberger vorbei, sehe das alte Staatsbad von außen, gehe die Allee der Heiligenangerstraße entlang. Den Kurpark und den Palmengarten lasse ich aus, denn es kostet 4€ Eintritt ohne Kurkarte, sagt der Mann am Schalter. Es soll einer der Schönsten Deutschlands sein und wäre sicherlich den Besuch wert.
Dann treibt es mich die Schlossstraße entlang, Richtung Schloss und Festung. Vor der Brücke, die über den Schlossgraben führt, bleibe ich fasziniert stehen, blicke nach oben zum Schloss. Es ist ein wundersamer Anblick: unten die Mauer der Festung, umgeben von einem Burggraben, darüber das prunkvolle Schloss. Es wurde 1536 als Sommerresidenz des Grafen von Spiegelberg erbaut. Nach hundert friedlichen Jahren war es im dreißigjährigen Krieg Schauplatz zahlreicher Auseinandersetzungen, in dessen Verlauf es fast vollständig zerstört wurde. 1710, also erst viele Jahre später, war ein neues Schloss fertiggestellt. Stetig wurde daran gebaut, verändert und ergänzt, bis es ab 1855 sein heutiges Aussehen behielt. Die Symbiose aus Burg und Schloss begeistert mich. Hier die wehrhafte Kraft der Festungsmauern, die dem Feind trotzt, dort die leichte Eleganz eines Schlosses, das sich öffnet und einlädt zu rauschenden Festen. So flitze ich hin und her, laufe auf Burgmauern entlang, schaue durch Schießscharten auf die Stadt, tauche ein in die Tiefen der Festungskasematten, kann sogar die Soldaten in ihren Rüstungen erahnen, wie sie in dunklen, aber schützenden Gewölben gegen den Artilleriebeschuss der feindlichen Truppen ausharren. Zehn Monate trotzten sie und mussten doch am Ende aufgeben.
Schließlich gehe ich – widerstrebend - weiter.
Südlich von Bad Pyrmont verlasse ich Niedersachsen und betrete das dritte Bundesland meiner Wanderung: Nordrhein-Westfalen.
Der Ort Lügde grüßt den Wanderer auf seiner Ostseite mit einem hässlich ausschauenden Gewerbebetrieb. Die Idylle eines am Wegesrand liegenden Bauernhofes mit freilaufenden Hühner, die neugierig gackernd heran wackeln und mir zwischen die Beine geraten, können darüber nicht hinwegtäuschen. Wenn sich ein Ort dermaßen von seiner schlechten Seite präsentiert, will der Wanderer ihn auf der anderen Seite, sofern er denn durch den Ort muss, schnell wieder verlassen. Lüdge allerdings kann mit einem so schönen alten Ortskern auftrumpfen, das der Ortseingang schnell vergessen ist. Auch können sich die 10.000 Einwohner mehreren Kirchen erfreuen, was ein Ort dieser Größe nicht vermuten läßt. Ich steuere die katholischen Pfarrkirche Stankt Marien an und mache in der Kühle des großen Gotteshauses Rast. Ich sitze auf einer Bank des Mittelschiffs, wende den Kopf hierhin und dorthin, betrachte die neugotische Architektur, die das hohe Kirchenschiff formt. Dann ruht mein Blick auf dem einen riesigen, bunten Bleikristallfenster, das über dem Hauptaltar thront. Jedes Detail ist mir wichtig. Lange sitze ich. Ich liebe Augenblicke wie diese in der Stille einer Kirche, die mir so ruhevolle Muße schenkt. Endlich erhebe ich mich zu einem Rundgang, der mich zu einer Schnitzfigur führt. Ihr Anblick fesselt mich. Ein alter, bärtiger Mann sitzt im Zentrum, scheinbar erschöpft, vielleicht schon tot. Gehalten wird er von einem jüngeren Mann, vermutlich ist es Jesus, der ihn mit dem linken Arm stützt. Dabei beugt er sich schützend über den Alten, hält seine rechte Hand hoch, zwei Finger gestreckt, um ihn zu segnen. Er schaut dem Alten dabei direkt in die brechenden Augen. Dieser hat beide Hände wie zum Empfang des Segens geöffnet, die Rechte ist erschlafft niedergesunken, die Linke hingegen wird von der Hand einer Frau, vielleicht Maria, gestützt. Sie zeigt mit dem Finger der anderen Hand auf den Segnenden und schaut ihn dabei an. Sehr lange stehe ich vor der hölzernen Schnitzarbeit in Lebensgröße, muss immerzu zu ihr auf aufsehen. Was ist es, was mich an dieser Skulptur so in den Bann zieht? Es lässt mir keine Ruhe und so suche ich später im Internet, finde zunächst nur, dass der Namen der Skulptur lautet: „Tod des heiligen Josef von Mormann“. Wer ist das, frage ich mich? Ich bin nicht bibelfest. Später komme ich drauf, dass es Joseph von Nazareth sein muss, der Ehemann von Maria und damit der gesetzliche Vater von Jesus. Damit wird es mit klar: die beiden Figuren links und rechts sind Jesus und Maria, die um ihren toten Vater und Ehemann trauern. So kann ich im Nachhinein diese Wissenslücke noch schließen, dem Internet und Wikipedia sei Dank.
Schließlich verlasse ich die Kirche und bald auch die kleine Stadt auf ihrer Südseite, gehe vorbei an der noch völlig intakten Stadtmauer. Dahinter liegt der Wallgraben, beides soll schon im 12. Jahrhundert entstanden sein. Ich wundere mich über die geringe Höhe der Mauer, mit der offenbar Barbaren abgehalten werden konnten, die Stadt zu erobern.
Kurz hinter Lüdge kreuze ich wieder einmal den Emmer, von dem ich auch heute bislang wenig zu sehen bekam. Es geht eine schmale Straße hinauf, vorbei an einem kleinen Café mit dem lustigen Namen Ponderosa. Erinnerungen an meine Kindheit flackern auf. Vor dem geistigen Auge erscheinen Bilder aus der alten US-Serie Bonanza, die meine Kindheit begleitete. Immer sonntags war Fernsehzeit, keine Serie wurde ausgelassen, wenn die Cartwrights über die Prärie ritten. Ben, Adam, Little Joe und der dicke Hoss. Die Assoziation ist wohl gewollt, denn Pferde laufen auch hier auf der Koppel. Aber anstelle der Cowboys ist es hier ein Mädchen, dass einem glänzenden Rappen die Hinterläufe striegelt. Das kräftige, pechschwarze Tier genießt die Behandlung anscheinend sehr, denn es hält ganz still. Ich schaue ein wenig neidisch herüber. Meine Waden könnten eine Massage auch gebrauchen.
Ganz allmählich verliert sich der Weg in den Höhen. Der Straßenlärm, der vom Tal herauf schallt, verfliegt nach und nach, verstummt schließlich ganz. Vogelgezwitscher tritt an seine Stelle. In Stereo. Ein Vogel zwitschert links, ein anderer antwortet von rechts. Ein endloser Kanon aus vielen Vogelkehlen lullt mich ein, erzeugt die meditative Ruhe, die der Wanderer sucht. Die Füße finden wieder ihren Weg von ganz alleine. Geschenkte Zeit, um Gedanken nachzuhängen. Sie kommen und gehen, verlieren sich in Zeit und Raum, verblassen, um zurück zu kehren, bringen neue Impulse mit, die gleich darauf schon wieder vergessen sind. Unmöglich, sie jetzt - im Nachhinein – wieder aufzuspüren. Aber sie wirken im Unterbewusstsein, dessen bin ich gewiss.
Mein Weg führt am Schieder See vorbei, der Emmer wird zum Stausee, der hier Ende der 1970er Jahre angelegt wurde, um die Altstadt von Lüdge vor dem Hochwasser der Emmer zu schützen, was wohl gelang. Neben der Schutzfunktion hat sich im Laufe der Zeit ein Naherholungsgebiet entwickelt. Aber davon sehe ich nichts, denn ich gehe auf der nördlichen und damit vermutlich falschen Seite den Sees entlang. Doch der Emmerweg will es so. Die südliche Seite wäre die Bessere gewesen, denn dort reicht der Wald bis zum See. Ich aber bleibe durch eine vorbeilaufende Bahntrasse getrennt vom Ufer des Sees, das eh steinig und nicht einladend ausschaut. So bleibt die extra mitgenommene Badehose im Rucksack. Eine Abkühlung wäre mir willkommen gewesen, denn es ist heiß geworden, Schweißperlen kullern von meiner Stirn. Die Sonne scheint aus klaren Blau, nur vereinzelt sind weiße Tupfer in den Himmel gemeißelt. Nach drei Kilometern ist der See zu Ende. Wieder überquere ich den Emmer und nun auch die Bahnschienen, gelange in den Kurpark von Schiede. Der Weg führt zum Schloss Schieder hinauf, das erst im 18. Jahrhundert im Klassizismus-Stil Bau errichtetet wurde. Es ist klein, schlicht und anmutig. Auf der Rückseite wird die Terrasse für das Kuchengeschäft klargemacht, Sonnenschirme werden aufgespannt und Stühle zurecht gerückt. Es ist fünfzehn Uhr. Kaffeezeit! Aber ich lasse mich nicht locken, kaufe mir stattdessen eine Banane und einen Apfel im nahegelegenen Supermarkt.
Zurück im Wald geht es an Bäumen vorbei, die milden Schatten spenden. Ich erklimme eine Anhöhe. Dort endet der Wald. Ich folge nun einem mit Gras bewachsenen Feldweg, schön frisch gemäht. Zum ersten Mal frage ich mich, wer wohl alle diese wunderbaren Wanderwege, die ich bereits gegangen bin, so herrlich in Ordnung hält. Warum frage ich es mich gerade jetzt? Vielleicht, weil die Antwort geradewegs vor mir steht! In Gestalt eines älterer Herrn im roten Sweatshirt, zünftig gekleidet mit Wanderhose und –stiefeln. Über die Straße gebeugt, sieht er mich nicht kommen. In der einen Hand hält er eine Spraydose, in der anderen Hand einen Besen. Er wirkt sehr beschäftigt, kehrt mit dem Besen erst den Boden, um danach einen weißen Pfeil auf die Straße zu sprayen. Ich bleibe eine Weile vor ihm stehen, bis er mich schließlich bemerkt. Da kommt er aus gebückter Haltung hoch, schaut mich verwundert an.
„Die Wege hier sind alle so gut in Ordnung und frisch gemäht. Wissen Sie, wer das hier so macht?“, frage ich einfach so drauflos.
„Ich“, sagt er. „Ich bin hier der Wegewart.“
Damit hatte ich nicht gerechnet. Kaum stelle ich mir die Frage, schon erhalte ich die Antwort.
„Im Moment zeichne ich allerdings den Weg für den Volkslauf aus.“
Daraufhin erzähle ich ihm, dass ich aus Hamburg komme und im April dort den Marathon gelaufen bin. „Da war ich auch, aber nur als Zuschauer“, erwidert er, „ich habe meine Tochter besucht, die wohnt auch da.“ Nach einer kleinen Plauderei verabschiede ich mich, nicht ohne mich zu bedanken für seine Mühen als Wegewart.
„Viel Glück auf dem weiteren Weg und dass Sie heil in Konstanz ankommen mögen“, ruft er mir noch nach.
Einen Hügel weiter wechselt der Weg auf einen Bergwanderweg. Es wird schmal und immer schmaler, das Gras wächst wild und immer wilder. Ich denke nur: Zeckenalarm! Die Angst vor Borreliose keimt kurz auf. So lasse ich trotz der Hitze die aufgekrempelten Hosenbeine herunter, die Hose bedeckt jetzt die nackten Beine. Schwitzen ist besser als Zeckenbiss! Der Weg führt hinauf, vorbei an einsam liegenden Feldern, rote Mohntupfer ragen aus dem satten Grün des reifenden Getreides. Dann plötzlich ist endgültig Schluss mit dem Emmerweg; er wird unpassierbar. Hier ist bestimmt nicht der nette Wegewart von vorhin zuständig, oder doch? Ich weiche auf eine Wiese aus, kein Zaun verhindert den Zugang. Hier ist schon jemand vor mir gegangen. Ich folge den Spuren, die sich durch die Wiese ziehen. Es geht durch kniehohes Gras, reife Samen streifen meine Hosenbeine. In der Ferne schimmern die Halme rötlich, während sie sich im leichten Sommerwind wiegen. Viele hundert Meter geht es über die Wiese eine Anhöhe hinauf. Oben angekommen, ist Steinheim in Sicht. Die Wiese wird von einem Zaun begrenzt, auf dessen anderen Seite der Weg liegt, hier wieder wunderbar gemäht und gut begehbar. Ich schmeiße den Rucksack über den Stacheldraht. Nein, so war es nicht! Ich lege ihn vorsichtig auf der anderen Seite ab und steige sehr vorsichtig über die Stacheln. Endlich bin ich zurück auf dem offiziellen Emmerweg, der nun weiter an der Wiese entlang führt. Er macht eine Biegung nach links, führt durch ein kleines Wäldchen, macht noch eine Biegung nach rechts und - da ist ein Gatter zur Wiese. Es ist offen. Das Klettern über den gefährlichen Stacheldrahtzaun wäre unnötig gewesen, wenn ich mehr Geduld gehabt hätte. Offenbar war der zuständige Wegewart der Meinung, dem Wanderer eine neue Erkenntnis zu verschaffen: "Sei nicht voreilig“.
Danke, lieber Wegewart.
Es ist nun nicht mehr weit bis nach Steinheim. Nur noch einen Hügel hinab, dann durch den Ort ins Zentrum. Am Bahnhof liegt mein Hotel für die heutige Nacht. Es wirbt mit dem Slogan: "Wir wollen, dass Sie sich wohlfühlen und mit hohem Komfort zu angenehmen Preisen Steinheim genießen“.
Das hat mir gefallen, als ich vor der Wanderung nach einer Unterkunft suchte. Nun stehe ich in einer leeren Bahnhofshalle. Ein Automat übernimmt den Check-In Vorgang - ganz vollautomatisch. Ich hätte lieber einem Menschen in die Augen geschaut und zusammen mit dem Zimmerschlüssel ein paar nette Willkommensworte entgegen genommen. Schließlich bin ich von weit her bis hierher gewandert. Aber die Zeiten ändern sich und ich hätte mir auch ein anderes Hotel aussuchen können. Der Automat bekommt es hin, in wenigen Augenblicken halte ich meine Plastikkarte für das Hotelzimmer in der Hand. Das „Sesam öffne dich“ zu meinem schicken, modernen und tatsächlich komfortablen Hotelzimmer für die Nacht.
Steinheim am Montagabend muss man sich so vorstellen:
Montag ist Ruhetag. Das bedeutet, alle Geschäfte, sämtliche Restaurants und wirklich alle Kneipen haben geschlossen. Man begegnet keinem Menschen, die Straßen sind wie leer gefegt. Die Steinheimer haben sich offenbar abgesprochen, wollen hungrige Wanderer wie mich aus der Stadt vertreiben. Alle Steinheimer? Nein! Denn da gibt es die eine Bar, die offen hat. Es ist die Cosmo:Lounge, die sich mir hungrigen Wanderer erbarmt. Dazu auch der Stadtjugend, die sonst keinen Platz findet in dieser Stadt. Ein Tisch ist noch frei, ich setzte mich, umgeben von Jungs und Mädels, die an ihrer Cola saugen. Ich bestelle ein feinsüffiges Krombacher Pils, es kommt in einem richtig großen Glas. Dazu gesellt sich eine Pizza Tonno. Sie ist lecker, heiß und knusprig. Während ich esse, ruht mein Blick auf der ultramodernen Bar, der gläserne Tresen tränkt sich in Blau, dann folgt Weiß, Rot und Pink. Das Farbenspiel folgt einem festen Rhythmus. Ich nutze das kostenlose WLAN, um ein paar Nachrichten über das vielseitig einsetzbare Smartphone in die Welt zu pusten. Das lenkt ab von dem unerhörten Lärmpegel des aus jungen Kehlen entstammenden Stimmengewirrs.
Es wird spät an diesem Montag in Steinheim und deshalb höre ich in der Nacht keinen vorbeifahrenden Zug, obwohl das Fenster wegen der Wärme weit geöffnet ist.Les mer
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- tirsdag 9. juni 2015
- ⛅ 14 °C
- Høyde: 247 m
TysklandAltenbeken51°45’42” N 8°56’43” E
E1-21-D-Altenbeken (31km)

