Norway
Holstadtjønne,søre

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Travelers at this place
    • Day 19

      Braveheart

      June 18, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 11 °C

      Am Morgen lasse ich mir noch Zeit und schreibe meinen Tagebucheintrag von gestern fertig. Gestern war ich einfach zu müde. Während des Frühstücks nutze ich noch die Sonne, um meine kleine Powerbank zu laden. Jetzt zieht zunehmend eine hohe dichte Wolkenschicht vor die Sonne. Um kurz nach Zehn mache ich mich auf den Weg. Zunächst geht es 6 km weiter über den Schotterweg. Später sehe ich, dass dieser als Radweg ausgeschildert ist. Ich folge dem Weg zur Kalhovd Turisthytte, eine bewirtschaftete Hütte des norwegischen Wanderverbandes DNT. Menschen sehe ich hier aber keine. Hinter der Hütte führt mein Pfad den Berg hinauf, keine 200 Höhenmeter. Während ich gestern 1100 Höhenmeter auf dem Programm hatte, sind es heute deutlich weniger. Ohne die Sonne und dazu mit frischem Wind ist es zum Wandern eigentlich ideal. Erst nach 10 km mache ich meine erste Pause, ziehe dafür aber gleich Pulli und Jacke an.

      Ich komme gut voran heute. Die Landschaft ist immer noch beeindruckend. Besonders, weil man das Gefühl hat, im Umkreis von vielen, vielen Kilometern der einzige Mensch hier zu sein. Die karge Landschaft wirkt ohne Sonne allerdings etwas trostlos und lebensunfreundlich. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich heute etwas getrieben bin. Meine zweite Pause mache ich erst nach 18 Kilometern. Aber es läuft sich auch einfach gut. Diese Pfade hier sind wirklich absolut mein Gelände.

      Ich überlege, ob ich heute 31 oder 32 km laufe. Wenn ich das gut schaffe, ohne mich kaputt zu machen, und das gleiche in den folgenden beiden Tagen mache, wäre ich einen Tag schneller als geplant in Geilo. Klar ist es nicht mein Ziel, so schnell wie möglich aus der Hardangervidda wieder heraus zu kommen. Aber wenn es sich gut läuft und es sich für mich gut anfühlt, warum nicht?

      Die nächste Etappe ist schon wieder etwas zäher. Es geht ein wenig bergab auf Höhe eines Stausees. Hier sind einige Sumpfgebiete zu queren. Rund einen Kilometer vor Mårbu, einer weiteren DNT-Hütte, mache ich noch eine Pause. Der linke Fuß tut mir wieder weh. Diese Metatarsalgie hab ich nicht so richtig los bekommen. Gestern Abend im Zelt schon und heute Morgen habe ich den Fuß wieder gemerkt. Manchmal läuft es sich raus, kommt dann aber zum Ende des Tages wieder. Ich versuche es mit unterschiedlichem Auftreten bewusst rauszulaufen. Bei der DNT-Hütte habe ich genau 25 km. Ich will aber auf jeden Fall weiter.

      Hinter der Hütte geht es allmählich bergauf. Auf den rund 150 Höhenmetern nimmt der Wind ständig zu. Es wird ungemütlicher je höher ich komme. Ganz oben habe ich 28 km geschafft. Mein linker Fuß möchte nun wirklich nicht mehr. Aber ich muss auf jeden Fall noch irgendwo meine Wasserreserven auffüllen. Es geht wieder bergab zu einem größeren See. Laut Karte fließen hier mindestens zwei Bäche hinein. Der Wind legt noch einmal zu und nun mischen sich auch erste Regentropfen in den Wind. Obwohl ich nur noch wenige hundert Meter vom See entfernt bin, mache ich noch eine kurze Pause und ziehe mir meine Jacke an. Eine Erkältung kann ich hier gar nicht gebrauchen.

      Am See angekommen, sehe ich, dass er einen kleinen Sandstrand hat. Das passt irgendwie so gar nicht hierher. Bei schönem Wetter würde ich hier eine Badepause einlegen. Ich folge dem schmalen Pfad direkt am See entlang und komme zu dem Bach, wo ich meine Wasserreserven voll mache. Nach ein paar Metern geht der Weg rechts ab vom See wieder leicht bergauf. Ich habe jetzt ziemlich genau 30 km auf der Uhr. Das reicht für heute. Und obwohl ich so viel gelaufen bin, ist es erst 18:15 Uhr.

