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  • Day 135

    Zafra - Villafranca de los Borros

    April 7, 2017 in Spain ⋅ ☀️ 26 °C

    Ich habe eine angenehme Nacht gehabt. Meinen Rucksack brauchte ich gar nicht auspacken, da genügend Decken vorhanden waren. So war mir in der Nacht auch nicht kalt geworden. Schon komisch. Nachts noch ziemlich kalt und mittags in der Sonne brütende Hitze. Wieder ging ich los ohne Frühstück. Jedoch habe ich es etwas bereut, nicht in einem der hübschen vielen kleinen Cafés etwas zu mir genommen. Denn angesichts der bevorstehenden kurzen Etappe und der sehr wenigen Pilger (insgesamt waren wir 4), war es mehr als unwahrscheinlich, dass mir ein Bett am Ende der Etappe weggenommen werden kann. Wie immer meine größte Angst. Die rührt wahrscheinlich von meinem ersten ersten Camino 2008 her. Dort stand ich erschöpft häufiger vor Herbergen die "Completo" waren. Wenn man erschöpft ist, beginnt man diese Worte zu hassen und die Schilder auf den sie geschrieben sind und die Tür an dem das Schild hängt und das Haus an dem das Schild hängt und die Straße in dem das Haus steht ... Ich schweife ab. Ohne Frühstück also los. Der Engländer neben mir war auch wach und bereitet sich ebenfalls vor. Ich Prinzip packe ich abends immer so meinen Rucksack, dass ich morgens nur sehr wenig da ran muss und gleich losgehen kann. Andere packen morgens immer noch am Rucksack herum. Zum restlichen packen verließ ich das Zimmer, um den anderen nicht zu stören. Im Flur fiel mir meine Wasserflasche herunter und das weckte offenbar den Hospitaliero. Denn keine zwei Minuten später stand er mit einem Lächeln neben mir und erzählte mir irgend etwas. So viele "rollende R" in einem Satz, da wird einem ja schwindelig. Er wollte mir nur den Weg erklären und das es 19,7 km sind und dass die private Albergue - El Carmen in "Villafranca" sehr gut sei. Wir verabschiedeten uns am Tor vom ehemaligen Kloster und ich ging durch die ruhige Stadt. Erstaunlich. Im Gegensatz zu den vorherigen Ortschaften, war bei denen um diese Zeit schon wesentlich mehr los. Ich überprüfte die Uhrzeit - es war wie immer wenn ich losging 07:00 Uhr. Die Straßenlaternen waren hell genug aber ich wusste, dass ich bald Zafra verlassen werde und auf meine Stirnlampe zurückgreifen muss. So war es denn auch. Nach nicht einmal 20 Minuten waren keine Laternen mehr da und auch keine Häuser.

    Der Weg führte auf eine kleine Bergkuppe und man konnte am Horizont schon erkennen, dass es bald grauen wird (schreibt man das so?). Laut Reiseführer soll der Weg über die Bergkuppe hinunter zu einem Ort namens "Los Santos de Maimona" führen - ein schöner Name wie ich finde. Oben auf der kleinen Bergkuppe machte ich zunächst eine kurze Pause und genoss den beginnenden Sonnenaufgang mit einer Banane und zwei Neapolitanern (darf man das heute noch so sagen? Stand zumindest so auf der Verpackung). Dann kam ein Auto den Berg herauf gefahren und parkte hinter mir. Irgendwie unheimlich, denn es stieg niemand aus. Zwei Minuten später kam ein weiteres Auto und parkte ebenfalls. Es stieg eine Frau aus und ging zu dem anderen Auto. Ein Mann stieg aus, beide waren in den 40er und begrüßten sich kurz. Während die Frau mit erhobener Stimme wie viele "R's" trällerte. Beide gingen dann in den Wald und nun begann meine Fantasie eine Geschichte zu basteln. Beide liebten sich. Das wäre ja sehr romantisch, aber so gingen beide nicht miteinander um. Also anderes Szenario. Er will Sex und beide sind verheiratet. Heimlich treffen sich beide hier oben. Der Sex muss sein, damit die Straße vor dem Haus der Frau geteert werden kann. Sie macht das, damit ihre alte Mutter beim Verlassen des Hauses den Rollator besser schieben kann. Er hingegen ist eher ein frustrierter Hausmann, die Frau geht arbeiten und hat das Sagen zu Hause. Beide treffen sich unter dem Vorwand, eben mal schnell Brötchen zu holen. Tja - was für ein blöder Vorwand. Denn als ich mit dem Picknick aufhörte und bereits den Berg hinunter gegangen bin, kam mir ein anderes Auto entgegen. Eine Frau Mitte 40 am Steuer und eine alte Frau als Beifahrerin. Ich wusste es. Jetzt kommt die Ehefrau von dem Mann und bringt ihre Mutter mit. Dann erschlagen sie den Mann und die anderen Frau mit dem Rollator der Schwiegermutter. Was für eine Geschichte. Das ist ja Hollywoodreif. Ich ging mit diesen Gedanken noch weiter und erreichte den Ortskern. Die Kirche war schön anzusehen. Nettes Portal mit tollen Reliefs.

