Norway
Gauptjørnaksla,nordre

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Travelers at this place
    • Day 56

      Gjefsjøen Richtung Gressåmoen

      July 25, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 16 °C

      Nach dem Abendessen war der Abend gestern noch nicht vorbei. Um kurz nach zehn möchte ich noch einmal in das Nachbarhaus, um Wasser zu holen. Das ist in meiner kleinen Hütte noch nicht angeschlossen. Als ich rausgehe, treffe ich Christian, den Bewohner von Gjefsjøen. Es sind auch noch andere Leute hier, teilweise zum arbeiten oder zum Angeln. Aber Christian ist wohl der einzige offizielle Einwohner hier. Ich frage ihn, ob ich jetzt zahlen soll oder lieber morgen. Ihm ist es egal. Ich denke mir, was erledigt ist, ist erledigt. Er holt das Bezahlgerät. Selbst hier, mitten in der Natur, eine Bootsfahrt und 150 Kilometer entfernt von der nächsten Stadt, kann ich mit Karte zahlen.

      Außerdem frage ich ihn, wie ich am besten weiter nach Norden gehe. In meiner App ist der E1 markiert, macht aber umständliche Bögen. Und da ich davon ausgehe, dass hier nicht wirklich ein Pfad existiert, kann ich mir gleich einen kürzeren Weg durch das Gelände suchen. Er überlegt kurz und sagt dann, ich soll mit rein kommen. Er hat gerade Besuch von seinem Neffen (vermute ich) und seiner Freundin. Den jungen Mann hatte ich schon bei meiner Ankunft getroffen und er erzählte, dass er herkommt, seit er sechs Jahre alt ist. Christian meint, er könne mir am besten den Weg erklären. Er sei heute erst in der Richtung unterwegs gewesen. So zeigt er mir auf seiner App, wo er entlanggelaufen ist und wo er welche Flüsse gequert hat. Diese Infos sind echt hilfreich für mich.

      Danach kommen wir noch so ins Gespräch und ich berichte von meiner Reise. Auch was für beiden berichten ist total spannend. Besonders lieben sie hier den Winter. Die Anreise hier gelingt nur über den See, per Boot oder im Winter mit dem Schneemobil, wenn der See zugefroren ist. Wenn es mal schnell gehen muss, haben Sie auch Freunde, die einen Helikopter haben. Das ist echt eine andere Welt hier. Hier möchte ich mal im Winter herkommen! Dann fragt Christian, ob ich nicht ein Bier trinken möchte und kurze Zeit später ist er mit drei Dosen Bier zurück. Dann erzählt er, dass sie ein Museum hier haben und fragt, ob ich mir das ansehen möchte. Es ist zwar schon spät aber ich bin neugierig. Zu dritt gehen wir raus und dann ein Stück den Berg hoch. Es ist schon kurz vor elf aber immer noch hell.

      Das Museum ist ein altes kleines Bauernhaus. Genau genommen das Haus, in dem noch seine Eltern gewohnt haben. Christian wohnt hier in sechster Generation. Das Haus stand eigentlich mal unten bei der Farm, wurde für den neuen Zweck aber abgebaut und weiter oben wieder aufgebaut. Vieles sei noch original. Die Amerikaner hätten hier einen Stützpunkt im zweiten Weltkrieg gehabt. Darum geht es in dem kleinen Museum. Es ist darin deshalb schon interessant, weil man die alten Möbel sieht und sich vorstellen kann, wie man früher gewohnt hat. Dazu gibt es einige Kriegsgegenstände anzuschauen. Ein altes Maschinengewehr. Das haben sie im See gefunden. Alte Fallschirme, ein Morsegerät und Kleidung aus der Kriegszeit. Das ist echt Geschichte zum anfassen. Ich bin etwas beschämt, dass ich in Geschichte damals so wenig aufgepasst habe. Aber Geschichte bei Frau Winkler hat auch nicht unbedingt dazu eingeladen, Interesse zu entwickeln. Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass ich damals, egal bei welchem Lehrer, sowieso lieber draußen Fußball gespielt hätte.

      Zwischendurch erzählt Christian auch anderes zum Hof. Über deine Versorgung mit Solar und Windkraft und dass er trotzdem noch viel Diesel benötigt. Er erzählt, dass er über Facebook versucht hat, eine Frau zu finden, die mit ihm hier leben möchte. Das hätte großes Interesse der Medien auf sich gezogen, aber leider nicht das der Frauen. Auf der einen Seite ist Christian mit seinem Hof hier sicher ein echter Glückspilz. Dass man hier aber auch einer potenziellen Lebenspartnerin über den Weg läuft, ist natürlich unwahrscheinlich. Ich drücke ihm ganz fest die Daumen! Nach unserem Rundgang geht es zurück. Es ist halb zwölf! Zeit für‘s Bett!

