Norway
Oldertrøen

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Travelers at this place
    • Day 40

      Alvdalen - Tynset

      July 9, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 19 °C

      Um kurz nach sechs habe ich keine Lust mehr, mich zum hundertsten Mal umzudrehen. Die ganze Nacht habe ich nicht eine Position gefunden, in der ich länger schlafen konnte. Der Untergrund war einfach extrem uneben. Zu allem Überfluss habe ich wieder Verspannungen in der rechten Schulter und Kopfschmerzen. Ich mache mir einen Kaffee und esse das Brot und die Fleischwurst vom Vorabend. Die Sonne scheint auf das Zelt, und es wird deutlich wärmer. Ich öffne die Außentüren, lasse aber die Fliegengitter geschlossen. So wird es gleich angenehmer und ich versuche, mich noch einmal hinzulegen. So döse ich dahin bis es schließlich zu warm im Zelt wird. Also packe ich meine Sachen und mache mich um 10:10 Uhr auf den Weg.

      Beim Zeltabbau hatte ich noch keine Probleme mit den Fliegen. Jetzt sind sie alle wieder da. Zu hunderten. Die ersten eins, zwei Kilometer sind anstrengend. Immer wieder versinke ich im Sumpf und es dauert, bis der Weg fest wird. Dann wird es etwas einfacher. Meine Verspannungskopfschmerzen sind ein wenig besser, aber noch lange nicht weg. Von nun an geht es weiter bergab, dauerhaft mit diesem Schwarm Fliegen um mich herum. Kurz bevor ich im Tal ankomme, sind auf einmal alle Fliegen weg. Das Phänomen mit den Fliegen muss wirklich sehr lokal sein. Nach sieben Kilometern komme ich an die Straße, die durch das Tal führt. Nach einigen Metern an der Straße entlang geht es rechts ab, wieder den Berg hinauf über eine Schotterstraße. Nach einem weiteren Kilometer komme ich an ein paar alten Hütten vorbei. Diese waren unten an der Straße schon als Sehenswürdigkeit ausgeschildert. Hier kann ich mich in den Schatten setzen und eine Pause machen.

      Ich esse die ganze Tüte Chips zu Ende, die ich gestern nur etwas angefangen hatte und lege noch ein paar Hände voll Nussmix drauf. Dann lege ich meine Isomatte in die Sonne und lege mich etwas hin. Kurz bevor ich einschlafe, kommt ein Auto. Drei ältere Frauen und ein Mann steigen aus. Sie haben einen Schlüssel zu diesen Hütten. Ich beende meinen Schlafversuch und packe mein Zeug. Eine der Frauen spricht sehr gut Englisch und wir kommen ins Gespräch. Sie erklärt mir, dass die Hütten Teil eines Museums seien. Vermutlich wurden sie im 16. Jahrhundert gebaut. Eine dieser Hütten wurde komplett auseinandergenommen und neu zusammengebaut. Und zwar auf die gleiche Methode, wie man damals gebaut hat. Zwischen den Balken schaut Moos heraus, am Dach hängt Birkenrinde herunter. Dann erklärt mir die Frau, dass so ein schönes, warmes Wetter wie heute hier eher selten ist. Insbesondere im Winter zählt dieses Tal zu den sehr kalten Tälern in Norwegen. Im Winter seien hier nicht selten -30 bis -40°. Dann unterhalten wir uns noch ein wenig über meinen Plan, zum Nordkap zu laufen und dann gehe ich weiter.

      Der Pfad, der hier vom Weg abgehen soll, ist nicht direkt erkennbar und ich gehe erst mal daran vorbei. Dann navigiere ich zurück und gehe eine Wiese hoch. Erst im Wald finde ich einen schmalen, scheinbar selten begangenen, Pfad. Immer wieder liegen Bäume darüber, dass ich querfeldein gehen muss. Zum Glück komme ich nach einiger Zeit auf einem richtigen Weg raus. Dieser ist als Pilgerweg ausgeschildert und führt bis zu meinem Ziel in Tynset. Mal geht es Schotterwege entlang, dann wieder Pfade durch heideartige Landschaft mit vielen kleinen Bäumen. Nun sind auch die Fliegen wieder da, mal mehr, mal weniger. Ganz so viele wie gestern Abend und heute Morgen sind es nicht. Was jetzt aber dazu kommt ist, dass sich immer mehr stechende Viecher dazu gesellen, Bremsen, unterschiedlichster Art und Größe. Ab jetzt ist es wieder ein Belastungstest für meine Nerven. Noch immer zieht der Schmerz aus meiner rechten Schulter hoch in meine rechte Schläfe. Dazu muss ich ständig darauf achten, dass mich keine der Bremsen in Schultern oder Arme sticht. Erst als ich einen breiten, aber nicht tiefen Fluss furten muss, nutze ich die Gelegenheit des Schuheanziehens für eine kurze Pause. Meine Hardshelljacke lege ich über den Rücken, die Bremsen stechen nämlich auch durch das T-Shirt. Trotz aller Bemühungen erwischt mich immer wieder eine. Selbst, wenn ich die Bremse verscheuche, während sie gerade anfängt mich zu stechen, gibt es eine juckende Quaddel.

