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  • Tag 14

    Radtour Pula

    14. Mai 2021 in Kroatien ⋅ ⛅ 17 °C

    Nach dem Regen der vergangenen Nacht ist der Himmel heute Morgen wieder ganz unschuldig blau, die Sonne strahlt uns schon beim Aufstehen entgegen und die sanfte Brise sorgt für den Frische -Kick. Aktivwetter. Nach dem Frühstück werden die Lieblingssachen gewaschen. Michael sorgt für die Wäscheleine zwischen den Bäumen. Handwäsche ist ganz schön anstrengend. Aber für eine ganze Maschine reicht es noch nicht. Übrigens ist die Waschmaschine hier mit einer Nutzungsgebühr von 7 Euro für 35 Minuten eine der teuersten Waschmaschinenfüllungen, die wir auf unseren Reisen bisher erlebt haben. Selbst in Skandinavien, das ja als "very expensive" gilt, haben wir nie mehr als 5 Euro bezahlt. Soweit zum maschinellen Waschen. Mit der Hand geht's auch. Jedenfalls für ein paar T-Shirts. Ist ja nicht so, dass wir keine mehr hätten. Aber eben die Getragenen sollen es wieder sein.
    Danach wollen wir eine Radtour machen. "Aber nicht sofort", meint Michael, "erst einmal vom "Wäscheschleudern" erholen". Ich habe ihn zum Auswringen der nassen Sachen eingesetzt. Nach einer angemessenen Zeit, die ich für mein Reisetagebuch nutze, frage ich vorsichtig wegen der Radtour nach.
    " Ich habe beschlossen heute mal Urlaub zu machen," bekomme ich als Antwort. Bedeutet soviel wie: "Ich beweg mich nicht aus dem Stuhl." Also Helm auf und allein auf die gut 20 km Tour, die ich extra für meinen etwas anspruchsvollen Mitradler so geplant habe, dass Schotter- und Geröllstrecken möglichst gemieden werden und keine gravierenden Steigungen den Fahrtgenuss beeinträchtigen. Zunächst fahre ich einmal um die gegenüberliegende Halbinsel. Es ist wunderbares Radfahrwetter und es macht richtig Spaß mit dem Rad entlang des Meeres zu radeln. Dann geht es durch den Wald. Darin verkommt gerade eine alte Ferienanlage aus ferner Vergangenheit. Die einsturzgefährdeten Häuschen sind mit Graffiti überzogen, mit Abfall gefüllt und gucken mich aus dunklen Löchern an, in denen früher die Fenster gesessen haben. Verfall und Schmutz, wohin ich schaue. Weiter geht's in Richtung Hafen. Von weitem grüßen schon die vielen Kräne, die abends beleuchtet werden. Das wollen wir uns unbedingt noch ansehen. Dann entdecke ich das Schild zum Römischen Mosaik. Gestern sind wir daran vorbeigefahren. Kein Wunder, denn das "römische Mosaik der Bestrafung Dirkes" liegt ganz unspektakulär in zwei Meter Tiefe zwischen einem Parkplatz und einem Wohnhaus. Und ist von einem Gitter umgeben. Es zeigt, wie Dirke zum Sterben vor einen wilden Stier geführt wird. Was immer sie auch gemacht haben soll, keine schöne Strafe.
    Auf dem Stück Straße entlang der Altstadt herrscht viel Verkehr und ich bin froh, als ich in etwas ruhigere Gefilde gelange. So zwischen den Autos ist es nicht angenehm zu fahren. Ich bleibe am Meer und in diesem Teil des Hafens ist eine kleine Marina untergebracht. Für die dicken Luxusjachten, von denen zwei im Wasser dümpeln, ist der Anleger allerdings viel, viel zu klein. Ich komme am Bahnhof vorbei, den ich mir allerdings für eine Stadt wie Pula viel größer vorgestellt habe. Da steht er, vom Meer nur durch Gleise und eine Straße getrennt unterhalb des Hügels Monte Ghiro.
    Er erscheint, so rosarot und mit weißem Stuck verziert und mit einer uralten Lok als Deko davor, als befände er sich im Dornröschenschlaf. Dabei war er, als Mitte des 19. Jahrhunderts Pula zum Hauptkriegshafen ausgebaut wurde, strategisch ganz schön wichtig und ans österreichisch- ungarische Schienennetz angeschlossen. Heute ist es eine Binnenbahn ins Landesinnere und nicht mehr mit dem kroatische Schienenneztz verbunden. Kurze Zeit später sagt mir mein Fahrradnavi, dass ich links abbiegen soll. Aber wo soll ich denn da hinfahren? Da ist doch gar kein Weg? Ein Weg nicht, aber ein Pfad, in dem ein Radfahrer verschwindet. Ich folge unauffällig, bis ich zu einer, na Bücke kann man das wahrhaftig nicht nennen, sondern ein paar verrottet Bretter überbrücken hier einen Zufluss zum Meer. "Augen zu, und hinüber," wäre die falsche Taktik in diesem Fall. "Augen auf, und auf die Löcher geachtet, " die entschieden bessere. Nach der Brücke befinde ich mich auf einem verwahrlosten Hof einer noch verwahrlosteren Werkstatt, die scheinbar noch in Betrieb ist. Und das soll mein Radweg sein? Entschlossen fahre ich weiter und siehe da, aus dem Pfad durchs Gebüsch wird ein geteerter Weg, der entlang des Meeres durch den Wald führt. Auch hier wieder verlassene und verfallene Gebäude. Kein Geld zur Sanierung. In weiten Teilen ist das Land heute deindustrialisiert. Die Arbeitslosigkeit ist mit 10% hoch. Die Gehälter in Kroatien gehören zu den niedrigsten in Europa. Das Durchschnittsgehalt liegt in Kroatien bei 6.190 Kuna (etwa 836 Euro). Die wichtigste Einnahmequelle ist der Tourismus, und diese Quelle hat jetzt schon die zweite Saison Corona versiegen lassen. Angesichts der Preise, auch für Treibstoff, frage ich mich, wie ein Normalverdiener überhaupt klar kommt. Nicht umsonst emigrieren so viele Kroaten. Das sind Gedanken, die mir so durch den Kopf gehen. Auch die wunderschöne Landschaft kann nicht von dem Verfall ablenken, auf den ich immer wieder aufmerksam werde. Über einen ziemlich matschig Wirtschaftsweg komme ich nach der Umrundung dieser Landspitze wieder zurück auf die Straße zum Hafen. Von dem führt mein Weg dieses Mal durch das Zentrum und dabei entdecke ich eine weitere Sehenswürdigkeit Pulas: den Sergierbogen, ein Überrest eines römischen Triumphbogens. Von dort aus geht es durch die Altstadt zurück nach Stoja, zum Wohnmobil zu Kaffee, Erdbeertorte und Strand.
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