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  • Day 5

    Ho Chi Minh City

    March 14, 2017 in Vietnam ⋅ ⛅ 26 °C

    Nach weiteren 3 Flugstunden sind wir in Ho-Chi-Minh-City angekommen, das von den Vietnamesen auch noch häufig mit seinem alten Namen „Saigon“ betitelt werden. Das liegt allerdings nicht daran, dass sie ein schlechtes Bild von dem ehemaligen Präsidenten des Landes hätten. Weit gefehlt, denn im Volksmund wird er nämlich auch heute noch liebevoll „Onkel Ho“ genannt. Jedes Kind wächst hier mit den Abenteuern auf, die er im Zuge seiner Reisen und seines Widerstandes gegen die japanische Besatzung und die französischen Kolonialherren erlebt hat. Dabei schauen sie natürlich etwas durch eine rosarote Brille, denn Vietnam ist auch heute noch ein sozialistischer Ein-Parteien-Staat, der sich wirtschaftlich gesehen zwar kapitalisiert hat, aber weiterhin noch von meinungsbildenden Komitees geführt wird und einen großen Führerkult betreibt. Ich habe mir also schon nach den ersten Geschichten, die wir über ihn erzählt bekommen haben, seine Biografie als Ebook gekauft, um eine etwas neutralere Pespektive einnehmen zu können. Diese verspricht, auch wenn ich sie noch nicht beginnen konnte, spannend zu werden. So reiste Ho Chi Minh, dessen Geburtsname Nguyen Sinh Cung lautete, durch Amerika, Asien und Europa, immer auf der Flucht vor der französischen Geheimpolizei und nahm dabei etwa 50 verschiedene Identitäten an. Er soll angenlich mehr als 10 Sprachen gesprochen haben und während des Kampfes gegen die Japaner im zweiten Weltkrieg stand er sogar kurzzeitig im Dienste der US-Regierung. Sein „Glück“ als Führungspersönlichkeit war wohl, dass er zeitlebens in Konflikten lebte. Erst politisierte er sich in Frankreich, dann organisierte er den Widerstand in Indochina, dann begann der Vietnamkrieg, dessen Ende er nicht mehr erlebte. Durch diesen Umstand werden mit ihm weniger die Defizite Realsozialistischer Systeme, sondern der Kampf gegen Unterdrückung verbunden. Das ist, so denke ich, einer der Gründe, warum man ihn hier heute so verehrt, aber auch politisch nutzt. Zitate von Ho Chi Minh werden eingesetzt, um seinen eigenen Standpunkt zu verdeutlichen und sein Gegenüber zu demoralisieren, denn Ho Chi Minh sollte man nicht widersprechen.

    Unser Hotel lag etwas abseits vom Stadtkern. So mussten wir zwar etwa eine halbe Stunde in die Innenstadt laufen oder ein Taxi nehmen, allerdings hatten wir einen unverfälschteren Eindruck des vietnamesischen Alltagslebens und ich war gespannt darauf, ob meine Vietnamesischstunden sich ausgezahlt hatten. Die Tatsache, dass es bei uns kaum Touristen gab, führte auch zu einigen lustigen Situationen. So wurden wir im Restaurant von etwa 6 Kellnern bedient, die sich auffällig um uns herum gestellt hatten und uns all ihre Aufmerksamkeit schenkten und Kinder waren ganz begeistert davon uns ein Hallo hinterher zu rufen.

    Läuft man durch die Straßen von Ho Chi Minh City, fallen einem zwei Dinge sofort ins Auge. Die zahlreichen Garküchen am Straßenrand, die zumeist über winzige Tische verfügen, an denen den gesamten Tag über Menschen auf kleinen Stühlen sitzen, essen und sich unterhalten und die vielen Motorroller, die zur Abendzeit keine einzige Lücke auf der Straße lassen. Alles ist nur ein vibrierender Strom. Manche der Roller sind mit Stapeln von Waren oder gleich der ganzen Familie beladen: https://www.youtube.com/watch?v=_uz2MR9-UTI

    Wir hatten zunächst keine Ahnung, wie wir über die Straße gehen sollten. Die Lösung ist allerdings denkbar einfach: Einfach losgehen. Es hat etwas magnetisches durch den dichten Verkehr zu laufen, denn um einen herum tut sich der Platz den man braucht einfach so auf.

    Am ersten Tag in Saigon liefen wir durch die Straßen und besuchten ein paar Sehenswürdigkeiten. Der Revolutionspalast ist im Stile einer Scheußlichkeit aus den 60er Jahren konstruiert und bietet ein rundum konservatives Ambiente. Das Ho Chi Minh City Museum stellte zwar einige interessante Exponate, wie etwa altes vietnamesisches Geld oder Ausrüstung des Vietcong aus, war aber nur leidlich gepflegt. Hier beobachteten wir auch das erste der unzähligen Hochzeitsshootings, wir nehmen an für Kataloge oder ähnliches. In Vietnam ist es, wie in gesamt Südostasien verpönt, öffentlich Zuneigung zu seinem Partner auszudrücken und so sind die Gesichter des Brautpaares, sei es nun echt oder lediglich gespielt, entsprechend entsetzt, wenn der Fotograf zum Kussbild auffordert.

