Norway
Kråketjørnane,nedre

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Travelers at this place
    • Day 9

      Grosses Tier und Stockbruch

      June 8, 2023 in Norway ⋅ ☀️ 18 °C

      Ich habe wieder nicht gut geschlafen. Die Beine glühen in der Nacht und weil ich etwas abfallend liege, rutsche ich ständig von meiner Luftmatratze. Erst am Morgen finde ich nochmal 1-2 Stündchen ruhigeren Schlaf. Als ich wach werde, nehme ich mir vor, mich nicht zu stressen. Selbst ein Ruhetag wäre nach dem gestrigen Tag eine Option. Aber schnell wird mir klar, dass ich nicht noch eine Nacht lang von meiner Matte rutschen möchte. Also mache ich mich fertig und packe zusammen. Als der Rucksack fast fertig gepackt ist, stelle ich fest, dass ich meinen Ehering nicht am Finger habe. Verdammt, der ist noch in der Innentasche vom Zelt. Ich überlege kurz, ob ich ihn einfach darin lasse aber mir wird sofort klar, dass ich alles nochmal auspacken muss. Es ist eben mehr als ein Gegenstand und es fühlt sich falsch an, ihn nicht zu tragen. Außerdem hätte ich Angst, dass er vielleicht doch nicht im Zelt ist und ich ihn hier irgendwo verloren hab. Ich packe alles wieder aus, rolle das Zelt auseinander und finde den Ring schnell. Alles wieder rein in den Rucksack und dann geht es noch schnell zum Bach, die Wasservorräte füllen. Abmarsch 09.38 Uhr.

      Weil ich heute herausfinden möchte, wie schnell ich hier eigentlich unterwegs bin, lasse ich die Komootapp tracken. Ich rechne mir selbst aus, welche Geschwindigkeit ich für realistisch halte, dass ich später Erwartung und Realität abgleichen kann. Bei dem ganzen auf und ab und den vielen kleinen Kurven, die alle nicht auf der Karte ersichtlich sind, brauche ich mehr Zeit. Ich glaube, dass die tatsächliche Höhenmeterzahl deutlich über der von Komoot errechneten Zahl liegen dürfte. Ich plane für heute in 5 x 5 km Einheiten. Ich schätze, dass ich rund 90 Minuten je Einheit brauche. Das wären 18 Minuten für einen Kilometer.

      Ich fühle mich wieder überraschend fit. Die ersten 5 km laufen sich von allein. Die zweiten sind schon etwas anstrengender. Sobald es halbwegs eben ist, komme ich leicht und zügig voran. Aber wie gestern schon gemerkt, wird jede kleine Steigung direkt zum Kraftakt. Heute nehme ich bei jeder Steigung ganz bewusst das Tempo raus. Langsam aber beharrlich ist hier die Devise. Zuhause bin ich deutlich schneller unterwegs. Entweder mit ganz wenig Gewicht auf dem Rücken oder mit Gleitschirm. Und da schone ich mich nicht. Allerdings ist da die Anstrengung meist auch nach 1,5 Stunden vorbei. Das hier ist eher wie ein Marathon. Wenn ich am Vormittag überpace, holt mich das am Nachmittag wieder ein.

      Die dritten 5 km sind schon zäher, allerdings auch mit einigem bergauf und es geht in die Mittagshitze. Es wird zunehmend felsiger und ich erklimme einen dieser wunderschönen Felsrücken, die hier überall herausschauen und an einer gewissen Höhe allgemein das Landschaftsbild prägen. Oben angekommen mache ich eine Pause. Niklas schreibt mir, dass er gerade in Oslo angekommen ist und nachher weiter nach Trømso fliegt. Erst vor zwei Wochen hab ich meine erste Nacht im Zelt bei ihm im Garten verbracht. Niklas ist auch der Grund, dass ich Norwegen lieben lernen durfte. Nach dem Bund/Zivi haben wir uns in sein Auto gesetzt und sind 2003 durch den norwegischen Süden gefahren. Vor 20 Jahren! In den darauf folgenden Jahren haben wir noch zwei solcher Touren gemacht.

      Ich liege an den Rucksack gelehnt in der Sonne und nutze den seltenen Handyempfang. Ursprünglich wollte ich das Handy so selten wie möglich nutzen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass es hier und da ganz schön ist, etwas Kontakt nach Hause zu haben.

      Nach 50 Minuten Pause gehe ich weiter. Ich hab neue Luft. Der felsige Untergrund macht Spaß und es geht nur wenig auf und ab. Bestimmt eine halbe Stunde „fliege“ ich über den Felsrücken. Das ist mein Lieblingsgelände. Man muss schon schauen, wo man hintritt, es ist aber alles fest mit gutem Grip. Nach 3 Kilometern geht es wieder bergab und auch das schnelle und leichte Vorankommen ist vorbei. Als ich um einen Fels herum gehe und mit meinem Stock laut auf den Felsboden aufstoße, erschrickt sich 30m vor mir ein großes Tier und rennt davon. War das ein Elch? Wenn dann eher ein kleiner. Oder doch ein Hirsch? Rentier? Ich bin mit meinem Handy zu langsam und erwische das Tier nur noch in der Ferne. Ich bin unschlüssig, was es ist, bin aber froh, dass es vor mir weg und nicht auf mich zu gerannt ist, was lediglich für eine genaue Bestimmung von Vorteil gewesen wäre.