Viel Muße auf dem Weg zur Quelle - Der Emmerweg (3/3)
Das Automaten-Hotel in Steinheim bietet ein kleines Frühstücksbuffet im Kiosk der Bahnhofshalle an. Danach endet der Hotelaufenthalt so unpersönlich, wie er begonnen hat. Die Plastikkarte, mein Schlüssel zum Hotelzimmer, verschwindet beim Verlassen des Hotels im Briefkasten. Kein Auf-Wieder-Sehen, kein aufmunterndes Wort für den Weg. Davon abgesehen hat es mir hier gefallen. Es ist ein gutes Nutzungskonzept für sonst sterbende Bahnhöfe.
Der Weg begleitet nun den Flusslauf des Emmer, rechts und links liegen Felder, die zum Horizont reichen, wo eine Baumreihe mit dem Himmel verschmilzt. Dunkle Wolken in allerlei Grau saugen Wasser aus ihnen, stillen ihren Durst, werden allmählich satt, wandern weiter und werden ihre Last sicher irgendwo wieder los werden wollen. Aber noch saugen sie. Es ist trocken. Ich komme zügig voran. Nach zehn Kilometer erreiche ich Nieheim, der Weg mündet auf eine Straße, die in die Innenstadt führt. Bunte Vorgärten schmücken den Weg. Gelegentlich ist auch ein Gemüsegarten dazwischen. In einem von ihnen hackt ein altes Weib in gebückter Haltung Unkraut aus dem Kohlrabi. Für mich als Großstädter ein bemerkenswertes Bild.
Im Zentrum lädt Sankt Nikolaus, eine große Kirche, zum Verweilen ein. Wieder ein Ort, der mir Ruhe bietet. Offenbar ziehen Kirchen mich an. Viele Gegenstände gäbe es im Innern zu bewundern, sogar eine Ritterfigur. Mich interessiert allerdings mehr ein Erker. Lange stehe ich davor und betrachte detailliert, was es zu sehen gibt. Das habe ich gesehen: an der rückwärtigen Wand die hölzerne Jesus-Figur, ans Kreuz genagelt, die Finger und Füße von Nägeln durchbohrt. Es sieht aus, als hätte er seinen neunstündigen Todeskampf bereits hinter sich, denn der Kopf ist nach unten gebeugt und die Augen sind geschlossen. Doch noch steht sein Körper aufrecht und die Knie sind durchgedrückt. Er sieht nicht leidend aus - und doch hat er alles Leiden der Menschheit auf sich genommen. Ein Schild über ihm wurde ans Kreuz genagelt. INRI steht mit großen Lettern darauf (Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum, Jesus von Nazaret, König der Juden). Sein Peiniger Pontius Pilatus ließ es zur Begründung seiner Schuld anbringen, wie es 30 n.Chr. üblich war. Links und rechts neben dem Gekreuzigten stehen zwei Frauen. Die eine ist blau gewandet, der Kopf vom weißen Kopftuch halb verdeckt, die Hände sind gefaltet, ihr Blick ist Jesus zugewandt. Vielleicht stellt sie seine Mutter Maria dar. Rechts eine junge Frau in rotem Gewand, ihr Kopf hängt vor Trauer, ihr Blick ist nach unten gerichtet, die Hände sind ebenfalls gefaltet. Vielleicht ist es seine (Halb-) Schwester Maria. Besser gefällt mir die Vorstellung, es sei Maria Magdalena, seine liebste Gefährtin, eine von mehreren Frauen, die Jesus nachfolgten und für seinen Unterhalt sorgten, während er predigte. Allerdings soll sie sich bei der Kreuzigung im Hintergrund gehalten haben. Mehr noch als die Figuren interessiert mich das ausliegende Buch. Es ist vor dem Gekreuzigten im Zentrum des Erkers aufgestellt, von bunten Blumensträußen gesäumt, aus denen zwei weiße Kerzen ragen. Sie brennen nicht. Ich trete näher heran, lese scheu auf der aufgeschlagene Seite von jemandem, der Gott dankt, ein anderer bittet um seinen Segen, wieder einer bittet um Bestand. Vorsichtig blättere ich ein paar Seiten zurück, berühre das Papier kaum. Verzweifelte Worte kann ich lesen, auch Verbitterung. Ich selbst hinterlasse keine Botschaft, schreibe keine Zeile in das Buch, denn ich glaube nicht in der Weise, wie es die Kirche lehrt. Es berührt mich dennoch. Leise ziehe ich mich zurück, verlasse - in Gedanken versunken - diesen heiligen Ort.
Auf der Straße, zurück gekehrt in die Welt, meldet sich Hunger. Gegenüber hat ein Bäcker geöffnet und während ich die leckerste Frikadelle meines Lebens genieße, rücke ich meine Gedanken zurecht.
Viele Minuten später geht es weiter, tausend Schritte trennen mich bereits von Nieheim, als ich mitten im tiefsten Wald entferntes Motorengeräusch wahrnehme. Es ist nicht wie sonst, es ist nicht das unangenehme Zischen von Autos, die eine Straße entlang eilen, sondern es klingt kernig und satt. Es ist der Klang von Motoren mit sehr viel Hubraum, die bei hoher Drehzahl ihre Kraft entfalten dürfen. Es ist mal ein tiefes Röhren, dann ein lautes Dröhnen, gefolgt von quietschenden Geräuschen, wie reibendes Gummi auf Asphalt. Hier wird offenbar im Grenzbereich gefahren, Höchstleistungen am Limit in engen Kurven erbracht. Ein Blick in die Karte gibt Auskunft: es ist die „Test- und Präsentationsstrecke Bilster Berg“, auf der wohl gerade ein Fahrer seine Rennmaschine im großräumigen Kreis herum hetzt. Das Motorgeräusch kommt schnell aus der Ferne näher, wird lauter, schwillt infernalisch an, entfernt sich wieder, schwillt ab und erstirbt schließlich in der Ferne. Nach kurzer Dauer wiederholt sich das Hörspiel. So geht es Runde um Runde, viele Male, die das Fahrzeug in hoher Geschwindigkeit mit wechselnden Gängen und Drehzahlen zurücklegt. Ich gehe lange an der Rennstecke entlang, ohne je einen Blick auf die Strecke erhaschen zu können. Zu gut ist sie durch hohe Erdhügel abgeschirmt, die vermutlich dem Lärmschutz dienen, vielleicht aber auch als Sichtschutz gedacht sind. Im Internet lese ich später: „Das Bilster Berg Drive Resort – die Test- und Präsentationsstrecke mitten in Deutschland. Das parkähnlich angelegte Gelände bietet gleichzeitig einen adäquaten Rahmen für Fahrzeugpräsentationen, Produkteinführungen, Events und Incentives auf und neben der Strecke. Der 4,2 Kilometer lange selektive Naturrundkurs ist in die gegebene Topografie eingebettet, und Rallye- wie Le Mans-Legenden, aktive Profis und Formel-1-Fahrer schwärmen von der anspruchsvollen Streckenführung…“.
Wenige hundert Meter weiter, am südlichen Ende der Rennstrecke, wartet gleich noch eine Attraktion auf mich:
die Telegrafenstation Nr. 32, die auf dem Bilster Berg steht. Sie ist eine von einundsechzig Stationen, die vor bald 200 Jahren, 1832, errichtet wurden, um Depeschen von Berlin nach Koblenz über eine Entfernung von 550km in nur eineinhalb Stunden visuell zu übermitteln. Ein reitender Bote brauchte dafür vier Tage. Nachrichten wurden mittels eines dekadischen Zahlensystems von Station zu Station übermittelt. Es gab 4096 definierte Stellungskombinationen, die über sechs Telegrafenflügel dargestellt wurden und Zahlen symbolisierten, denen mittels geheimer Codebücher Wortbedeutungen zugeordnet waren. Aber kaum zwanzig Jahre später war die Technik bereits überholt. Die Anlage wurde abgewrackt und 1984 wieder neu aufgebaut, dieses Mal für touristische Zwecke.
Technik kann einen Mann beeindrucken, er vergisst darüber schon einmal das Wandern und verbringt viel Zeit damit, die Infotafel sehr genau zu studieren. Und auch der herrliche Blick ins Tal hält mich hier.
Irgendwann aber muss man weiter. Wieder Wald und noch mehr Wiesen. Einmal geht es an weißen Kühen vorbei, die mit ihren Kälbern und –das ist selten- ihrem Bullen -widerkäuend auf der Sommerwiese lungern. Es sieht nach einer glücklichen Kuhfamilie auf Sommer-Urlaub aus. Am Mühlenbach laufe ich am abzweigenden Weg vorbei, das merke ich erst hundert Meter später. Der Pfad ist nicht zu erkennen gewesen, denn er ist zugewachsen. Aber Komoot kennt den Weg und so finde ich ihn schließlich. Den Mühlenbach quere ich auf einer Holzbrücke, die bereits stark vermodert ist, die Balken löchrig. Wird sie mich noch halten? Sie tut es.
Schließlich erreiche ich Erpentrup.
Der kleine Ort, hält einen technischen Leckerbissen für mich bereit, den ich hier nicht vermutet hätte.
Ein gemütlich wirkender Mann steht vor der Garage seines Hauses, putzt an einem Gefährt herum, das man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Der schwarze Lack ist verwittert, die Reifen sind schmal, vorne steckt eine Kurbel, mit der das Automobil angelassen werden kann. Es interessiert mich, etwas über dieses Auto zu erfahren. So spreche ich den Herrn an. Er lässt sich, etwas widerwillig, auf ein Gespräch mit mir ein. Vielleicht wird er zu oft von vorbeiziehenden Fußgängern auf den Oldtimer, der vor der Garage steht, angesprochen. Vielleicht halte ich ihn von einer liebgewonnenen Tätigkeit ab, der er viel lieber nachgehen würde als sich mit einem neugierigen Wanderer zu unterhalten. Aber ich stelle Fragen und er redet sich warm. Erzählt mir, dass die schwarze Droschkenkutsche ein Rover Ten, Baujahr 1933 sei. Mit Rechtslenkung, weil es aus Großbritannien stammt. Außen wie innen ist es noch der Restauration bedürftig.
„Gestern bin ich ihn das erste Mal gefahren. Ich will ihn wieder zulassen, mit einem H-Nummernschild“, meint er stolz. Ein historisches Nummernschild mit Dauerzulassung und regelmäßigem TÜV.
„Aber der Lack bleibt, wie er ist. Das ist noch der Originallack, den darf man nicht übermalen.“
Aha, denke ich und betrachte die mächtige, verwitterte Motorhaube, die so gar nicht glänzt und hier und da zarte Roststellen aufweist.
„Interessieren Sie sich für Motoren?“, fragt Herr Pott, der mit mittlerweile erzählt hat, dass er in Motoren vernarrt ist.
„Eher nicht, ich fahre nur einen Smart mit 'nem ganz kleinen Motor.“
Es hält ihn nicht davon ab, die schwere Garagentür zu öffnen und mich einzulassen in sein Heiligtum. Was ich zu sehen bekomme, lässt mich staunen: direkt hinter dem Garagentor steht eine zwei Meter lange Flugzeugturbine.
„Das ist eine Propellerturbine, voll funktionsfähig. 2000 PS. Wenn ich die starte, würde sie sich aufschaukeln, in der Gegend rumfliegen und alles kaputt schlagen.“
Mein Blick schweift im Raum herum. An der gegenüberliegenden Wand: dutzende alter Röhrenradios im Regal gestapelt, große braune Kästen, aus Holz gefertigt.
„So ein Ding hatten meine Eltern früher im Wohnzimmer“, meine ich.
„Ja, die stammen aus den fünfziger und sechziger Jahren.“
Ein Dreirad mit Motor sehe ich, eine alte Telefonzelle, gefüllt mit allerlei Exponaten. Davor ein altes Notstromaggregat.
„Springt sofort an, braucht aber unheimlich viel Sprit.“
„Eine Garage ist es nicht, eher ein Museum“, denke ich. Damit liege ich nicht falsch, denn ich bin, ohne es zu wissen, in das Motorenmuseum der Familie Pott geraten und Herr Pott, leidenschaftliche Eigentümer, Sammler und Restaurateur alter Maschinen, führt mich gerade darin herum.
„Kommen Sie mal mit“, sagt er und zeigt auf die Treppe, die ins Untergeschoss führt. Und dort stehen sie alle, die alten Diesel-, Benzin, Benzol-, Gas- und Schwerölmotoren, die ich nie zuvor gesehen habe.
„Sie laufen alle noch“, sagt er. Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Eine komplette "Elektrizithäts-Centrale", gebaut 1910, mit großem Schwungrad und Schalttafel aus massivem Marmor kann ich bestaunen. Oder ein Schiffsdiesel, zwei Sternmotoren aus alten Flugzeugen. Sogar ein silbrig glänzender V12 Jaguar Motor, Baujahr 1973, ist vorhanden. Er sieht noch ganz neu aus. „Der läuft auch noch wie geschmiert“, meint er.
Damit ist die Führung zu Ende Ich bedanke mich sehr und verabschiede mich.
„Kommen Sie wieder, Sie sind jederzeit herzlich willkommen“, sagt er zum Abschied und wendet sich wieder seinem Oldtimer zu. Als ich mich nach ein paar Meter noch einmal umdrehe, sehe ich ihn selbstvergessen den Spiegel putzen. Ich habe den Motorennarren ins Herz geschlossen.
( http://www.motorenmuseum.de)
Jetzt geht es für ein paar Kilometer am Emmer entlang. Der Fluss hat sich bereits zum Bach verjüngt. Die Vegetation ist üppig, das Flussdelta fruchtbar. Da weist ein unscheinbares Schild auf seine Quelle. Ich folge dem Pfad und erreiche bald die Emmerquelle. Aus aufgeschichteten Steinen sprudelt das Wasser an zwei Stellen hervor, bildet schmale Rinnsale, die sich verbinden und gluckernd als Bach davon plätschern.
Zurück auf dem Emmerweg geht es noch eine Weile durch dichten Wald hinauf. Die erklommenen Höhenmeter bringen mich noch einmal zum Schnaufen und Schwitzen. Dann geht es wieder runter und kurz vor Altenbeken kreuze ich den Eggeweg, der ab der nächsten Wanderetappe mein Leitweg sein wird.
Um 18:27 Uhr sitze ich in der S-Bahn nach Hannover. Von dort bringt mich der ICE pünktlich nach Hamburg. Die Strecke dauert jetzt schon mehr als drei Stunden und ich stelle fest: auch die Zeit der dreitägigen Wanderungen ist bald vorbei. Anfahrt und Rückweg werden nun zu lang.Les mer

SommersprosseDer Emmerweg hört sich interessant an. Obwohl wir auch schon am Bahnhof in Altenbeken auf einer Wanderung angekommen sind, ist mir der Emmerweg irgendwie entgangen.
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- fredag 19. juni 2015
- ⛅ 13 °C
- Høyde: 273 m
TysklandWillebadessen51°37’21” N 9°0’49” E
E1-22-D-Willebadessen (29km)

Allerlei Mystisches auf dem Eggeweg (1/3)
<< Der Eggeweg ist ein stiller Wanderpfad für Naturliebhaber. Er führt auf ca. 70km abseits von Stress und Hektik durch die weitläufigen Wälder des Eggegebirges, verbindet den Teutoburger Wald mit dem Sauerland.
Er beginnt an den Extersteinen in Holzhausen-Externsteine und verläuft durch den südlichen Teutoburger Wald sowie auf dem Kamm des Eggegebirges. Der Weg führt entlang einer alten Handelsroute bis nach Marsberg.
Gekennzeichnet ist er mit einem weißen [X] und/oder [E1] als Teilstück des E1. >>
ICE und S-Bahn bringen mich frühmorgens nach Altenbeken. Dort angekommen, habe ich nur den einen Gedanken: Kaffee! Heiß und schwarz soll er sein! Aber nirgends kann ich ihn bekommen und so beginnt meine dreitägige Tour ohne das belebende Gebräu. Die Beine sind vom langen Sitzen noch steif und mögen sich nicht recht bewegen. Allein mein Wille treibt sie den Dübelsnacken hoch. Nach zweihundert Höhenmeter habe ich mich eingelaufen. Auf dem regennassen Heinrich-Heine-Weg geht es immer höher hinauf und bald ist der Eggeweg erreicht, dem ich nun folgen werde.
Alte Burgen finde ich cool und hier liegt eine fast auf dem Weg. Bald ist die Iburg erreicht. Während ich den Burgwall entlang schreite und in den tiefen Burggraben schaue, ahne ich, wie mächtig und uneinnehmbar die Anlage einst gewesen sein muss.
<< Nur von der Westseite kann man sich der Burg nähern, steile Felswände schützen die anderen Seiten. Die Burg wurde bereits vor Christi Geburt von den germanischen Sachsen gebaut, diente Jahrhunderte lang als Fliehburg. Lange schützte sie vor Feinden, doch 772 n Chr. erstürmten die Franken die Burg. Irmansul, die hölzerne Säule, das Heiligtum der Germanen fiel in die Hände von Karl, dem Großen. Er ließ sie fällen und schändete so die Gottheit der Sachsen, die Vergeltung fordernd gegen die Franken zu Felde zogen. Dreißig Jahre lang tobte Krieg und das Ende ging schlecht für die Sachsen aus. Während Karl zum Kaiser ernannt und fortan der Große genannt wurde, wurden die Sachsen zu Christen zwanghaft bekehrt und Irmansul vergessen. Auf der Iburg wurde zum Gedenken an die fränkischen Heldentaten eine Kirche errichtet, genau dort, wo Irmansul stand. Weitere siebenhundert Jahre überdauerte die Burg mit wechselvoller Geschichte, im 14.Jhrdt. brannte sie endgültig nieder. Heute erinnern nur noch Reste an die ruhmreiche Zeit der Iburg. >>
Am Rand des Burgplateaus, dort, wo der Iberg am steilsten ist, steht zum Gedenken an Karl der Kaiser-Karl-Turm. Achtzig steinerne Stufen führen zur Aussichtsplattform hinauf und wer hinaufsteigt, kann die Burg von oben sehen. Gleichzeitig hat man traumhafte Blicke in südliche Richtung über das Eggegebirge. Daran kann ich mich nicht satt sehen, bleibe sehr lange hier oben stehen, schaue in Gedanken versunken sogar über den Horizont hinaus. Dort hinten, hinter den Bergen, noch immer ganz weit entfernt, liegt irgendwo der Bodensee. Ich weiß, er wird geduldig auf meine Ankunft im nächsten Jahr warten.
Am Turm liegt die Sachsenklause. Hier bekomme ich endlich den Kaffee, den ich mir sehnlich gewünscht habe. Genießerisch schlürfe ich den Bohnensaft, während ich durch große Panoramascheiben den grandiosen Blick über Bad Driburg genieße.
Vom Koffein belebt geht es weiter. Der Eggeweg schlängelt sich tief und tiefer in die Wälder hinein.
<< Wald gab es hier nicht immer, denn sechs Jahrhunderte lang wurde er gerodet und als Feuerholz in den Schmelzöfen des Glasgewerbes verheizt. Als im achtzehnten Jahrhundert nichts mehr übrig war, musste die Glasindustrie auf Kohlefeuer umstellen. So konnten die Bäume wieder wachsen. Eine Informationstafel am Wegesrand gibt mir Auskunft, dass die Buche die dominierende Baumart in den europäischen Wäldern wäre, wenn der Mensch sie wachsen ließe. Hier hat er es getan und so gibt es im Eggegebirge mächtige Buchenwälder. >>
Einen einzelnen Baum sieht man vor lauter Wald oft nicht mehr. Doch manchmal fällt da einer aus dem Rahmen. So geschieht es jetzt, als ich vor Erstaunen stehen bleiben muss, um genau hin zu schauen. Ein einzelner Baum, von großen Fichten umgeben, von ihm auf Abstand gehalten. Er selbst: eher klein. Warum zieht er meinen Blick auf sich? Es ist sein so dunkler Stamm. Er ist nicht nur dunkel, er ist tiefschwarz. Ein Schwarz, das das Grün des Waldes hinter ihm noch grüner macht. Mehr als fünfzig Meter Distanz sind zwischen ihm und mir und er wirkt auf mich wie ein schwarzes Loch, das mich magisch anzieht. Ich kann gar nicht anders, ich muss zu ihm gehen. An einer unsichtbare Grenze, jenseits der kein Baum mehr wurzelt mag, bleibe ich stehen. Dort spüre ich seine Kraft, die auch mich auf Abstand hält. Ich schaue ihn an, würde ihn gerne berühren, wage es jedoch nicht. Ich sehe, wie fest er mit dem Boden verwurzelt, wie dick sein Stamm ist. Totholz liegt morsch am Boden, das noch Gesunde strebt steil zur Sonne und oben im Licht entfaltet sich sein grünes Blätterdach. Lange stehe ich da und betrachte ihn. Dann kann ich gehen, lässt er mich los.
Es beginnt zu regnen. Ich eile nach Herbram-Wald. Im Golf-Stübchen finde ich ein trockenes Plätzchen unter einer überdachten Terrasse. Die nette Wirtin bringt mir Kaffee und Kuchen, dazu Erdbeeren mit Schlagsahne und schon lacht die Sonne durch die Regenwolken hervor. Kaum bin ich wieder in Bewegung, da beginnt es wieder zu regnen. Eine Weile schützt das Blätterdach, doch bald wird der Regen heftiger, rinnt förmlich an mir herab. Wie gerufen liegt da die Aselner Schutzhütte, ein trockenes Plätzchen direkt am Wanderweg. In der Hütte liegt ein Wanderbuch aus, das mir die Zeit vertreibt. Viele Wanderer haben Sprüchen hinterlassen, manche von ihnen bedanken sich bei den Erbauern.
Dann lese ich:
„Ich bin unterwegs auf dem E1 in Richtung Bodensee…“.
Ein Wanderer mit gleichem Ziel ist erst vor einer Woche hier gewesen.
Ich hinterlasse folgende Botschaft für nachfolgende Wanderer in dem Buch:
„Ich bin auf meinem Weg von Hamburg zum Bodensee. Dafür habe ich mir drei Jahre gegeben. Dieses ist das zweite Jahr. Heute komme ich an dieser Hütte vorbei. So verbringe ich hier eine trockene Pause im Regen. Vielen Dank den Erbauern.“
Irgendwann hört auch der längste Regen auf. Endlich kann ich weiter. Doch es dauert nicht lang, dann gießt es erneut. Im feuchten Nebel erscheint ein Wegweiser, der den Weg nach Willebadessen weist. Es sind nur noch vier Kilometer dorthin. „Das ist nicht mehr weit“, denke ich mir und gehe einfach weiter. Durchweicht und verkühlt erreiche ich den Ort. Im Jägerhof wartet eine heiße Dusche auf mich.
Kurze Zeit später trifft Freundin Beke ein. Sie will mich zwei Tage begleiten und ich freue mich über Gesellschaft beim Wandern. Den Abend genießen wir plaudernd und schlemmend. Wir machen Pläne für den morgigen Wandertag und amüsieren uns nebenbei über eine Wandergruppe, die im Nebenraum unermüdlich Reden schwingt.Les mer
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- lørdag 20. juni 2015
- ⛅ 10 °C
- Høyde: 363 m
TysklandSchurenberg51°32’19” N 8°54’28” E
E1-23-D-Blankenrode (25km)

