• Zug von Rom nach Paris

    September 27 in Germany ⋅ ☁️ 15 °C

    Howdy, Freunde der staubigen Wege. TrailSoulKev ist zurück aus dem Westerwald, der Körper noch frisch von der Reha, die Seele aber gierig nach Freiheit. Jetzt ruft wieder die Eifel – rau, herbstlich, ehrlich. Ende September, die Luft kühl bei neun bis vierzehn Grad, wolkig und feucht. Das Gras tropft noch vom Morgen, der Boden saugt sich schwer unter den Stiefeln fest. Kein Spaziergang, sondern ein Ritt durch die Elemente.

    Am Bahnhof von Urft stelle ich meinen Wagen ab. Ein schmuckloser Klotz am Gleis, aber das Tor zu meinem heutigen Trail. Schon nach den ersten Schritten entlang der Urft wird klar: dieser Abschnitt ist nicht nur für harte Kerle. Märchenstationen säumen den Pfad, Figuren aus Holz, kleine Geschichten für Kinder. Ein hübscher Kontrast zu meinem staubigen Cowboyfilm, fast wie ein fremder Soundtrack auf meiner Spur. Doch auch das gehört zur Wahrheit des Trails.

    Kurz darauf quere ich die Gleise der wieder aufgebauten Bahn, die sich wie eine Narbe durchs Tal zieht, und stoße auf den Grünen Pütz. Ein unscheinbares Brunnenhaus, doch von hier aus zog einst das Wasser über die römische Leitung bis nach Köln. Ich stelle mir Legionäre vor, die hier schufteten, Stein um Stein. Freiheit ist flüchtig, aber Bauwerke wie dieses sind eiserne Spuren.

    Von hier geht’s auf der Via Agrippa bergauf – ja, auf einer echten römischen Straße, die heute als steiler Waldweg durchzieht. Kein Asphalt, keine Schonung, nur Steine und feuchtes Laub, das unter den Stiefeln rutscht. Der Anstieg brennt kurz in den Waden, aber oben lockert sich das Gelände. Der Weg zum Königsberg ist kein Kampf mehr, eher ein gleichmäßiges Ziehen. Auf einer Bank mit Blick hinüber zum Kloster Steinfeld gönne ich mir meine Frühstückspause. Ein Brot, ein Schluck Wasser – einfach, aber es schmeckt wie Gold in diesem Moment. Das Kloster steht da wie eine Bastion gegen die Zeit, und ich sitze davor wie ein einsamer Reiter, der kurz die Zügel lockerlässt.

    Vom Grünen Pütz bis hier laufe ich übrigens wieder auf dem Eifelsteig – nur diesmal in Gegenrichtung. Das ändert sich bald, denn der Trail zieht mich ins Gillesbachtal, eine enge, wilde Kerbe im Gelände. Der Aufstieg fordert mich noch einmal richtig. Letzte steile Rampe hinauf zum Mertesberg, Schweiß im Gesicht, Atem schwer. Oben die Fuchshöhle, kühl, dunkel, geheimnisvoll. Für einen Moment lehne ich mich hinein, spüre den Stein, der nach Jahrhunderten immer noch dieselbe Kälte ausstrahlt.

    Dann Marmagen. Heute ein ruhiges Eifeldorf, einst Marcomagus, ein römischer Verkehrsknotenpunkt. Kaum zu glauben, dass von hier aus Spuren bis nach Paris führen: Der Stammbaum des großen Ingenieurs Gustave Eiffel reicht zurück nach Marmagen, sein Vorfahr Leo Alexander Bönickhausen stammte von hier. Der Mann, dessen Turm heute die Skyline von Paris prägt, trägt also ein Stück Eifel in sich.

    Ich gönne mir dort eine Rast im Café: zwei Stück Kuchen, ein Kännchen Kaffee. Süßer Luxus nach all dem Staub und Schweiß – so etwas gönnt sich auch ein Cowboy mal, wenn er’s verdient hat.

    Gestärkt ziehe ich weiter. Vorbei am Matronenheiligtum Görresburg, drei Göttinnen, drei Zeichen für Schutz und Fruchtbarkeit. Ich sehe die rekonstruierten römischen Langhäuser, das kleine Kastell am Hang. Geschichte liegt hier nicht hinter Glas, sie steht einfach so am Weg, rau und ungeschönt.

    Schließlich Nettersheim. Der Bahnhof wirkt wie ein Außenposten am Ende des Trails. Ich setze mich auf die Bank, beiße in mein zweites Brot und trinke das letzte Wasser. Vierzig Minuten Wartezeit bis zum Zug. Sechs Minuten Fahrtzeit zurück nach Urft. Kein Spektakel, kein Publikum. Nur ich, die Stiefel voller Staub, der Rücken schwer und der Kopf leergezogen von einem Tag auf dem Trail.

    Resümee: Der Eifelbahnsteig zeigt sein Gesicht, wenn der Herbst die Kanten schärft. Nasser Boden, kühle Luft, steile Anstiege. Märchen am Anfang, Geschichte in der Mitte, stille Rast am Ende. Kein Trail für Touristen, sondern ein rauer Ritt für alle, die wissen wollen, wie Freiheit schmeckt. Wer hier geht, ist kein Spaziergänger. Wer hier geht, ist ein Lone Rider. Und ich sage es euch: Der Eifelbahnsteig ist wie ein alter Colt – schwer, ehrlich, ohne Schnickschnack. Führen musst du ihn selbst.
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