• Auf dem Rücken der Hügel

    October 16 in France ⋅ ⛅ 14 °C

    TrailSoulKev – Tag 8: Auf dem Rücken der Hügel 🤠
    Von Propières nach Le Cergne – 19 staubige Kilometer über alte Salzpfade

    Morgennebel hängt in den Tälern wie eine alte Decke, und die Sonne braucht Zeit, um sich durchzubeißen. Ich pack meinen Kram, schnappe mir den Stab, zieh den Hut tief ins Gesicht – und los geht’s. Acht Tage Staub, Schweiß und Stille stecken schon in den Stiefeln. Heute wartet kein großes Finale, keine Heiligenstatue, kein Postkartenmoment. Nur der Weg. Und das ist genau richtig so.

    Von Propières zieht sich der Pfad langsam nach oben, durch kalten Schatten, über weiche Böden, wo die Morgensonne golden auf den Farn fällt. Der Wind ist wach, aber freundlich. Auf dem Col des Écharmaux spür ich ihn zuerst richtig, diesen langen Atem des Landes. Früher, so sagen sie, wurde hier Salz transportiert – schwer beladene Wagen, Pferde, die unter der Last schnaubten. Heute sind’s nur noch ein paar Wanderer, die denselben Grat entlangziehen, jeder mit seiner eigenen Last im Gepäck.

    Der Kammweg zieht sich wie eine alte Narbe über die Hügel. Col des Aillets, Col des Écorbans, Col du Mont Pinay – die Namen kommen und gehen, wie Orte im Rückspiegel eines alten Pick-ups. Es ist kein Weg für Fotos, kein Trail für Touristen mit Selfie-Sticks. Hier oben zählt nur Rhythmus. Schritte, Atem, Herzschlag. Das Leben wird reduziert auf das, was bleibt, wenn alles andere leiser wird.

    Wald, immer wieder Wald. Dunkel, satt, nach Harz und Erde duftend. Dann öffnet sich zwischendurch der Blick – Täler, Dörfer, ferne Linien, die im Dunst verschwimmen. Und jedes Mal, wenn der Horizont auftaucht, fühlt es sich an, als würde der Trail mir zunicken. "Weiter, Cowboy, weiter."

    Die Sonne steigt, das Hemd klebt. Ich geh nicht schnell, aber stetig. Der Staub legt sich auf die Stiefel, der Schweiß brennt in den Augen. Doch es ist ein ehrlicher Kampf. Kein Gegner außer mir selbst. Kein Ziel außer dem Nächsten. Wer hier oben unterwegs ist, weiß, dass Freiheit nicht in der Aussicht liegt, sondern im Gehen.

    Am Col de la Bûche ein letzter kleiner Anstieg, ein paar Kurven über die Höhe – dann liegt Le Cergne unten im Licht. Ruhig, unspektakulär, wie ein letzter Lagerplatz vor der Grenze. Ich nehm mir ein Zimmer bei Privatleuten, schüttel den Staub aus den Hosen, setz mich in die Sonne. Keine großen Geschichten heute, kein Drama. Nur der Gedanke, dass auch stille Tage ihren Wert haben.

    Morgen geht’s runter zur Loire, nach Charlieu und Pouilly – mein Endpunkt für dieses Jahr. Ein letztes Stück Trail, bevor die Straße wieder ruft und der Alltag anklopft. Aber heute, hier oben, zwischen den Hügeln des Beaujolais, spür ich diesen Frieden, der nur kommt, wenn man lang genug unterwegs war. Wenn man nichts mehr beweisen muss. Wenn man einfach geht.

    Der Weg – er war nie ein Spaziergang. Er war ein Lehrmeister. Und manchmal, so wie heute, ist die Lektion simpel: Nicht jeder Tag muss glänzen. Manche müssen einfach nur echt sein.

    Ich sitze da, höre das Knacken der Bäume, spüre die Müdigkeit im Körper – und denke:
    „Solang der Wind mein Begleiter bleibt und der Staub an meinen Stiefeln klebt, bin ich noch auf Kurs.“

    Wenn du den Staub riechst und das Fernweh spürst – dann weißt du, wo du hingehörst.
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