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  • Day 4

    Lima III

    November 5, 2016 in Peru ⋅ ⛅ 17 °C

    Die Tatsache, dass wir sozusagen 6 Stunden nach Europa „leben“, führte zu der Situation, dass mein Geburtstag in diesem Jahr 30 Stunden lang war. Die ersten Glückwünsche kamen hier bereits um 18 Uhr am 3.11., das war so eigentlich ganz schön – können wir jetzt jedes Jahr so machen. Vielen Dank an dieser Stelle also nochmal an alle :-)

    Am nächsten Morgen sind wir nach dem Frühstück schon recht früh aufgebrochen, um an einer Free Walking Tour teilzunehmen. Das Prinzip dieser Touren basiert auf Spenden, im Grunde ist es aber ansonsten eine konventionelle Stadtführung. Da die Guides häufig junge Menschen sind, die sich mit dem „Trinkgeld“ etwas dazu verdienen, fallen Free Walking Tours oftmals etwas dynamischer und alternativer als eine klassische Stadtführung. Wir trafen uns dazu im Kennedy-Park, einer kleinen Grünanlage im Zentrum von Miraflores. Hier leben ein paar Dutzend Katzen, die vor Jahren einmal von umligenden Kirchen zur Mäusejagt angeschafft wurden und jetzt den Park zu ihrem Revier gemacht haben. Noch während wir uns gesammelt haben, wurden wir von einem anderen Tourteilnehmer angesprochen: Wer wir seien, wo wir herkämen,…
    Vlad (ja, auch er heißt wirklich so) war ein sehr aufgeschlossener Rumäne, der inzwischen in Cleveland lebt und derzeit auf einer zweimonatigen Weltreise ist. Das besondere an ihm ist seine unermüdliche Energie. Während der Tour freundete er sich mit jedem an, organisierte ein gemeinsames Programm für den Nachmittag und ließ keinen Zweifel daran, dass er „sich um alles kümmern würde“.
    Um die Stadtführung beginnen zu können mussten wir allerdings ersteinmal ins Zentrum von Lima gelangen. Da ca. 13 Millionen Menschen hier leben, was ein gutes Drittel der peruanischen Bevölkerung ausmacht, und der Verkehr ein kleines Desaster für sich ist, ist das problematischer als man denkt. Ricardo, unser Guide, erzählte uns, dass es von Miraflores aus mit einem regulären Bus oder einem Taxi gute zwei Stunden dauern kann, bis man beim Plaza de Armas sei. Er führte uns also zur „Metro“, einem Schnellbussystem für das eigene Spurn eingerichtet sind, die auf einer Art Stadtautobahn in der Mitte verlaufen. Ist hier zur Rushhour kilometerlanger Stau, passiert man disesen einfach mit dieser Speziallinie. Man benötigt eine spezielle Karte, um die Metrobusse nutzen zu können. Dies führt dazu, dass man an den Haltestellen oftmals Touristen sieht, die Einheimische ansprechen, ob diese sie auf ihrer Karte mitnehmen können. Die „nativos“ melden sich dann einfach mehrfach an der Schranke an und kassieren die Fahrtkosten dann vom Bittsteller.
    Mit der Metro waren wir innerhalb von 20 Minuten am Ziel. Plazas de Armas gibt es in den meisten südamerikanischen Städten, am ehesten kann man den Namen wohl mit „Rathausmarkt“ übersetzen. Am Plaza del Arma in Lima liegt nebem dem Rathaus, auch der Regierungssitz und eine große Sakristei, in der die Überreste von Francisco Pizarro, dem Eroberer Perus, begraben liegen. Der letzte wirkliche Inka(könig), Atahualpa unterschätzte die Spanier, von denen ein Großteil bereits kurz nach ihrer Landung in Südamerika an in Europa unbekannten Krankheiten verstorben war, und konnte so von Pizarro gefangen genommen und letztendlich hingerichtet werden.
    Die meisten Gebäude in Lima sind farbig angemalt, so präsentiert sich das Rauthaus in einem matten Gelb. Ricardo erzählte uns, dass diese Tradition darin begründet liege, dass Lima eine Wüstenstadt sei und man auf diese Weise Kontraste zur grauen Farbe des Sandes setzen wollte. Da das Rauthaus und diverse andere Gebäude in Lima in regelmäßigen Abständen Erdbeben und Feuern zum Opfer gefallen sind, existieren verschiedene Versionen von ihnen, die man sich in den Souvenirläden von Lima auf Ansichtskarten anschauen kann. Nachdem wir noch eine etwas abgelegenere Kirche besichtigt hatten und man, trotz des intensiven katholisch-geprägten Glaubens in diesem Land, ganz schamlos ein Gruppenfoto mit uns vorm Altar gemacht hat, sind wir nochmal zurück zum Plaza, um uns die Wachablösung am Regierungspalast anzusehen. Diese hat, nachdem sie früher ein reiner militärischer Brauch war, heute allerdings kaum mehr als touristische Bedeutung. So spielt die Blaskapelle während des Aufmarsches der Wachleute Filmmusik, etwa aus Starwars oder Indiana Jones.
    Als wir noch einen weiteren Punkt ansteuern wollten, hörten wir etwas entfernt lautes Knallen. Ricardo erklärte uns, dass es sich dabei um eine der vielen Demonstrationen handele, die zur Zeit in Lima stattfänden. Das Knallen rührte wohl von Tränengaswerfern her, was wir nur merkten, weil der Wind zu unseren Ungunsten stand. Von der Demonstration an sich haben wir dennoch nichts mitbekommen. Wir änderten also kurzerhand die Route und gingen zum Casa de la Literatura, einem Austauchort der perunaischen Inteligencia, die -ähnlich einer Bibliothek- aber jedem Bürger offen steht. Nachdem wir uns alle die Gesichter abgespült hatten, erzählte uns Ricardo noch etwas über das kulturelle Leben in Lima und die politische Situation des Landes. Besonder spannend fand ich, dass Vollverschleierung von Frauen noch bis von einhundert Jahren an der Tagesordnung stand und das obwohl der Islam de facto nie einen Einfluss auf den südamerikanischen Kontinent gehabt hat. Dabei blieb nur ein Auge frei, welches auch mit einem Fächer bedeckt werden konnte. Die Verschleierung ging auf eine sehr konservative christliche Grundhaltung zurück. Sie wurde übrigens irgendwann auch auf Drängen der männlichen Bevölkerung aufgegeben, da es, neben der Möglichkeit, dass Spione die Verschleierung als Tarnung nutzen konnten, wohl regelmäßig dazu gekommen sein soll, dass ein potentieller Ehebrecher Freundinnen seiner Frau oder gar seine Schwiegermutter höchstselbst, von seinen Qualitäten als Liebhaber überzeugen wollte. So zumindest die Folklore. Im Anschluss daran wurde uns noch das trockene Flussbett der Stadt gezeigt, neben das vorsorglich ein Kanal gebaut war, um auch in der regenarmen Zeit das wenige Wasser aufnutzen zu können, bevor wir zu einer Pisco-Verkostung eingeladen wurden.
    In der Zwischenzeit hatte Vlad schon seine Netze ausgeworfen und so ist fast die gesamte Truppe der Stadtführung auf eigene Faust noch gemeinsam in ein kleines Restaurant und im Anschluss daran in ein Kirche mit darunter liegenden Katakomben gegangen. Früher wurden die Verstorbenen hier immer unter Gotteshäusern begraben, so dass sich dort heute Berge von Knochen und Gebeinen auftun. Vlad wollte uns alle noch zu einem Museumsbesuch in Gastronomiemuseum (klingt langweiliger, als es sein soll) überreden, aber hierfür fand sich dann keine Mehrheit mehr. Stattdessen fuhren wir nach Miraflores zurück und setzten uns, mit einer inzwischen etwas kleiner gewordenen Gruppe, zum Sonnenuntergang in ein Kaffee an die Steilküsten. Wir verabredeten uns für den Abend, um gemeinsam etwas Trinken zu gehen – Bei dieser Gelegenhet verpetzte Silke mich auch in Bezug auf meinen Geburtstag. Gemeinschaftliches Singen bliebt mit zu diesem Zeitpunkt jedoch erspart.