      Ich bin echt überwältigt von dem Tag heute. Erst die Einladung zu Kaffee und Zimtbrötchen in Gaundalen, jetzt hier die Einladung zum Bier und das Museum. Was für ein Tag!

      In der Nacht schlafe ich wieder schlecht. Wieder habe ich das Gefühl, maximal in eine Art Halbschlaf zu kommen, unterbrochen von Wachphasen. Um halb sieben gebe ich auf. Dabei habe ich mir fest vorgenommen, so lange zu schlafen wie es geht. Ohne jeden Zeitdruck, weiterzukommen. Mal wieder fühle ich mich ganz schön gerädert. Ein Blick in die Frontkamera meines Handys macht deutlich, warum mittlerweile keiner mehr überrascht ist, wenn ich sage wie alt ich bin. Das war vor einiger Zeit noch anders. Jetzt kommt meistens nur noch ein zustimmendes Kopfnicken. Immerhin fragt keiner, ob ich schon in Rente bin. Naja. So is datt eben!

      Zwei Aufguss-Cappuccino gibt’s heute morgen. Ich weiß immer noch nicht so recht, wie ich meine zu große Menge an Vorräten verstauen soll. Es dauert, bis ich halbwegs wach bin und nutze das WLAN noch etwas, um mit Nicole zu schreiben. Empfang dürfte die nächsten Tage Mangelware sein. Dann packe ich mein Zeug. Irgendwie schaffe ich es, alles zu verstauen. Ganz schön schwer der Rucksack. Es sind locker 4,5 kg zusätzliches Gewicht. Das macht sich mehr als bemerkbar. Ich bin froh, dass ich mittlerweile sonst so viel abgespeckt habe. Also am Equipment. Wobei auch ich merklich abgenommen habe.

      Um kurz nach neun verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg. Der Himmel ist verhangen mit dichten grauen Wolken. Dafür ist es relativ mild. Die ersten 300m geht es noch über eine Art Forstweg. Dann kommt der Punkt, wo ich querfeldein muss. Wirklich einladend zum querfeldein gehen ist das Gelände hier nicht. Fichtenwald, durchmischt von ein paar Birken, teilweise Sumpf und grundsätzlich unebener Untergrund. Ich überlege kurz, biege dann aber rechts ab und schlage mich durchs Unterholz. Jetzt setzt auch noch leichter Sprühregen ein. Ich spüre die Müdigkeit und den schweren Rucksack. Immer wieder schaue ich auf mein Handy, um Kurs zu halten. In dem unübersichtlichen Gelände gibt es keine Möglichkeit, einen Punkt in der Ferne anzupeilen.

      So arbeite ich mich Kilometer für Kilometer voran. Im Wald finde ich manchmal einen Pfad, der ziemlich sicher tierischer Natur ist. Auch Tiere sind faul und suchen sich oft den einfachsten Weg. Das hilft mit teilweise, allerdings verlaufen sich diese Pfade auch immer wieder. Die Landschaft wird offener, je höher ich komme. Viele große Sumpfgebiete gilt es zu queren. Heute ist es richtig zäh und der Regen nimmt jetzt auch noch stark zu. Ich ziehe die komplette Regenmontur an. Nach einer Weile erreiche ich den kleinen runden See, bei welchem ich einen Fluss queren möchte. Der Fluss ist eher ein Bach und schnell bin ich auf der anderen Seite. Hier geht es steil den Berg hoch. Ab jetzt sammle ich Höhenmeter bis ich Büsche und Bäume hinter mir gelassen habe. Hier oben ist das Vorankommen deutlich leichter. Aber auch hier gibt es Sumpf und unebenes Terrain. Dafür sehe ich jetzt in die Weite und kann viel leichter peilen.

      Das ist heute die anstrengendste Querfeldeinmission. Allerdings auch, weil mir Schlaf fehlt und ich mit viel Gewicht unterwegs bin. Als ich oben über das Fjell gehe, schaue ich verwundert nach links. Da kommt jemand. Mit großem Rucksack. Unsere Wege kreuzen sich 90 Grad und exakt zur gleichen Zeit. Wie unwahrscheinlich ist das denn? Ich begrüße den Mann mit dem riesigen Rucksack und sage, dass ich hier niemanden erwartet hätte. Er stimmt mir zu. Er geht hauptsächlich querfeldein und ist seit 11 Tagen unterwegs. Seit dem bin ich der erste Mensch, den er trifft. Er ist Norweger und verbringt seine drei Wochen Urlaub in der Natur. Als er losgegangen ist, wog sein Rucksack 35kg (!!!). Jetzt immerhin nur noch 30kg. Er habe so viel zu essen dabei, ernährt sich aber viel vom Fischen. Dadurch werden seine Vorräte einfach nicht weniger. Schade. Ich hätte ihm gerne was von mir abgegeben.

