Satellite
Show on map
  • Day 192

    Vom Glück und Unglück eines Autos

    October 14, 2021 in Guatemala ⋅ ⛅ 15 °C

    Wir haben nach der langen Busfahrt erstmal eine Nacht in einem schlimm verdreckten Hotel (es gab nur schlimm verdreckte oder hoffnungslos schlimm verdreckte Hotels) an der Grenze geschlafen, mit der großen Hoffnung unser Auto namens Diego am nächsten Morgen über die Grenze zu bringen. Bereits um 7.00 Uhr morgens gehen wir zu dem Parkplatz, im Niemandsland, zwischen Mexiko und Guatemala, wo wir Diego bereits vor einem Monat abgestellt und mutterseelenallein zurück gelassen haben. Kai bereitet uns mental auf die mögliche Katastrophe vor, dass die Karre weg sein könnte, oder zumindest Teile davon. Es ist aber alles noch da, und es bereitet sich eine erste große Erleichterung bei uns aus. Die erste Hürde ist überwinden. Jetzt kommt der zweite Teil: der Grenzübergang! Aber auch das klappt vollkommen reibungslos mit den neuen Dokumenten, die mich als Besitzern dieses US-amerikanischen Firmenfahrzeugs auszeichnen. Trümmertours & Partner GmbH ist wieder on the road! Es ist mein Geburtstag heute und das dies nun geklappt hat, war mein größtes Geschenk. Happy Birthday!
    Leider währt das Glück nur kurz. Bereits ca. 2 km nach der Grenze, gibt es wieder eine Straßenblockade. Es ist laut Aussage, der anderen festsitzenden Auto- und LKW-fahrer, auch die einzige befahrbahre Straße. Im Gespräch mit den anderen wartenden Autofahrern teilen uns diese mit, dass die Blockade bereits seit 3 Tagen bestehe und der Grund Unzufriedenheit mit dem Präsidenten sei. Das ebenfalls anwesende Militär lässt gewähren. Vielleicht sind sie auch unzufrieden, oder stoisch, keine Ahnung, aber es läuft bisher alles zum Glück gewaltfrei. Es geht der Buschfunk um, dass die Straßenblockade wahrscheinlich heute zwischen 16.00 Uhr und 18.00 Uhr aufgelöst werden wird. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Als ich auf die Uhr schaue ist es 10.00 Uhr morgens. Ich halte es nicht aus, so lange zu warten- selbst wenn es stimmt und die Blockade heute Abend aufgelöst wird. Die Sonne bruzelt erbarmungslos auf uns drauf. Ich bettel die Protestierenden an uns durch zu lassen, da heute mein Geburtstag ist und ich den nicht wartend auf der staubigen Straße verbringen möchte. Es nutzt natürlich nichts. War auch nur ein lausiger Versuch. Meine Stimmung sinkt. Es gäbe einen Nebenweg durch die Berge; mehr Ziegenpfade, als eine echte Straße, aber wir haben ja einen 4-Rad-Antrieb, denke ich, und Kai muss nicht lange überredet werden, um sich mit mir in dieses Abenteuer zu stürzen. Die anderen wartenden Autofahrer raten uns ab, da sie meinen es sei gefährlich -inwiefern erfrage ich erst gar nicht. Unsere Entscheidung steht sowieso fest. Außerdem bin ich mir nicht so ganz sicher, ob die Stimmung des Militärs nicht doch noch kippen könnte. Kurze Zeit später fahren wir auf Straßen, nein, Straßen kann man das wohl nicht nennen, eher unwegsames Gelände. Meine Offroad-Skills verbessern sich, innerhalb nur eines Tages, von blutiger Anfänger zu Professionell. Anders wären wir auch kaum durch das guatemaltekische Hochland bzw. den ersten Tag davon durch gekommen. Wir haben bei einem ganzen Tag Fahrtzeit weniger als 100km zurück gelegt, in der durchgehend volle Konzentration nötig war um nicht mit dem Auto abzuschmieren. Obendrein streiten wir uns auch noch richtig bescheuert, weil ich verkündet habe, dass ich enttäuscht von meinem Geburtstag bin, und ich mir den nicht, den ganzen Tag im Auto sitzend, vorgestellt habe. Unsere Nerven liegen aber so blank, dass dies genügt um einen heftigen emotionalen Streit vom Zaun zu brechen. Bevor es dunkel wird, suchen wir eine Unterkunft und werden trotz absoluter Hinterland-Pampa sogar fündig. Denn im Auto zu schlafen erscheint uns irgendwie zu unsicher. Wir vertragen uns am Abend auch wieder, aber der für mich sonst so besonders wichtige Tag (ich liebe es nämlich meinen Geburtstag zu zelebrieren), ist für mich gelaufen. Voll doof. Es hatte so schön begonnen. Am nächsten Tag geht die Abenteuerfahrt durch unwegsames Gelände weiter. Den ganzen Tag steuer ich bangend das Auto durch eigentlich unpassierbare Wege, mit der Hoffnung ganz bald aus diesen Bergen raus zu kommen. Wir queren Landstriche, wo die Menschen hier scheinbar noch nie blonde Menschen gesehen haben. Anders kann ich mir sonst kaum erklären, dass wir bei einem kurzen Stopp auf einem Markt, die völlige Attraktion darstellen. Alle starren uns an. Einige Frauen umzingeln mich und die eine nimmt einfach eine meiner Locken in die Hand, und zupft daran. Alle Frauen drumherum kichern, und sie macht es noch einmal. Ich bin irgendwas zwischen verdutzt und ebenfalls belustigt und weiß nicht was ich sagen soll. Aber das macht nichts, denn spanisch spricht hier sowieso niemand, geschweige denn englisch. Sie sprechen eine der vierzähligen Maya-Sprachen, die sich in jedem Dorf ändert. Ich sage also nix und kaufe stumm weiter ein. Ehrlich gesagt stellen die Leute, besser gesagt die Männer in ihrer traditionellen Kleidung für mich auch eine Attraktion dar, nur versuche ich subtiler zu glotzen. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt.
    Nach zwei nervenaufreibenden Tagen im Auto erreichen wir sicher unser eigentliches Ziel. Ich denke, ich fühle mich nun gut vorbereitet für die German Offroad Masters (GORM) mit ihren 24-Stunden-Rennen und werde mich anmelden. ;-)
    Read more