      Nach der Pause am Schluss habe ich wieder etwas Ruhe vor den Fliegen. Ein enger Pfad führt zunächst durch dichten Wald einige Meter bergauf. Meine fliegenden Wegbegleiter werden ab hier schnell wieder mehr. Als ich nach einigen Kilometern eine Schotterstraße kreuze, möchte ich eine kurze Pause machen. Mittlerweile sind es sicher mehrere 100 Fliegen, die nicht von mir ablassen. Nach 1 Minute habe ich genug und setze meinen Weg fort, obwohl ich eigentlich eine Pause gebrauchen könnte. Ich merke, dass ich heute wenig Energie habe. Schlafmangel, Verspannungskopfschmerzen und auch die ungewohnt hohen Temperaturen haben wir heute zu schaffen gemacht. Die Fliegen, aber insbesondere die stechenden Bremsen, machen mir heute das Leben schwer. Heute kann ich aber irgendwie noch damit umgehen.

      Wäre das hier der Alltag, würde ich nicht lange überlegen, ob ich meine Reise fortsetze. Aber ich bin optimistisch, dass so plötzlich das Problem aufgetreten ist, bald genauso schnell wieder weg sein wird. Es scheint hauptsächlich in einer bestimmten Vegetation in einer gewissen Höhe vorzukommen. Die Tatsache, dass ich in den Tälern gar keine Probleme habe, lässt mich überlegen, ob ich die kommenden zwei Tage nach Røros ausnahmsweise über die Straße gehe. Durch die Natur ist es ja grundsätzlich schöner, aber besonders ausgefallene Landschaften würde ich nicht verpassen.

      Wie so oft sind die letzten Kilometer wieder sehr zäh. Seit langem macht sich auch mein linker Fuß wieder bemerkbar. Gegen 17:30 Uhr erreiche ich Tynset. Hier gibt es zahlreiche Supermärkte, dennoch hat keiner geöffnet. Bislang war in jedem Ort mindestens ein Supermarkt, der auch sonntags geöffnet hatte. Also gönne ich mir eine Cola an der Tankstelle und laufe weiter zum Campingplatz.

      Beim Einchecken sehe ich, dass ein Mitarbeiter Pizza isst. Sofort erkundige ich mich, wo diese her ist. Dann baue ich mein Zelt auf und gehe duschen. Mein Handy darf ich in einer Hütte bei drei Männern aus Berlin laden, die mit einem Bier auf der Terrasse sitzen. Dann mache ich mich auf den Weg zur Pizzeria. Heute habe ich die 900 km geknackt und somit ein Drittel meiner gesamten Kilometer geschafft. Und das an Tag 40, was auf den Tag genau einem Drittel meiner geplanten Zeit entspricht. Es ist nicht unbedingt wichtig, aber es freut mich! Was waren das viele Aufs und Abs bis hierher. Auf keines davon will ich verzichten. Ich habe nach 40 Tagen das Gefühl, in meiner Reise angekommen zu sein.
      Aktueller Spendenstand: 3.286,92 EUR

      In der Pizzeria sind draußen alle Tische belegt. Ein Mann sitzt allein an einem Vierertisch und telefoniert und raucht. Ich frage ihn, ob ich mich dazu setzen darf und er nickt. Ich telefoniere ebenfalls mit Nicole. Hier ist einiges los. Als ich endlich bestellen kann, bestelle ich eine große Pizza und eine Cola. Das Bier ist mir hier zu teuer. Allerdings bereue ich meine Entscheidung ein wenig, als der Kellner mit zwei Bier raus kommt und diese an einem anderen Tisch serviert. Die sehen einfach zu gut aus. Ein paar Minuten später kommt er wieder mit zwei Bier raus. Eines serviert er am Nachbartisch, eines stellt er mir hin. In bin hier in einem anderen Land und mir liegt es fern, die Menschen hier zu korrigieren. Also nehme ich das Bier rein aus Höflichkeit an, ohne etwas zu sagen. ;-) Boah! Herrlich! Das Schicksal meint es gut mit mir! :-)
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    You might also know this place by the following names:

    Oldertrøen, Oldertroen

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