Allerlei Mystisches auf dem Eggeweg (2/3)
Nach der morgendlichen Stärkung am üppigen Buffet geht es auf dem Eggeweg weiter. Er führt uns den Hexenberg steil hinauf, innerhalb von Minuten haben wir schon hundert Höhenmeter überwunden. Unterwegs gesellt sich eine neue Wegmarke hinzu, eine weiße Urne auf blauem Grund kennzeichnet den „Weg zu mystischen Stätten“. Das klingt geheimnisvoll. Wir schauen uns voller Erwartungen an. Doch die zwei Wege trennen sich bald. Der Eggeweg, dem wir weiter folgen möchten, führt leider an den mystischen Stätten vorbei. So wissen wir nicht, was wir verpassen.
Meine Wanderbegleitung hebt eine Feder hoch. Ich hatte ihr einmal erzählt, dass ich zu Beginn eines Wandertages oft eine Feder am Boden liegen sehe und es immer so interpretiere, dass mein Schutzengel mir zeigt, dass er mich begleiten wird. Heute ist also auch ihr Schutzengel dabei.
Eine sagenumwobene Stätte liegt dann doch auf unserem Weg. Wir treffen auf ein Försterkreuz, daneben steht auf einem Schild geschrieben:
„An dieser Stelle wurde ein Förster ermordet. Er hat, bevor er starb, mit seinem eigenen Blut den Namen des Mörders in sein Notizbuch geschrieben. Doch der Wilderer wurde nicht gefasst, er hatte sich nach Amerika abgesetzt.“
Der Weg wird nun schmaler und verläuft direkt an einer Felskante entlang. Es sind die Teutonia-Klippen. Den Namen verdankt er der Gesellschaft Teutonia, die den Wald einst kaufte, um Eisenerz zu schürfen. Am Fuße der Klippen liegen noch ehemalige Abbaustellen. Es sind Löcher, die von eingestürzten Stollen und Gruben zeugen, gegraben für die Eisenindustrie. Doch das scheint lange her zu sein, die Natur hat sich ihren Lebensraum längst zurück erobert. Natürliche Kräfte legten einen Mantel aus Bäumen und Büschen über die Wunden und kreierten zusammen mit Farnen und Moosen eine geheimnisvolle Kulisse. Die früheren Eingriffe des Menschen sind kaum noch sichtbar.
Ein kurzer Abstecher führt uns zum Aussichtsturm Bierbaums Nagel, der die Baumwipfel überragt. Jüngst wurde er restauriert, er sieht nagelneu aus.
1849 wurde er erbaut, der Gutsbesitzer Georg Bierbaum wollte seiner Frau einen Blick nach Kassel schenken, um ihr Heimweh zu lindern. Nebenbei war der Turmbau aber auch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Not leidende Arbeiter.
Wie dicht doch Romantik und Praktizismus beisammen liegen können.
Nach einer langen Mittagspause gehen wir weiter. Ich gehe voran, Beke folgt nach, schweigend gehen wir ein Stück, bis sie mir auf die Schulter tippt. Ich drehe mich um, ihre Hand weist auf einen schmalen Pfad.
„Da lang!“, meint sie und nickt mit dem Kopf in die gezeigte Richtung.
„Warum?“, frage ich, „das ist ein Umweg.“
„Keine Ahnung. Der Weg sieht so verwunschen aus“.
Ich will dem Pfad nicht folgen. Sie besteht darauf. Jetzt geht sie voran. Sie ist so schnell, dass ich ihr kaum folgen kann. Der Abstand zwischen uns wird größer, plötzlich ist sie verschwunden. Als ich aufhole, sehe ich sie in einer Senke. Sie steht breitbeinig, winkt zu mir rüber, signalisiert, ich solle ihr folgen.
„Was ist da?“, rufe ich. Doch statt zu antwortet, dreht sie sich um und geht einfach weiter und verschwindet wieder. Was bleibt mir übrig, als ihr zu folgen? Ich hole sie wieder ein, als sie vor einem riesigen Stein steht, der am steil abfallenden Abhang ruht. Mit der Hand berührt den Stein und ist völlig in Gedanken versunken.
Ich stelle mich daneben, bewundere den riesigen Klotz aus Kalksandstein. Er ist stark verwittert und löchrig vom Regen.
Für mich ist das ein großer Stein. Doch Beke sieht offenbar mehr in ihm. Sie ist von dem riesigen Stein begeistert, umrundet ihn mehrmals, klettern schließlich hinauf, setzt sich, genießt die Sonnenstrahlen, die für Momente durchs Blätterdach blinzeln. Dann hüpft sie herunter, baut sich vor mir auf, legt den Kopf schief und meint:
„Der Stein hat ein Gesicht.“
Wo ihre Finger hinweisen, sehe ich ein Loch über einem Spalt.
„Wo?“, frage ich.
„Da. Kannst du es nicht sehen? Es sieht wie das Gesicht eines versteinerter Drachen aus?“
Ein Loch ist ein Loch und ein Spalt ist ein Spalt, denke ich. Mich berührt der Stein nicht sonderlich. Aber ich weiß, dass das Schicksal in bestimmten Momenten Überraschendes bereit hält. Ein solcher Moment ist womöglich gerade gekommen. Der Stein scheint sie anzuziehen, sie muss ihn ständig berühren, lässt ihn gar nicht mehr los.
Einer spontanen Eingebung folgend spreche ich es aus:
„Dies ist vielleicht ein Ort, der dir etwas zu sagen hat. Bleibe du hier, während ich weitergehe. Am Ende des Pfades werde ich auf dich warten. Achte auf das, was dieser Ort mit dir macht und lausche auf das, was du hörst. Denn es ist deine innere Stimme, die zu dir sprechen will und vielleicht erhältst du die Antwort auf eine Frage, die dich beschäftigt. Dafür bist du doch mitgekommen, oder?“
(Ich möchte an dieser Stelle kurz erklären, dass sie eine Frage beschäftigt, deren Inhalt nicht in eine Wanderbeschreibung gehört. Da sie bisher keine Antwort finden konnte, riet ich ihr, mich auf meinem Weg zu begleiten. Ich sagte ihr, der Weg hält für jeden etwas bereit. Sie willigte ein und deshalb begleitet sie mich.)
Ich wende mich ab und gehe weiter, während sie am Stein verweilt. Was sie dort erlebt, werde ich wohl nicht erfahren.
Mein Weg verläuft weiter dicht an der steilen Klippe entlang. Ich habe viel Zeit, um zu betrachten, was mich umgibt: da sind abgestorbene Bäume, die bleichen Skeletten ähneln, moosbedeckte Steinen, die geheimnisvolle Figuren formen, eingestürzte Stollen, die vielleicht kleine Trolle beherbergen, glutroter Fingerhut, der wie kleine Blutstropfen auf grünem Farn wirkt. Hat der Stein auf mich doch eine geheimnisvolle Wirkung entfaltet?
Viel zu früh findet der schmale Pfad sein Ende. Er mündet wieder auf den breiten Eggeweg. Lange, sehr lange muss ich auf Beke warten. Endlich sehe ich sie kommen. Ich bin erleichtert. Noch ein Stück entfernt, ruft sie schon:
„Ich habe eine unheimliche Begegnung gehabt! Eine Frau stand plötzlich hinter mir. Sie war einfach da, ich habe sie nicht kommen gehört. Sie war groß und ganz schlank und ihre roten Haare waren zu einem Zopf gebunden. Gesagt hat sie nichts, aber mich sehr intensiv angeschaut. Sie hat richtig durch mich hindurch geschaut. Es war unheimlich.“
So malt sie diese Frau mit den roten Haaren direkt in mein geistiges Auge. Und ich male fleißig weiter. In mir entsteht eine Figur mit weißem Gewand. Zwei Flügel wachsen aus ihrem Rücken. Am Ende steht ein Engel vor mir.
Etwas unsicher frage ich sie: „War das eine Erscheinung?“
„Quatsch!“, erwidert sie. Mein Bild zerplatzt.
„Dann wird die Frau ja gleich kommen, oder?“
Wir warten gespannt. Sie kommt nicht.
Langsam, ganz langsam und ohne Eile, trotten wir den langgezogenen Waldweg entlang, den sanften Hügel hinauf. Wir schauen uns viel zu oft um, nur weil wir hoffen, dass die Frau mit den roten Haaren sichtbar wird. Aber das geschieht nicht. Auf dem Hügel angekommen, bleiben wir stehen, schauen noch lange nach ihr. Doch sie erscheint nicht auf dem Weg. Ich will weiter, zögere aber.
„Sie kommt nicht mehr, sie ist verschwunden“, meine ich.
In meiner Vorstellung hat die Erscheinung ihre Flügel ausgebreitet und ist in die Lüfte aufgestiegen und im Nichts verschwunden. Diesen Gedanken behalte ich aber lieber für mich.
Beke hat eine realistischere Erklärung parat: „Sicherlich hat sie einen anderen Weg genommen.“
Unschlüssig stehen wir da. Schließlich drehen wir uns um, gehen schweigend weiter, beide in unsere Gedanken verstrickt.
Roters Eiche ist eine große Rasenfläche mitten im Wald, auf der eine uralten knorrigen Eiche steht. Sie signalisiert das Ende der geheimnisvollen Felsenlandschaft. Für uns ist es der Platz, an dem unseren Gedanken aus der Phantasiewelt zurück in die Wirklichkeit kehren. Was nur hat dieser Weg mit uns gemacht?
Mit schnellem Schritt stoßen wir bald auf die Stadtwüstung Blankerode, einer vor langer Zeit aufgegebenen Siedlung. Auf einer Informationstafel lesen wir, dass in dem burgähnlichen Ostteil Ritter und Burgmannen wohnten, im Westteil die Bauern und Handwerker, dazwischen die Kirche. Die Burg wurde mehrere Male zerstört und wieder aufgebaut, im 14. Jahrhundert endgültig verlassen. Seitdem legt sich zu Erde gewordenes Laub über den Ort. Wir umrunden die Wüstung und freuen uns, bald ins heutige Blankenrode zu kommen. Denn dort liegt die Pension Eggewald, in der wir heute zu Gast sein dürfen.
Als wir eintreten, sehen wir einen Wanderer in der Gaststube sitzen. Er hat uns den Rücken zugewandt, trinkt genüsslich ein Bier. Der Wirt kommt sofort aus der Küche geeilt, begrüßt uns mit Handschlag und sagt, er würde uns sogleich das Essen machen.
„Die Küche macht gleich zu. Dazu gibt es höchstens zwei Flaschen Bier für jeden. Mehr nicht!“ Gastfreundschaft klingt anders, denke ich und schaue verwundert drein.
Wir wollen erst einmal einen Kaffee und danach auf‘s Zimmer, uns frisch machen und umziehen. Der Wirt wird sich gedulden müssen. Offenbar ärgert ihn das, denn er murrt, als er uns den Kaffee bringt.
Nach einer schnellen Dusche leiste ich dem Wanderer Gesellschaft, bald stößt auch Beke frisch geduscht dazu. Wir plaudern munter drauf los, denn Wanderer haben sich immer etwas zu erzählen.
Schnell stellt sich heraus, dass wir Gemeinsamkeiten haben. Nicht zuletzt den Namen, denn auch er heißt Michael wie ich. Prost darauf! Doch das Bier ist alle, wir bestellen mehr. Den Wirt freut es, er bringt volle Flaschen heran und ist gar nicht mehr mürrisch.
Beke erzählt Michael, dass sie im Wald eine Begegnung hatte.
„Ach, das war sicher Mia“, sagt er, „ich bin ihr schon mehrere Male begegnet. Sie ist seit vier Wochen auf dem E1 unterwegs.“
Ich horche auf. Sie geht den E1? Den Gedanken, sie als Erscheinung zu sehen, gebe ich auf und gebe mich mit der einfachen Erklärung zufrieden, dass sie einen anderen Weg genommen haben muss.
Wir lassen uns gerade die leckeren Schnitzel schmecken, als sich die Tür zur Gaststube öffnet. Im Türrahmen steht - Mia.
„Guten Abend. Kann ich bei Ihnen etwas zu essen bekommen?“ fragt sie den Wirt, während sie den Rucksack abstreift. Ich freue mich schon auf ein angeregtes Gespräch mit ihr.
Die Miene des Wirts, die mittlerweile fast fröhlich geworden ist, verfinstert sich schlagartig wieder. Erneut wirkt er wie zugeknöpft und fragt zurück:
„Übernachten Sie hier?“
„Nein“, sagt Mia, „ich habe mich in der Pension da drüben einquartiert.“ Ihr Arm zeigt Richtung Dorf.
„Dann habe ich nichts zu essen für Sie. Die Küche hat schon geschlossen.“
Das kann doch nicht wahr sein! Wir sind schockiert und reden auf ihn ein. Doch er bleibt hart. Mia muss hungrig gehen.
„Ich hätte so gerne mehr über ihre Wanderung auf dem E1 erfahren“, sage ich leise, wie zu mir selbst.
Um die Stille zu füllen, bestellt Michael mehr Bier.
Und wieder zaubert unser Wirt neue Flaschen herbei, bringt sich sogar selbst eine mit. Seine Stimmung ist wieder ausgelassen.
Ein paar Bier später erscheint Mia wieder. Zaudernd bleibt sie in der Eingangstür stehen und sagt leise:
„Michael, du hast doch morgen deinen letzten Wandertag. Ich möchte mich von dir verabschieden.“
Er winkt sie herein, der Wirt protestiert. Doch jetzt lassen wir sie nicht wieder gehen. Bier für alle, auch für den Wirt! Da wird er weich.
So sitzen wir in der großen Gaststube, reden, lachen und trinken bis kurz vor Mitternacht. Der Wirt wird wohl morgen neues Bier bevorraten müssen. Aber morgen ist morgen, heute trinkt er kräftig mit.Les mer
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- søndag 21. juni 2015
- ⛅ 15 °C
- Høyde: 257 m
TysklandMarsberg51°27’46” N 8°51’18” E
E1-24-D-Marsberg (18km)

Allerlei Mystisches auf dem Eggeweg (3/3)
Der Wecker klingelt, das Aufstehen ist mühsam. In der Gaststube steht ein gutes Frühstück bereit, das uns mit frischer Energie versorgt. Der Wirt bringt Kaffee und begrüßt uns nett. Wir dürfen uns sogar etwas für unterwegs einpacken. Michael sehen wir nicht mehr, er ist schon aufgebrochen und auch wir machen uns jetzt auf den Weg.
Eilig überqueren wir die Autobahn Richtung Ruhrgebiet. Hier ist es wieder einmal unerträglich laut, aber schon bald umgibt uns wieder Wald und Stille.
In Oesdorf wartet eine Kirche auf uns, schenkt uns in ihrem Innern ruhige Momente. Während Beke auf Entdeckungsreise geht, setzte ich mich ins Mittelschiff und lasse wieder einmal Blicke schweifen. Dieses Mal verfangen sie sich an einem Gemälde, das eine realistische Abbildung Gottes darstellt. Wallendes Haar und weißer Bart verleihen ein väterliches Aussehen. So kann man sich Gott Vater vorstellen, wie er wohlwollend von seiner Wolke herab auf die Menschen blickt. Gleichzeitig hebt er seine Arme, seine Finger weisen gütig auf vier Geschöpfe, die rechts und links von ihm sitzen, sie sehen aus wie Tauben mit Engelsgesichtern. Über allem steht: „Dieser ist mein geliebter Sohn – an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ Das ist ein Vers aus Matthaeus 3.17, was kleine Buchstaben in der rechten Ecke verraten. Eine verstohlene Recherche auf dem Handy bringt die Erkenntnis, der Psalm lautet im Ganzen: „Und da Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser; und siehe, da tat sich der Himmel auf über ihm. Und er sah den Geist Gottes gleich als eine Taube herabfahren und über ihn kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“
Damit kann ich das Gemälde deuten: Jesus, der in diesem Bild unsichtbar bleibt, wurde soeben auf der Erde von Johannes getauft. Nun nehme ich auch drei Kreise wahr, die sich in der Mitte schneiden und jetzt weiß ich auch, was es bedeutet. Es ist das Symbol der Dreieinigkeit, bestehend aus den drei Einheiten (1)„Gott Vater“, (2)„Sohn“ und (3)„Heiliger Geist“. Gott Vater sehe ich ja deutlich vor mir, den Heiligen Geist erkenne ich in den Tauben, aber wo ist der dritte Teil der Dreieinigkeit? Wo ist Jesus, auf den Gott Vater gerade herab blickt? Ich sehe mich um. Jesusfiguren gibt es einige in dieser Kirche, doch alle sind schon am Kreuz, keine wird gerade getauft. Mein Blick verfängt sich in den Bildern, die in den Seitenschiffen hängen. Ich muss aufstehen, um sie mir genauer zu betrachten. Ich sehe zwölf Bilder auf zwei Seitenschiffe verteilt, sechs befinden sich auf jeder Seite. Alle zusammen erzählen sehr detailgetreu die Kreuzigungsgeschichte Jesu. Ganz langsam gehe ich von Bild zu Bild, verfolge gebannt die Geschichte von Festnahme über Verurteilung, Geißelung und den Weg zur Kreuzigung. Auf einem Bild sehe ich ihn zusammengebrechen, auf einem anderen hängt er am Kreuz und auf dem letzten liegt er im Grab. In zwölf Bilder wird mir sein Leid und sein Sterben vor Augen geführt. Sehr lange betrachte ich die Bilder, jedes einzelne schaue ich mir sehr genau an, brenne es mir in mein Gedächtnis ein. Dann stelle ich mich in die Mitte der Kirche, dort, wo ich eben noch saß und schaue noch einmal zum Abbild Gottes empor, frage still:
„Wie konntest DU es IHM antun? Den ganzen Schmerz der Welt hat er für uns auf sich genommen. Wie kann man daran Wohlgefallen haben? Und hat es genützt?“
Eine Antwort erhalte ich hier nicht. Nachdenklich verlasse ich die Kirche. Draußen wartet Beke schon ungeduldig auf mich. Sie zeigt mir ihre Fotos, die sie im Innern gemacht hat. Es sind filigrane Holzarbeiten. Dinge, die ich überhaupt nicht wahrgenommen habe.
So sehen Menschen also in eine Richtung und doch sieht es für jeden anders aus.
Wir gehen weiter. Eine Weile noch bleibe ich nachdenklich. Doch Wald, Wiesen und meine Wegbegleiterin hellen meine Stimmung schnell wieder auf. Wir sind schon wieder munter am Plaudern, als wir eine Schutzhütte erreichen. Dort wartet eine freudige Überraschung auf uns, denn Mia sitzt da, hat die Beine übereinander geschlagen und lacht uns an. Lange vorher muss sie uns schon kommen gehört haben. Wir setzten uns zu ihr, freuen uns sehr, sie wieder zu sehen.
Sie erzählt, dass sie gerade mit ihrer Transfergesellschaft telefoniert hat. Zwei Wochen kann sie den E1 noch bewandern, dann muss sie zurück, sich auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten. Wie die aussieht, dass will sie auf ihrer Wanderung herausfinden.
Sie erzählt auch, dass sie Michael noch getroffen hat, der wie sie sehr früh aufgebrochen ist.
Dann kommt endgültig der Abschied, der nur mit einer innigen Umarmung geht und uns traurig macht. Wahrscheinlich werde ich weder Mia noch Michael je wiedersehen. Das ist Wanderschicksal.
In der Ferne ist ein großer, eckiger Turm zu sehen. Dort muss Marsberg liegen und dahin wollen wir. Bald sind wir da, es ist noch Zeit genug, um im Bleichhaus am Minigolfplatz eine Bratwurst vom Grill und Bier vom Fass zu genießen.
Schließlich ist es Zeit für den Rückweg mit der Bahn.
Wir haben nicht mehr darüber gesprochen, doch ich hoffe, Beke hat die richtigen Antworten in ihrem Gepäck mit nach Hause genommen. Fragen, die das Leben stellt und die zu Hause in der gewohnten Umgebung, in der man allzu oft im Kreis denkt, keine Antworten finden lassen. Erst die freie Natur, darin alleine oder mit einem Wanderpartner in einem bewegten GeHspräch unterwegs, führen wie von selbst zur Antwort, die schon im Herzen verborgen lag.Les mer
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- lørdag 4. juli 2015
- ⛅ 35 °C
- Høyde: 381 m
TysklandKoppen51°21’56” N 8°44’1” E
E1-25-D-Diemelsee (24km)

