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  • Grenzerfahrungen

    May 29, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 16 °C

    Stapelburg - eigentlich kein besonders toller Name und zudem noch könnte es irgendeiner dunklen Vergangenheit des Nationalsozialismus den perfekten Namen leihen. Aber so alt ist die Geschichte hier gar nicht. Gerade mal 30 Jahre. Bis zum 11. November 1989 verlief hier am Fluss Ecke die Innerdeutsche Grenze zwischen DDR und BRD die damals am besten gehütete Grenze der Welt. Um 16 Uhr war sie dann Geschichte. Während im Rest der DDR schon seit dem 9. November keiner glauben konnte was geschah machten die Grenzer hier noch lange weiter.
    Ich treffe eine alte Dame beim Spazieren mit ihrem Hund sie erzählt mir wie sie heute fühlt. Es ist ja schließlich nicht alles besser geworden nur weil man nicht mehr am Ende der Welt wohnt sondern im Herzen Europas. ( Anm.: der Brocken liegt +- weniger Kilometer in der Mitte zwischen Helsinki und Madrid), sicher auch mal ein interessantes Projekt) Die Frau jedenfalls meinte das wichtigste in heutiger Zeit bleibt nicht etwa ein Gut oder eine Errungenschaft. Für sie zählt heute umso mehr auch im heute zu leben. Man konnte früher nicht allen Träumen nachgehen und man kan es heute in anderer Weise immer noch nicht. Ich merke ihr schnell an, dass sie ebenso wie ich mit dem zufrieden ist was sie hat und nicht immer höher, schneller , weiter hinaus braucht.

    Für die Weiterfahrt in den wilden Westen ist es bald schon zu spät und so finde ich ein nettes Schutzhäuschen genau auf der Grenze. Wer kann schon von sich behaupten dass er mal auf der Grenze übernachtet hat? ;)

    Am nächsten Tag werfe ich meine Pläne wieder ein Stück über den Haufen. Ich will mehr von dieser Grenze erfahren wenn ich schon einmal hier dabei bin. Der Eckerentlang folge ich zum Stausee. Trinkwassertalsperre. 40 Jahre geteilt. Verwaltung im Westen, Verorgungsleitungen und Maschinen allerdings im Osten. Es hat 26 Jahre gedauert diesem Dilemma einen Grundsatzvertrag zwischen beiden Staaten zu vereinbaren. Die BRD war schon damals nicht die schnellste...und so lange konnte eben einfach nix instandgesetzt werden oder an den Stand der Technik angepasst werden. Die armen Leute die das Wasser dann trinken sollten bis hin nach Braunschweig. Muss man sich mal vorstellen du darfst auf Arbeit deine Arbeit nicht machen weil dein Arbeitsplatz in einer Sperrzone liegt für die du 26 Jahre keinen Passierschein bekommst. Manchmal ist das fast wie heute wenn man eingetretene Pfade in Deutschland verlässt.

    In Sichtweite der Brocken. Einmal hin,alles drin. Radfahren, wandern ... Kollonnenweg, Sowjetbesatzung... Eisenbahn und schöne Aussicht. Was will man mehr? Es sind nur 4 km his zum Gipfel und die sind heute meine Tagesaufgabe obwohl ich eeigentlich noch ins Hochmoor wollte. Doch das Wetter ist einfach zu schön um den Brocken links liegen zu lassen.
    Das Rad gut im Wald versteckt packe ich das nötigste in den Rucksack und treffe schon bald den ersten gemütlichen wanderer. Der Kollonenweg, ein patrollie-weg der Sowjets führt immer entlang der Grenze hoch über den Brocken und drüben wieder runter. Alles Betonplatten. Ein Grund mehr nicht mit meinem Packesel da hoch zu fahren sind die Löchergitter. Meine Reifen passen immer haargenau da rein, das kann einen wahnsinnig machen. Und die Steigung! Heinrich-Heine meinte schon früher auf seiner Harzreise „Wenn man die obere Hälfte des Brocken besteigt, muß man an die große deutsche Nationaltragödie vom Dr. Faust denken. Ich glaube auch Mephisto muß mit Mühe Atem holen wenn er seinen Lieblingsberg ersteigt. Es ist ein äußerst erschöpfender Weg.“ Ich selbst will heute ja nicht nur hoch sondern auch wieder runter und dann noch weit, weit, weg. Mir geht es gut. Gerade auf dem Rückweg gegen Mittag sehe ich in vielen Wandergesichtern die bloße Empörung die ein Heinrich Heine hier beschreibt. In den Gesichtern lässt sich genau ablesen wer heute Lust hat und wer nur mit muss. Ich glaube die würden am liebsten oben bleiben oder fahren mit der Brockenbahn wieder ins Tal. Da fehlte noch vieles zum deutschen Sportabzeichen. =)
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