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  • Day 54

    Au revoir!

    November 6, 2023 in Canada ⋅ ⛅ -1 °C

    Bonjour, ca va? Unsere Ohren bekommen sehr schnell mit, dass wir nun im französischsprachigen Teil Kanadas gelandet sind. Fünfeinhalb Stunden Zugfahrt durch Ontario und Quebec führen uns zu unserer letzten Station nach Montreal. Die Einheimischen sprechen das "t" allerdings nicht aus, man hört deshalb immer nur "Monreal", aber man wird auch nicht schief angeguckt, wenn man das "t" mitspricht.

    Doch bevor wir in diese Stadt eintauchen noch ein paar Sätze zu der Zugfahrt: Mit dem Uber kommen wir an der Toronto Union Station an, Mona hat Ella im Kinderwagen und einen kleinen Koffer, ich nehme den Rest. Mitarbeiter der kanadischen Bahn ViaRail erspähen uns schon von der anderen Straßenseite und kommen uns zur Hilfe und packen mit an. Mehr noch: Wir werden zum Aufzug quasi eskortiert und als "priority" sogar an der Schlange vorbei direkt in den Fahrstuhl gelassen. Am Zug bekommen wir nochmal Hilfe mit dem schweren Gepäck - was für ein Service! Das wäre in Deutschland bei der Bahn wohl so nicht denkbar.

    Die Züge sind komfortabel und relativ modern, der Raum zwischen den Sitzreihen ist größer als in Deutschland, sodass man viel Beinfreiheit hat. Wir haben es dadurch bequem und fühlen uns wohl.
    Für Ella wäre auch viel Platz zum Spielen gewesen, doch während der Fahrt merken wir, dass sie heute nicht gut drauf ist. Ihr Kopf ist sehr warm, sie wirkt müde und matt und ist sehr anhänglich und braucht ungewöhnlich viele Kuscheleinheiten. Sie schläft zudem öfter als sonst, weshalb wir dort bereits vermuten, dass sie entweder zahnt oder krank ist.

    Die Fahrt durch Ontario und Quebec ist also eigentlich sehr angenehm, aber mit einem kränkelndem Kleinkind auch anstrengend. In Montreal angekommen erhalten wir wieder viel Hilfe mit dem Gepäck und kommen gegen 17.30 Uhr in unserem Hotel an. Ella ist weiterhin nicht gut drauf. Beim nächsten Windelwechseln messen wir ihre Temperatur: 39,3 Grad zeigt das Thermometer an, das ist eigentlich zu hoch, um nur vom Zahnen zu kommen. Sie kriegt ein fiebersenkenden Zäpfchen, was zu helfen scheint und schläft bald im neuen Schlafzimmer ein.

    Keine zwei Stunden später ist sie dann aber wieder richtig wach und wirkt plötzlich wie verwandelt, erkundet die neue Umgebung und hat Spaß. Wir lassen sie lange spielen und bringen sie so viel später als sonst ins Bett.

    Der nächste Tag verläuft ganz anders, als wir es uns gedacht hätten. Da sie abends einen besseren Eindruck gemacht hatte und die Nacht ruhig verlief, hatten wir schon über Pläne für den Tag nachgedacht, auch wenn ihre Temperatur am Morgen noch bei 38,0 lag und sie erneut ein Zäpfchen bekam. Verunsichert hatte uns nur, dass sie gehustet hatte. Ella zeigt uns allerdings bald, dass es ihr nicht gut geht. Wir sind verunsichert: einerseits sind wir mit einem kranken Kind weit weg von zuhause, andererseits wollen wir mit Blick auf den bald anstehenden Flug sicher sein, dass Ella keine weiteren Probleme wie Ohrenschmerzen bekommen wird. Wir suchen die nächstgelegene Kinderarztpraxis auf - vermeintlich- die können uns aber nicht weiterhelfen und schicken uns ins Krankenhaus. Wir landen so unnötigerweise in der Notaufnahme des Montreal Children's Hospital. Zum Glück sprechen die Menschen hier wie fast überall neben Französisch auch Englisch, sonst wäre es kompliziert geworden.