      Ich finde eine größere sumpffreie Fläche und entscheide, hier mein Zelt aufzubauen. Während ich den Rucksack auspacke, wird auch der Regen mehr. Schnell baue ich das Zelt auf und verstaue alles darin. Heute bin ich richtig froh, dass ich dieses teure und schwere Zelt dabei habe. Starker Wind und Regen. Da möchte man doch eine Behausung haben, auf die man sich verlassen kann. Während der Wind am Zelt rüttelt, mache ich es mir drinnen gemütlich und koche mir erst mal einen Cappuccino. Mir ist noch recht kalt und bevor ich überhaupt daran denke, mich zu waschen, möchte ich mich erst mal aufwärmen. Mir wird schnell warm, aber die Lust rauszugehen, die 100 m zum See runter, um mich bei Regen und Wind zu waschen, hält sich in Grenzen.

      Irgendwann wird der Wind deutlich weniger, und auch der Regen lässt nach. „Verdammt“, denke ich. Jetzt oder nie. Boah, hab ich kein Bock! Aber es nützt nichts. Noch im Zelt ziehe ich mich komplett aus und ziehe meine Wasserschuhe an. Die 100 m kommen mir ganz schön lang vor. Ich pushe mich mental und renne wildentschlossen auf den See zu. Mit blau weißer Schminke im Gesicht und einem Schwert in der Hand könnte es eine Szene aus Braveheart sein. Nur, dass die Jungs, die dort in die Schlacht ziehen, mehr anhaben als ich. Und ihr Feind nicht ein kalter See ist. Und ich kein Schwert in der Hand habe, sondern einen Waschlappen. Aber in punkto Entschlossenheit ist es so ziemlich das gleiche.

      Ich renne also nackt mit Handtuch und Waschlappen in der Hand wild entschlossen zum See, entscheide mich dann, zur Bachmündung zu laufen, warum auch immer, und erinnere mich dort, dass der Bach von Schmelzwasser genährt ist. Also renne ich zurück zu dem kleinen Strand gleich durch ins Wasser. Scheint auch Schmelzwasser zu sein. Zuletzt dann doch eher unentschlossen.

      Weil das sandige Ufer nur flach abfällt, renne ich nach 5 Metern nicht weiter rein, sondern setze mich an Ort und Stelle unter lautem Schnauben in den See. Scheiße, ist es kalt. Ich schrubbe mich so schnell wie möglich mit dem Waschlappen ab. Den Oberkörper bringe ich nicht ganz ins Wasser. Auch das ist Waschlappenangelegenheit. Noch eine Spur entschlossener als zum See hin renne ich zurück zum Zelt und versuche mich unterm Laufen abzutrocknen. Im Zelt ist es gleich angenehmer, weil der Wind weg ist. Ich ziehe mich an, lege mich in den Schlafsack und bin unfassbar zufrieden. So hat vieles Unangenehme hier immer die andere Seite, dass ich total happy bin, wenn ich es hinter mich gebracht habe.

      Zum Abendessen gibt es Pulled Pork. So langsam entdecke ich immer mehr Gerichte, die man durchaus gut essen kann.
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    • Day 20

      Regen, Furten, nasse Füße

      June 19, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 13 °C

      In der Nacht hat es immer wieder leicht geregnet. Durch den bedeckten Himmel war es deutlich dunkler im Zelt als sonst. Als ich morgens erst mal auf die Uhr schaue, ist es schon 7:30 Uhr. Neuer Rekord im Langschlafen. Nach dem Frühstück mache ich mich fertig. Als ich aus dem Zelt schaue, bin ich mitten im Nebel. Immerhin regnet es jetzt nicht. Erst als ich beginne, das Zelt abzubauen, setzt ein unangenehmer Sprühregen ein. So ziehe ich mir gleich von Beginn an Regenhose und Regenjacke an. Zum ersten Mal muss ich das Zelt nass einpacken. Fühlt sich falsch, geht aber nicht anders.