Bei Hitze und Gewitter durch das Sauerland (1/2)
Diese 2-tägige Tour führt durch das östliche Sauerland. Hügelige Landschaften, Wälder, der Diemelstausee und das Skigebiet von Willingen prägen den Weg über die Sauerland-Waldroute, den Diemel- und den Uplandsteig.
Seit Tagen ist der Sommer da. Es ist heiß. Wandern will ich trotzdem. In Maßberg schlägt mir morgens schon die Hitze entgegen, als ich aus dem Zug steige. Vom Bahnhof geht es die Fußgängerzone entlang, kurz darauf den steilen Pfad zum Obermarsberg hinauf. Das Gehen fällt schwer, aus allen Poren dringt Schweiß, durchnässt ist mein Shirt. Die ersten zwei Kilometer fühlen sich viel weiter an als sie es sind. Dann ist endlich das Plateau erreicht und eine Bank im Schatten lädt zur ersten Pause ein. Sie steht auf einem Friedhof, zwischen Gräbern bewegen sich langsam einige Grabbesucher. Sie bringen frisches Wasser in großen Kannen zu dürstender Grabbepflanzung. Auch meine Kehle verlangt nach kühlem Nass, die mitgebrachte Wasserflasche ist schnell geleert. Vorsorglich fülle ich sie wieder auf. Auch im Schatten ist es zu warm, erst der Rundgang durch die nahe Stiftskirche bringt etwas Kühlung.
Kraftsparend trotte ich weiter, hinter dem Friedhof liegt die Stadthalle von Obersberg, davor fingert ein junger Mann in grauer Uniform an einer kleinen Kanone herum.
„Was machen Sie denn da?“, frage ich ihn interessiert.
„Ich lade Pulver in die Kanone. Gleich wird’s hier ganz mächtig rumsen. Überall auf dem Berg stehen meine Kameraden an den Kanonen bereit. Punkt zwölf werden wir sie gleichzeitig zünden. So wird bei uns jedes Jahr das Schützenfest eingeläutet, so ist es üblich hier.“ Er gibt wirklich bereitwillig und ausführlich Auskunft und seine Augen leuchten, während er spricht. Ich dagegen denke: „Schnell weiter“. Ich bin bereits aus Obersberg heraus, da hallt der versprochene Knall herüber. Doch das war erst der Anfang. Bald knallt es überall. Von den Bergen höre ich den Widerhall. So kann das Volksfest denn beginnen! Aber ohne mich, denn ich wandere weiter.
Am Kalvarienberg bleibe ich stehen, genieße den Blick hinab ins grüne Tal. Und in der Ferne ist immer noch der eckige Turm der Stiftskirche in Obermarsberg zu sehen. Was wäre es für ein schöner Weg, wenn er nur etwas mehr Schatten böte. Es ist so heiß, dass mein Körper sich nach Kühlung sehnt. Kilometer an Kilometer reiht sich in sengender Hitze, der Weg scheint endlos. Diese Etappe wird mörderisch werden.
Fragen entstehen: Warum geht es immer bergauf? Das ist so anstrengend! Warum habe ich ausgerechnet heute diese bergige Strecke gewählt? Doch eigentlich steht hinter allem nur: "du meine Güte, ist das heiß heute!"
Alle Fragen sind nutzlos und Antworten gibt es keine. Irgendwann schiebe ich sie fort, ergebe mich in den Weg und nehme einen Schluck aus der Wasserflasche.
Den Weg kreuzt die Diemel, doch eine Brücke fehlt. Vor mir versucht eine Familie eine Furt zu durchqueren, das Wasser der Diemel reicht knapp über ihre Knie.
„Wenn sie es schaffen, dann kann ich das auch“, denke ich und schnüre die Wanderschuhe auf. Barfuß wate ich ins kühle Nass, jede Hand einen Wanderstiefel haltend und auf dem Rücken den Rucksack geschultert. Belustigte Kinderaugen schauen mir zu, wie ich wackelig über spitze Steine balanciere. Jetzt nur nicht ausrutschen und hinein klatschen! Wohlbehalten komme ich drüben an.
Hinter einer Biegung kann ich zwei Zwiebeltürme sehen. In diese Gegend passen sie nicht, finde ich. Sie müssen zur Barockkirche in Padberg gehören. Sie will ich mir ansehen. Ich trete ein und die Kühle im Kirchenschiff tut dem dampfenden Körper wohl. Doch kaum ist er abgekühlt, verlangt er nach mehr. Eine kalte Schorle wäre jetzt recht. Ob es sie im Gasthof gibt? So sehe ich nicht allzu viel vom Innern dieser Kirche, der Wunsch nach dem kühlen Getränk ist größer als es die Kirche ist. Ich verlasse sie eilig. So kommt es, dass von der Kirche St. Maria Magdalena nichts in meinem Gedächtnis haften bleibt, nur das Gefühl vom Durst, den ich dort verspürte. Doch welch arge Enttäuschung! Der Gasthof hat geschlossen. Das warme Wasser aus meiner Trinkflasche rinnt durch meine Kehle und kann doch meinen Durst nicht stillen. Kein Tropfen bleibt übrig. Und das wird schlimm wiegen, denn der Durst wird für den Rest des Tages mein übler Begleiter sein.
Weiter geht es hinauf, und wieder ist kein Schatten zu finden. Stattdessen flirrt die Hitze, von oben brennt gnadenlos die Sonne vom blauem Himmel herab. Die weiten Blicke hinunter ins Tal lindern etwas die Qual.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist der Diemelstausee erreicht. Wegen seiner vierzig Meter hohen Staumauer komme ich her, doch im Augenblick interessiert mich das Wasser, das der See beherbergt. Ich könnte es saufen bis auf den Grund - in einem Zug. So groß ist mein Durst, doch ich tue es nicht. Kein Kiosk ist in der Nähe, kein kühles Getränk. Oh, je.
Die Wanderlust vergeht mir allmählich, den geplanten Aufstieg zum Diemelseeausblick lasse ich sausen, gehe stattdessen die Straße am See entlang. Bald kommt das Seehotel, mein heiß ersehntes heutiges Etappenziel, in Sicht. Doch der Weg ist weiter, als er scheint, denn er folgt sämtlichen lang gestreckten Buchten. Doch was des einen Pein, ist des anderen Lust. Während ich durstig um die Kurven schleiche, ziehen Motorradfahrer ihre schicken Maschinen schneidig durch die Kurven.
Schweißgebadet erreiche ich endlich das Seehotel und Kühlung tut Not. Das bringt bald ein erfrischendes Bad im See, meine Badehose habe ich dieses Mal nicht vergessen. Voller Wonne schwimme ich im blaugrünen Wasser herum, und langsam kehrt der Körper auf Betriebstemperatur zurück. Dem Bad folgt prompt der Hunger. Ein leckeres Abendbuffet ist bereits gerichtet und die Terrasse hinter dem Hotel bietet einen herrlichen Blick über den Stausee. Das sind gute Voraussetzungen für einen entspannten Abend. Doch die Sonne brennt immer noch vom Himmel. Erst als sie glutrot hinter den Hügeln auf der anderen Seite des Sees versinkt, nimmt sie die Hitze mit. Endlich wird der Abend angenehm.
„Es war wohl der heißeste Tag des Jahres“, weiß der Ober zu berichten. Doch die 38°C reichten nicht ganz, um den lokalen Temperaturrekord zu brechen. Ich bestelle noch ein Glas eiskalten Wein und genieße die kühle Brise, die vom See herauf steigt. Diese Momente machen das Leben herrlich.Les mer
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- søndag 5. juli 2015
- 33 °C
- Høyde: 580 m
TysklandWillingen51°17’36” N 8°36’11” E
E1-26-D-Willingen [Upland] (21km)

Bei Hitze und Gewitter durch das Sauerland (2/2)
Über Nacht hat es etwas abgekühlt. Der Morgen ist herrlich lau, während ich auf der Terrasse sitze und frühstücke. Der Blick ist auf den Stausee gerichtet, in dem die Sonne glitzert. Doch wo gestern die Sonne glutrot verschwand, ziehen jetzt Schleierwolken herauf. Nachmittags soll es gewittern.
In den Höhen ein Unwetter zu erleben, ist das Abenteuer? Können Blitze dem Wanderer nicht gefährlich werden? Mit diesen Gedanken gehe ich los. Den Weg über die südliche Seeseite entlang nehme ich nicht, sondern biege am Campingplatz „Hohes Rad“ auf einen Wirtschaftsweg ab. Es geht die „Große Eschenseite“ hinauf. So erspare ich mir ein paar Kilometer. Durch dieser Abkürzung erhoffe ich mir, in Willingen zu sein, bevor das Gewitter mich auf offener Strecke erwischt.
Im Gegensatz zu gestern ist das Wandern heute leicht, denn die Temperaturen sind wesentlich angenehmer als gestern.
Bald treffe ich wieder auf den Diemelsteig. Ich werfe einen letzten Blick zurück auf den großartigen Stausee, wende mich dann ab, offen für Neues. Auf einem Feld steht goldschimmernd die Gerste. Es ist gänzlich still hier oben. Doch nicht lang, da wird die Ruhe jäh zerstört. Motorenlärm schwappt vom Tal herauf, gefolgt von einer endlosen Kette chromglänzender Harleys, die blubbernd langsam den Berg herauf kommen. Als sie an mir vorbei ziehen, grüßen die Fahrer, schwarz vermummt mit Helm und Leder, freundlich. Bald sind sie außer Sicht. Die Stille kehrt zurück. Ein Segen! Ich bin wieder alleine hier oben und das tut mir wohl.
Immer weiter geht es hinauf. Der Blick reicht weit und kann vom großen Butterberg über den Örenstein bis zum Hemberg schweifen, die alle auf der anderen Talseite liegen. Diese Gipfel sind über 600m hoch und befinden sich auf Augenhöhe. Darüber türmen sich dunkle Wolkengebirge auf. Hin und wieder fährt ein Blitz aus den schwarzen Wolken hinab ins Tal, gefolgt von lautem Grollen, der polternd die Abhänge hinunter rollt. Ich bin besorgt, doch über mir scheint noch die Sonne. Ich hoffe sehr, dass das Unwetter mich verschonen wird.
Ich wende mich ab, gehe weiter. Kurz darauf verschwindet der Höhenweg im Wald. Erst geht es durch einen lichten Buchenwald, dem bald langweiliger Fichtenwald folgt. Lange Reihen hoher, schmaler Stämme sind durch kahle Flächen durchbrochen, die Lücken lassen für Wirtschaftsgeräte. Eine von Menschenhand gestaltete, eintönige Nutzwaldnatur.
Schließlich weist ein Schild auf einen nahen Aussichtsturm. Ich folge dem schmalen Steig. Fünfhundert Meter geht es steil den Dommel hinauf. Schnaufend und vor Schweiß triefend erreiche ich den Gipfel, er liegt 738m ünN, die höchste Erhebung meiner bisherigen Wanderung. Oben steht der Dommelturm. Die Turmstufen bringen mich noch ein wenig höher hinauf. Der Lohn des Aufstiegs ist ein grandioser Ausblick. Vier bunte Informationstafeln geben Auskunft über die Berge und Orte der Umgebung. Die südliche Tafel interessiert mich besonders, denn dort sind zwei meiner Wanderziele verzeichnet: Konstanz am Bodensee, das ich hoffe im nächsten Jahr zu erreichen, ist noch 408km entfernt. Und Frankfurt, mein Etappenziel für dieses Jahr, ist "nur" noch 136km entfernt. „Fast ein Katzensprung“, denke ich, „Luftlinie natürlich“. Wenn ich fliegen könnte, wäre ich heute schon da. Doch ich habe Beine und Füße und bleibe am Boden. So werde ich doch länger brauchen. Aber das macht überhaupt nichts, denn meine Leidenschaft ist die genussvolle Langsamkeit. Und es ist mir Recht, wenn das Wandern durch Deutschland noch andauert.
Lange stehe ich hier oben und schaue, bis ich mich satt gesehen habe. Zufrieden verlasse ich den Ort, gehe zurück auf den Diemelsteig. Wenige hundert Meter weiter kreuzt der Uplandsteig, dem ich ab jetzt folgen werde. Er führt nach Willingen.
Es geht hinab durch lichten Buchenwald, am Ende überquert eine Holzbrücke den friedlich dahin fließenden Dommelbach. Daneben eine Wassermühle, idyllisch gelegen inmitten der Wiesen am Wegesrand. Doch die Idylle bekommt Flecken. Graue Wolken ziehen von Westen her auf. Sie kommen schnell heran und ziehen über mich weg. Das Grau wechselt zu Schwarz und vor mir zuckt ein Blitz auf. Der Donner lässt auf sich warten, grummelt nur leise. Doch das Gewitter kommt schnell näher, direkt auf mich zu. Blitze zucken, Donner folgt auf Blitz in immer kürzeren Abständen, schwillt an, wird zu Gepolter, das beiderseits des Tals an den Berghängen entlang rumpelt. Der Uplandsteig will nun unglücklicherweise den Hügel hinauf, mitten hinein in die tiefhängende Wolkenbrut, die immer näher kommt. Nein, dem Weg folge ich nicht! Lieber bleibe ich hier im Tal und gehe weiter auf der Straße. Richtig sicher fühle ich mich auch hier nicht. Ehrlich gesagt, ich weiß eigentlich gerade nicht genau, wie ich mich jetzt am Besten verhalten soll.
Auf einer nahen Weide heben ein paar Kühe ihre Köpfe, glotzen mich an. Dann wenden sie sich wieder dem Grasen zu. Das bedrohliche Gewitter scheint sie nicht zu beunruhigen. Ihre Gelassenheit wünsche ich mir.
„Solange Kühe ruhig grasen, braucht mein Herz nicht zu rasen“, murmle ich, wie um mich selbst zu beruhigen.
Kaum habe ich es ausgesprochen, da zischt ein Blitz direkt vor mir in die Straße. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag folgt.
„Donnerwetter, nun bin ich mitten drin im Gewitter!“, denke ich verschreckt. Mein Herz beginnt zu rasen. Der Schreck scheint auch in die Kühe gefahren zu sein, denn nun galoppieren sie eilig ihrem Stall entgegen. So ein gutes Versteck hätte ich jetzt auch gerne.
Zisch! Noch ein greller Blitz. Rumpel, der Donner folgt augenblicklich. Aber der Schlag ist bereits hinter mir. Gottlob, das Gewitter ist weiter gezogen, die Gefahr scheint vorüber zu sein.
Aber was folgt, ist nicht besser. Erst beginnt es nur zu tröpfelt, kurz darauf öffnen sich alle Schleusen. Fette, schwarze Wolken entladen ihr Wasser genau über mir. Dicke Tropfen prasseln auf mich herab. Die Straßenbäume bieten nur wenig Schutz, sie sind noch klein und das Wasser rinnt durch ihre Blätter. Ich werde nass bis auf die Haut. Doch so unangenehm ist es gar nicht, denn der Regen ist lauwarm. Und so plötzlich es begonnen hat, so schnell ist der Platzregen vorbei. Die schwarzen Wolken ziehen weiter, machen blauem Himmel Platz, die Sonne lugt hervor und sofort beginnt es zu dampfen. Das Unwetter ist vorüber.
Auf dem Programm steht noch die Besichtigung der Burgruine Schwalenburg. Doch ich habe keine Lust mehr dazu.
„Gestern Hitze, heute Unwetter. Da macht das Wandern keinen Spaß mehr“, denke ich und wähle eine weitere Abkürzung, die mich noch schneller nach Willingen bringt. Vorbei geht es an geöffneten Geschäften, Restaurants und Cafés voller Touristen, obwohl heute Sonntag ist. Willingen scheint ein beliebter Wintersportort zu sein, der auch im Sommer etwas zu bieten hat.
Um fünfzehn Uhr stehe ich am Bahnhof.
Soll ich schon zurück?
„Nein! Es ist noch genügend Zeit für eine Fahrt auf den Ettelsberg“, denke ich mir, drehe um und gehe zur Seilbahn. Mit ihr kann ich noch einmal, jetzt ohne Anstrengung, an Höhe zu gewinnen. Nebenbei breche ich den nächsten Höhenrekord. Denn jetzt geht es bis auf 837m ünN hinauf. Oben ragt der Ettelsbergturm steil in die Höhe. Ein Fahrstuhl bringt mich weitere 59 Meter hinauf. Auf einer vollständig verglasten Aussichtsplattform genieße ich den gigantischen Rundumblick. Erst schaue ich zurück auf das Hochsauerland, das nun hinter mir liegt und dann Richtung Süden auf das Rothaargebirge, wohin mein Wanderweg mich als Nächstes führen wird. Direkt unter mir liegt die Seilbahn mit den unermüdlich kreisenden Gondeln. Und wo im Winter Skifahrer befördert werden, sind es jetzt Mountainbiker, die ihre Fahrräder mit sich führen. Kaum aus der Gondel gespuckt, besteigen sie ihr Renngerät und stürzen geschwind auf halsbrecherischen Pisten zu Tal.
Ich nehme lieber wieder die Gondel hinunter. Es ist immer noch Zeit. Eine Pizza mit Blick auf den Ettelsberg macht den Tag schön rund und während ich sie genieße, denke ich an die nächste Wanderung.
Ich nehme mir vor, dass sie starten soll, wie diese endete: mit einer Gondelfahrt.Les mer

ReisendeMit so einem Gewitter ist nicht zu spaßen. Da hast du aber Glück gehabt, so nah wie es war. Mich hat es mal in den Pyrenäen auf einem Berg erwischt. Da habe ich bestimmt eine halbe Stunde unter einer Tanne gestanden und gewartet, bis es langsamer regnet.

Michael-wandertJa, mit Gewitter ist nicht zu spaßen. Ich habe immer noch einen großen Respekt vor nahenden Gewittern - vor allem oben in Schweden auf dem Fjäll. Aber davon ahnte ich zum Erzählzeitpunkt noch so gar nichts.

ReisendeDas ist wieder ein Stück, das ich nicht kenne. Schön es bei dir zu sehen. Für mich ging es vom Diemelsee nach Brilon und da auf den Rothaarsteig.

