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  • Day 101

    Strandglühen

    May 19, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 20 °C

    Das schöne am Leben ist dass man früh noch nicht weiß was abends so alles passiert. Ich gebe dem Tag die Chance der schönste auf der ganzen Reise zu werden indem ich bereits vor der Sonne wach bin und sie am Strand begrüßen möchte. Wie oft erlebe ich den Sonnenuntergang? Aber der Sonnenaufgang, mindestens genau so schön, der bleibt ein seltenes Ereignis.
    Im Anschluss nimmt das Kommando von der gestrigen Himmelfahrt seinen Lauf. Vor mir stehen 180km Busfahrt. Dieses Mal jedoch im lokalen Stadtbus. Das heißt umsteigen, warten und Mate trinken. Warum ich mir das antue? Ich hatte in Ushuaia einmal einem Franzosen gelauscht der gerade über die Ostküste von Uruguay schwärmte. Der erzählte von einsamen weißen Stränden, einer Robbenkolonie und wie beschwerlich es war überhaupt dort hinzukommen. Nun ja, Sitzfleisch beweisen und Busfahren sind in Südamerika zwei Grundvoraussetzungen. Auf den letzten Kilometern werden die Sanddünen zu tiefem Treibsand. Jetzt heißt es entweder zu laufen oder auf einen Safaritruck 4x4 aus kommunistischen Zeiten aufzuspringen. So wie der Panzer durch die Dünen pfeift und jedes Loch mitnimmt hält es kaum jemanden auf den Sitzen. Binnen 30 Minuten sind wir alle von Kopf bis Fuß einmal durchgeschüttelt. Dann fährt er erfolgreich an das Ende der Welt im hiesigen Nationalpark Polonio. Strand. Kilometerweit. Anstatt Schlaglöchern durchqueren wir noch einige Forte und kommen dann in dem kleinen Hippie-Ort Cabo Polonio an. Ein windiges Kap mit Bungalows, Aussteigern und ein paar wenigen Urlaubern. Ohne durchgängig fließend Wasser oder Strom. Hier lebten ursprünglich ein paar Meeresschildkröten und Uruguays zweitgrößte Robbenpopulation. Wer deswegen heute im Sommer anreist erlebt das Kap von bis zu 1.500 Menschen überrannt erzählt mir die Empfangsdame vom Hostel. Sie glaubt heute seien nicht mehr wie 50 Leute da. Das ändert sich wohl nur morgen einmal kurzfristig weil der Feiertag von letztem Donnerstag am Montag für ein verlängertes Wochenende ‚nochmal gefeiert wird‘
    Wer aber nicht gerade unter Einfluss von Gras steht, dass auch heute Abend hier fleißig die Runde macht, dem reichen zwei halbe Tage um das Naturschutzgebiet in Ruhe zu erkunden, Tiere zu beobachten und beim Lagerfeuer auszuspannen. Dann muss man aber auch bis in die Nacht durchhalten. Jetzt ist es schon seit vier Stunden Dunkel und immer noch ist der letzte Tagesordnungspunkt nicht erledigt. Das ist ja nun gar nicht meine Zeit. Hat sich aber gelohnt! Nachdem das Graß alle war konnte die Fraktion ‚nüchtern‘ einige Raucher überzeugen ein bisschen Musik aufzulegen und des Nachts jetzt mit an den Strand zu kommen. Von denen kam nämlich ursprünglich die Idee. Ich hätte gar nicht gewusst dass es hier Biolumineszierende Bakterien ähnlich wie in Puerto Rico gibt. Man lernt halt nie aus, gerade weil heute auch noch Neumond ist. Der Haken an der Sache ist jedoch dass wir nichts haben mit dem wir aufs Wasser paddeln könnten und wegen der einsetzenden Flut würde ich mir dass an einem Kap im Dunkeln auch nicht trauen. Es gibt da aber einen Trick. Es reicht schon wenn man mit den Füßen durch den Sand schlürft. Das aktiviert die Lumineszenz. Ergebnis, ist ein herrliches Glühen am Strand. Wenn man das ausgräbt und sich auf den Finger legt kann man in der Nacht wunderbar E.T. den Außerirdischen nachahmen.
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