      Um kurz nach neun ist alles verpackt und es geht in voller Regenmontur los. Es ist schon eine besondere Stimmung, hier oben im Nebel ganz alleine zu sein. Mein zügiges Tempo wird schnell durch die ersten Sumpfabschnitte gedrosselt. So langsam brauchen meine Schuhe mal eine längere Sumpfpause. Heute Morgen bin ich schon mit halbnassen Socken in deutlich nasse Schuhe geschlüpft. Allein deswegen freue ich mich schon auf den Tag Auszeit in Geilo.

      Ich merke auf den ersten Metern schon, dass ich heute keinen Drive habe. Es regnet und das Schmatzen der Schuhe beim Einsinken im Sumpf trägt nicht zur guten Laune bei. Aber der Sumpf gehört in Norwegen einfach dazu. Man kann nicht auf der einen Seite erwarten, dass man alle paar Meter einen Bach zum trinken findet und auf der anderen Seite dann den Sumpf verteufeln. Die Sümpfe hier sind riesengroße, natürliche Wasserspeicher, die gerade jetzt nach der Schneeschmelze besonders gut gefüllt sind. Aber ein bisschen fluchen darf man ja trotzdem.

      Nach drei Kilometern komme ich an einen breiteren Fluss. Vergebens suche ich nach einer Möglichkeit, den Fluss zu queren, ohne meine Wasserschuhe anziehen zu müssen. Ich mache mehrere Anläufe, balanciere von Stein zu Stein und komme jedes Mal an einen Punkt, wo ein Weiterkommen nicht möglich ist. Es hilft alles nichts. Ich muss furten (mein iPhone hat beim Einsprechen hier was anderes interpretiert: „Es hilft alles nichts. Ich muss furzen). Ich habe aber keine Lust, Regenhose und Hose auszuziehen. Also krempel ich die Hosenbeine hoch bis zu den Knien. Das ist bei meinen Beinen ja schon relativ hoch. Dann geht es raus aus den gerade mal etwas warm gewordenen nassen Wanderschuhen rein in die Wasserschuhe.

      Bei meinem ersten Versuch komme ich schnell an eine Stelle, wo das Wasser so tief ist, dass ich beide Hosen hätte ausziehen müssen. Ich wähle eine andere Stelle, wo das Wasser zwar wilder unterwegs, dafür aber nicht so tief ist. Mit dem schweren Rucksack ist es ein ganz schöner Balanceakt. Auch wenn das Furten an dieser Stelle sicher nicht lebensgefährlich ist, ist höchste Konzentration gefragt. Wenn man einmal in mitten dieser kleine Stromschnelle steht, will man keinen Fehler machen. Ohne meine Trekkingstöcke wäre ich hier aufgeworfen. Alles klappt super, am Ende war es aber deutlich spannender als ich es vorher gedacht hätte. Da mein Handtuch praktischerweise tief unten im Rucksack ist, wische ich mir die Füße mit den Händen ab und schlüpfe in die nassen Socken. Jetzt heißt es, die nassen Socken und Wanderschuhe von neuem aufzuwärmen. Nach 2 Stunden mache ich meine erste Pause. Sieben Kilometer habe ich gerade mal geschafft. Die Querung des Flusses hat einiges an Zeit gekostet. Natürlich bin ich hier nicht in Eile. Ich habe keine Termine, keine Verpflichtungen. Aber wenn man sich 2 Stunden richtig anstrengt und dann merkt, dass man deutlich weniger geschafft hat als sonst in der Zeit, kann das etwas frustrierend sein.

