• Grenzfluss & Zwiebelrostbraten

    2 Mac 2019, Luxembourg ⋅ ☁️ 8 °C

    Tag 6
    27 km
    157 km gesamt

    Mettendorf. Der Morgen war grau wie ein alter Colt-Lauf. Nebel zog durch die Gassen, Regen peitschte gegen die Fensterscheibe wie ein unruhiges Pferd im Stall. Aber weißt du was? Ein Cowboy fragt nicht nach dem Wetterbericht. Ein Cowboy sattelt und zieht los. Punkt.

    Ich zog die Stiefel fest, schulterte meinen Rucksack und trat raus in den Matsch. Anfang März — die Zeit, wo der Boden noch weich ist und der Himmel schwer. Der Wind roch nach altem Holz und nasser Erde. Perfekt. Das ist kein Spaziergang. Das ist ein Ritt.

    Der Weg zog sich durch Wiesen und Felder Richtung Nusbaum. Nichts Spektakuläres auf der Landkarte, aber draußen? Draußen war Magie in der Luft. Nicht so ’ne bunte Einhorn-Magie. Sondern echte, raue Trail-Magie. Da, wo der Nebel überm Gras hängt wie Zigarettenrauch in ’ner staubigen Westernkneipe. Da, wo du spürst: Der Weg ist älter als du. Und er wartet nicht.

    Es ging weiter, hoch aufs Ferschweiler Plateau. Und Plateau heißt hier nicht: bequemer Ausblick. Das heißt: Beine arbeiten. Atem dampft in der kalten Luft. Und jeder Schritt sagt dir: Du bist hier draußen nicht zum Spaß.

    Oben stand ein altes Wegekreuz. Windzerfressen. Moosüberzogen. Kein Mensch weit und breit. Nur Felsen, Bäume und Stille. Aber keine leere Stille. Sondern diese Art von Stille, in der du fast die Geschichten hörst, die der Wind seit Jahrhunderten sammelt.

    Dann runter nach Bollendorf. Der Weg schraubte sich in Serpentinen hinab, und unten floss sie — die Sauer. Grenzfluss. Wasserlinie zwischen Deutschland und Luxemburg. Ich setzte den Stiefel auf die Brücke und übertrat die Grenze. Kein großer Moment. Kein Tamtam. Nur ein Cowboy, der seinen Weg geht, egal wo.

    Echternach lag vor mir. Älteste Stadt Luxemburgs. Ich marschierte durch die Straßen wie ein Fremder in einem alten Westernfilm. Die Basilika ragte auf wie eine Festung. Ich holte tief Luft. Kein Stempel hier? Kein Problem. Mein Stempel sitzt in meinen Füßen. In jedem Schritt.

    Wieder rüber nach Deutschland. Und jetzt kam’s dicke. Der Weg führte durch einen verwilderten Weinberg bei Minden. Kein Spazierpfad. Kein Sonntagsterrain. Ein schmaler Streifen zwischen Reben und Felsen. Der Wind riss an meiner Jacke, der Boden rutschte unter den Stiefeln. Aber das hier — das war pure Freiheit.

    Weißt du, was Freiheit ist? Freiheit ist, wenn du irgendwo zwischen Grenzfluss, Regen und Weinberg stehst, keinen Plan hast, aber weißt: Das hier ist genau richtig.

    Am Abend erreichte ich Minden an der Sauer. Ein kleines Hotel nahm mich auf. Keine Luxuskarre vor der Tür. Kein Wellness-Spa. Aber eine ältere Dame an der Rezeption, die mehr Herz hatte als mancher Palast Marmor. Sie drückte mir meinen Pilgerstempel in die Hand und sagte: "Ich hab noch Zwiebelrostbraten auf dem Herd."

    Ich sag dir, ich hab schon viel gegessen auf meinen Wegen. Aber dieser Zwiebelrostbraten? Der war besser als jedes Gold im Saloon. Weil er verdient war. Weil er draußen erkämpft war. Weil er nach Heimat schmeckte — auch wenn du gerade irgendwo an der Sauer schläfst.

    Ich legte mich in mein Bett. Draußen rauschte der Wind. Drinnen roch es noch nach gebratenen Zwiebeln und ehrlicher Gastfreundschaft.

    Und ich wusste wieder:

    „Der Jakobsweg schenkt dir nichts. Aber wenn du ihm alles gibst, gibt er dir alles zurück.“

    TrailSoulKev — unterwegs, wo der Asphalt aufhört und der Weg beginnt.
    Baca lagi