      Hier finde ich auch wieder Trinkwasser. Ab hier zieht es sich wieder und es wird richtig anstrengend. Aber ich gehe diszipliniert weiter und erreiche eine weitere DNT-Hütte. Ich wäre alleine hier und hätte die ganze Hütte für mich. Aber ich möchte mein Kilometerpensum schaffen und außerdem gibt es keinen Anlass für Luxus. Meine Sachen sind trocken und es ist Sommerwetter. Wozu da umgerechnet 27 Euro ausgeben?

      Von nun an geht es wieder bergauf und jeder einzelne Kilometer zieht sich. Dafür werde ich oben, hier wieder felsig und leicht oberhalb der Baumgrenze mit einem traumhaften Ausblick belohnt. Wenn ich ausreichend Wasser, also auch meine Lagervorräte voll hätte, würde ich in Erwägung ziehen, hier zu bleiben. Ich hätte es tun sollen!!

      Ich folge dem Weg der scheinbar durch ein kleines Schneefeld führt. Ich betrete das Schneefeld, dass vielleicht 40 cm dick ist und breche nach 2 Metern, in etwa auf der Hälfte, ein. Das war sogar absehbar, weil ein kleiner Rinnsal unter dem Schnee hindurch ging und ich war eigentlich drauf gefasst, hier einzubrechen. Dennoch passiert das ganze etwas heftiger als gedacht und ich falle leicht nach vorn. Ich fange mich aber an und denke, alles ist ok. Leider aber hatte sich mein Trekkingstock verkanntet und brach in der Mitte. So eine Scheisse!! Ich sehe den Bruch und nehme es irgendwie hin. Ändern kann ich daran nichts mehr. Es ist eh die wichtigste Regel hier draußen: Es ist wie es ist. Ich verlasse das Schneefeld und finde den Anschlusspfad nicht. Komoot sagt, dass ich ein paar Meter vom Pfad abgekommen bin und ich gehe 10m hoch und finde den Weg schnell. Hier sehe ich, dass mein Weg gar nicht durch das Schneefeld ging, sondern sauber dran vorbei. Doppelt ärgerlich. Aber: Es ist wie es ist.

      Dennoch muss ich hier schnell eine Lösung finden. Mit dem schweren Gepäck sind die Trekkingstöcke wichtiger Bestandteil für mein Vorankommen. Insbesondere dann, wenn das Gelände mal schwieriger wird. Und am wichtigsten sind sie für meine Knie. In den letzten Tagen habe ich sehr genau gemerkt, welche Bewegungen die gut mitmachen und welche nicht. Bei bergauf und ab brauche ich die Stöcke allein, um meine Knie zu entlasten. Der nächste Ort ist 77 km entfernt. Der nächste Sportladen 175 km. Hier muss ich mir morgen Gedanken machen, wie ich das löse.

      Es geht weiter Richtung Tal und es wird zunehmend sumpfiger. Den nächsten kleinen Bach nutze ich, um meine Lagervorräte zu füllen. Ich bin wieder richtig erschöpft und will die nächste Gelegenheit zum Zelt aufbauen nutzen. Aber es wird nur sumpfiger und sumpfiger. Es ist eine reine Schlammschlacht und immer wieder versucht der Sumpf mich festzuhalten, wenn ich zu tief einsinke. Mit nur einem Stock ist das echt ätzend. Der Weg schlängelt sich dahin in einen immer dichter werdenden Wald am Hang entlang. Für ein Zelt keine Chance. Laut Karte soll ich schon bald an irgendwelchen Ruinen vorbei kommen. Ich hoffe, dass, wenn hier mal gebaut wurde, sich auch das Zelten besser anbietet. Nach gefühlter Ewigkeit erreiche ich den Platz. Allerdings sind hier keine Ruinen, sondern 3 gut erhaltene Hütten auf einer schönen Wiese am Hang mit wundervollem Blick auf den See. In einer Ecke liegt frisch gehacktes Holz. Es scheint aber niemand da zu sein. Laut Jedermannsrecht muss man mit seinem Zelt 150m Abstand halten. Weiter unten finde ich eine geeignete Stelle. Allerdings eher 150 Fuß entfernt. Mittlerweile ist es 21 Uhr und ich kann nicht mehr. Hier bleibe ich. Als ich das Zelt aufgebaut habe, friere ich. Dennoch raffe ich mich auf und wasche mich unten im eiskalten See. Verschwitzt in den Schlafsack ist einfach nicht schön. Nach dem Bad im kalten See geht es sofort in den Schlafsack. Es dauert lange, bis mir wieder richtig warm wird. Heute war der erste Tag, an dem ich keinem Menschen begegnet bin.

      Ich hätte nie gedacht, dass 25 km am Tag so eine große Aufgabe sind. Ich hoffe, dass sich mein Körper darauf noch einstellt. Zuhause habe ich ähnliche Strecken deutlich schneller absolviert. Aber eben auch mit weniger Gewicht, an maximal 2 Tagen aufeinander und ohne Sumpfschlachten.
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    You might also know this place by the following names:

    Kråketjørnane, nedre, Kraketjornane

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