• Cusco II

    22 de novembro de 2016, Peru ⋅ ⛅ 12 °C

    Wieder in Cusco widmeten wir uns erneut dem Spanischunterricht. Das Tempo blieb anhaltend schnell. Nachdem wir uns bereits in jeder Zeitebene bewegt haben, erhielten wir nun Einblick in das Gerundivum und die Personalpronomen von Dativ und Akkusativ, die uns anhaltend Kopfzerbrechen bereiten. Im Grunde entsprechen sie der deutschen Grammatik, zerschießen aber das mühevolle Konzept der spanischen Sprache, dass man sich selbst im Kopf zurechtgelegt hat.
    Ein kleiner Eklat in der Schule entstand als unser Mitschüler erzählte, er und ein Freund seien am Sonntag von einer Gruppe Hunde angegriffen worden, als sie versehentlich auf einem Privatgrundstück gelandet waren. Die Gruppe bestand wohl, schenkt man den beiden Glauben, aus über einem Dutzend Tiere, was man sich hier gut vorstellen kann. Sie wurden mehrfach in die Beine gebissen. Die Wunden waren allerdings verhältnismäßig klein, so dass sie annahmen, dass die Hunde sie lediglich für ihren Besitzer stellen wollten. Als der ankam und die Jungs ihn lautstark auf das Verhalten der Hunde aufmerksam machten, zuckte dieser wohl nur mit den Achseln und sagte, man könne da halt nicht viel machen: Hunde seien halt so. Einen ähnliche Reaktion wird auch in „Wolkenpfad“ beschrieben, so dass ich geneigt bin, an ein Muster zu glauben.
    Da zumindest einer der beiden nur einen unvollständigen Tollwutschutz hatte, telefonierten die Schulangestellten wie wild herum, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Beide mussten sich daraufhin im Krankenhaus vorstellen. Dabei wurde bei einem vor ihnen noch eine latente Salmonelleninfektion festgestellt und der Verdacht auf Amöbenruhr gestellt, da er seit mehr als einer Woche Verdauungsprobleme hatte. Er hatte wohl versucht Geld zu sparen und ist deswegen immer nur zu Restaurants gegangen, die einen Mittagstisch für 5 Soles anbieten, was in etwa 1,40 Euro entspricht. Ein Mittagstisch beinhaltet zumeist Suppe, Hauptgericht, Nachspeise und Getränk. Man kann sich also gut vorstellen, dass solche Kampfpreise auf Kosten der Sauberkeit gehen können. Am nächsten Tag waren beide nachgeimpft und mit diversen zusätzlichen Medikamenten ausgetattet. Man muss sich vor Augen führen, Tollwut verläuft zu 100% tödlich. Es gibt in der Literatur nur einen einzigen, zudem stark umstrittenen (!), Fall einer überlebten Tollwutinfektion.

    Am Abend lernten wir unsere Tandem-Partner kennen, mit denen wir uns regelmäßig zum Spanisch- bzw. Deutschsprechen treffen sollten. Sie waren beide sehr nett, wobei es ungemein anstrengend war jemandem, der gebrochen Deutsch spricht eine lange Zeit zuzuhören. Man kommt sich etwa so vor, als würde man eine monoton gesprochenen Kassette zuhören. Zu ihrer Ehrenrettung muss ich natürlich sagen, dass das nicht an ihnen lag. Ihr Deutsch ist um Welten besser als unser Spanisch. Wir dürften ähnlich anstregend, wenn nicht sogar weit anstrengender, für unsere Umgebung klingen. Silke traf sich auch am nächsten Abend mit ihrer Partnerin. Meiner hatte keine Zeit, was ich dazu nutze, um Zuhause in Ruhe Musik zu hören und eine Folge von „Die Anstalt“ zu schauen. Die aktuelle Folge ist wirklich empfehlenswert (wie eigentlich immer). Sie setzt sich kritisch mit den Rollen der Großmächte im Syrienkonflikt auseinander:
    https://www.youtube.com/watch?v=5GrMo2PfA78

    Als Silke zurückkam erzählte sie etwas von ihrem Treffen. Ihre Partnerin arbeitet, wie die meisten, die hier Deutsch lernen, im Tourismusgewerbe. Für sie ist das Thema ein wenig wie Licht und Schatten. Auf der einen Seite finanziert der Tourismus ihr und ihrer Familie das Leben, auf der anderen Seite sorgt der Tourismus dafür, dass nur noch wenige Einheimische sich bestimmte Orte in der Stadt leisten können. Hierzu zählen zum Beispiel das von uns so gemochte Künstlerviertel San Blas oder die Gegend um den Plaza de Armas. Die meisten jungen Menschen leben bis sie heiraten bei ihren Familien und müssen sehr auf ihr Geld achten. Wenn ich bedenke, dass der Mindestlohn in Peru 800 Soles also etwa 220 Euro monatlich beträgt macht mich das ernsthaft etwas traurig. Das ist unser gemeinsames Budget für etwa 2 ½ Tage.

