Norway
Sjugurdtinden

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Travelers at this place
    • Day 30

      Fondsbu - Memurubu

      June 29, 2023 in Norway ⋅ 🌧 11 °C

      Für meine Verhältnisse habe ich gut geschlafen. Ich werde zwar oft wach, schaffe es aber meist wieder halbwegs schnell einzuschlafen. Als ich mir die Mütze von den Augen ziehe, ist es 7:00 Uhr. In der Nacht hat es teilweise geregnet. Jetzt ist gerade Regenpause. Draußen hängen Nebelschwaden an den Bergen und über dem See. Der Himmel ist grau. Ich mache mir meinen Aufgusscappuccino und Knuspermüsli mit heißem Wasser. Ich nehme mir vor, um 8:30 Uhr zu starten. Das schaffe ich ohne jede Hektik. Ich würde mir zwar noch mehr Zeit lassen, aber die norwegische Wetter-App prognostiziert für den Abend „heavy rain“. Wenn der startet, möchte ich mein Zelt gerne schon aufgebaut haben. Über den Tag soll es nur bewölkt sein.

      Als ich alle Sachen aus dem Zelt ausgeräumt habe und beginne das Zelt abzubauen, sehe ich, dass es am Ende des Sees bereits regnet. Es wird nicht lange dauern bis der Regen hier ist. Ich baue so schnell es geht das Zelt ab. Noch während ich die ersten Teile im Rucksack verstaue, fallen die ersten Tropfen und es werden schnell mehr. Ich packe so schnell es geht. Manche Sachen werden trotzdem ein wenig nass. Ich ziehe Regenhose und Regenjacke an und stülpe den Regenschutz über den Rucksack. Dann putze ich mir im Regen noch die Zähne.

      Um kurz nach 8:30 Uhr geht es los. Der Pfad führt noch eine Weile am See entlang und biegt dann links ab. Hier geht es etwa 300 Höhenmeter an der Seite des Tals nach oben. Der Regen hat mittlerweile aufgehört und ich ziehe die Regensachen aus. Insbesondere bergauf läuft es sich ohne Regenhose und Regenjacke einfach befreiter. Neben dem Pfad rauscht ein Fluss in vielen kleinen Wasserfällen laut nach unten. Ich hoffe, dass oben eine Brücke bei diesen Fluss geht. Das hier ist schon eine Menge bewegtes Wasser. Nach etwa einer Stunde komme ich oben an. Zum Glück gibt es wirklich eine Brücke. Eine Hängebrücke, die aussieht, als ob man sie aus Paletten zusammengebaut hätte. Das Holz dieser Paletten sieht noch recht neu aus. Die Brücke wackelt ordentlich, macht aber sonst einen soliden Eindruck. Gut, dass hinter mir nicht irgendein Spaßvogel läuft, der meint, die Brücke, extra zum schwingen bringen zu müssen. Wäre aber eh meine Rolle.

      Die Brücke war ein kleines Highlight. Danach geht es weniger steil weiter durch das Fjell. Die Wolkenbasis, die um mich herum einige Gipfel verschlingt, scheint sich langsam anzuheben. Ein gutes Zeichen. Ich gehe weiter und freue mich allein darüber, dass es im Moment nicht regnet. Die Gegend um mich herum ist ohne Frage schön. Auch die tiefen Wolken und vereinzelte Nebelschleier tragen zu einer besonderen Stimmung bei. Dennoch habe ich mich an diese Art der Landschaft ein wenig gewöhnt. Ich denke darüber nach, ob nun ein wenig Alltag einkehrt. Am Anfang haben mich jeder kleine See, jeder kleine Wasserfall und ganz viele andere Dinge direkt geflasht. Inzwischen setz doch ein leichter Gewöhnungseffekt ein. Es ist einfach fast immer schön und eine ganz besondere Landschaft.

      Nach einiger Zeit komme ich an einen Fluss. Ich habe keine Lust, die Schuhe zu wechseln, und suche nach einer Möglichkeit, von Stein zu Stein hüpfend den Fluss zu queren. Leider ergebnislos. Also raus aus den Wanderschuhen, rein in die Wasserschuhe, rein in das kalte Wasser. Auf der anderen Seite angekommen mache ich eine kleine Pause. Allerdings stehend. Alles ist nass und der leichte Wind lädt nicht dazu ein, sich hier hinzusetzen. Nach einem Müsliriegel geht es gleich weiter. Den nächsten Fluss kann ich an einer Stelle etwas flussaufwärts springend überwinden. Zwischendurch gibt es immer mal wieder leichten Regen. Aber nicht so viel, dass ich mein Regenzeug anziehe. Nach einigen Minuten hört es immer wieder auf. Es wird sogar zunehmend heller. Scheinbar lockert es nun etwas auf.

