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  • Day 171

    Die Oase

    July 28, 2023 in Peru ⋅ ☀️ 13 °C

    Während ich mich gestern fragte wo all die Leute auf dem Trek geblieben sind kommen sie mir heute aus der Oase entgegen. Es scheint also die richtige Entscheidung die 1500m heute nochmal abzusteigen und weiter zu erkunden.

    Und es war ebenso die richtige Entscheidung eher loszulaufen. Der Abstieg bietet an dieser Stelle des Canyons weniger Schatten als gestern.
    Der Colca-Canyon gehört zu den stärksten terrassierten Gegenden der Welt. Einst alles für die Landwirtschaft wie am Titicacasee. Heute wird außer ein paar Obstbäumen jedoch kaum noch Anbau betrieben. El Niño macht es seit einigen Jahren zusammenhängend nicht besser. Ein Überbleibsel dieser Zeit sind die Wasserkanäle die heute immer noch frisches Bergwasser in die wenigen planen Flächen entlang der Schlucht leiten.

    Mit Ankunft in der Oase bin ich enttäuscht. Zwei Lodges, drei Pools und ein paar Palmen. Der Schatten tut gut, der Rest ist für Feierwütige die auf Instagram posten müssen „ich war hier“. Witzig, ich werde immer noch tagtäglich gefragt wie ich ohne Instagram leben kann. Und ohne WhatsApp. Und überhaupt! - ich habe so viel mehr Zeit dadurch dass ich nicht ständig das Smartphone in der Hand habe. Herrlich! Zurück zum Canyon - der ist auch herrlich.

    An der nächsten Wegkreuzung ist ein kleiner Kiosk. Davor sitzt ein Mann, isst sein Mittag und lauscht auf seinem Weltempfänger einer Präsidentenansprache zum heutigen Unabhängigkeitstag in Peru. Als Snack kaufe ich ihm einen Müsliriegel ind eine Mandarine ab. Wenn es das schon gibt muss ich ja nicht ganz so Sparflamme fahren wie gestern. Ich frage ihn wie es ihm geht und wie seine Bilanz über die Touristen hier ausfällt. Er winkt ab. „ Die wenigsten, vielleicht 20% schaffen es bis hier hinunter in den Canyon. Die anderen 80% werden von den Reiseveranstaltern abgegriffen bis an den Rand oder höchstens bis zum ‚Cruz del Condor‘ geschleppt und sehen dort vielleicht Condore, vielleicht auch nicht.“
    Gut dass ich doch wieder auf eigene Faust unterwegs bin. Mit der Einstellung erstmal los zu laufen und dann zu entscheiden wo die Reise weitergeht erlebe ich einfach mehr als wenn von vornherein alles geplant wäre. ‚Just do it!‘
    Frisch gestärkt geht es mit gutem Gewissen zum Mittagessen. Dazu laufe ich im nächsten Dorf einfach den ganzen Arbeitern hinterher die ebenfalls essen gehen wollen und lande in einer Hostelküche. Sehr gut! Und noch besser wenn ich die Preise mit den später folgenden Lodges vergleiche. Puh!
    Über eine Nebenschlucht geht es hinüber nach San Jose de Juccho Zeit für ein Nickerchen im Schatten nachdem sie hier nicht mal Eis am Kiosk haben. Preise für Touristen und dann nicht mal Eis - wo gibts denn so was. Immerhin ist es im Canyon gute 10-14Grad wärmer als oben. Da hätte ich mir ein Eis gegönnt.

    Es nützt ja nichts - und so nehme ich den letzten Anstieg des Tages in Angriff. 1.573 Höhenmeter zeigt die Wanderkarte noch an. Glücklicherweise gerate ich auch heute kaum in die Feierabendsonne. Nach einem Drittel des Weges kommt mir ein Mann entgegen und erschrickt aus seinem Trott sobald er mich sieht. Wo komme ich denn plötzlich her - und wo will ich heute überhaupt noch hin? Nach einem kurzen Gespräch weiß er dass ich aus Deutschland stamme. Seine nächste Frage lautet ob ich aus dem Oxident oder aus dem Orient stamme? Schweigen - und ich denke mir: na aus Deutschland - bis ich begreife: Orient, klar! “Na dann brauch ich mich nicht wundern.” Der Mann meinte er hat eine Zeit in aOstdeutschland gelebt - “die ziehen da alles durch.” Ich danke ihm für das Kompliment auch wenn ich bei Landsleuten sicher auch auf Widerspruch stoße.

    Dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll zeigt sich nach zwei Dritteln. Mir kommen ein Esel und sein Herr entgegen. In einer Spitzkehre stelle ich mich zum passieren an den Rand. Der Esel, sichtlich auf Grünfuttersuche und unwillig den Canyon abzusteigen, ignoriert mich - ja schubst mich weiter bei Seite und trifft mit seinem Huf noch meinen großen Zeh im Vorbeigehen. Dass der Esel jetzt so kurz vor Dunkelheit nicht mehr weiter will passt dem Herren natürlich gar nicht. Ich mache mich stattdessen so schnell es noch geht aus dem Staub.

    Zur Belohnung gibt es heute Abend Pizza. Dabei treffe ich zwei Neuseeländer aus Machu Picchu wieder. Das ist verrückt. Der Pfad kann noch so abgelegen sein - die Gringo-Route werde ich hier in Peru so schnell nicht verlassen können.
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