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  • Day 143

    Blutvergießen und andere Ungereimtheiten

    June 30, 2023 in Bolivia ⋅ ☀️ 22 °C

    Die ersten Neun Stunden Busfahrt verlaufen gewöhnlich. Nur dass ich jetzt weiß warum ein Gepäckstück nie mehr als 80x30cm groß sein darf. Sonst passt es nicht über dem Radkasten in das Gepäckfach. Mit einigen Zwischenstopps gelangen wir früh 3.30Uhr in Cochabamba an. Heißes Pflaster. Alles südlich des Zentrum gilt unter den Einheimischen als gefährlich. Hier muss ich aber umsteigen! Hier liegen sowohl der Busbahnhof, die letzten Geldautomaten für die nächsten Tage als auch meine Weiterfahrt. Der Busfahrer hat darin Routine. Jeder der möchte steigt aus, und wer nicht will macht mit ihm eine Stadtrundfahrt. Dann lädt er seine ganze mitgebrachte Ware bei seinen Lieferanten aus, unter anderem auch den Knoblauch und stellt sich anschließend in eine Straße mit 4 anderen Bussen, schließt die Tür ab und wir dürfen noch bis halb sechs im Bus weiter schlafen. Ich hätte mir für die Temperaturen besseres wünschen können weil meine Wintersachen natürlich unten im Rucksack sind. Am Anfang waren es noch 20 Grad. Aber nicht wenn der Bus den Motor abstellt.

    Trotzdem darf ich dankbar sein dass das so klappt. Dann muss ich mich nicht auf eine Parkbank setzen und womöglich überfallen lassen. Kaum wurden wir dann rausgeschmissen fuhr der Bus auf und davon. Die fünf Blocks durch den frühen Morgen waren schnell erledigt. So langsam erwachte das Verkehrstreiben in der Stadt. Bevor das vollends Überhand nahm saß ich jedoch schon im nächsten Trufi auf dem Weg nach Torotoro. Am hellichten Tag zu schlafen geht aber auch nicht gut. Also gab es wenigstens einen Vormittagsschlaf im völlig ausgekühlten Hostel aber diesmal mit Wintermontur.

    Nach dem Mittagessen war es nur ein Katzensprung zur Parkverwaltung wo ich mein Ticket löste und mich nach Gleichgesinnten umsah. Gemeinsam auf Exkursion zu gehen spart echt Kosten. Es dauerte eine gute Viertelstunde bis mir zwei Gefährten über den Weg liefen und gemeinsam mit einem Guide machten wir uns auf den Weg nach ‚el Vergel‘. Mit von der Partie war noch ein Hund. Wem auch immer der gehörte, er hatte ein angeknackstes Bein und freute sich dennoch wie Bolle dass endlich jemand kam mit dem er mitlaufen konnte. Das tut er nämlich jeden Tag. Und durch Canyons zu klettern geht auch mit dreieinhalb Beinen außerordentlich gut. Da der Canyon sich hier an einen schräg abfallenden Berg anschmiegt sieht man ihn anders als in der Argentinischen Pampa bereits von weitem. Die wirklichen Ausmaße verdeutlichen sich aber erst sobald ich auf einer frei schwebenden Aussichtsplattform stehe. 300m breit. 400m tief und Kilometerlang! Da klettern wir jetzt runter. Ja, nee - ist klar. Noch irgendwelche Überraschungen? Und tatsächlich hat unser Guide noch etwas mehr parat. Also klettern wir fünf fleißig unzählige Treppenstufen hinab. Entlang dem Fluss geht es über riesige Felsbrocken. Man darf ja auch nicht vergessen auf welcher Höhe wir hier sind. Aber das tut dem ganzen keinen Abbruch. Die Belohnung folgt an einer kleinen Oase inmitten dieses ausgetrockneten Canyon. Ich erinnere mich noch wie mir zwei Reisende in Chile bereits von dem Nationalpark geschwärmt hatten. Nur hatten die beiden mit ihrem Guide diese Tour nach einem Regentag unternommen und es hatte über einen Meter Wasser im Flussbett. Eben mal Steine klettern wie ich heute, war da nicht drin. Die besagte Oase führt jedoch ganzjährig Wasser. Hier hat sich in den Schichten zwischen Lava und Sandstein irgendwo eine Kammer gebildet die mit Wasser vollgelaufen ist und nun immer fleißig sprudelt. Doch die Zeitreise geht noch weiter. Entlang des Weges und verstreut im ganzen Nationalpark gibt es hier Fußabdrücke von Dinosauriern zu bestaunen. Für den Moment nur soviel: dass mancher Dinosaurier auf großem Fuß lebte ist nicht neu. Dass er aber eine Schrittweite von 4-5 Metern hatte ist noch einmal eine andere Dimension.
    Auf dem Rückweg komme ich etwas ins Grübeln und finde die Sache am Ende genau so beeindruckend wie verwirrend. Wir kommen mit unserem Guide in das übliche Gespräch des woher und wohin. Dem folgt die Ansage „sorry wenn ich kein Deutsch und so gut wie kein Englisch spreche, das sind aber auch schwere Sprachen. Wenn ihr mich fragt ist es für die Quechua noch am leichtesten Hebräisch zu sprechen da beide Sprachen den gleichen Wortstamm haben.“ Moment, wie war das? Hebräisch?! Erst komme ich ein wenig ins Grübeln, dann finde ich es lustig. Da liegt ja das Mittelmeer, der Atlantik und der halbe Südamerikanische Kontinent dazwischen. Und doch macht das Sinn wo wir doch heute in Begriff sind alte Handelsrouten der Mesopotamier nachzuvollziehen und sich manche Wissenschaftler immer noch nicht erklären können wie denn der Tabakkäfer von Südamerika in die Mumie des Pharao Ramses gelangte. Dabei gab es mit der Alten Welt sicher nicht nur Handelsaustausch sondern auch Kulturtransfer. Was jetzt noch zu beweisen wäre. Freiwillige bitte vor und mir dann Bescheid geben. Ich freue mich über jedwede Quellen.

    Am Abend sitze ich gemütlich in einem Restaurant. Ich sollte unbedingt wieder selbst kochen. Das kann ich besser. Dann wäre ich jedoch nicht im Anschluss in den Kanadier gerannt den ich vor zwei Tagen in Samaipata schon einmal getroffen habe. Er erzählt mir von einer ziemlich mit Alkohol angereicherten Volksfeststimmung vor dem Dorf und zeigt mir Videos wo sich Erwachsene und sogar Schulkinder im Zweikampf scheinbar ohne Regeln prügeln bis das Blut kommt. Und die Leute stehen herum und auf den Autodächern und feiern jeweils die zwei Chaoten wie Helden. Der Tag gibt also nicht nur schöne Bilder sondern auch viele Rätsel auf.
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