      Ich bin nicht übermäßig gut gelaunt, freu mich trotzdem, dass es nicht regnet. Und ich freue mich darüber, dass ich mich darüber freue, dass es nicht regnet. Manchmal braucht es nicht viel. Ich überlege mir noch weitere Dinge, über die ich mich heute Morgen freuen kann. Ich fang jetzt hier nicht mit einem Dankbarkeitstagebuch an, aber es ist ein netter Zeitvertreib. Ich freue mich, dass es nicht regnet, dass ich für meine Verhältnisse gut geschlafen habe, dass ich meinen Rucksack noch packen konnte, bevor der Regen richtig losging, dass mir der Rucksack heute etwas leichter vorkommt als gestern (wahrscheinlich, weil er etwas leichter ist), dass ich noch trockene Füße habe, dass mein linker Fuß sich zumindest bis hierhin gut anfühlt.

      Es geht noch weiter bergauf bis ich einen Sattel erreiche. Irgendjemand hat hier oben eine Leine mit tibetischen Gebetsfahnen zwischen zwei Steinmännchen gespannt. Ein richtig schöner Ort dafür und mit diesem steinigen Umfeld könnte das gerade wirklich irgendwo in Tibet sein. Als ich weitergehe, sehe ich in der Ferne zwei Wanderer, die auf mich zukommen. Es sind wieder zwei Mädels. Die Frauenquote hier oben ist echt enorm hoch. Sie kommen von einer der Hütten, an welcher ich heute auch noch vorbei muss. Sie machen einen fünftägigen Trip. Erst gestern hätten sie auch jemanden getroffen, der zum Nordkap unterwegs ist.

      Von nun an geht es allmählich bergab in ein Tal mit einem langen See. Dort unten ist die DNT-Hütte Gjendebu. Wenn ich dort bin, habe ich 13 km geschafft. An einem reißenden Fluss entlang geht es weiter runter und die Vegetation wird zunehmend höher. Als ich an einer Bank vorbei komme, mache ich eine Pause. Es ist deutlich wärmer. Nicht nur, weil ich weiter unten im Tal bin, auch weil die Wolkenschicht vor der Sonne weniger zu werden scheint. Ich beschließe, meinen Rucksack aufzumachen und Regenjacke und -hose zum Trocknen rauszunehmen. Auch das Solarpanel möchte ich ab hier wieder auf dem Rucksack befestigen. Es ist zwar kein direkter Sonnenschein, aber wenn ich den Akku ein paar Prozent laden kann, ist das super. Als sämtliches Material auf der Bank verteilt ist und ich in die Tüte mit der Nussmischung greife, fängt es an zu tröpfeln. Ich verwerfe die Idee mit der Solaranlage und packe alles schnell wieder in den Rucksack. Das tröpfeln hört bald wieder auf, aber am Ende des Sees sehe ich den nächsten Schauer. Ich mache den Rucksack wieder regenfest und gehe weiter.

      Nicht viel später erreiche ich die Hütte. Es ist wie ein kleines Dorf, bestehend aus mehreren Hütten. Ein Schild weist darauf hin, dass Gjendebu die älteste DNT-Hütte ist. Ein richtig schöner Ort hier am Ende des Sees, dessen anderes Ende man gar nicht sehen kann. Laut Karte ist es der gleiche See, an dem auch der Besseggengrat entlang geht. Ich gehe durch das „Hüttendorf“ und folge danach einem breiten, gut ausgebauten Weg. Dieser führt zu einer Anlegestelle. Man kann die Hütte wohl auch mit einer kleinen Fähre besuchen. An der Anlegestelle endet auch der Weg. Von hier aus führt ein gewohnt schmaler Pfad weiter am See entlang. Das Wasser ist türkis. Nach 2 km geht der Pfad links ab. Ich schaue hoch in das steile Gelände und kann mir nicht vorstellen, wo hier ein Pfad entlang gehen soll. Laut Karte ist es ein sehr steiler Pfad. Rund 500 Höhenmeter werde ich hier auf den nächsten anderthalb Kilometern überwinden. Vorher mache ich aber noch eine Pause.

      Von nun an geht es deutlich langsamer voran. Der Pfad ist wirklich steil und es dauert nicht lange, bis ich meine Hände zur Hilfe nehmen muss. Je höher ich komme, desto imposanter wird der Ausblick auf den See und die Berge auf der gegenüberliegenden Talseite. Nach einer halben Stunde kommen mir zwei Wanderer entgegen, scheinbar ein Pärchen. Er wartet genervt, während sie sich schwer tut, ein sehr steiles Stück abzuklettern. Hier ist sogar eine massive Kette installiert, an der man sich festhalten kann. Ich kann mir vorstellen, dass das, insbesondere bergab, für jemanden, der sonst nicht so viel in den Bergen unterwegs ist, kein angenehmes Stück ist. Ich setze meinen Rucksack ab und signalisiere, dass ich keine Eile habe. Als das Paar weitergeht habe ich freie Bahn. Das hier ist wirklich leichte Kletterei, mithilfe der massiven Kette aber leicht zu bewältigen. Es folgen noch weitere solcher Kletterpassagen. Und nach jeder Passage schaue ich mich um und muss weitere Fotos machen. Hier sieht’s aus wie im Katalog. Das Türkis des Sees wirkt fast unecht, als hätte ein Fotograf etwas zu sehr am Farbsättigungsregler gedreht.