Michael-wandertDa wählte ich wohl eine andere Route, denn mit dem Rothaarsteig geht es weiter …
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- søndag 9. august 2015
- ⛅ 20 °C
- Høyde: 839 m
TysklandKahler Asten51°10’45” N 8°29’21” E
E1-27-D-Kahler Asten (23km)

Der Weg der Sinne: Rothaarsteig (1/3)
Es geht durch eines der schönsten Waldgebirgslandschaften Deutschlands. Diese dreitägige Tour führt mich durch die erste Hälfte des Rothaargebirges über 76km vom Skiort Willingen nach Hilchenbach.
Viereinhalb Stunden auf der Schiene, zur Mittagszeit bin ich endlich in Willingen. Doch die Fahrt ist schnell vergessen.
Ich freue mich auf den kurzen Lift mit der Seilbahn den Ettelsberg hoch. Die Talstation ist voller Menschen, die wie ich hinauf wollen. Es sind viel mehr als vor vier Wochen, denn jetzt ist Urlaubszeit. Nach schneller Fahrt begrüßt mich laute Musik aus riesigen Boxen. Den Leuten gefällt's offenbar, denn sie schunkeln mit Bier in der Hand zum Takt der Musik. Manche grölen mit: „Atemlos durch die Nacht…“.
Ich möchte noch einmal die Aussicht genießen, bevor die Wanderung beginnt, reihe mich in die Schlange vor dem Lift des Hochheideturms, der unaufhörlich Leute auf die Plattform pumpt und von dort wieder zurück auf den Boden holt. Der Fahrstuhl arbeitete effizient, ich bin schnell dran. Doch es ist mir zu voll dort oben. Bald mache ich mich an den Abstieg, diesmal über die Treppe.
Gegen zwei Uhr geht die Wanderung schließlich los. Kurz hinter der Bergstation stoße ich auf den Rothaarsteig, einem bekannten hessischen Fernwanderweg, der etwas nördlich von hier in Brilon beginnt und in südliche Richtung durch das Rothaargebirge bis nach Dillenburg verläuft. Er wird mein Weg für die nächsten hundertfünfzig Kilometer sein. Ich werde über bewaldete Berge wandern, weite Blick genießen, Burgen, Aussichtstürme, einen Skulpturenweg und die Skigebiete Willingen und Winterberg sehen.
Während ich gehe, wechseln sich Buchenwälder und Fichtenschonungen ab. Ein erster Fernblick lässt ahnen, wie schön der Weg sein wird. Doch die meisten Menschen verbleiben an den touristischen Hotspots und bewegen sich nicht weit von ihnen weg. Bald bin ich alleine im Wald, nur gelegentlich überholt mich ein Radsportler.
Der Weg verläuft auf achthundert Metern Höhe, es ist kühl hier oben. Nebel wabert durch die Bäume, legt sich schlierig über den Weg und hüllt mich ein.
Bald bin in dem bedeutenden Wintersportort Winterberg. Er wirbt für sich mit idealen Ski- und Langlaufbedingungen im Winter. Jetzt im Sommer ist nicht viel los hier. Ich komme von der östlichen Seite heran, vorbei an einer Hapimag Ferienanlage. In nebliger Ferne liegt ein riesiger, langgestreckter Komplex. Im Dunst kaum zu erkennen, wächst ein Turm aus dem Gebäude, der aussieht wie ein überdimensionaler Bienenkorb. Das ist das Vitalresorts Oversum, ein riesiger Hotelkomplex mit Kongresszentrum. Der Ort scheint touristisch bestens erschlossen zu sein.
Telefonzellen sind rar geworden, deshalb fällt das Telefonhäuschen am Wegesrand auf. Telefonieren kann man nicht mehr, stattdessen befindet sich im Innern ein Regal, vollgestopft mit Büchern. Jeder, der möchte, darf sich ein Buch entnehmen, wenn er dafür ein anderes hinein stellt. So lese ich es an der Zellentür. Einen öffentlichen Bücherschrank für Jedermann zu schaffen, das ist eine schöne Idee.
Nun bin ich auf der anderen Seite von Winterberg. Hier gibt es die St. Georg Sprungschanze zu bewundern. 22 Metern ist sie hoch und 43 Metern lang. Aus nächster Nähe ein imposantes Bauwerk, das schon 1959 gebaut wurde und immer noch in Betrieb ist. Die geschwungenen Formen gefallen mir. Bei gutem Wetter kann man hinauf, heute ist sie aber wegen Nebel geschlossen.
Kurz darauf finde ich mich auf einer Bobbahn wieder. Hier sollte ich nicht sein, doch ein Wanderer geht nie zurück, wenn er nicht muss und so folge ich dem steilen Weg in weiten Bögen und engen Kurven bis ins Tal hinab. Dort erwartet mich ein knorriger Weg, der gleich wieder steil hinauf führt, nur um anschließend erneut abwärts zu führen. Jenseits einer Brücke, die einen Bach namens „Namenlose“ kreuzt, finde ich endlich wieder auf den Rothaarsteig zurück.
Das Skigebiet erscheint mir riesig, irgendwann erreiche ich die Nordhangjause, eine Skifahrerhütte, die auch jetzt im Sommer für Wanderer und Radler geöffnet hat. Der Sommer findet allerdings heute woanders statt, wie mir das Barometer am Eingang der Hütte mit 15° C bei ungemütlichen hundert Prozent Luftfeuchtigkeit bestätigt. Trotzdem erzeugt die Langnesewerbung an der Eingangstür Lust auf ein Eis. Wohlige Wärme schlägt mir entgegen, als ich eintrete und ein Eis bestelle. Der Wirt meint lachend, ein Glühwein wäre heute Passender.
Die Hütte liegt am Fuße des Kahlen Asten, der nun von mir bezwungen werden will. Doch wo es lang geht, ist nicht ganz klar. Ich nehme den Weg rechts neben der Nordhangjause, der steil bergan geht. Bald meckert Komoot: „Du bist von der Tour abgekommen. Wirf einen Blick auf die Karte!“ Es scheint, als läge dieser links von mir, doch dort komme ich nicht hin, zwischen mir und dem Weg ist dichtes Unterholz. So kehre ich um, gehe zur Jause zurück. Dort angekommen, schaue ich die sommerliche Skipiste hoch, die mit hohem Gras bewachsen ist. Doch kein Weg führt hinauf. Sollte es etwa über die Wiese hoch gehen? Sicher warten dort blutrünstige Zecken mit langen Saugrüssel, die sie in meine nackten Waden schlagen wollen, dabei womöglich Borreliose übertragen. Nein, vielen Dank, ich verzichte! Also stapfe ich ein weiteres Mal den steilen Pfad bergan, der sich den Kahlen Asten hoch windet. Weiter oben wabert Nebel, verwandelt Bäume sich zu bizarren Gestalten. Still ist es hier. Totenstille herrscht auf dem Berg. Ich muss mich blind auf die Führung durch Komoot verlassen, denn ich sehe die Hand vor Augen nicht. Erst als ich direkt vor dem Gasthaus stehe, sehe ich es. Ich bin angekommen und es ist auch genug für heute. Der Empfang liegt im ersten Stock, mit einer herzlichen Begrüßung werde ich für heute Nacht eingecheckt. Bei Kaffee und Kuchen starre ich durch milchige Fensterscheiben und schreibe die Fernsicht, die ich erhoffte, für heute ab. Bier und Schnitzel schmecken später trotzdem und in der Gaststube plappern und lachen die Mitglieder einer große Reisegruppe.
Gute Nacht.Les mer

ReisendeDie Jungs der Nordhangjause haben mich zum Glück bei Schneetreiben am Ofen aufwätmen lassen und mir dann erlaubt, mein Lager im Zelt aufzuschlagen. Sehr nett.

ReisendeSie haben an ihrer Hütte ein Vorzelt. da war ich drin. Also Zelt im Zelt: https://findpenguins.com/1rhdgj7g5c0ez/footprin…

SommersprosseDa haben wir seinerzeit auch herumgeeiert. Muss wohl doch an der Ausschilderung des Weges liegen. Da oben hat es uns auch schon einmal ins Hotel verschlagen. Wir durften am nächsten Morgen einen tollen Sonnenaufgang erleben.
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- mandag 10. august 2015
- ☀️ 26 °C
- Høyde: 633 m
TysklandJagdhaus51°6’20” N 8°16’51” E
E1-28-D-Jagdhaus Wiese (23km)

Der Weg der Sinne: Rothaarsteig (2/3)
Es geht durch eines der schönsten Waldgebirgslandschaften Deutschlands.
Am frühen Morgen herrscht immer noch dicke Nebelsuppe und lässt keine Chance auf weite Sicht. Im Frühstücksraum hält ein Teilnehmer der Reisegruppe eine Rede. Er beginnt mit den Worten „Reisen ist Leben und Leben ist Reisen.“ Ich stimme ihm leise zu. Ungewollt erfahre ich einiges von den Nordic Walking Touren, die diese Gruppe schon gemacht hat und sie offenbar zusammen schweißte. Ich höre, wie er die Woche Revue passieren lässt und erfahre, dass die Gruppe rund um den Kahlen Asten bei bestem Wetter und allerbester Sicht unterwegs war und hier ihre Basisstation hat.
Meine heutige Etappe beginnt im Nebel, der weiterhin undurchdringlich erscheint. Einen Aufstieg auf den Aussichtsturm kann ich mir sparen. So werfe ich meinen Rucksack über und schon nach wenigen Schritten in die karge Heidelandschaft ist der Gasthof im dichten Nebel hinter mir verschwunden.
Ein wenig fühle ich mich um die erhoffte Weitsicht betrogen. Doch schon wenige Höhenmeter tiefer lichtet sich die dichte Nebelwand und gibt einen phantastischen Blick zum weit entfernten 'Hohen Knochen' frei, dessen Gipfel auch noch in den Nebel ragt. Lange geht es den Höhenweg entlang, der Rothaarsteig zeigt sich von seiner schönsten Seite. Ich verstehe, warum er der Weg der Sinne genannt wird, denn ich fühle, wie die mich umgebende Weite mein Innerstes berührt und es dort leicht werden lässt, wo manches Mal mein Schwermut sitzt.
Am Fuße des 'Knäppchen' mündet der Höhenweg auf einer Straße, dort stoppt mich ein Schild. Der bisherige Weg hat mich gelehrt, dass es lohnt, die am Wegesrand aufgestellten Schilder zu lesen. Oft berichten sie über interessante Geschichten aus der Region. So auch hier:
<<Die Höhen des Sauerlandes versanken Winter für Winter im Schnee, Berge, Täler und Wälder in stille Einsamkeit. Jegliche Verbindung zwischen den Dörfern war oftmals abgeschnitten und der Verkehr stark eingeschränkt. Die ersten Ski tauchten im Sauerland auf, dienten aber nicht sportbegeisterten Städtern, sondern Einheimischen als Verkehrsmittel. Die Einwohner hatten sich schon vor Jahrhunderten zur Fortbewegung einer Art Schneeschuh bedient. Um Wasser aus tiefer gelegenen Quellen zu holen, haben sie sich auf Bretter gestellt und talabwärts gleiten lassen. Skilaufen wurde jedoch nicht daraus. Dazu kam es erst 1897 und bald wurde der erste Ski-Klub Sauerland gegründet. Ein junger Student wollte im Jahre 1907 den guten Schnee ausnutzen und baute mit Hilfe zweier Skilehrer aus der Umgebung eine Sprungschanze von etwas 30cm Höhe und übte sich im Skispringen. Die Lehrer staunten nicht schlecht und versuchten es auch. Bald wurden den umliegenden Schulen Skier gestiftet und die Dörfer veranstalteten erste Winterfeste. Die Skifeste wurden zu Volksfesten und verwandelten die Berglandschaften allmählich zur Wintersportregion im deutschen Mittelgebirge (mit heute 59 Skiliften und 220km Loipen rund um den Kahlen Asten). An diesem Ort wurde 1911 die erste Übungsschanze mit einem 7,5m hohen Anlaufturm errichtet, der später auf 14m erhöht wurde. Auf dieser Schanze wurden bei guter Haltung bis zu 38m erzielt. Alljährlich fanden von nun an Wettkämpfe statt, auf denen sich die unerschrockenen Skiläufer aus den Höhendörfern erprobten. Als Auslauf diente die heutige Bundesstraße. Den letzten Sprung auf der früher an diesem Ort befindlichen „Fürst-Richard-Schanze“ machte im Winter 1949 der im Volksmund namentlich bekannte „lange Hoffmann“. Die Schanze ist mittlerweile der rauen Witterung zum Opfer gefallen.>>
Von der Straße geht es bald wieder auf einen Wanderweg, der zurück in den Wald und steil nach oben führt. Er fordert meine ganze Kraft. Auf steilen Pfaden soll ein Wanderer langsam gehen und niemals stehen bleiben. Erst oben soll er pausieren, denn so ist es kraftsparender, als zwischendurch anzuhalten, um Atem zu schöpfen und dann wieder anzutreten.
<<Oben wurde eine Informationstafel so optimal aufgestellt, dass ich die Atempause mit Lesen füllen kann. So erfahre ich, dass hier der Grenzweg verläuft, er markierte einst die Grenze zwischen dem kurkölnische Sauerland und dem Waldecker Land. Vor hundert Jahren existierte hier eine Poststation, an der Pferde gewechselt wurden. Nichts blieb davon erhalten. Heute verläuft hier, wo ich stehe, die Grenze zwischen den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hessen.>>
Ein Stück weiter wartet die Hoyeleyer Hütte. Dort herrscht munteres Treiben, denn sie ist gut besucht, was nicht wundert, weil die Terrasse der Sonne zugewandt liegt und einen tollen Blick Richtung Süden bietet. An einer langen Bank lasse ich mich nieder und bestelle Milchkaffee. Das Schönste am Wandern sind die Pausen!
Doch mein Weg ist noch weit und schon bald bin ich wieder auf dem Grenzweg unterwegs, der weiter dem Kamm des Rothaargebirges folgt. Nun geht es an zahlreichen Tannenbaumplantagen vorbei. Es scheint, als kämen hier die Weihnachtsbäume her, die wir später auf den Märkten unserer Städte kaufen. Was in endlosen Reihen jahrelang heranwächst, steht dann wohl eines Tages weihnachtlich geschmückt für nur kurze Zeit in deutschen Wohnzimmern.
Die Strecke des Rothaarsteigs ist vorbildlich beschildert, der Weg populär und von viel mehr Wanderern frequentiert als andere Wege. Das verwundert nicht, denn die Strecke ist abwechslungsreich und landschaftlich reizvoll. Hinter jeder Biegung kann ein atemberaubender Weitblick warten, der den Atem stocken lässt. Wegen der vielen Höhenmeter, die es rauf oder runter zu überwinden gilt, ist der Weg aber auch sehr anspruchsvoll und nur gut trainierten Wanderern zu empfehlen. Braucht dieser dann und wann eine Pause, kann er sich auf eine der zahlreichen Holzbänke niederlassen, die ergonomisch so vorzüglich geformt sind, dass man gar nicht wieder aufstehen mag. Die Bänke sind offenbar so beliebt, dass man sie im Internet kaufen kann. Mehrere hundert Euro muss man allerdings für so eine Bank berappen.
Nach Plan treffe ich gleich auf den Waldskulpturenweg, der unweit des Rothaarsteigs liegen soll und vermutlich wird sich der kleine Umweg lohnen. Schon weist ein Schild den Weg zur ersten Skulptur und bald stehe ich staunend davor. Mitten im dichten Fichtenwald wurzeln drei Tore aus solidem Stahl im Boden, davor ein Stahlquader, dahinter ein weiteres Stahlquadrat. Als ich durch die wuchtigen Tore schreite, fällt mir das Kunstwerk in Fallingbostel ein: das Spiegeltor. Dort hatte ich vor einem Jahr das Gefühl, durch das Tor in eine andere Welt zu treten. Hier ist es nun ebenso.
Und doch bleibt die Welt dahinter dieselbe.
Ein Stück entfernt wartet die nächste Skulptur, etwas verborgen abseits des Weges liegend. Bis zum letzten Moment ist es nicht zu sehen und ohne Hinweisschild hätte ich es nicht gefunden. Stein-Zeit-Mensch hat es der Künstler genannt. Ein riesiger Quarzit-Monolith ruht mit hundertfünfzig Tonnen schwer auf dem Fundament aus Beton. Er wurde nicht hier gefunden, sondern hierher bewegt. Welche Anstrengung war dafür wohl nötig? Umrahmt wird das Monument von Baumstämmen. Sie scheinen ihn einzusperren, doch das können sie nicht wirklich, denn der Stein ist dafür zu mächtig. Davon zeugen abseits liegende Stämme, die bis vor kurzem den Stein noch umgaben. Jetzt faulen sie, von Baumpilzen zerfressen, im Gras. Der Stein hat die Baumstämme bereits überdauert. Als Mensch komme ich mir vor diesem Kunstwerk klein und verletzlich vor. Auch ich werde bald vergangen sein, während der Stein weiterhin unversehrt hier liegen wird. Was nur ist Zeit, was Unendlichkeit?
Aber ich habe etwas, das der Stein nicht hat und dafür mag er mich beneiden. Denn er ist verdammt, hier im Wald zu liegen, während ich meine Beine habe, die mich durch die Welt tragen. Und nach einer Rast, die ich auf einer der bequemen Rothaarsteig-Bänke verbringe, bin ich wieder unterwegs, während er hier zurück bleiben muss. Ich werde dich wohl nicht wieder sehen, du Stein.
Bis zur dritten Skulptur ist es nicht weit. Doch wirklich zu sehen ist sie nicht. Ein Zaun, ein Erdwall, einen Lärchenwald und ein Podest, das ist alles. Das Kunstwerk selbst bleibt für mich unsichtbar. So hatte es der Künstler wohl auch im Sinn, das erkenne ich, als zwei Wanderer mir ihre Broschüre leihen. Sie rätseln wie ich. „Nur aus der Vogelperspektive kann man das 44x28 Meter messende 'Monument des verschollenen Falken vollständig erkennen", lese ich.
Bis zur dritten Skulptur ist es nicht weit. Doch wirklich zu sehen ist sie nicht. Ein Zaun, ein Erdwall, einen Lärchenwald und ein Podest, das ist alles. Das Kunstwerk selbst bleibt für mich unsichtbar. So hatte es der Künstler wohl auch im Sinn, das erkenne ich, als zwei Wanderer mir ihre Broschüre leihen. Sie rätseln wie ich. „Nur aus der Vogelperspektive kann man das 44x28 Meter messende 'Monument des verschollenen Falken vollständig erkennen", lese ich. Aha, so ist es also. Wir schauen uns an. Der Sinn dieses Kunstwerks erschließt sich uns nicht vollständig.
Sechs weitere Skulpturen soll es noch geben, aber sie liegen irgendwo, nur nicht auf meinem Weg und so bekomme ich sie nicht zu sehen.
Bald wird das Erlebte durch Neues überlagert, denn im Wald ist immer etwas los. Das mag man als Wanderlaie kaum glauben. Wie aus dem Nichts kommen zwei Wanderer mit raschem Schritt heran. Ohne Gruß eilen sie vorbei. Er, ein junger Mann, trägt Sportsachen, aber die Schuhe wollen nicht recht dazu passen, denn es sind Straßenschuhe. Merkwürdig auch, dass er den rechten Schuh in der Hand hält, während der Linke noch am Fuß steckt. So geht er auf einem Socken und einem Schuh. Dagegen ist die Frau an seiner Seite vollständig mit Wandersachen bekleidet und trägt einen gut gefüllten großen Rucksack. Sie gehen sehr flott, die Distanz zwischen uns wird schnell größer. Sobald sie sich außer Hörweite wähnen, beginnen sie sich zu unterhalten, den Inhalt kann ich durch ihre Gesten nur erraten: sie scheinen zu streiten.
Blanke Neugierde treibt mich an, schneller zu gehen. Ich will dran bleiben, der Abstand vergrößert sich trotzdem. Wie kann jemand mit nur einem Schuh so schnell laufen? Eine Weile streiten sie noch, dann stampft er einmal auf und geht noch geschwinder, lässt sie hinter sich zurück. Dann verschwindet er hinter einer Kurve - und weg ist er. Nun wird die Frau langsamer, so dass ich aufholen kann. Sie taucht in eine Senke, die ich nicht einsehen kann, und als ich diese erreiche, ist auch sie verschwunden. Als wären beide vom Erdboden verschluckt worden.
Ich frage mich: "war das nun real oder nur ein Waldtraum?“
Bald darauf kommt der Ort Jagdhaus in Sicht, mein heutiges Etappenziel. Am Ortseingang begrüßt mich ein Bauernhof, davor eine Wiese mit einer Kuh, die ihre zwei Jungbullen säugt. Das bekommt ein Stadtmensch wie ich nur selten zu sehen. Nur ein paar Schritte weiter taucht das Jagdhaus Wiese auf, hier habe ich mich für heute eingebucht. Auf der Terrasse des Hotels genießen ältere Herrschaften ihren Nachmittagskaffee in der Sonne. Mein Zimmer liegt abseits in einem Nebenhaus. Swimmingpool und Sauna darf ich trotzdem benutzen, beides frisch renoviert. Ausgiebig genieße ich diesen Luxus vor dem Abendessen, das ich später herrlich entspannt auf der Terrasse, die nun mir alleine gehört, einzunehmen gedenke. Die übrigen Gäste haben sich zum Dinner in den Speisesaal zurück gezogen. Ein Ober in Schwarz bringt mir die Speisekarte, ich bestelle und er hat nichts dagegen, draußen zu servieren. Der Fisch mundet vorzüglich, das Bier fließt reichlich und die Sonne mutiert zu einer großen, glutroten Scheibe, die hinter den Bäumen versinkt, während ich noch ein Bier bestelle.
Bald darauf versinke auch ich in den Kissen und schlafe herrlich in einer lauen Sommernacht.Les mer

