• Dinosaurier mit Dreadlocks

    June 28, 2023 in Bolivia ⋅ 🌧 17 °C

    Es dauert nicht lang da habe ich in Samaipata die ersten Bekanntschaften geschlossen. Eigentlich kam ich ja wegen ganz was anderem her. Dann machen wir heute aber erst einmal das Add On und morgen dann das normale Programm. Die Franzosen auf dem Zeltplatz haben irgendjemanden kennengelernt der krankheitsbedingt gerade nicht in der Lage ist als offizieller Guide für den Nationalpark Amboró zu arbeiten und stattdessen die Strippen für all jene zieht die ihn dennoch gerne besuchen möchten. Nun weiß ich aber dass ich mich im Bergregenwald super leicht verlaufen kann und ob der Berge auch keine Lust hätte meinen Weg durch den Dschungel doppelt finden zu müssen. Auf einem Berg ohne Regenwald geht das bedeutend leichter. Außerdem gehen die Parkgelder zu Gunsten der Gemeinde die damit Straße und Ranger unterhält. Warum also nicht auch mal für kleines Geld einen großen Regenwald schützen wenn man vor Ort ist und sieht wo das Geld tatsächlich landet.
    Wir sind an diesem Tag zwei Wandergruppen. Die andere sehen wir aber nach 300m für den ganzen Tag nicht wieder. Derweil besteht meine Gruppe aus Franzosen, Engländern, einer russischen Familie die seit einem Jahr in Santa Cruz lebt und mir. Die zwei Kinder sind regelrechte Zugpferde. In einem steten Auf und Ab geht es durch den Bergregenwald. Sein zweiter Name ‚Nebelwald‘ macht heute dem Namen alle Ehre. Am Morgen hat es tatsächlich geregnet und nun quälen sich die Wolken über den Bergkamm. Die Stimmung ist dadurch ganz eigen. Und natürlich verspreche ich mir bei diesem Wetter auch viel mehr Tier- und Pflanzenwelt als wenn die Sonne brennt.
    Über einen kleinen Kamm betrete ich eine Zeitkapsel. Zwischen meterhohen Baumfarnen bin ich zurück in der Zeit der Dinosaurier. In Chile habe ich mir bereits die ältesten Bäume der Welt angeschaut. Hier legen wir noch einen drauf. Die ältesten Baumfarne die man im Gebiet von Amboró NP gefunden hat sind wohl 15.000Jahre alt. Und wenn sie nicht gerodet werden leben sie noch ewig! Das liegt in der urtümlichen Wuchsform bei der sich kein Stamm ausbildet sondern tausende Fasern ein verwobenes Geflecht ausbilden dass aussieht wie ein Stamm. Der besteht jedoch aus mehr Wasser als Biomaterial und brennt in der Regel auch nicht. Es lässt sich auch hervorragend mit Dreadlocks vergleichen. Das sichert den Farnen seit Millionen Jahren ihr Überleben. Ein weiteres Extra bildet die Möglichkeit der Farne wenn sie umfallen waagerecht einfach weiter zu wachsen. Dann bildet der Farn einfach neue Fasern und ein teil des alten Stammes stirbt ab. Aber die Pflanze selbst nicht. Um einen stabilen Meter in die Höhe zu wachsen braucht es denn auch gut 1.000Jahre. Darum sind Farne auch nicht mit Bäumen gleich zu setzten. Neben Bolivien gibt es diese Zeitkapseln nur noch in Australien, Neuseeland, Kolumbien und Costa Rica.

    Am höchsten Punkt der Wanderung kreisen eigentlich Kondore. Genauso wie in Cordoba verstecken die sich ob des schlechten Wetters lieber am Fels. Es soll einfach nicht sein. Die letzten Kondore bekam ich irgendwo in Patagonien zu Gesicht. Als sich die Wolken lichten öffnet sich unter uns ein tiefes Tal. Der Aufstieg hat sich definitiv gelohnt. Egal wie schweißtreibend. Mit und ohne Sonne. Denjenigen mit Höhenangst wäre es nur lieber gewesen dass die Wolken alles weiter verdeckt hätten. Nun müssen sie sehen wie sie wieder herunter kommen.
    Allein heute habe ich für mein privates digitales Herbarium 20 oder 30 neue Pflanzen bestimmt. Da kann sich jeder botanische Garten eine Scheibe abschneiden. Und irgend einem Hobby sollte ich auch auf Reisen regelmäßig fröhnen. Das ist das beste Rezept zum gesunden Altern.
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