    Verpasst haben wir leider das War Remnants Museum, das einen Einblick in die Nordvietnamesische Perspektive des Vietnamkriegs bietet. Demenstprechend wäre natürlich auch das mit Vorsicht zu genießen gewesen. Es bietet aber einen guten Anhaltspunkt für die Dimensionen, die dieser Krieg umfasst hat:
    https://www.tripadvisor.com/Attraction_Review-g…

    Ich lese dazu aktuell „Krieg ohne Fronten“ von Bernd Greiner. Es ist zwar sehr technisch geschrieben, aber ungemein gut recherchiert. Es beleuchtet vornehmlich das amerikanische Verhalten in Bezug auf die zahlreichen Kriegsverbrechen, verschweigt dabei aber nicht die Taten, die vom Vietcong begangen wurden. Es ist enorm umfangreich und manchmal macht das Lesen etwas müde, aber es lohnt sich wirklich. Wer also mal ein Wochenende Zeit hat und bereit ist, sich durch 600 Seiten zu kämpfen, sei das Buch wärmstens ans Herz gelegt:
    https://www.amazon.de/Krieg-ohne-Fronten-Die-Vi…
    …insbesondere spannend ist das, was man aus dem Buch über das Versagen von ganzen Institutionen mitnehmen kann. Es lässt sich ohne Probleme mit leichten Modifikationen auf das eigene Alltagsleben, z.B. Firmenstrukturen oder Behördenorganisation übertragen.

    Wir besuchten am nächsten Tag die Củ Chi-Tunnel, die dem Vietcong als Verteidigungsanlagen gedient haben. Sie erstrecken sich auf über 200 km und bestehen aus unterirdischen Gängen, die etwas gößere Kammern miteinander verbinden. Zudem ist es in mehreren Etagen aufgebaut, von denen die tiefste in etwa 8 Metern liegt. Selbst mit großangelegtem Flächenbombardement war es nicht möglich, die Anlagen zu zerstören. Als ich ein Kind war, habe ich gerne in einem Buch meines Vaters geblättert, das eine Zeichnung de Tunnelanlage enthielt. Schon damals fand ich das ganze System absolut faszinierend. Ich war also unheimlich begeistert davon, dass wir auch durch einen kleinen Teil des Sytems kriechen durften. Einmal wurden haben wir dabei sogar kleine Fledermäuse aufgeschreckt, die an der Tunneldecke hingen.

    Nach der Führung konnte man an einem Schießstand verschiedene Gewehre ausprobieren. Natürlich gegen einen Aufpreis. Auch wenn ich mir ein wenig, wie so ein Vollbluttouri vorkam, habe ich mir die Gelegenheit mit einer AK-47 zu schießen, natürlich nicht nehmen lassen.

    Am selben Tag haben wir übrigens auch den Cao Đài Tempel in Tây Ninh besucht, um mal von etwas anderem als Politik zu schreiben. Caodaismus ist eine interessante Mischreligion, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Vietnam entstand und noch heute hauptsächlich in Indochina verbreitet ist. Da die Religion so jung ist, wird sie manchmal auch als Sekte bezeichnet. Die genaue Abgrenzung ist natürlich schwierig, aber ich habe das persönliche Gefühl, dass man den Menschen Unrecht tuen würde, wenn man ihre Religion so abwertent bezeichnen würde.
    Der Caodaismus stellt eine Mischform aus westlichen und östlichen Religionen dar und geht davon aus, dass alle Menschen an den selben Gott glauben, der sich ihnen nur unterschiedlich offenbart hat. Die Anhänger haben recht strenge, aber auch verhältnismäßig nachvollziehbare Vorschriften, wie etwa Demut, Alkoholverzicht, Vegetarismus oder Nächstenliebe.
    Witzig allerdings ist, dass sie bestimmte histoische Figuren verehren. So findet sich im buntgeschmückten Tempel, der über eine zentrale Kuppel, wie bei einer Moschee und zwei Türme, wie bei einer Kirche, verfügt, ein großes Bild von Victor Hugo. Also der Victor Hugo, der den Glöckner von Notre-Dame geschrieben hat. Er gilt ihnen als eine Art spirituelle Leitfigur.

    Wir durften, nachdem wir durch den Tempel geführt worden waren, an der Mittagszeremonie teilnehmen, bei der wir die betenden von einem Balkon aus anschauen durften. Wir haben uns dabei ziemlich über die Touristen und selbst die Führer geärgert, die sich laut unterhielten und immer wieder herumliefen, um die besten Fotoplätze zu ergattern. Eine ältere Französin war wohl ziemlich sauer auf mich, weil ich sie gefragt habe, „what the fuck“ sie da tut, als sie versuchte zwischen unseren Beinen hindurchzukriechen.

    Ich gebe zu, dass meine Wortwahl da unglücklich war. Es ist mir im Eifer des Gefechts so rausgerutscht. Ohne das „the fuck“ wäre es vermutlich ähnlich wirksam gewesen. Aber ich war wirklich schockiert, dass eine Frau jenseits der 50 sich selbst so erniedrigt und dabei auch noch die Zeremonie stört.

    Trotzdem war der Besuch sehr schön. Besonders der bunte Tempel, die langen Gewänder der Betenden und der Blumengarten neben dem Tempel hatten es uns angetan. Kurz nachdem wir durch diesen Garten spaziert waren, kam ein Mann mit seinen Kindern auf uns zu, und machte unverständliche Gesten und schob seinen Sohn neben mich, um ein Foto von uns zu machen, dann seinen nächsten Sohn und dann seine Tochter. Danach mussten alle noch ein Foto mit Silke machen. Sie waren ganz begeistert von uns und machten den Eindruck, dass sie noch nie einen Europäer gesehen haben. Danach setzten sie sich zu fünft auf einen Roller und fuhren davon.

    Am letzten Tag in Saigon machten wir einen Ausflug in das Mekong-Delta, wo wir uns die örtliche Lebensmittelproduktion anschauten und ein kleines Hauskonzert mit traditioneller Vietnamesicher Musik besuchten. Als wir in einem traditionellen kleinen Ruderboot über einen Seitenarm des Flusses gefahren wurden, fuhr vor uns eine witzige Vietnamesin, die während sie die langen Ruder sag laut „Row, row, row your boat“ sang...
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