      Nach einem kurzen Plausch gehen wir unserer Wege. Beziehungsweise unserer Querfeldeins. Auf dem Weg hierher hatte ich erst darüber nachgedacht, dass ich hier auch gerne angeln würde. Auf einer Reise wie meiner ist das zu viel, aber genau wie der Norweger ein oder zwei Wochen durch die Natur zu ziehen und viel zu angeln, anstatt Kilometer zu machen. Das kann ich mir richtig gut vorstellen. Angeln in Deutschland würde mich nicht so sehr interessieren. Aber hier? Das wäre der Hammer. Ich überlege, ob ich in Deutschland den Angelschein mache, wenn ich zurück bin. Nein, ich nehme es mir fest vor. Allerdings befürchte ich, dass ich von Klemens direkt eine Liste mit unzähligem Equipment erhalte, das gut und praktisch wäre. Vielleicht stelle ich mir das auch zu einfach vor. Eine Angel, Salz und Pfeffer. Fertig!

      Die weiteren Kilometer ziehen sich. Der Regen hört irgendwann auf und in der Ferne sieht man einzelne blaue Flecken am Himmel. Der Wind bläst jetzt recht stark, dass meine Pausen immer sehr kurz ausfallen. Heute tue ich mich auch schwer, eine gute Linie zu finden. Überhaupt tue ich mich heute mit allem schwer. Ich habe einfach zwei Nächte in Folge richtig schlecht und wenig geschlafen und schleppe jetzt viel Gewicht. Das merke ich jetzt. Heute Morgen hatte ich mir vorgenommen, die anstehende Etappe nicht in sechs sondern in sieben Tagen zu machen. Das sind im Schnitt 22 Kilometer am Tag. Deutlich weniger als die letzten Tage, wo es oft um die 30 waren. Für heute sehe ich aber auch mit den 22 Kilometern schwarz. Das Vorankommen ist zu mühsam.

      Nach 18 Kilometern schlage ich mein Zelt auf. 18 Kilometer habe ich mit den geraden Linien in meine Karte gezeichnet. Tatsächlich dürften es die letzten Tage, wenn ich querfeldein gegangen bin, immer deutlich mehr gewesen sein. Es ist noch vor vier Uhr aber ich freue mich einfach nur darauf, mich hinzulegen. Das Wetter wird immer besser und es wird zunehmend sonnig. Schönes Wanderwetter, aber ich muss Schlaf nachholen. Selbst das Zelt aufstellen kostet mich heute richtig Kraft. Die Entscheidung ist absolut richtig. Tempo raus! Überhaupt waren die letzten Tage sehr lang. Wenn man erst zwischen sieben und acht sein Ziel erreicht, dann noch essen und Tagebuch schreiben will, bleibt eigentlich keine Zeit zum runterfahren. Auch wenn ich hier mehr als entschleunigt reise, die Menge an Eindrücken und Erlebnissen, die es täglich zu verarbeiten gilt, ist enorm. Und auch der Körper kann zwischen Aktivität und Nachtruhe sicher etwas Pause gebrauchen.

      Ich koche mir ein Trekkinggericht und lege mich dann hin. Tatsächlich schlafe ich bald ein. Wieder nicht extrem tief, aber zwei Stunden liege ich dösend im Zelt. Das tut richtig gut! Dann schreibe ich mein Tagebuch. Dabei lasse ich die Zelttür auf und die Abendsonne hineinscheinen. Dazu gibt es zwei Cappuccino. Hunger auf eine zweite Mahlzeit habe ich nicht.

      Um kurz vor neun gehe ich nochmal raus, die Abendstimmung genießen. Ich ziehe das trockene Paar Schuhe an und nehme meine Wanderstöcke. Ich will den Hang östlich von meinem Zelt etwas hinauf gehen. Alles sieht hier immer näher aus als es ist und so gehe ich eine Zeit. Es tut aber gut, den Kreislauf nochmal hochzufahren und mal ohne Rucksack unterwegs zu sein. Rund 200 Höhenmeter mache ich. Mein Zelt ist nur noch ein kleiner Punkt von hier aus und nur schwer erkennbar. Es weht ein leichter aber nicht zu kalter Wind. Ich bin im Genussmodus. Was eine traumhafte Landschaft. Auf dem Weg finde ich auch mein bislang größtes Rentiergeweih. Ganz schön schwer. Zwei davon auf‘m Kopp und dann krisse aba richtich Nacken!

      Allmählich bekomme ich doch nochmal Hunger. Oben verweile ich etwas und genieße die Stimmung und die Weite. Beim runtergehen wird der Hunger immer größer. Es dauert nicht lange und es fühlt sich nach leichtem Unterzucker an. Jetzt aber flott! Und so gibt es noch ein zweites Trekkinggericht, das ich morgen nicht tragen muss.
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    You might also know this place by the following names:

    Gauptjørnaksla, nordre, Gauptjornaksla, Noerhtegaejsie

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