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- Jun 18, 2023, 8:47 PM
- ☁️ 11 °C
- Altitude: 1,200 m
- NorwayBuskerudNore og UvdalHolstadtjønne,søre60°12’16” N 8°14’57” E
Braveheart
June 18, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 11 °C
Am Morgen lasse ich mir noch Zeit und schreibe meinen Tagebucheintrag von gestern fertig. Gestern war ich einfach zu müde. Während des Frühstücks nutze ich noch die Sonne, um meine kleine Powerbank zu laden. Jetzt zieht zunehmend eine hohe dichte Wolkenschicht vor die Sonne. Um kurz nach Zehn mache ich mich auf den Weg. Zunächst geht es 6 km weiter über den Schotterweg. Später sehe ich, dass dieser als Radweg ausgeschildert ist. Ich folge dem Weg zur Kalhovd Turisthytte, eine bewirtschaftete Hütte des norwegischen Wanderverbandes DNT. Menschen sehe ich hier aber keine. Hinter der Hütte führt mein Pfad den Berg hinauf, keine 200 Höhenmeter. Während ich gestern 1100 Höhenmeter auf dem Programm hatte, sind es heute deutlich weniger. Ohne die Sonne und dazu mit frischem Wind ist es zum Wandern eigentlich ideal. Erst nach 10 km mache ich meine erste Pause, ziehe dafür aber gleich Pulli und Jacke an.
Ich komme gut voran heute. Die Landschaft ist immer noch beeindruckend. Besonders, weil man das Gefühl hat, im Umkreis von vielen, vielen Kilometern der einzige Mensch hier zu sein. Die karge Landschaft wirkt ohne Sonne allerdings etwas trostlos und lebensunfreundlich. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich heute etwas getrieben bin. Meine zweite Pause mache ich erst nach 18 Kilometern. Aber es läuft sich auch einfach gut. Diese Pfade hier sind wirklich absolut mein Gelände.
Ich überlege, ob ich heute 31 oder 32 km laufe. Wenn ich das gut schaffe, ohne mich kaputt zu machen, und das gleiche in den folgenden beiden Tagen mache, wäre ich einen Tag schneller als geplant in Geilo. Klar ist es nicht mein Ziel, so schnell wie möglich aus der Hardangervidda wieder heraus zu kommen. Aber wenn es sich gut läuft und es sich für mich gut anfühlt, warum nicht?
Die nächste Etappe ist schon wieder etwas zäher. Es geht ein wenig bergab auf Höhe eines Stausees. Hier sind einige Sumpfgebiete zu queren. Rund einen Kilometer vor Mårbu, einer weiteren DNT-Hütte, mache ich noch eine Pause. Der linke Fuß tut mir wieder weh. Diese Metatarsalgie hab ich nicht so richtig los bekommen. Gestern Abend im Zelt schon und heute Morgen habe ich den Fuß wieder gemerkt. Manchmal läuft es sich raus, kommt dann aber zum Ende des Tages wieder. Ich versuche es mit unterschiedlichem Auftreten bewusst rauszulaufen. Bei der DNT-Hütte habe ich genau 25 km. Ich will aber auf jeden Fall weiter.
Hinter der Hütte geht es allmählich bergauf. Auf den rund 150 Höhenmetern nimmt der Wind ständig zu. Es wird ungemütlicher je höher ich komme. Ganz oben habe ich 28 km geschafft. Mein linker Fuß möchte nun wirklich nicht mehr. Aber ich muss auf jeden Fall noch irgendwo meine Wasserreserven auffüllen. Es geht wieder bergab zu einem größeren See. Laut Karte fließen hier mindestens zwei Bäche hinein. Der Wind legt noch einmal zu und nun mischen sich auch erste Regentropfen in den Wind. Obwohl ich nur noch wenige hundert Meter vom See entfernt bin, mache ich noch eine kurze Pause und ziehe mir meine Jacke an. Eine Erkältung kann ich hier gar nicht gebrauchen.
