• Von Wackes und Wällern

    Yesterday in Germany ⋅ ☁️ 24 °C

    Morgens in Roßbach, die Sonne noch mild, der Himmel klar. Ich wusste schon: Das wird ein langer, heißer Tag. Die Temperaturen sollten von 20 bis 28 Grad klettern – kein Wetter, das dir etwas schenkt, aber genau richtig, um sich den Staub auf die Haut schreiben zu lassen.

    Gleich nach dem Ortsausgang kam der Anstieg, der steile Zahn, der mich hinauf aufs Roßbacher Häubchen brachte. Die Basaltsäulen standen da oben wie schwarze Wackes, kantig und störrisch, als hätte der Westerwald selbst seine Muskeln spielen lassen. Oben auf dem Kegel wehte ein trockener Wind, und der Blick über das Wiedtal war scharf wie ein Messer – Wälder, Felder, Dörfer, alles klein und klar unter mir. Ich blieb kurz stehen, nahm den ersten Schluck Wasser, und dachte: „Das hier ist kein Sonntagsspaziergang. Das ist ein Pakt mit dem Trail.“

    Der Weg führte runter, wieder hoch, immer am Rand des Wiedtals entlang. Die Sonne brannte inzwischen kräftiger, der Schweiß lief, und ich spürte, wie jeder Schritt Gewicht bekam. Hinter Strauscheid traf ich einen Mann mit Astschere und orangefarbener Weste. Ein Wegewart, wie er sich nannte. Er schnitt die Markierungen frei, damit Leute wie ich nicht vom Pfad abkommen. Wir plauderten kurz über den Steig, über die Mühen, ihn in Schuss zu halten. Zum Abschied drückte er mir einen kleinen Pin vom Westerwaldsteig in die Hand – ein stilles Abzeichen, das mir zeigte: Ich gehöre jetzt dazu.

    Danach öffnete sich die Landschaft. Ein langer Abschnitt über Wiesen, der Waldrand links, die Sonne von oben – kein Schatten, nur dieser endlose, heiße Teppich aus Gras. Ich biss die Zähne zusammen, setzte einen Schritt vor den anderen. Dann über die Autobahn A3, der Lärm donnerte wie ein Kontrastprogramm zum Schweigen der Wälder. Hinter der Brücke lag der Jungfernhof, eine kleine Oase mit weitem Blick, und kurz danach der stille Manrother See, dunkelgrün, mit Libellen, die knapp über der Wasseroberfläche tanzten.

    Dort fand ich etwas, das mich innehalten ließ: ein kleiner bemalter Glücksstein, auf die Rückseite ein Schutzengel gekritzelt. Einfach, unscheinbar – aber manchmal sind es genau diese Dinge, die dir den Rücken stärken. Der Stein kommt mit in die Eifel, als Erinnerung daran, dass man nie ganz allein unterwegs ist.

    Der Abstieg nach Neustadt (Wied) war lang und heiß, die Sonne stand jetzt gnadenlos hoch. Die Felsen im Tal wirkten wie ein Canyon, scharfkantig, eng, und unten rauschte die Wied. In der Stadt ließ ich mich schließlich in ein Bistro fallen, bestellte einen ordentlich gefüllten Wrap mit Fleisch und Gemüse und dazu ein kaltes Bier. Es schmeckte nach Freiheit, nach Staub, nach einem Tag, an dem ich mir den Weg verdient hatte.

    Mit schwerem, aber zufriedenen Schritt stieg ich in den Bus 130, der mich zurück nach Roßbach brachte. Durchs Fenster glitten die Höhen vorbei, über die ich vor Stunden noch gegangen war. Sonne, Basalt, Schweiß, Gespräche, ein Stein in der Tasche – der Tag hatte mir alles gegeben, was ein Cowboy braucht.
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