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  • Day 154

    Tiwanaku

    July 11, 2023 in Bolivia ⋅ ⛅ 14 °C

    Mit großer Zuversicht starte ich in den Tag. Dabei werden heute hauptsächlich Checklisten abgearbeitet. Liste #1 - die nächsten Tage wollen organisiert werden was jede Menge Schreibkram bedeutet. Liste #2 - es ist nach so viel Inselleben wieder einmal an der Zeit ein Weltkulturerbe zu besuchen. Liste #3 - mein Spanisch muss auch noch ein bisschen besser werden.
    Um der Vielfalt Genüge zu tun bekomme ich heute nicht Fermin sondern seinen Sohn Yjuri an die Hand. Der kennt sich „genau so gut“ aus und kann außer Aymara auch Spanisch. Gemeinsam geht die Fahrt in Richtung Tiwanaku. Lange währt das jedoch nicht. Dann stecken wir erst einmal im Verkehrschaos von LaPaz fest. Hupen, tuten, sogar den Krankenwagen nachahmen. Nichts hilft bis wir uns entschließen zu Fuß weiter zu laufen. Mit dem nächsten Kleinbus geht es dann vom Terminal Interprovincial ohne Probleme weiter bis ans Ziel.

    Wer jetzt meint dass ein UNESCO-Welterbe stetig von Touristen überrannt wird täuscht sich hierbei. Die waren alle vor drei Wochen zur Wintersonnenwende hier. Heute sind wir mit nur drei Gruppen fast allein auf dem riesigen Tempelareal unterwegs. Dabei sind hier nur die Tempel ausgegraben. Archäologen wissen dass unter den Häusern der heutigen Stadt noch viel mehr Ruinen schlummern. Doch da lassen die Bewohner keinen ran. Wegen ein paar Archäologen lässt man sich nicht umsiedeln.

    Im Museum schauen wir zunächst was man außer Steinen bereits alles ausgegraben hat. Dazu gehören vor allem Gefäße, kleine Öfen, Öllampen, Instrumente aus Knochen, Pfeifen und Mumien. Man unterteilt die Besiedlung auch in mehrere Epochen so dass sich dieser Tempelkomplex über mehr als 1.000 Jahre entwickelt hat. Die Erwartungen sind groß was es heute noch zu bestaunen gibt. Nun bin ich aber eher durch die klassische Stufenpyramide geprägt. Rechteckig, drei Stufen, nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Den Tiwanaku war das zu einfach. Hier mussten die Tempelberge um fünf Ecken gebaut werden. Nichts scheint auf den ersten Blick symmetrisch außer vielleicht die Eingangsportale in den jeweiligen Tempel. Wozu die Tempelanlagen wirklich alles dienten erzählt einem heute keiner. Kult, Opfergaben, Astronomie - soweit wissen wir es genau. Dann gibt es aber noch heute andauernde Ausgrabungen die immer wieder verarbeitetes Kupfer zu Tage fördern. Kaum jedoch Gold und andere Grabbeigaben die einer Zeit bis vor 500 Jahren gerecht würden. Stattdessen werden sehr viele Megalithen verbaut und Monolith-Figuren aus Stein. Sonnen- und Mondtore schmücken die obersten Pyramidenstufen. Aus einer sonst so fortschrittlichen Kultur blieben kaum Zeugnisse über. Wenn man so will führt sich das bis heute weiter. Am Eingang werden zum Abgleich der Tickets nach mittelalterlicher Manier noch Bücher von Hand geführt.
    Und doch gleicht das ganze eigentlich moderner Architektur. Weite offene Räume, viel Stein, zum Teil aus dem ganzen geschnitzte Steinplatten von immenser Größe und dazwischen nur wenig Platz für Grünes. Fehlt nur noch dass sie auch Glas benutzt haben. Immerhin gibt es ein ausgeklügeltes Drainagesystem rings um jeden Tempel wenn es denn doch einmal regnet.
    Doch damit sind diese rätselhaften Ruinen noch lange nicht erschlossen. Abseits der Touristenpfade entdecke ich auf einem einzigen Torbogen dass auch die Rückseite eingraviert wurde was sonst eher unüblich ist. Vielleicht eine Sternkarte. Ich weiß es nicht. Und leider hält sich die Darstellungskunst und die Art Ausstellungsstücke zu erklären bei bolivianischen Archäologen sehr in Grenzen. Ankersteine lassen weitere Fragen unbeantwortet. Wieso braucht eine Architektur die allein auf der Schwerkraft beruht und eigentlich so passgenau arbeitet dass nicht einmal eine Ameise durch krabbelt, wieso brauchen bestimmte Steine hierbei einen Metallanker? Wieso konnten die Erbauer Wände auf den Millimeter genau am Himmel ausrichten aber ihre Straßen stehen denen des heutigen LaPaz in Sachen Schlagloch und Stolpersteine in nichts nach?

    Unterdessen empfinde ich dass die Archäologen von heute keine ordentliche Anleitung haben. Auf dem kleineren Tempelkomplex wird alles was irgend wie in Stein geschnitzt und verziert ausschaut ausgebuddelt und wild aneinander gereiht. Hauptsache es gibt etwas zu sehen. Ob dadurch die Funktion wieder gegeben wird ist nebensächlich. So steht auch das Sonnen und das Mondtor heute dort wo Touris die besten Selfies schießen können, nicht aber an ihrem ursprünglichen Platz. Es ist dennoch sehr schön anzuschauen und vermittelt einen Eindruck über die Inka wie bislang sonst nirgendwo in Bolivien.

    Zum Abschluss ging es noch in die Lithographische Ausstellung. Zwei Räume. In einem wird Keramik ausgestellt - soviel zur Litographie. Der andere Raum beherbergt nur eine einzige Statue. Die große Puchamama. Als sie zuerst in den 1930er Jahren entdeckt wurde stellte man sie mitten in La Paz aus. Glücklicherweise stellte man fest dass sie da mehr Schaden nimmt als notwendig und brachte sie zurück nach Tiwanaku.

    Auf dem langen Weg zurück in die Stadt kommen wir durch die kleine Ortschaft Laja. Dies war der eigentliche Gründungsort des heutigen La Paz interessanterweise genau da als die Inka uns verliesen. Am nächsten Wochenende wird das zwei Tage lang groß gefeiert.
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