• Von Römern und ihren Grenzen

    August 31 in Germany ⋅ ☁️ 23 °C

    Es war einer dieser Tage, an denen der Morgen noch nicht wusste, ob er Regen oder Licht bringen wollte. Am Ufer des Rheins in Bad Hönningen stand ich, der Strom tief und gleichgültig, als ob er sagen wollte: „Komm, Junge, geh deinen Weg, ich fließ weiter.“ Gleich daneben der Limesturm I, steinerner Wächter einer Grenze, die längst keiner mehr braucht. Und doch, als ich die ersten Schritte auf den Westerwaldsteig setzte, spürte ich diesen Hauch von Geschichte. Hier ritten schon andere vor mir – Legionäre, Händler, vielleicht auch ein paar verlorene Seelen, die wie ich den Kopf freikriegen wollten.

    Der Trail nahm mich nicht freundlich auf. Schon hinter dem Ort zogen sich die Wege an, der Wind stand quer, und die feuchte Luft hing wie ein schwerer Mantel über mir. Kein Sommerduft, kein sanftes Licht – nur ein grauer Himmel und der Geruch von nassem Basalt. Aber weißt du was? Ich mochte das. Der Westerwald ist kein Zuckerschlecken. Er testet dich gleich am ersten Tag, ob du wirklich hierher gehörst oder nur spazieren willst.

    Kurz hinter Bad Hönningen lag die RömerWelt. Ein Ort, an dem man sich für ein paar Euro anschauen kann, wie die Jungs vom Limes damals gelebt haben. Ich blieb nicht lang, nur ein kurzer Blick auf die Tafeln, dann weiter, den Pfad hinauf, raus aus dem Tal. Ein zweiter Limesturm stand wie ein Mahnmal am Wegrand. Stumm, aber unübersehbar.

    Oben, am Malberg, öffnete sich die Landschaft. Ein alter Vulkankrater, stillgelegt seit Jahrmillionen, als Basaltbruch genutzt, heute überwachsen, aber immer noch mit dieser wuchtigen Präsenz. Ich setzte mich auf eine Bank, trank einen Schluck Wasser, spürte den Wind im Gesicht. Es war kein freundlicher Wind, sondern einer, der dich prüft – rau, kühl, unbarmherzig. Aber das gehört dazu. Auf einem Trail wie diesem bist du nicht der Herr, sondern nur ein Gast.

    Der Abstieg nach Hausen (Wied) tat gut. Der Boden weich, die Wege gesäumt von Wiesen und Gärten. Für einen Moment war der Westerwald sanft, fast freundlich. Aber nur kurz. Hinter dem Ort ging es wieder hoch, rauf in die Wälder, die sich wie ein Dach über mich spannten. Stille. Nur das Knirschen meiner Stiefel und das gleichmäßige Ziehen des Rucksacks.

    Als der Weg nach Waldbreitbach führte, weichte der Himmel kurz auf, und für ein paar Minuten war da dieses fahle Licht, das die Wied zum Glitzern brachte. Am Ufer entlang zu laufen, den Fluss neben sich, war wie eine kleine Geste des Friedens – der Trail gibt dir immer wieder diese Momente, bevor er dich wieder fordert. Hinter dem Ort führte er hoch zu Schloss Walburg, ein stiller Zeuge vergangener Zeiten, und dann wieder steil hinab nach Roßbach.

    20 Kilometer. Wolken, Wind, ein kurzer Schauer, aber kein Aufgeben. Der Westerwaldsteig hat keine Lust auf Weicheier, und das ist gut so. Am Ende des Tages, die Schuhe staubig, die Beine schwer, war ich nicht nur unterwegs gewesen. Ich war auf dem Weg – Teil dieses rauen Landstrichs, in dem Freiheit nicht geschenkt wird, sondern erkämpft.

    Wer diesen Trail geht, ist kein Tourist. Er ist ein Lone Rider ohne Pferd, der weiß, dass der Weg manchmal der einzige Ort ist, an dem man wirklich ankommt. Und heute, da draußen zwischen Rhein, Basalt und Wied, war ich genau da, wo ich sein sollte.
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