Am See angekommen, sehe ich, dass er einen kleinen Sandstrand hat. Das passt irgendwie so gar nicht hierher. Bei schönem Wetter würde ich hier eine Badepause einlegen. Ich folge dem schmalen Pfad direkt am See entlang und komme zu dem Bach, wo ich meine Wasserreserven voll mache. Nach ein paar Metern geht der Weg rechts ab vom See wieder leicht bergauf. Ich habe jetzt ziemlich genau 30 km auf der Uhr. Das reicht für heute. Und obwohl ich so viel gelaufen bin, ist es erst 18:15 Uhr.
Ich finde eine größere sumpffreie Fläche und entscheide, hier mein Zelt aufzubauen. Während ich den Rucksack auspacke, wird auch der Regen mehr. Schnell baue ich das Zelt auf und verstaue alles darin. Heute bin ich richtig froh, dass ich dieses teure und schwere Zelt dabei habe. Starker Wind und Regen. Da möchte man doch eine Behausung haben, auf die man sich verlassen kann. Während der Wind am Zelt rüttelt, mache ich es mir drinnen gemütlich und koche mir erst mal einen Cappuccino. Mir ist noch recht kalt und bevor ich überhaupt daran denke, mich zu waschen, möchte ich mich erst mal aufwärmen. Mir wird schnell warm, aber die Lust rauszugehen, die 100 m zum See runter, um mich bei Regen und Wind zu waschen, hält sich in Grenzen.
Irgendwann wird der Wind deutlich weniger, und auch der Regen lässt nach. „Verdammt“, denke ich. Jetzt oder nie. Boah, hab ich kein Bock! Aber es nützt nichts. Noch im Zelt ziehe ich mich komplett aus und ziehe meine Wasserschuhe an. Die 100 m kommen mir ganz schön lang vor. Ich pushe mich mental und renne wildentschlossen auf den See zu. Mit blau weißer Schminke im Gesicht und einem Schwert in der Hand könnte es eine Szene aus Braveheart sein. Nur, dass die Jungs, die dort in die Schlacht ziehen, mehr anhaben als ich. Und ihr Feind nicht ein kalter See ist. Und ich kein Schwert in der Hand habe, sondern einen Waschlappen. Aber in punkto Entschlossenheit ist es so ziemlich das gleiche.
Ich renne also nackt mit Handtuch und Waschlappen in der Hand wild entschlossen zum See, entscheide mich dann, zur Bachmündung zu laufen, warum auch immer, und erinnere mich dort, dass der Bach von Schmelzwasser genährt ist. Also renne ich zurück zu dem kleinen Strand gleich durch ins Wasser. Scheint auch Schmelzwasser zu sein. Zuletzt dann doch eher unentschlossen.
Weil das sandige Ufer nur flach abfällt, renne ich nach 5 Metern nicht weiter rein, sondern setze mich an Ort und Stelle unter lautem Schnauben in den See. Scheiße, ist es kalt. Ich schrubbe mich so schnell wie möglich mit dem Waschlappen ab. Den Oberkörper bringe ich nicht ganz ins Wasser. Auch das ist Waschlappenangelegenheit. Noch eine Spur entschlossener als zum See hin renne ich zurück zum Zelt und versuche mich unterm Laufen abzutrocknen. Im Zelt ist es gleich angenehmer, weil der Wind weg ist. Ich ziehe mich an, lege mich in den Schlafsack und bin unfassbar zufrieden. So hat vieles Unangenehme hier immer die andere Seite, dass ich total happy bin, wenn ich es hinter mich gebracht habe.
Zum Abendessen gibt es Pulled Pork. So langsam entdecke ich immer mehr Gerichte, die man durchaus gut essen kann.Read more
Traveler Ich liebe deinen galgenhumor🤣 du bist definitiv braveheart 🤘🌊🥶
Traveler Langsam finde ich es schon schade, dass es keinen Film gibt 😉
Traveler Nackter Braveheard mit Waschlappen… Kopfkino ist an 😂