      Bei meiner Pause habe ich zum ersten Mal wieder etwas Handyempfang und ich freue mich über ein paar WhatsApp-Nachrichten aus der Heimat. Aber ich kühle schnell aus und mach mich wieder auf den Weg. Immerhin hat es aufgehört zu regnen und die Wolkenbasis hat sich sichtbar angehoben. Zwischenzeitlich wird die Wolkendecke sogar so dünn, dass es um mich herum deutlich heller wird. Ich hatte mich innerlich auf einen kompletten Regentag eingestellt. Daher kann ich mich alleine darüber jetzt freuen. Nach 10 km kommt sogar die Sonne immer wieder mal durch und in meiner Regenhose wird es mir nun zu warm. Bei einer Pause ziehe ich sie aus und nutze die Gelegenheit, die Schuhe auszuziehen, um die Socken auszuwringen. Im rechten Schuh ist gar nicht so viel Wasser. So sehr ich die Socke auch würge, es kommt kein Tropfen. Anders ist es beim linken Schuh. Wie ein Schwamm presse ich den Socken aus. Ich bin unsicher, ob der Schuh mittlerweile ein wenig undicht ist? Grundsätzlich stelle ich fest, dass die Schuhe schon mehr gelitten haben und mehr Gebrauchspuren haben, als ich es für die bisher gelaufene Strecke vermutet hätte. Ein zweites Paar Schuhe ist in einem Versorgungspaket, das mich allerdings erst bei Kilometer 1400 erreicht. Ob die Schuhe noch so lange halten? Hier muss ich mir gegebenenfalls etwas einfallen lassen.

      Nach fast 15 Kilometern erreichte ich gegen 14:00 Uhr die Solheimstulen Turisthytte. Ein paar Meter weiter mache ich eine Pause und gönne mir ein paar Hände voll vom Nussmix. Wenn ich die 15 Kilometer gegen Mittag geschafft habe, bin ich immer sehr zufrieden. Dann sind es noch zwei 5 km Etappen. Und wenn ich Lust habe noch etwas Zugabe. Aber gerade die Nachmittagsetappen ziehen sich häufig. Wenn man am Vormittag noch denkt, man könne heute ja mal fünf oder 10 km weiter laufen, meldet mir der Körper nach 20 bis 25 km eindeutig, dass es langsam genug ist.

      Von der Hütte, die in einem kleinen Teil lag, geht es nun wieder über einen Pfad bergauf und bald bin ich wieder in der Hochebene, wo jeder Maßstab fehlt, um Entfernungen abschätzen zu können. An einem kleinen Bach mache ich eine Trinkpause. Danach führt der Weg zu einem großen See, den ich teilweise umrunde. Wie hier und an vielen Seen, an denen ich bisher vorbeigekommen bin, gibt es kleine, wunderschöne Hütten am Ufer. Oft mit dazugehörigem kleinen Bootshaus. Vorbei an den Hütten, die alle unbewohnt aussehen, geht es nun wieder bergauf. Oben angekommen, sehe ich in der Ferne eine deutlich höhere Gebirgskette, wo noch deutlich Schnee zu sehen ist. Das könnte schon Teil meiner nächsten Großetappe sein.

      Ich beschließe, noch etwas mehr als die 25 km zu machen. Ich bin zwar langsam platt, aber ein wenig geht noch. Die größte Herausforderung jetzt ist, einen geeigneten Platz für das Zelt zu finden. Allmählich geht es wieder bergab. Die ganze Gegend hier ist geprägt von riesengroßen Gesteinsbrocken, die überall rumliegen. Nach 29 km finde ich einen Platz direkt am Wegrand. 100 m weiter finde ich auch einen Bach, um meine Wasserreserven zu füllen. Der Wind hat mittlerweile wieder deutlich angezogen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Zelt spiele ich das gleiche Spiel wie gestern. Denn so lange ich mich nicht gewaschen habe, wobei man das Waschen im kalten Wasser hier nicht mit der Gründlichkeit einer heißen Dusche zu Hause vergleichen kann, habe ich noch nicht Feierabend. 10 Minuten später habe ich es geschafft. Ich liege zumindest etwas sauberer als vorher im Schlafsack und mache mir noch einen Cappuccino und veganes Thai Curry. Beides erfordert die gleiche Zutat, welche ich mit viel Sorgfalt und Liebe zubereite: heißes Wasser.

      Den Plan, einen Tag schneller in Geilo zu sein, habe ich tagsüber schon verworfen. Daher hätte ich heute noch wenigsten vier Kilometer weiter wandern müssen. Jetzt sind es noch 36 Kilometer. Das könnte man an einem Stück schaffen, aber ich bin sicher, dass ich die letzten Kilometer mit schmerzenden Füßen bewältigen müsste. So stehen morgen meine 25 km an und dafür habe ich übermorgen nur noch eine halbe Tagesetappe bis Geilo.
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    You might also know this place by the following names:

    Holstadtjønne, søre, Holstadtjonne, sore

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