    In Cusco lebt arm neben reich. Auf der Straße sitzen an jeder Ecke Frauen, die Handarbeiten verkaufen oder einen zu einem Foto mit einem Tierbaby, meist einem kleinen Schaf, überreden wollen. Kinder verkaufen Andenken und alte Menschen betteln um Nahrung, Wasser und Kleingeld. Ich habe mich sehr über zwei europäische Straßenmusiker geärgert, die wirklich schöne Lieder auf ihren Gitarren gespielt haben, aber eben auf diese Weise der einheimischen Bevölkerung Ressourcen streitig machen. Das Geld auf der Straße ist endlich und es steht in meinen Augen niemandem zu, der sich Flüge für ein paar Hundert Euro nach Südamerika leisten kann, sondern eben den Menschen, die hier tagtäglich um ihre Existenz bangen müssen. Ich hätte sie gerne darauf angesprochen, wusste dann zunächst aber nicht wie und bin dann weiter gezogen. Inzwischen habe ich mir für solche Situationen ein paar Worte auf Englisch und auch auf Spanisch zurechtgelegt. Ähnliches gilt übrigens für die vielen „kreativen Fotografen“, mit ihren Markenklamotten, Hochpreiskameras und Designer-Sonnenbrillen, die durch die Straßen ziehen und die arbeitenden Menschen, etwa eine ältere Frau, die Kräuter verkauft ohne ihre Einwillgung fotografieren.
    Dabei sind insbesondere solche Situationen leicht aufzulösen. Um Erlaubnis Fragen ist umsonst, und die kleine Entschädigung, die die Menschen für ein Bild von ihnen haben wollen, liegt zumeist im Bereich von Centbeträgen.

    Wir sollten nur für zwei Tage in Cusco sein. Für den Mittwoch planten wir einen Ausflug nach Machu Picchu. An und für sich wollte auch unser Mitschüler, René, in diesem Zeitraum fahren. Da er aber noch weitere Spritzen bekommen sollte, musste er seinen Trip aber verschieben, so dass wir in der Folgewoche nur noch zu zweit im Unterricht sein sollten. Wir nutzten die beiden Tage in Cusco, neben dem Spanischlernen, um uns die Museen der Stadt anzuschauen. Zumindest das Coricancha-Museum des dazugehörenden Sonnentempels ist recht klein und überschaubar. Man erfährt etwas über die Kultur der Inca und der Präincazeit. Am Eindrucksvollsten, zumindest für mich, waren die ausgestellten Schädel mit den den Trepanationslöchern. Sie beweisen, dass auch die Inca in der Lage waren neurochirurgische Eingriffe zur Senkung des Hindrucks, etwa nach Schädelverletzungen durchzuführen. Die Schädel von hochgestellten Inca waren zudem, ähnlich wie in Paracas, durch eine spezielle Bindetechnik länglich oder herzförmig verformt worden. Auch Mumien waren hier ausgestellt. Das Interessante an diesen Mumien war, dass die Religion der Inca davon ausging, dass die Herrscher auch nach ihrem Tod noch einen Anspruch auf den Thron hatten. So wurden sie mumifiziert und dann zu vielen Anlässen, etwa Paraden oder Festen, mitgenommen. Auch wurden verschiedene Mumien zusammen an einen Tisch gesetzt und alleine gelassen, damit sie sich etwas unterhalten konnten. Manchmal führte die Tatsache, dass ein Incakönig nicht aufhörte König zu sein, auch wenn er verstorben und es bereits einen Nachfolger gab, zu Konflikten in Bezug auf die Regentschaft.

    Am Abend vor unserer Abreise nach Machu Picchu waren wir noch in einer Kneipe in San Blas, die uns allseitig empfohlen wurde. Da die versprochene Liveband aber nicht spielte und wir am nächsten Morgen um 5 Uhr aufstehen mussten, gingen wir schon nach dem ersten Getränk. Nachts treiben sich Hunde in großen Gruppen durch die Straßen und Plündern die Mülleimer. Wir haben dabei bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Die Hunde in der Stadt sollen, wegen des ständigen Kontaktes zu Menschen (und der Hoffnung etwas abzugreifen, wenn sie nett genug sind), im Großen und Ganzen sehr harmlos sein. Die Gruppe, die wir beobachtet haben, war ganz witzig. Die kleinen standen Schmiere, während die Großen die Mülltüten aufrissen und sie durchsuchten. Sind sie fündig geworden aßen alle nacheinander und zogen weiter.
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