SommersprosseIch erinnere mich, dass wir alle Skulpturen gesucht und gefunden haben und mir der Weg gefallen hat.
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- mandag 10. august 2015
- ☀️ 28 °C
- Høyde: 352 m
TysklandHilchenbach50°59’37” N 8°6’27” E
E1-29-D-Hilchenbach (30km)

Der Weg der Sinne: Rothaarsteig (3/3)
Es geht durch eines der schönsten Waldgebirgslandschaften Deutschlands.
Am nächsten Morgen bin ich der Erste im großen Speisesaal. Als die anderen Gäste eintrudeln und sich über das wunderbare Frühstücksbuffet hermachen, bin ich fertig zum Abmarsch. Die Sonne ist schon vor mir aufgestanden, steht bereits hoch am Himmel und verspricht einen schönen und sonnigen Tag. Die Luft ist klar und und die Sicht gut. Nach ein paar Kilometern komme ich an einer Schutzhütte vorbei, die nagelneu ausschaut. Und tatsächlich, sie wurde erst 2012 fertig gestellt, ersetzt ein Hütte, die 2007 wie so vieles andere auch dem Orkantief Kyrill zum Opfer fiel. Aber warum nennt man sie „Potsdamer Platz? Die Frage lässt mir keine Ruh'. Ich finde die Antwort später in einem Online-Artikel der WAZ: <<Der von Wanderern und Radfahrern stark frequentierte Bereich hat seinen Namen von einem Waldarbeiter, der seinerzeit folgenden markanten Satz prägte: „Hier ist ja genau so viel Betrieb wie am Potsdamer Platz“.>>
Ob er jemals in Berlin war?
Zehn Kilometern weiter liegt der Rhein-Weser-Turm, ein 24 Meter hoher, schwarzer, monolithischer Turm, der nicht meinem Schönheitsempfinden entspricht. Vier dicke Stahltrossen, eines an jeder Turmseite, sichern den Turm im Boden. Deshalb vielleicht hat er den Orkan Kyrill, dem die kleine Schutzhütte zum Opfer fiel, schadlos überstanden. In seinen Fuß liegt eine Gastwirtschaft, sie hat geöffnet und mein Milchkaffee scheint gesichert. Still sitze ich auf einer Bank in der Sonne, auf der geschrieben steht: „Muße zu zweit“. Ein Pärchen namens „Cordula und Bernhard“ haben sie gestiftet. Muße erlebe ich hier auch gerade, aber nicht zu zweit. Auch wenn ich die vielen Momente mit mir alleine genieße, so fehlt mir jetzt gerade der Mensch, der mich beim Wandern begleitet und das Erlebte mit mir teilt. Aber ich will es ja so, wie es ist!
Ich besteige den Turm, der einen herrlichen Panoramablick in alle Himmelsrichtungen gewährt. Wie immer geht der Blick dahin, wohin ich noch gehen werde. In der Ferne drehen sich langsam fünf Windkrafträdern, dorthin muss ich heute. Ganz klein sind sie noch.
Als ich wieder unten bin, hat sich in der Gastwirtschaft das Setting verändert. Ein Reisebus ist eingetroffen und eine Schar munterer Senioren bevölkert Gaststube und Terrasse. Sie haben Kaffee und Kuchen bestellt und schnattern mit vollem Mund munter drauflos. Einige schicken sich an, den Turm zu besteigen, der jährlich von 10.000 Touristen besucht wird. Für die meisten von ihnen ist die Besteigung jedoch zu beschwerlich. Die Kraft reicht gerade vom Bus bis in das Café und zurück.
Weiter geht es Richtung Hirchenbach. Kurz vorm Ziel verlaufe ich mich. Wo laut Komoot ein Weg sein sollte, ist keiner. Wo nur geht's lang? Ich schaue nach links und nach rechts, kann mich aber nicht entscheiden. Soll ich auf der Straße weiter gehen und einen Umweg machen? Nicht gut! Ich muss pünktlich am Bahnhof sein, denn ich habe ein Sparticket, das keine spätere Abfahrt zulässt. Das erzeugt ein Stressgefühl in mir, es fühlt sich unangenehm an. Ich entscheide mich für den kürzesten Weg, der geradeaus führt, klettere kurzerhand über den Zaun und gehe einfach über die Wiese, folge blind den Anweisungen von Komoot, denn Komoot irrt sich selten. Ein breiter Bach stoppt mich nur kurz, jemand vor mir hat wohl ebenfalls den Weg versucht und Steine im Bachbett verteilt. So komme ich trockenen Fußes ans andere Ufer. Noch ein Zaun, dahinter die Straße. Komoot ist zufrieden: „Du bist zurück auf der Tour“. Hey, das hat Spaß gebracht!
Bald liegt Hilchenbach vor mir. Es geht eine breite Einfallstraße entlang, die direkt zum Bahnhof führt. Wie so oft sind es die zwei letzten Kilometer, die sich endlos hinziehen. Den Ort lasse ich links (Verzeihung: rechts) liegen, für einen Stadtrundgang scheint keine Zeit mehr zu sein. Jedenfalls meine ich es in diesem Moment, ich fühle mich durch die fixe Abfahrtszeit gehetzt. Ich komme weit vor der Zeit am Bahnhof an, so viel zu früh, dass ich sogar einen Regionalzug eher nehmen kann. Das geht, feste Abfahrtszeiten gelten nur für den überregionalen Zugverkehr. So bleibt mir in Hagen mehr als eine Stunde bis zur Abfahrt des ICE nach Hamburg. Zeit genug also, um mich umzuschauen. Der Bahnhofsvorplatz wirkt grau und abweisend. Die angrenzenden Seitenstraßen zeugen von trauriger Tristesse und bröckelnder Nachkriegsarchitektur. In einem Fastfood-Restaurant am Bahnhof schlinge ich einen Burger und eine Cola runter. Das ist nicht, was ich liebe!
Endlich ist es Zeit für die Heimfahrt. Die Rückfahrt dauert fast sechs Stunden, die zwei Stunden von Hagen nach Hamburg sind gefühlt davon die Längsten. Es ist anstrengend, nach einem langen Wandertag auch noch eine endlose Zugfahrt zu erleben. Auf der Fahrt reift die Erkenntnis, dass ich die Wandertage ab jetzt anders einteilen sollte. Der erste und der letzte Tag dürfen keine langen Strecken mehr enthalten. Das zwingt mich wohl zu längeren Touren.
Erst nach Mitternacht bin ich wieder in Hamburg. Nachts träume ich vom Wandern - von der nächsten Tour, die ich hoffentlich bald machen werde. Sie soll noch einmal auf den Weg der Sinne führen.Les mer

ReisendeMein Schlafplatz, während es um mich herum geschüttet hat. Sieht bei dir viel freundlicher aus. :-)

ReisendeWas sollte ich machen. Ich war froh über das Dach über dem Kopf. Hier der FP dazu: https://findpenguins.com/1rhdgj7g5c0ez/footprin…
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- lørdag 22. august 2015
- 22 °C
- Høyde: 598 m
TysklandStiegelburg50°53’32” N 8°14’31” E
E1-30-D-Lahnquelle (24km)

Unter Schmerzen - Zweiter Teil des Rothaarsteigs (1/2)
Weiter geht es durch eines der schönsten Waldgebirgslandschaften Deutschlands auf dem Rothaarsteig - dem Weg der Sinne.
Eine zwei Tagestour von Hilchenbach nach Dillenburg.
Ein Samstag Ende August. Es ist schon Mittag, als in Hilchenbach eintreffe. Die Anreise mit dem Zug dauert nun schon ebenso lang wie die Wanderung selbst. Dabei ist die Entfernung von Hamburg zum Ausgangspunkt zwanzig Mal so weit wie die Tour. Ökologisch gesehen mag es bedenklich sein, so weite Distanzen mit dem Zug zurückzulegen, um dann nur eine zweitägige Tour zu wandern. Doch es ist anders schwer machbar. Nur kurze E1-Touren lassen sich derzeit ohne Probleme in meinen Arbeitsalltag integrieren. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich weiterhin mit kleinem Rucksack unterwegs zu kann. Heute ist das besonders wichtig, denn seit Tagen meldet mein Rücken einen unspezifischen Schmerz genau dort, wo der Rückenwirbel sich mit dem Becken verbindet. Ein verspannter Muskel vielleicht oder ein Hexenschuss, der Ischiasnerv oder gar eine Bandscheibe? Alles ist möglich, doch wie immer ging ich nicht zum Arzt, frei nach dem Motto: „Was kommt, geht auch wieder." Bislang war der Schmerz erträglich und er soll mich ja nicht vom Wandern abhalten. Es wird mich schon nicht umbringen, denke ich. Ich halte das aus! Denn ich will ja wandern!
Die ersten Schritte fallen sehr schwer, die Bewegung der Beine verursacht mir Schmerzen im Kreuz.
Bevor es wieder in den Wald geht, mache ich einen Abstecher in den Ortskern, der nur wenige hundert Meter entfernt vom Bahnhof liegt. Die Häuser gaukeln Fachwerk vor, dahinter steckt Beton der achtziger Jahre. Nur die Kirche am anderen Ende des Marktplatzes, beschattet von mächtigen Eichen, scheint wirklich alt zu sein. Die riesige, massive Holztür steht offen, neugierig trete ich ein. Das Kirchenschiff strahlt die typisch weiße Schlichtheit aus, die evangelische Kirchen zu eigen ist. Die Kirchenbänke sind mit weißen Rosen geschmückt, der Altar üppig in Blumen getränkt. Hier wird bald Hochzeit gehalten, da will ich bei den Vorbereitungen nicht stören. Ich ziehe mich rasch zurück.
Noch schnell einen Kaffee in der Eisdiele um die Ecke. Nicht to go, sondern im Sitzen. Gehen werde ich heute noch genug. Nach dem schnellen Kaffeegenuss werfe ich den Rucksack über und los geht's hinein in das nächste Kapitel meines Abenteuers, das mich jedes Mal ein Stück mehr mit Deutschland vertraut werden läßt. Ich freue mich auf diesen Tag, so wie ich mich bisher auf jeden Wandertag gefreut habe. Was werde ich heute Schönes erleben?
Doch die Wanderfreude wird schon bald getrübt, denn die Rückenschmerzen melden sich bei jedem Schritt. Es ist nicht wirklich schlimm, doch sie machen aufmerksam auf die eine Stelle, wo sich die fünf beweglichen Wirbel des Kreuzbeins mit dem starren Becken verbinden. Irgendetwas ist dort nicht in Ordnung.
Ich bin langsamer als üblich, darauf bedacht, nicht über Wurzeln zu stolpern, die mich aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Denn das quittiert der Rücken mit einem schmerzhaften Stich.
Ein Schild am Wegesrand informiert über einen Ruheforst, der hier angelegt wurde. Verstorbene können an dieser Stelle außerhalb eines Friedhofes beigesetzt werden. Zu Lebzeiten sucht man sich einen Baum, Strauch oder Stein aus, unter dem man nach dem Ableben zur Ruhe gebettet wird. Ich finde, es ist eine gute Idee! Der Körper wird nach dem Tode wieder Bestandteil der Natur. Ohne Firlefanz.
Ein steiler Weg führt hoch zur mittelalterlichen Burgruine Ginsburg. Der Aussichtsturm wurde vor Kurzem frisch renoviert. Vom Turm hat man eine herrliche Aussicht, danach lockt mich die Kaffeestube zur ausgiebigen Pause. Ich brauche eine Weile, bis ich auf dem Stuhl im Freien schmerzfrei sitzen kann. Ich blinzele in die Sonne und habe mit der Bestellung keine Eile. Der Pfannkuchen mit Apfelmus, der schließlich vor mir steht, schmeckt köstlich und ich merke erst jetzt, wie viel Hunger ich hatte. Seit Stunden bin ich schon unterwegs. Eine große Gesellschaft kommt schwatzend den Weg herauf, setzt sich an den Nebentisch, bestellt eine Runde Bier. Bald werden sie lustig und laut. Da mache ich mich lieber wieder auf den Weg. Es ist auch Zeit, denn mein Weg ist noch weit.
Auf einer Wiese lege ich mich einfach ins Gras, blinzle in die Augustsonne, die den Boden schön angewärmt hat. Was gibt es Schöneres? Mußevolles Nichtstun. Viel zu lange liege ich dort, schließlich ist es noch weit bis zur Unterkunft. Doch kaum stehe ich, spüre ich wieder diesen dumpfen Schmerz, der heute einfach nicht weichen will. Die ersten Schritte sind hakelig, während mein Blick in die Ferne eine schöne Fernsicht erhascht. Wie schön der Rothaarsteig doch ist! Die Freude darüber lässt mich den Schmerz beinahe vergessen.
Ich überquere die Benfe, laut schnatternd fliegen ein paar Enten auf. Ich habe sie wohl erschreckt. Sie flattern über einen Bach, die langen Hälse weit nach vorne gereckt. Es scheint, als käme hier nicht oft jemand vorbei. Vor mir braucht ihr Flattervögel doch keine Angst zu haben.
Fast zwanzig Kilometer bin ich gelaufen. Zeit für eine weitere Pause! In der Nähe soll es einen Biergarten geben. Tatsächlich finde ich ihn, doch er entpuppt sich als kleine Holzhütte, die aber geschlossen hat. So drehe ich ab und gehe durstig weiter.
Es geht wieder einmal bergan, schöne Weitblicke sind der Lohn der Strecke.
Kurz vor dem Örtchen Lahnquelle verläuft der Weg parallel zur Straße. Er ist voller Wurzeln. Über eine davon stolpere ich, denn ich kann nicht mehr. Der Oberkörper muss das Stolpern abfangen, dem Rücken gibt es den Rest. Ich will einfach nur noch ankommen, für heute ist es genug.
Endlich kommt das Ortsschild <Lahnquelle> in Sicht. Kühe dürfen auf einer großen Wiese hinter einem Stall grasen. Ich brauche auch dringend etwas zwischen die Zähne und kann es kaum noch erwarten, endlich anzukommen, mich auszustrecken und meinen Rücken zu schonen. Hinter der nächsten Kurve sehe ich das Forsthaus Lahnquelle. Auf der Terrasse sitzen Gäste beim Bier. Ohne Umschweife setze ich mich dazu, winke die Bedienung heran und sie weiß gleich, ohne dass ich etwas sagen muss, was ich will. Kurz darauf steht ein großes Krombacher vor mir. Ich setze an und trinke es in einem Zug aus. „Aaahhh!“, entfährt es meiner Kehle. Schon ist das Wandern wieder Lust. Nun kann ich einchecken. Mühsam schleiche ich die Treppe rauf, schließe die Zimmertür auf. Das Zimmer ist zwar klein, die Dusche darin noch kleiner. Doch das Wasser ist heiß und was braucht es mehr, um den Schweiß des Tages abzuwaschen? Der Rückenschmerz rinnt gleich mit in den Abfluss, das warme Wasser belebt die Sinne. Schnell ist die Kleidung gewechselt und bald sitze ich wieder draußen zwischen den Gästen des Hauses, bestelle Wiener Schnitzel und Bier. Während ich warte, spricht ein älteres Pärchen mich an. Sie erzählen viel und unaufgefordert, ohne Pause, so dass ich fast nichts erwidern muss, was mir im Moment sehr angenehm ist. So erfahre ich, dass sie aus dem Rheinland kommen, über das Wochenende zum Wandern hier sind, sie es nicht weit haben, ihr großer Hund vor kurzem vergiftet wurde, es nun wieder gut geht, aber er kann noch nicht wieder gut laufen, das macht auch nichts, denn der Mann hat's auch mit den Knien, wurde schon operiert, aber danach ging's nicht besser. Nun, man wird halt nicht jünger…
Ich höre dem Redefluss einfach nur zu. Die Rheinländer sind eben sehr redselig. Von mir erfahren sie nicht viel, wollen wohl auch gar nichts wissen. Irgendwann werde ich müde und verabschiede mich. In meinem Mini-Zimmer versinke ich sogleich in einen tiefen, erholsamen und traumlosen Schlaf.Les mer
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- søndag 23. august 2015
- 24 °C
- Høyde: 231 m
TysklandDillenburg50°44’4” N 8°17’40” E
E1-31-D-Dillenburg (31km)