      Immer wenn ich denke, dass ich fast oben bin, wird ein weiterer „bergauf“-Abschnitt sichtbar. Die letzten Meter ziehen sich und ich komme ordentlich ins schwitzen, dann aber ist es geschafft. Die Aussicht ist wirklich überwältigend. Von hier aus sehe ich bis zum Ende des Sees und links davon den Besseggengrat. Ich bin übrigens nicht der Route von Peter gefolgt, sondern habe den Weg gewählt, den ich mir zu Hause schon zurecht gelegt hatte. Obwohl ich den Besseggengrat eigentlich auslassen wollte, weil er als bekanntes, touristisches Ziel überlaufen sein könnte, überlege ich jetzt doch, ob ich meine Route nicht ändere. Der Vorteil hier wäre, dass er auf jeden Fall schneefrei ist. Das kann ich von hier aus sehen. Wenn ich heute Abend Netz habe, werde ich mir die verschiedenen Routenoption noch einmal ansehen.

      Nachdem ich die Aussicht ausgiebig bestaunt habe, mache ich mich wieder auf den Weg. Rund 5 km sind es noch bis zu dem Punkt, der das Ende meiner Tagesetappe markiert. Es fängt wieder leicht an zu tröpfeln. An einem kleinen Rinnsal mache ich eine kurze Pause. Ich habe heute über den Tag verteilt recht wenig getrunken. Wenigstens ein halber Liter inklusive Vitamintablette ist jetzt fällig. Aufgrund des ungemütlichen Wetters fallen meine Pausen heute alle relativ kurz aus. Es ist kurz nach drei, und ich mache mich auf den Weg in meine finale Etappe. Die letzten Kilometer sind noch einmal richtig anstrengend. Es geht viel bergauf und der Pfad ist anspruchsvoll. Auf der Karte schaue ich, wo ich meine Wasservorräte fürs Lager füllen kann. Rund 3 km vor meinem Ziel finde ich noch einen kleinen Bach. Da es aber noch viel bergauf geht lasse ich diesen aus und versuche so lange wie möglich, ohne die zusätzlichen 3 kg weiter zu gehen. Oben im Fjell hatte ich noch nie Probleme, Wasser zu finden. Was ich aber nicht bedacht hatte war, dass der restliche Weg über den Grat eines Bergrückens führt. Auf einem Bergrücken kann es keinen Bach geben. Von wo sollte das Wasser fließen? Ich habe Sorge, dass ich zusätzliche Kilometer gehen muss. Das würde den Abstieg ins Tal bedeuten, wo die nächste Hütte ist. Ich möchte aber nicht in einer Hütte schlafen und ich möchte nicht schon wieder Geld ausgeben. Und ich möchte unbedingt hier oben bleiben. Die Aussicht ist einfach traumhaft. Ich inspiziere einige kleine Schneefelder links des Weges. Aber keines ist so groß, dass ein kleiner Bach unten heraus läuft. Ich ärgere mich. Als ich ein paar Meter weiter gehe, sehe ich rechts von mir ein riesiges Schneefeld und unterhalb davon Wasser, circa 50 Höhenmeter tiefer. Ich nutze das Schneefeld, um schnell hier herunter abzusteigen. Tatsächlich fließt hier ein kleiner schöner Bach. Wenige Meter daneben finde ich eine ideale Stelle, um ein Zelt aufzustellen. Perfekt!

      Es regnet nicht und ich kann in aller Ruhe mein Zelt aufbauen. Nachdem alles im Zelt verstaut ist, ist wieder Zeit für eine kalte Wäsche. Danach lege ich mich ins Zelt und gönne mir ein weiteres heißes Kaffeeersatzgetränk. Ich freue mich, dass ich hier Empfang habe. Zum ersten Mal seit heute Morgen. So kann ich meine Routenoptionen für morgen recherchieren. Dann beginnt es zu regnen. Natürlich könnte ich mir an diesem Ort auch wunderbar vorstellen, abends in der Abendsonne vorm Zelt zu sitzen. Aber jetzt freue ich mich, dass es so ist, wie es ist. Dass ich mein Zelt im Trockenen aufbauen konnte. Ich schreibe mein Tagebuch und mittlerweile regnet es über eine Stunde durchgehend. Ob das jetzt „heavy rain“ ist, weiss ich nicht. Laut Wetterbericht soll es die ganze Nacht durchregnen.
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    Sjugurdtinden

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