    Wir haben unsere Auslandskrankenversicherung dabei, müssen aber natürlich zunächst alles selber zahlen. Mehr als 1000 kanadische Dollar ist die "Grundgebühr" für die Aufnahme, hinzu kommen dann noch Behandlungskosten. Umgerechnet mehr als 900 Euro müssen wir vorstrecken und Mona eine ganze Menge Papierkram ausfüllen, während ich mich um Ella kümmere. Es gibt eine Vorbefragung durch eine Krankenschwester (pre-triage), damit die Dringlichkeit von Ellas Behandlung eingestuft werden kann. Ella geht es soweit gut, sie ist fiebrig und schlapp, guckt aber viel in der ungewohnten Umgebung und beobachtet diese genau.

    Zwei Stunden müssen wir ausharren, bis wir in einen Behandlungsraum gerufen werden. Eine Krankenschwester befragt uns, untersucht Ella, ehe ein Arzt dazu kommt. Alle sind furchtbar nett und hilfsbereit und zeigen Verständnis für uns und die Situation. Auf dem Bogen, den der Arzt ausfüllt, steht am Ende "viral illness" als Diagnose - Ella hat sich also irgendwo etwas eingefangen. Sie bekommt etwas Fiebersaft, dann geht es zurück ins Hotel.

    - Kurzer Zeitsprung: Mona kränkelt kurz darauf auch, mich erwischt es irgendwo zwischen Abflug und Ankunft in Deutschland und die ersten Tage zuhause verbringen wir daher zumeist im Bett und auf der Couch. Vier Tage nach unserer Rückkehr schaffen wir es dann zur Apotheke, um Coronatests zu holen, die dann auch positiv ausfallen. Das es Corona sein könnte, kam uns erst in Deutschland in den Sinn. Ella wurde im Krankenhaus auch nicht dahingehend getestet. -

    Für mich steht am Abend noch das letzte NHL-Spiel an, die Montreal Canadiens empfangen Tampa Bay Lightnin aus Florida. Die Arena, das Bell Center, ist die größte Arena der Liga und wohl auch die größte Halle überhaupt, in der regelmäßig Eishockey gespielt wird: Mehr als 21.000 Zuschauer passen hier rein.

    Montreal ist absolut eishockeyverrückt - sogar für kanadische Verhältnisse- die Canadiens sind der Rekordsieger in der NHL mit 24 Stanley Cups und sie waren auch das letzte kanadische Team, das den Titel gewinnen konnte. Das war 1993, also vor 30 Jahren. Über viele Jahre waren die Heimspiele ausverkauft, an diesem Abend ist es gut gefüllt, aber es gibt noch einige freie Plätze.

    Mein Platz befindet sich im Oberrang, ist also ziemlich weit weg vom Eis. Doch die Entfernung ist nicht das Problem, es gibt auch große Bildschirme, auf denen das Spiel zu sehen ist, es sind eher die Zuschauer in den Reihen, die meine Sicht einschränken. Das war in den anderen Hallen definitiv besser gelöst.

    Dennoch bekomme ich vom Spiel alles mit. Schon im ersten Drittel fallen vier Tore, Allerdings nur für die Gäste, und Montreal wechselt den Torhüter noch vor der Pause. Die Canadiens kämpfen sich zurück und machen es im Schlussabschnitt durch zwei Tore wieder spannend. Letztlich fehlt ihnen aber die Klasse, um Tampa Bay zu schlagen. Das Team aus Florida ist in den letzten Jahren das, was Montreal früher war und schaffte es in drei der letzten vier Stanley Cup Finals. Zweimal holten sie den Titel.