Unter Schmerzen - Zweiter Teil des Rothaarsteigs (2/2)
Am nächsten Morgen weckt mich das Muhen der Kühe. Der erste Gedanke gilt meinem Rücken, doch er ist ruhig.
Unten wartet ein reichhaltiges Frühstücksbuffet. Das Pärchen, das mich gestern so einseitig unterhalten hat, sitzt bereits am Nebentisch, setzt gleich an, das Gespräch von gestern fortzusetzen. Als ich erwähne, dass ich ein Morgenmuffel bin, haben sie ein Einsehen. Erst nach dem Frühstück habe ich Lust auf ihre Gesellschaft. Wir schauen uns die Kuhweide hinterm Haus aus der Nähe an, versuchen die Kühe anzulocken, aber die haben ähnliches wohl schon zu oft erlebt. Jedenfalls fallen sie nicht auf uns herein. Wir verabschieden uns mit den Worten: „Wir treffen uns bestimmt noch einmal im Wald.“ Aber das geschieht nicht und so endet wieder eine flüchtige Begegnung, die folgenlos bleibt. Schlimm ist das nicht.
Eine Weile führt der Rothaarsteig die einstige Eisenstraße entlang, eine mittelalterliche Handelsstraße.
<<Die Eisenstraße verdankt ihren Namen dem Erz, das jahrhundertelang auf diesem Weg befördert wurde. Die Händler wurden von Rittern in mächtigen Burgen oder Wallanlagen vor feindlichen Angriffen beschützt. Die Dillburg ist eine davon. Dank der Steinpflasterung konnten die schweren Lasten auf Fuhrwerken bei jedem Wetter transportiert werden, der Weg verlief auf dem Kamm des Rothaargebirges, weil es in den Tälern damals zu sumpfig war.>>
Nach einer Stunde erreiche ich einen Rastplatz, der Kaffebuche genannt wird. Rechts ragt die einst mächtige Buche als vermodernder Stumpf empor. Sie gab diesem Platz den Namen. Links davon wurde ein für den Rothaarsteig typischer Rastplatz installiert, der wie üblich aus einer Eckbank, zwei schmalen Bänken und einem quadratischen Tisch für das mitgebrachte Picknick besteht. Hinter dem Rastplatz ist eine Informationstafel angebracht und gibt mir Auskunft, was es mit der Kaffebuche auf sich hat: „an dieser Stelle sprudelte einst eine Quelle, mit ihrem frischen Wasser wurde Kaffee aufgebrüht, der dann unter der Buche genossen wurde.“
Hier raste ich für einen Moment, doch ein Kaffee wird mir nicht kredenzt. Bald geht es weiter durch den Wald. Der Weg führt nun für lange Zeit sanft bergab, denn allmählich nähere ich mich dem südlichen Ende des Rothaargebirges.
Das Abstoppen beim Abwärtsgehen bekommt meinem Rücken nicht, bei jedem Schritt wird er ein bisschen mehr gestaucht und das tut sehr weh. So beginne ich nach Abkürzungen zu spähen, weiche bei Offdilln von der geplanten Route ab, nehme dafür ein Stück Landstraße in Kauf, auf der es keinen Fußweg gibt. Kurz vor Weidelbach treffe ich auf einen lokalen Wanderweg, der seinen Wegewart wohl nicht sehr interessiert. Er ist fast nicht begehbar, wilder Ginster wächst mitten auf dem Weg und das wohl schon seit Jahren. Das Gras ist kniehoch. Jetzt bloß keine Zecke einfangen, denke ich besorgt, während ich bedächtig vorwärts schleiche. Immer tiefer geht es in den Wald und es scheint, als sei hier seit Jahren kein Mensch mehr gewesen. Eine Lichtung gibt Raum für einen üppig blühenden Heideteppich. Das erinnert mich an eine Etappe im letzten Jahr, die durch die schöne Lüneburger Heide führte. Ich sehe die brennende Heide und die weite, sandige Landschaft wieder vor mir.
Der Pfad mündet auf einen breiten Weg. Nun geht es sich wieder besser. Ein hoher, windschiefer Hochsitz, aus dünnen Fichtenstämmen grob zusammen gehämmert, verspricht einen grandiosen Blick ins Tal. Ich wage mich auf der wackeligen Leiter hinauf, sie ist nur angelehnt. Die Sprossen halten, der Ausblick vom Hochsitz ist umwerfend. Vor mir verliert sich der Weg im Grün des Waldes. In der Ferne verschmelzen blass schimmernde Berge mit dem Blau des Himmels, als Topping garniert von zart schimmernden Schleierwolken. Lange sauge ich den überwältigenden Anblick in mich auf und es dauert ewig, bis ich satt bin.
Jetzt wäre eine Kaffeepause toll. Ich hoffe in Oberroßbach ein Café zu finden. Doch schnell ist klar, dass es das hier nicht gibt. Es ist Sonntagnachmittag, kein Mensch ist zu sehen. Tankstelle und Kiosk haben geschlossen. Sogar die Kirche hat zu. Etwas frustriert setze ich mich auf die Stufen des Kirchenportals und knabbere lustlos auf einem Energieriegel herum.
Kaum bin ich zurück im Wald, führt ein schmaler Pfad den nächsten Berg hinauf. So beginnt ein mörderischer Aufstieg, der mir den Schweiß nur so aus den Poren treibt. Mein Rücken protestiert umgehend, doch es hilft nichts, ich muss da jetzt hoch. Oben angekommen, lockt eine Bank zur Verschnaufpause. Wer sie errichtet hat, muss sehr wohl um die Mühen des Aufstiegs gewusst haben. Doch leider sitzen schon zwei feiste Frauen auf der Bank. Sie müssen meinen schweißtreibenden Aufstieg eine Weile schon beobachtet haben. Was sie aber nicht sehen können, ist mein Rücken, der mich gerade fast in die Knie zwingt. Aber das lasse ich mir nicht anmerken, als ich vor den beiden Dicken stehe und höflich „Guten Tag“ sage, während ich mir insgeheim wünsche, sie würden Platz machen, damit ich mich setzen, den Rücken strecken und das herrliche Gefühl spüren kann, wenn der Schmerz ganz langsam den Körper verlässt. Aber sie sitzen bräsig auf MEINER Bank und für einen kurzen Moment hasse ich sie dafür. Aber das wissen sie ja nicht und schnell verlasse ich den Platz ohne ein weiteres Wort. Vermutlich fragen Sie sich, wer dieser grummelnde, unfreundliche Mensch wohl war.
Nun geht es so steil hinab, wie es eben bergauf ging. Jeder Schritt staucht meinen Rücken und jeder Schritt tut weh. So erreiche ich unter großen Schmerzen Manderbach, das im Tal liegt. Ich genehmige mir eine Abkürzung, die mich mitten durch den Ort und nicht wie vorgesehen um ihn herum führt. Von einem unbebauten Grundstück stibitze ich einen roten Apfel. Zur Strafe werde ich von angriffslustigen Wespen verfolgt. Es geht an tristen Häusern mit spießig anmutenden Vorgärten vorbei. In diesem Ort herrscht eine gepflegte Langeweile. Ein Haus sieht aus wie das andere.
Der nächste Hügel heißt Galgenberg, den ich nun hinauf schnaufe. Der Rücken schmerzt gleich wieder, aber immerhin geht es mir hier nicht an den Kragen wie manch' anderem an dieser Stelle in grauer Vorzeit.
In der Ferne ist die Dillenburg zu sehen. Dort liegt mein heutiges Etappenziel. Die Burg möchte ich trotz der Rückenschmerzen unbedingt noch besichtigen. Wieder wähle ich eine Abkürzung. Eine steile Treppe führt direkt zur Burgmauer hoch, doch dann ist der Weg durch einen Bauzaun versperrt. So muss ich zurück, um die ganze Burgmauer herum. Dann endlich bin ich oben. Das Besondere dieser Burg ist der Wilhelmsturm, der normalerweise bestiegen werden kann. Er wird nur gerade saniert. So muss mir der Blick von der Burgmauer hinab über die Stadt Dillenburg reichen. Auch von hier hat man eine weite Sicht über Stadt und Land. Der Blick schweift zurück zu den Anhöhen, über die ich heute gekommen bin. Von hier sehen sie so klein aus und sind unerhört weit entfernt. Das alles bin ich heute gelaufen? Wahnsinn!
Das heutige Auf und Ab in Kombination mit den Rückenschmerzen war unglaublich anstrengend. Ich brauche dringend eine Pause. Auf dem trockenen Rasen im Burghof strecke ich die müden Beine aus, dehne den mich peinigenden Rücken und bewundere im Liegen die Pracht des Wilhelmsturms, der hier schon seit 1875 in den Himmel ragt. Trotz seiner Mächtigkeit sieht er so filigran aus, als sei er einem Märchen entsprungen. Jeden Augenblick könnte Rapunzel in luftiger Höhe auf einer Turmzinnen erscheinen. Leise raune ich vor mich hin: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“. Weiter komme ich nicht, denn ich bin eingeschlafen. Als ich die Augen wieder öffne, ist die Sonne ein ganzes Stück verrückt. Wolken sind aufgezogen. Einen Moment noch bleibe ich liegen, schaue den gemächlich vorbei ziehenden weißen Tupfen nach. Mußevolle Momente.
Ich muss denselben Weg zurück, den ich gekommen bin. Noch einmal geht es ganz um die Burg herum, dann die lange, steile Treppe hinab. Endlich stehe ich wieder in der Fußgängerzone, lasse mich beim erstbesten Italiener nieder, bestelle Pizza und Bier. Beides kommt rasch. Das Sitzen fällt schwer, der Rücken leidet. Die Pizza ist riesig, ich schaffe sie nicht. Der Wirt möchte sie mir einpacken, doch ich lehne dankend ab. Es macht ihn traurig.
18:30 Uhr, es ist noch genügend Zeit bis zur Abfahrt. Mir fällt ein, dass ich noch das Portal des Rothaarsteins besuchen könnte, es soll ganz in der Nähe sein. Das wäre doch ein schöner Abschluss der Tour. Mit dem Begriff Portal hatte ich ein großes Tor verbunden, durch das man würdig schreitet, um den Abschluss des Rothaarsteigs zu zelebrieren. Doch im Hofgarten steht statt Portal nur ein Holzklotz, auf dessen Spitze die weiß-rote Wegmarke des Rothaarsteigs prangt. Ich bin ein kleines bisschen enttäuscht. Dafür bekomme ich eine Erkenntnis geschenkt, während ich mir das "Portal anschaue". So oft hatte ich mich während der Tour gefragt, was die geschwungene Linie auf der Wegmarke zu bedeuten hat. Hier plötzlich geht es mir auf: es symbolisiert die vielen Hügel, über die der Steig bergauf und bergab führt. So ist auch das geklärt.
Der Rothaarsteig ist gegangen, ich wende mich ab, strebe dem Bahnhof zu. Meine Kraft ist aufgebraucht, ich kann nicht mehr. Der Rücken schmerzt. Die Rückfahrt ist lang, doch das Sitzen tut wohl.
Es ist nach Mitternacht, als der Zug im Hamburger Hauptbahnhof einrollt. Noch schnell mit dem Bus nach Hause.
Wie wohlig es sein kann, in den eigenen Kissen zu versinken, weiß man erst nach solch anstrengenden und schmerzhaften Wandertagen.
Doch schon während sich die Augen schließen, ersehne ich die nächste Wandertour herbei.Les mer
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- torsdag 10. september 2015
- ⛅ 17 °C
- Høyde: 210 m
TysklandHerborn50°40’60” N 8°18’11” E
E1-33-D-Herborn (9km)

Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (1/5)
# wer E1-Tag 32 sucht, der sucht vergebens. Es gibt ihn nicht 🙃 #
<< Eine fünftägige Tour von Dillenburg nach Limburg an der Lahn auf den Spuren des Lahnwanderwegs, teilweise auch auf dem Lahn-Radweg.
Es gibt schöne Schlösser, alte Burgen und Städtchen zu bestaunen. Vor allem aber beeindruckt die Ruhe und Abgeschiedenheit der Lahn. >>
Mit der Bahn geht es von Hamburg nach Dillenburg, von dort auf einem Verbindungsstück nach Herborn. Den Abend rundet eine Rundgang durch die Altstadt und die Burg ab.Les mer

Michael-wandertJa, bin ich wohl. Ich habe an diese Tour gar nicht mehr viel Erinnerung - ganz immGegensatz zu den Vorangegangenen. Offenbar hatte ich sie auch nicht so exzessiv nachbearbeitet, wie man ja auch unschwer erkennen kann 😏.

ReisendeJo, kein Wort über Else und deine Gefühle. War schon ganz anders als bisher. Bis Frankfurt kenne ich ja dann den Weg nicht mehr. Bin gespannt, wie es weiter geht.

Michael-wandertDie Zeilen über die letzte Tour habe ich gerade Korrektur gelesen. Morgen gibt’s wieder mehr für die 👀.
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- fredag 11. september 2015
- ⛅ 19 °C
- Høyde: 237 m
TysklandBraunfels50°30’55” N 8°23’24” E
E1-34-D-Braunfels (30km)

Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (2/5)
Eine lange Etappe durch Wälder und Wiesen. Weitblicke erfreuen das Herz. Auf halber Strecke wartet die hochgelegene Burg Greifenstein mit ihrer erhalten gebliebenen Wehranlage bei bester Sicht über den Hessischen Westerwald auf einen Besuch. Durch das Greifensteiner Land geht es über Leun hinab nach Braunfels. Eine schöne Übernachtung im Alten Forsthaus und ein Spätsommerfest mit fetziger Musik auf dem Marktplatz runden den Tag ab.Les mer

SommersprosseDie Fachwerkhäuser im Zentrum von Braunfels sind wirklich hübsch. In den Genuss eines Stadtfestes sind wir im Herbst 2021 leider nicht gekommen.
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- lørdag 12. september 2015
- ⛅ 23 °C
- Høyde: 177 m
TysklandWeilburger Schifffahrtstunnel50°28’56” N 8°16’1” E
E1-35-D-Weilburg (13km)

Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (3/5)
Vor der eigentlichen Wanderung gibt es eine Besichtigung des gut erhaltenen neugotischen Schloss Braunfels. Wer wie ich die Ritterzeit interessant findet, kommt voll auf seine Kosten. Nach recht kurzen Strecke lockt der Besuch des Tiergarten Weilburg mit heimischen Tierarten (u.a. Wölfe). Die Unterkunft Aktivhotel Lindenhof in Weilburg ist nicht die erste Wahl gewesen. Empfehlen kann ich es nicht.Les mer

SommersprosseWir hatten entschieden, mit dem Zug zur Übernachtung in den Nachbarort zu fahren. Da haben wir wohl den richtigen Riecher gehabt.
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- søndag 13. september 2015
- 🌧 18 °C
- Høyde: 116 m
TysklandRunkel50°24’21” N 8°9’31” E
E1-36-D-Runkel (25km)

Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (4/5)
Der Tag beginnt mit einem Rundgang durch Weilburg, Besichtigung des Renaissance-Schlosses von außen nebst Schlossgarten. Die Etappe führt ganztägig auf dem Lahnwanderweg oder dem Lahn-Radweg die Lahn entlang. Die Strecke überzeugt durch ursprüngliche, abwechslungsreiche Landschaft, geruhsame Stille und völlige Abgeschiedenheit. Kleine Orte und einige Campingplätze säumen den Weg. Die Strecke ist wegen des guten Untergrunds schneller gegangen als geplant, so dass am Tagesziel in Runkel viel Zeit für den Besuch einer Konditorei (lecker Walnusskuchen) und einer ausgiebigen Besichtigung der alten Burg Runkel bleibt. Die Unterkunft (Pension Unterm Burgfels) besticht durch ihre naturgetreue Restaurierung. Ich erhalte ein ganz kleines, sehr niedliches Zimmer und am nächsten Morgen von einem niedrigen Deckenbalken eine dicke Beule an der Stirn.Les mer

SommersprosseIst das Café im alten Ortskern in unmittelbarer Nähe zur Burg? Dann waren wir da auch und ebenfalls begeistert.
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- mandag 14. september 2015
- ⛅ 20 °C
- Høyde: 128 m
TysklandLimburg (Lahn)50°23’1” N 8°3’39” E
E1-37-D-Limburg an der Lahn (12km)

Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (5/5)
Zunächst geht es noch ein Stück die Lahn entlang, vorbei an einem alten Judenfriedhof, einem Waldfriedhof und einer alten Schanze, auf der vor Jahrhunderten 250 tote Soldaten verscharrt wurden. Das Highlight ist der Besuch von Limburg, der berühmte Dom ebenso wie die tolle Altstadt. Fast bleibt dafür nicht genug Zeit, denn an der Autobahnbrücke vor Limburg wird gebaut, der Lahnwanderweg ist für Wanderer gesperrt. Aber man kann sich über Verbote auch mal hinwegsetzen, finde ich...
Da ich Limburg an einem Montag besuche, bleibt die sonst vermutlich große Schar an Touristen weitgehend aus. So macht der Besuch eines der zahlreich vorhandenen Cafés richtig Spaß. Die späte Heimfahrt nach HH dauert lang und das derzeit herrschende Flüchtlingsproblem, das auf den Bahnhöfen in Gießen, Kassel und HH fühlbar ist, holt mich früher in die Realität zurück als mir lieb ist.Les mer
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- fredag 9. oktober 2015
- ☀️ 15 °C
- Høyde: 336 m
TysklandBerghausen50°15’27” N 8°0’21” E
E1-38-D-Berghausen (22km)