    Auch dieser Ort ist schnell durchquert und es wurde wieder ländlich. Und der Geruch ebenso. Offensichtlich wurde Gülle versprüht, was sehr lange anhielt. Auch kam ich wieder an vielen schwarzen Schweinen vorbei, welche durch einen süßen Hund betreut wurden. Die Sonne stieg langsam höher und offenbarte eine flache, fast baumlose Landschaft mit Ackerbau und - jawoll, Weinanbaugebiete. Alle Reben fein säuberlich gestutzt. Manche hatten schon kleine Triebe. Aber mehr auch nicht. Es ging weiter den Weg entlang. Dann kamen Olivenplantagen dazu. In den Plantagen wurde kräftig gearbeitet und die Olivenbäume wurden beschnitten. Immer wieder schön anzusehen, die blühenden Wildblumen rechts und links vom Weg. Auch der Geruch wurde besser und erinnerte an viele Kräuter.

    Laut Reiseführer kam ich an einer ehemaligen Herberge vorbei, welche geschlossen sei. Nun, es handelte sich dabei wohl eher um eine Ruine und die war schon seit Jahren verfallen. Am Weg zeigte die Markierung mit den grauen Granitquadern an, dass ich mich auf dem original Jakobsweg befinde, aber auch auf der alten Römerstraße. Hin und wieder sah man alte Brunnen, welche früher der Versorgung der Reisenden und Tieren mit Wasser dienten.

    In der Ferne sah man schon "Villafranca de los Barros". Nach dem unterqueren der Autobahn, folge ich der Landstraße bis zum Ortsrand. Ich habe mein Ziel bald erreicht und es war noch nicht einmal Mittag. Jedoch stand mein Entschluss hier zu bleiben fest, um mich für die kommenden langen Etappen zu schonen. Außerdem soll die empfohlene Herberge "El Carmen" sehr gut sein und einen Yorkshire haben. Endlich wieder einen Hund streicheln. Von außen war die Herberge eher unscheinbar - neutral. Was schon einmal sympathisch ist. Man muss klingeln und sofort bellte es. Wie süß. Eine telefonierende Spanierin öffnete mit die Tür und wieder so viele "R's". Beide begrüßten mich - die Yorkshire-Dame eher demütig und die Spanierin verschwand erst einmal zum telefonieren. Als sie zurück kam, bekam ich einen Stempel und mein Bett. Dann zeigte sie mir die Herberge, was offensichtlich auch ihre Wohnung war. Aber eher wie eine sehr große "WG". Sehr sympathisch diese Frau.

    Es trafen dann noch der Spanier aus "El Real de la Jara", die zwei Briten die das Smartphone verloren haben (er ging zurück und fand es nach 6 km wieder) und meine zwei Franzosen aus dem Kloster. Man trifft sich auf dem Weg eben mindestens zwei mal wieder.
    Mal sehen wie oft ich einige noch weiterhin sehen werde.

    Mein Motto heute: Glaube nicht alles was du siehst!
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