    Am vorletzten Tag unserer Reise wollen wir nun noch etwas von der Stadt sehen. Ella geht es besser, hätten wir den Eindruck gehabt, dass sie Ruhe braucht, wären wir im Hotel geblieben. Mit der Metro fahren wir zum Jean-Talon -Markt, wo wir uns mit Ahornsirup eindecken und frühstücken. Es geht weiter zum St.-Josephs-Oratorium, einer Wallfahrtskirche am Mont Royal, die den höchsten Punkt der Stadt bildet. Von außen sieht sie schön aus, im Inneren leider schrecklich langweilig wie jeder Kirchenneubau.

    Wir fahren in Richtung Alter Hafen, sehen das Rathaus und schlendern durch die Gassen. Weil Ellas und unser Magen knurrt, kehren wir in einen kleinen Laden ein. Dort gibt es das Nationalgericht Poutine, das aus Montreal stammt. Die Pommes sind knusprig und ordentlich Käse ist auch auf dem Teller - gut gestärkt geht der Bummel dann weiter. Ein zweiter Kirchenbesuch in der Notre Dame du Montreal fällt aus, weil diese für heute schon geschlossen hat. Darum laufen wir in Richtung Centre Ville und an allerhand Einkaufsmöglichkeiten vorbei zum Centre Eaton, einem Einkaufszentrum. Dort befindet sich der "Time out Market", ein Tipp, den ich von zwei Einheimischen auf der Zugfahrt bekam. Der Market ist ein großer Foodcourt, nur dass es hier kein Fast Food gibt, sondern gehobenere Restaurants in kleinen Küchen kochen.

    Da es hier aber relativ laut und voll ist und Ella zudem müde wird, beschließen wir, morgen zurückzukehren und ins Hotel zu fahren. Dort verbringen wir einen ruhigen letzten Abend, waschen Wäsche und packen unsere Koffer fast fertig.

    Als wir am Morgen die Jalousien öffnen begrüßt uns ein in Schnee gehülltes Montreal. Die Flocken rieseln munter runter, da es aber draußen nicht friert, bleibt die weiße Pracht nicht lange liegen. Von der Dachterasse unseres Hotels ergibt sich so dennoch ein schöner Ausblick auf die Stadt, der wir nun langsam Au revoir sagen müssen. Da unser Flug aber erst um 18 Uhr geht, legen wir noch ein Mittagessen im Time out Market ein. Mona entscheidet sich für Ramen (japanische Nudelsuppe), ich dagegen wähle Jambalaya, ein Reiseintopf aus der Karibik. Uns schmeckt es, Ella isst auch fleißig mit und beobachtet das hektische Treiben und die vielen Menschen.

    Dann machen wir uns auf den Weg zum Flughafen, noch einmal mit dem Uber XL. Die Fahrt dauert nur knapp 20 Minuten, der Check in verläuft unkompliziert und der Security Check ist auch schnell gemacht. Ella ist am Gate schon ziemlich müde und weil sich der Start eine ganze Weile wegen des Schnees verzögert - die Flugzeuge müssen alle enteist werden - ist die Phase vor dem Start auch keine entspannte. Als der Flieger endlich abhebt, bekommt sie ihre Flasche und schläft direkt danach ein.

    Rund 3 Stunden fliegen wir ruhig durch die Luft, dann gibt es starke Turbulenzen. Kurze Zeit später nochmal. Mona kriegt kein Auge zu, ich schlafe vielleicht 45 Minuten bis zur Landung um 7.30 Uhr. Für uns nach Montreal-Zeit ist es allerdings erst 1.30 Uhr.

    Dann sind wir zurück auf deutschem Boden, werden von Monas Mama in die Arme genommen und nach Hause gebracht, was sich zunächst sehr eigenartig anfühlt. Doch diese Gefühl verfliegt schnell und weicht der wohligen Wärme, die die eigene Wohnung ausstrahlt. Schön, wieder hier zu sein! Und wie viel Platz wir plötzlich wieder haben!
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