• RN 40 (die Quarenta)

    April 18, 2023 in Argentina ⋅ 🌬 12 °C

    Von El Calafate bis Bariloche folge ich in großen Teilen der RN 40. Über die patagonischen Grenzen hinaus bekannt als die einsamste Straße der Welt. Warum ist das so? Ich glaube das versteht man erst wenn man auf dieser Straße unterwegs ist. Große Entfernungen von 500km und mehr waren aufgrund des Busfahrplans bislang stets auf die Nacht gelegt. Heute ist der erste Tag an dem das anders ist. Die Route sieht 550km quer durch Patagonien vor.
    In meinen glänzenden Erwartungen werde ich jäh gebremst. Der Bus hat auf seiner Nachtfahrt über 2,5h Verspätung eingefahren. Zeit genug sich im Busbahnhof umzuschauen was sonst alles verschickt wird. Von Stühlen bis zum Motorrad wird alles eingewickelt was in Verpackungsfolie passt. Dann kommt der Bus. Der Tankvorgang dauert auch nochmal länger als eine halbe Stunde bevor wir einsteigen dürfen.
    Durch die Polizeistation durch, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr besetzt scheint und doch vorsichtshalber eine Vollbremsung verursacht dann sind wir in der unendlichen Weite Patagoniens. Kurz: gestern habe ich die Perlen Patagoniens gesehen. Heute zeigt mir das Land wieder wie klein ich bin und wie erbarmungslos es sein kann. Links und rechts der Straße wachsen Gräßer, Büsche, aber keine Bäume. Dafür ist die Steppe zu trocken. Die Tierwelt ist faszinierend, keine Frage. Im Bus bekommt man davon leider nichts mit. Ja, ich habe sogar aufgehört die Autos zu zählen die uns entgegenkommen. Immer wenn eines kam hatte ich vergessen wo ich gerade war. Die Straße läuft bewusst maximal 5-10km geradeaus bevor die nächste Kurve einen wach hält. Das finde ich weit voraus gedacht. Einziger stetiger Begleiter ist der andauernde Wind dem der Bus hier schutzlos ausgesetzt ist. Ich genieße das Privileg in der ersten Reihe oben zu sitzen. Ich kann dem Wetter zuschauen wie es zieht. Regen, Sturm, Wolken und Sonne. An einem Tag macht man alle Jahreszeiten mit.
    Regelmäßig nehmen die beiden Busfahrer ihre Pausen sehr ernst. Mal halten sie mitten in der Steppe um die Plätze zu tauschen, mal heißt es 15 Minuten Pause am Raststopp. Bis dan aber das Spiegelei mit Bagel gebraten und gegessen ist vergehen auch schon mal 40 Minuten. Bei einem dieser Stops fällt mir erstmals auf dass unser Bus mit einem Windschutzgitter zusätzlich gegen Steinschlag geschützt ist. Das kann er gut gebrauchen auch wenn der heutige Teil der Quarenta zum Großteil asphaltiert ist. Ich habe zuletzt Bisse mit Windschutzscheiben erlebt wo der Windschutz demnächst durchaus fraglich war. Wenn während eines Haltes dann zusätzlich der Wind auffrischt schaukelt der Bus auf und bietet volle Angriffsfläche. Verwunderlich dass noch kein Wrack am Straßenrand liegt. Irgendwann mit drei Stunden Verspätung kommen wir an während sich die Straße unendlich windet und das Ziel in weiter Ferne bleibt. Ich bin umgeben von Halbwüste und Steppe. Morgen früh will ich im Regenwald sein. Ob das gut geht?
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