Ungeduldig unterwegs auf dem Aar-Höhenweg und durch den Taunus (1/3)
<< In Limburg a.d.Lahn geht es weiter. Auf einer dreitägigen Tour folge ich zunächst der Aar auf dem Höhenweg Richtung Quelle. Ab Bad Schwalbach geht es dann direkt über den Taunus Richtung Süden weiter. Am Rhein ist in Walluf (bei Wiesbaden) nicht nur das Ziel dieser Tour erreicht, sondern auch die E1-Fernwanderung für dieses Jahr beendet. >>
Am Samstagmorgen um acht Uhr dreißig sitze ich im Hamburger Hauptbahnhof am Gleis 11 und warte - noch etwas dösig - auf den Zug nach Gießen. Ich bin viel zu früh unterwegs. Eine Menschenmasse fließt am Bahnsteig gegenüber die Treppe hinab, verteilt sich langsam über dem Bahnsteig und erstarrt. Ein Mann führt den Aufzug an, hält ein Schild hoch, um gesehen zu werden. Die ihm nachfolgen, sind junge Männer mit südländischen Gesichtszügen. "Das sind Flüchtlinge!", durchfährt es mich. Ich schaue genauer hin. Als erstes fallen mir die bunten Sportschuhe auf, die sie tragen. Sie leuchten in grellen Farben und heben sich seltsam grotesk von ihrer gedeckten Bekleidung ab. Sie haben kein Gepäck bei sich. Manche haben die Arme vor die Brust verschränkt. Vielleicht ist es ihnen in der zugigen Bahnhofshalle zu kalt? Oder sie fühlen sich unwohl, so wie ich im Moment. Der Mann an der Spitze wedelt mit seinen Armen und dem Schild, auf dem mit großen Lettern das Wort SWEDEN geschrieben steht. Er bringt die jungen Männer dazu, sich Schuljungen gleich in langen Zweierreihen aufzustellen. Schließlich stehen sie ruhig vor dem Zug, dürfen auf sein Zeichen den Waggon entern. Das geschieht völlig lautlos, aber schnell und geordnet. Sobald sie im Zug sind, zerbricht die gerade geschaffene Ordnung wieder. Hastig werden freie Plätze ergattert. Diejenigen, die keinen abbekommen haben, laufen im Zug hin und her. Ein paar Passagiere ergreifen die Flucht, hasten in andere Waggons, machen so ungewollt Platz für die Flüchtlinge. Die Waggontüren schließen sich, der Zug rollt an. Bald ist er verschwunden, hinterlässt einen Bahnsteig, so leer wie zuvor. Es ist, als hätte das Schauspiel nie stattgefunden. Doch es war real und unzählige solcher Szenen sind an Bahnhöfen und sonstwo in ganz Europa gerade an der Tagesordnung, denn unzählige Menschen sind auf der Flucht vor Bürgerkrieg, Verfolgung, Zerstörung, Armut und was weiß ich. Sie kommen unter Entbehrungen aus ihren Heimatländern, aus Afrika und Nahost, in die noch sicheren Gebiete Europas. Die meisten wollen nach Deutschland, andere nach Schweden - wie offenbar diese Gruppe. Sie wollen in Länder, von denen sie gehört haben und von denen sie doch nichts wissen. Was wollen sie hier? Was erwarten sie von uns? Was erwartet sie überhaupt? Europa hat bisher keine befriedigende Antwort gefunden. Auch ich sitze hier gerade ratlos und fühle lediglich, dass ich froh bin, dass sie weiter gefahren sind. Vieles in unserem Land wird sich vermutlich verändern.
Dann kommt mein Zug. Ich steige ein, setze mich auf den für mich reservierten Platz. Gegenüber sitzt schon ein Mann, ansonsten bleibt das Sechserabteil unbesetzt. So haben wir Glück, dass viel Raum für eine bequeme Reise bleibt. Ich ziehe meine Wanderstiefel aus und strecke die Beine von mir. Eigentlich möchte ich jetzt noch etwas ruhen, aber der Mann spricht mich an. Wir kommen ins Plaudern. Nach einer Weile kommt er zum Kern, erzählt mir, dass er eine Weile noch als Coach arbeiteten würde, aber bald in den Vorruhestand geschickt werde. "Nicht ganz freiwillig", schließt er ab. Ich betrachte ihn und finde, dass er noch recht jung aussieht. "Dabei bin ich noch gar nicht alt! Und ich habe noch viel vor!", schiebt er nach, als habe er meine Gedanken gelesen. "Im nächstes Jahr werde ich mit meiner Frau nach Österreich übersiedeln. Wir wollen ein Haus in den Bergen kaufen." Das ist doch ein guter Plan für jemanden, der bald viel Zeit haben wird. Heimlich beneide ich ihn dafür sogar ein bisschen. Schwupps sind wir in Hannover, er muss hier aussteigen. Ich hätte ihm noch länger zuhören können. Wer weiß, welche Impulse er mir noch gegeben hätte.
Einige Stunden später komme auch ich an. Während ich vor dem Bahnhof die frische Luft einatme, erinnere ich mich an den Limburger Dom, die reizvolle Altstadt und an das nette Café, in dem ich das letzte Mal den leckeren Milchkaffee genoss. Ein Kaffee am Ende einer Wanderung ist stets eine wunderbare Belohnung und ein Stück Kuchen dazu das Sahnehäubchen. Mir kommt das herrliche, sommerliche Wetter in den Sinn, das vor vier Wochen hier herrschte und mich zum Schwitzen brachte. Heute ist es bereits herbstlich kühl. Es ist bestes Wanderwetter, also los geht's!
Ich wende mich gleich Richtung Süden, vom schönen Limburg sehe ich nichts mehr. Es geht Feldwege entlang, irgendwann stoße ich auf den Aar-Höhenweg, der mir jetzt für zwei Tage die Richtung vorgeben wird. Er wird mich die Aar stromaufwärts geleiten. Am dritten Tag verlasse ich den Höhenwanderweg dann, um über den Taunus nach Süden dem Rheintal zuzustreben.
In der Ferne sehe ich eine verfallene Burg. Aber ich bin schon auf so viele Ruinen gewesen. Diese hier lasse ich aus, denn sie ist klein und schon sehr kaputt.
Ich bin schon zweieinhalb Stunden zu Fuß unterwegs, es ist Zeit für eine Rast. Ein Einheimischer gibt mir den Rat, es mit der Eisdiele „La Dolce Vita“ zu versuchen. Die Eisdiele sei etwas Besonderes. So ist es! Der Besitzer hat sich offenbar von dem gleichnamigen Kinofilm von 1960 inspirieren lassen. In dem Streifen von Frederico Fellini geht es um schöne Frauen, Flirten, Partie und den Sinn des Lebens. "Geht es nicht immer darum?", frage ich mich, während ich in der Eisdiele die zahlreichen Bilder betrachte, die allerlei Szenen des Films widergeben. Ich bestelle zwei Kugeln in der Waffel und setze mich nach draußen in die pralle Sonne. Während ich schlecke, bewundere ich ein Plakat, das Anita Eckberg in all ihrer dralligen Weiblichkeit präsentiert. La dolce vita! Wie süß ist doch das Leben.
Weiter geht's mal auf dieser, mal auf jener Seite der Aar. Die Bäume am Wegesrand und im nahen Wald haben schon ein buntes Kleid übergeworfen. Der Herbst ist im vollen Gange. Er scheint mir die schönste Jahreszeit zum Wandern zu sein, zumindest, wenn er so schön ist wie im Augenblick.
In Schließheim muss ich die Aar für heute verlassen, denn jetzt geht es Richtung Nachtquartier. Es war schwierig, eines zu finden, denn viele Hotels und Pensionen sind ausgebucht. Ich fand ein freies Zimmer abseits der Route in Berghausen und der Name ist wahrlich Programm! Denn nun geht es bergauf, und bald verliert sich der Weg. Es geht eine Wiese entlang, die im feuchten Morast endet. Irgendwo muss ich den Weg verpasst haben. Aber wie geht es nur weiter? Zurück? Niemals! Dann doch lieber durch den Knick, irgendwo auf der anderen Seite muss der Weg doch sein. Ich zwänge mich durch die Hölzer, muss danach noch einen tiefen Graben überwinden und dann endlich finde ich auf den Weg zurück. Und weiter geht es bergauf. Puh!
Ein kurzen Blick zurück zum Verschnaufen. Die versinkende Sonne färbt über der anderen Seite des Tals die Wolken bereits rot. Wie schön es aussieht! Es beginnt zu dämmert, achtzehn Uhr ist schon durch. Fünf Kilometer liegen noch vor mir. Das wird eng heute! Ich kann einer Straße folgen. Das ist besser, als im schon finster werdenden Wald auf schmalem Pfaden über Wurzel zu stolpern. Doch auch die Straße verläuft durch den Wald und ich fürchte, dass Autofahrer mich im Zwielicht am Straßenrand nicht mehr erkennen. Gottlob ist nur wenig Verkehr. Kommt mal ein Auto vorbei, springe ich schnell von der Straße in den Grünstreifen. Die letzten Kilometern ziehen sich endlos hin, doch dann kann ich den Berghof ausmachen, der als heller Punkt verheißungsvoll am Ende des dunklen Dorfes Berghausen liegt. Ich trete ins Licht und werde herzlich willkommen geheißen. Im Restaurant steht heißes Essen auf den Tischen, die Gäste prosten sich heiter zu. Auch ich habe Hunger und vor allem - Durst. Also schnell ein Pils gezischt! Das erste Bier nach dem Wandern ist immer das Schönste. Dann verschwinde ich kurz auf mein Zimmer, nach einer raschen Dusche sitze ich gleich wieder im Restaurant, bestelle Wildschweinschinken und Köstritzer Schwarzbier. Der Schinken schimmert tiefrot und das Bier schwarz mit weißer Krone. Eine sehr gelungene Farbkomposition! Beides schmeckt wunderbar und ich gebe zu, das ich mehr Köstritzer koste, als mir gut tun. Beschwipst lande ich im Bett und bin froh, den Körper nach einem langen Tag auf einer guten Matratze ausstrecken zu können.Les mer
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- lørdag 10. oktober 2015
- ☁️ 11 °C
- Høyde: 304 m
TysklandBad Schwalbach50°8’18” N 8°4’9” E
E1-39-D-Bad Schwalbach (30km)

Ungeduldig unterwegs auf dem Aar-Höhenweg und durch den Taunus (2/3)
Um neun Uhr schon bin ich in dem kalten, feuchten Morgen wieder unterwegs. Es geht einen Feldweg entlang, das Getreide auf den angrenzenden Feldern ist längst abgeerntet. Nackter, lehmiger Boden, darüber die Weite des graue Himmels. Ob heute noch die Sonne rauskommen wird? Es sieht nicht danach aus.
Bald geht es abwärts, zurück zur Aar. Unterwegs stoße ich auf den E1, der hier den Höhenweg ein Stück begleitet, aber bald wieder Richtung Osten abbiegt. Er strebt nach Frankfurt, macht wie üblich seine Schleifen. Der Aar-Höhenweg führt direkter nach Süden. Deshalb habe ich mich in der Taunusregion gegen den E1 entschieden. Erst im nächsten Jahr werde ich wieder auf ihn treffen und ihm dann vermutlich bis zum Bodensee folgen. So jedenfalls habe ich es geplant.
Kaum bin ich zurück an der Aar, schraubt sich der Höhenweg wiederum in die Höhe. Er heißt ja auch nicht umsonst so. Mehr noch als gestern folgt er heute dem Lauf der Aar, windet sich Kilometer für Kilometer am Fluss entlang, so dass ich manchmal das Gefühl habe, überhaupt nicht voran zu kommen. Ein schöner Rastplatz mit großer Bank nahe am felsigen Abhang lädt zum Verweilen ein. Ich breite aus, was mein Rucksack an Proviant hergibt und genieße den herrlichen Ausblick auf die gegenüber liegende Burg Hohenstein, deren Ruinen von ihrer Zerstörung im dreißigjährigen Krieg zeugen. Vor einem halben Jahrhundert wurde sie zum Hotel- und Gaststättengebäude umfunktioniert, der angrenzende Hotelkomplex wirkt klotzig.
Links oberhalb der Burg rotieren ein paar Windkrafträder. Eines aber steht still. Ich sinniere, warum es sich nicht dreht und fordere das Unerhörte heraus. Es ist nur so eine Idee, doch ich frage mich, ob die Kraft meiner Gedanken ausreichen würde, dieses Windrad in Gang zu setzen. Ich starre das Windrad an und denke konzentriert: "bewege dich!". Es ist nur ein Spiel, aber was soll ich sagen - kurz darauf beginnt es sich zu drehen! Erst nur langsam, dann immer schneller. Oh, war ich das jetzt oder geschah das zufällig?
Bunter Blätterwald umgibt mich. Der Weg folgt weiter der Aar, windet sich um einen Hügel herum. Allmählich werde ich ungeduldig, es geht mir viel zu langsam voran. Da scheint eine Abkürzung durch das Unterholz möglich, nach Karte wäre eine Einsparung von einem Kilometer drin. Also ab ins Unterholz, den Hügel hinab. Aber so einfach, wie ich es mir das vorgestellt hatte, geht es nicht. Unten angekommen, stoppt ein Bach meinen Vorwärtsdrang. Hier geht es nicht weiter. Zurück? Nein, niemals zurück! So transformiert der Wanderer schnell mal zum Abenteurer, der sich ein paar Steine schnappt, sie ins Bachbett schmeißt, eine schmale Furt formt und den Bach trockenen Fußes überquert. So dachte ich es mir jedenfalls. Doch die andere Uferseite entpuppt sich als feuchte und schlammige Fläche. Das hatte ich so nicht kalkuliert. Als ich die andere Uferseite betrete, versinken die Stiefel im Morast. Ein Zurück geht jetzt wirklich nicht mehr, auch wenn ich wollte. Doch die Stiefel versinken nicht völlig, die Füße bleiben trocken. Den Gore-Tex Stiefeln sei Dank! Jetzt schnell den Hang hinauf, schon bin ich zurück auf dem Weg. Trotz der dreckigen Stiefel - das hat Spaß gebracht. Und eine Abkürzung war es tatsächlich.
Am Nachmittag erreiche ich Bad Schwalbach. Wie üblich zum Ende eines Wandertages treibt mich der Gedanke an Kaffee und Kuchen. Dieses Mal werde ich in einem REWE Supermarkt fündig. Ein älterer Herr macht mir Platz mit den Worten: "Da soll sich der Wandersmann mal 'ne richtige Ruhepause gönnen." Nett von ihm, aber sehe ich so fertig aus? Schon möglich, es liegen dreißig Kilometer hinter mir.
Nach der Pause geht es durch den Ort. In der Fußgängerzone stoße ich auf ein bemerkenswertes Fachwerkhaus. Während die eine Seite im historischen Stil originalgetreu restauriert wurde, versah man die andere mit einer modernen Fassade aus Glas. Hier ist es gelungen, das Alte mit Modernem zu vereinen. Es ist ein Gasthaus daraus geworden, das sinnigerweise den Namen Glas-Werk (Glas und Fachwerk) trägt. Spontan bleibe ich zum Abendessen.
Zur heutigen Herberge, dem Malepartus, was "Wohnung des Fuchses“ -also Erdloch- bedeutet, ist es nun nicht mehr weit. Ganz so schlimm wie der Name suggeriert, ist das Hotel zwar nicht, aber es scheint- wie der ganze Ort - in die Jahre gekommen zu sein. Ein Investitionsstau ist nicht zu übersehen, auch wenn hier und da schon renoviert wurde.Les mer

Michael-wandertMeine Anmerkung stammt von 2016. Heute würde ich meine Matte wohl in der Hütte ausbreiten. Damals aber nicht.
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- søndag 11. oktober 2015
- 🌧 6 °C
- Høyde: 105 m
TysklandWalluf50°1’60” N 8°9’38” E
E1-40-D-Walluf am Rhein (21km)

Ungeduldig unterwegs auf dem Aar-Höhenweg und durch den Taunus (3/3)
Nur zwanzig Kilometer sind es noch bis zum Ziel! Heute ist viel Zeit, um die Sachen in aller Ruhe in den Rucksack zu verstauen.
Eigentlich hatte ich bisher, ob nun zwei, drei oder fünf Tage unterwegs, immer dasselbe dabei. Alles passt in den kleinen grauen Rucksack hinein, der mich dieses Jahr begleitet. Bin ich mehr als drei Tage unterwegs, wird die schmutzige Wäsche halt mal mit REI in der Tube im Handwaschbecken gewaschen. Das war nie ein Problem, denn am nächsten Morgen waren die Sachen fast immer trocken. Falls nicht, wird körpergetrocknet. ;-)
Ein Leitspruch, den jeder Wanderer früher oder später beherzigt: Nur wer wenig Gepäck mitnimmt, hat es leicht. So halte ich es auch.
Bereits viertel vor Acht stehe ich vor der Tür zum Frühstücksraum. Ich habe Hunger. Doch die Tür ist verschlossen.
„Es gibt noch nichts, erst um 8“, meint der Wirt. Er lässt nicht mit sich verhandeln. Da kann man nichts machen, ich muss die Zeit mit einen kleinen Spaziergang im nahen Kurpark überbrücken. Punkt Acht bin ich zurück und nun steht die Tür zum Frühstücksraum weit offen. Und da staune ich nicht schlecht, was alles auf meinem Tisch aufgefahren wurde: Nutella, Honig, Marmelade, Käse, Schinken, Wurst, Müsli mit frischer Milch, Brötchen, Quark, Obst und Kuchen. Wer soll das nur alles essen? Ich bekomme sogar noch Proviant mit auf den Weg. Ein tolles Haus!
Weiter geht es dem Ziel entgegen, das nun nicht mehr weit ist. Der Gedanke daran erzeugt ein Kribbeln in meiner Magengegend. Die Ungeduld wächst. Am liebsten würde ich gleich hinter der nächsten Bergkuppe, die ich keuchend erklimme, den Rhein erblicken. Doch ich muss mich gedulden, erst heute Nachmittag werde ich mein Etappenziel erreichen, das ja auch ein weiterer Meilenstein meiner E1-Wanderung darstellt.
Wieder geht es durch bunten Blätterwald. In der Ferne lugt ein Fernmeldeturm über den Baumwipfeln hervor. Er gibt mir die Richtung vor. Dort hinauf geht es. Eine Stunde später ist der sanfte Anstieg geschafft, ich passiere den Fernmeldeturm auf der Hohen Wurzel. Damit habe ich die höchste Stelle im Taunus erreicht, von nun an geht es bergab. Es macht mein Wandern gleich leichter.
Ich komme an einem eingezäunten Waldstück vorbei. Auf einem Schild steht TERRA LEVIS – Land des Sprühregens. Hier liegt der dritte Bestattungswald, dem ich auf meiner Wanderung begegne.
Der Taunus ist ein beliebtes Naherholungsgebiet des Rhein-Main-Gebietes. Und tatsächlich, je näher ich meinem Ziel komme, desto mehr Menschen begegne ich. Sie tragen Körbe und Tüten in den Händen, sind einzeln oder in großen Trauben unterwegs. Ihnen gemein ist die gebückte, suchende Haltung, sie spähen auf dem Waldboden nach Pilzen und Esskastanien, die es hier in Hülle und Fülle gibt.
Der Wald öffnet sich, macht Platz für blauen Himmel. Geblendet von der hellen Sonne stehe ich wie angewurzelt am Waldrand, schaue überrascht ins weite Rheintal, das sich vor mir ausbreitet. Auf einen solchen Anblick war ich nicht vorbereitet, er überwältigt mich. Man kann bis nach Wiesbaden, Mainz und Rüdesheim schauen, deren Gebäude und Schornsteine weit entfernt in der Sonne glitzern. Direkt vor mir: Weinberge, die bis ins Tal reichen. Lange bleibe ich stehen, sauge in mich auf, was ich sehe und ganz allmählich begreife ich, dass ich angekommen bin. Mein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen. So viele Tage bin ich gewandert, habe mich so sehr auf diesen Moment gefreut und nun ist er plötzlich da. Kindliche Freude erfüllt mich.
Doch Glücksgefühle sind flüchtig und sie verebben rasch.
Ich bin bereit für das letzte Stück, das mich die Weinberge, deren Rebstöcke voller Weinbeeren hängen, hinab ins Tal bringen soll. Bald bin ich am Bahnhof Walluf, greife in die Tasche, ziehe mein Smartphone heraus, aktiviere den Bildschirm und drücke auf den Komoot-Funktionsbutton <Tour beenden>. Mit dem Speichern ist die Tour jäh zu Ende, der letzte Schritt von sechshundert in diesem Jahr gewanderten Kilometern ist gelaufen.
Doch da ich schon hier bin, möchte ich auch einen Blick auf den Rhein werfen. Ein paar Schritte nur und da liegt er vor mir: der Fluss meiner diesjährigen Sehnsucht. Es gibt eine Fähre, die mich im nächsten Jahr auf die andere Rheinseite bringen soll. Ob es stimmt, möchte ich herausfinden. Tatsächlich gibt es eine Fahrradfähre, deren Betrieb aber für dieses Jahr bereits eingestellt ist. Doch im nächsten Frühjahr wird sie wieder übersetzen. Das genügt ja.
Auch am Rhein gibt es Cafés. Genau gegenüber der Fähre ist eines. Dort sitze ich nun und bestelle Apfelkuchen und Milchkaffee. „Milchkaffee gibt’s nicht!“, die Bedienung ist offenbar etwas mürrisch gestimmt. Meine gute Laune will sie offenbar nicht teilen. Na, dann eben einen Latte Macchiato. Den gibt’s. Na also, geht doch, meine gute Laune kriegt sie nicht klein!
Später nehme ich die Vorortbahn nach Frankfurt und erfahre, dass der Zug nach Hamburg vierzig Minuten Verspätung hat. Wegen der Flüchtlinge, sagt man mir. So endet die Tour, wie sie begann: mit der Flüchtlingsproblematik.Les mer
SommersprosseJetzt geht es mit dem Lesen weiter. Ich bin gespannt, wie es war.
Michael-wandertSorry, mehr kommt nicht. Ich stelle nur meine Internetseite um und hatte diesen Footprint ergänzt. Mir war nicht bewusst, dass er einen Hinweis erzeugt.
ReisendeDer FP wurde zwar nicht gemeldet, ist aber trotzdem sichtbar. Und da dieser Tage nicht so viiele Meldungen hereintrudeln, geht er nicht unter. :-)