    Nachdem wir uns getrennt hatten und zum Umziehen für den Abend in unsere Hostels zurückgegangen waren, trafen wir uns wieder im Kennedypark und gingen in ein Restaurant in der Nähe. Hier wurde mir von den Betreibern ein Mariachi-Gitarrist auf den Hals gehetzt, nachdem sie mitbekommen gehabt hatten, dass ich Geburtstag hatte. Hiervon existiert sogar ein Video…
    Außerdem bekam ich einen Pisco Sour auf‘s Haus. Ich habe auch versucht, eine Runde Schnaps auszugeben. Das scheint hier aber nicht so recht üblich zu sein. Ich erklärte dem Kellner das Konzept und er brachte 8 halbvolle Wassergläser mit purem Pisco, einem Getränk von immerhin 42% Vol., dass meine „Gäste“ jetzt zu bewältigen hatten. Nach dem Essen machten wir uns auf in das Loki Hostel, welches einen recht zweifelhaften Ruf, als Partyhostel genießt, so zumindest erzählte man mir. Es war tatsächlich etwas furchtbar dort. Silke bezeichnete das dortige Spektakel im Nachhinein als Single Market, ich verstand aber Xeno Market, was ebenfalls gepasst hätte. Ziel der Veranstaltung war wohl ein Akt der, sagen wir, Völkerverständigung. Hier trafen wir auch auf eben jene jungen Peruaerinnen, die ich im letzten Beitrag schon erwähnte. Merkwürdig bekleidet und dunkel geschminkt.

    Als die Party um 1 beendet wurde, überzeugte und Vlad, noch mit einen als „Partybus“ bezeichneten amerikanischen Schulbus zu steigen, da dieser Wohl zu einer Disko fahren würde, die bei unserem Hostel in der Nähe sei.

    Nachdem man uns abgesetzt hatte, waren wir kurz davor noch mit in die Disko zu gehen. Uns rettete allerdings die Tatsache, dass wir unsere Ausweise wohlweislich im Hotel gelassen hatten und trotz der Tatsache, dass wir beide in den 30ern sind (fühlt sich gut an, das zu schreiben), wären wir ohne sie nicht reingekommen. Also eine willkommene Ausrede, um den Abend für uns zu beenden.

    Den nächsten Tag verbrachten wir etwas ruhiger. Wir schlenderten etwas in Miraflores herum, kauften für unsere Reise nach Paracas am nächsten Tag ein und schauten uns den „Park der Liebe“ an den Steilklippen an, von dem aus die Gleitschirmflieger immer starteten. Nachdem wir noch einmal im Kennedypark gesessen hatten, der übrigens viel kleiner ist, als es dieser Text bisher vermittelt hat und dort Papas Fritas gegessen hatten, gingen wir zum Hostel zurück. Dort wartete schon eine Facebooknachricht von Vlad auf uns. Er ist direkt nach der Disko zum Hostel gefahren, hat sich umgezogen und den Flieger nach Buenos Aires genommen. Auf einem Foto von ihm, sahen wir ihn mit einer rumänischen Flagge in einem argentinischen Fußballstadion stehen...
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