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  • Day 16

    Lebensgeschichten

    April 13, 2021 in Germany ⋅ ☁️ 0 °C

    Im Raum ist es andächtig still. Die roten Sitzkissen sind im Halbkreis ausgelegt in dessen Mitte ein kleines Podest, umrundet von sanft flackernden Kerzen, ruht. Vorfreude und die Spannung einer sich ankündigenden Geschichte liegen in der Luft. Die Bewohner*innen der Villa sitzen zusammengedrängt da und sammeln sich innerlich zuhören zu können, sodass Olli schon bald mit seiner Erzählung beginnen kann. Es ist mein erster Abend dieser Art in der Villa, wie es sie hier regelmässig gibt und ich verspüre eine unglaublich Neugierde darauf, mehr über diesen wunderbaren Menschen in unserer Mitte zu erfahren. Sein Leben mit all seinen Facetten, Ausschweifungen, den Schatten aber auch den Lichtmomenten zu erleben und zu würdigen.
    Mitzufühlen und auch die Erfahrungen zu bezeugen, die Olli zu dem Menschen machen, den ich heute vor mir habe.
    Seine Geschichte nimmt mich in den nächsten zwei Stunden auf eine Reise mit, die mich komplett verschlingt. Ganz ungeschminkt erzählt er uns auch von jenen Lebensabschnitten, die von Schmerz, Trauer und Scham begleitet waren. Ich spüre sehr deutlich, dass Schatten und Abgründe, wenn sie akzeptiert und integriert werden, zu Kraftspendern werden können. Das sie uns als deutliches Signal dienen können aufzuzeigen, wie wir nicht Leben oder mit uns und anderen umgehen wollen. Und, dass daraus eine Klarheit entstehen kann, die dem Leben und der Lebendigkeit dienlich ist. Zu verstehen, dass ganau dieses Leid wichtige Schritte auf seinem Weg waren, ohne die er heute nicht hier wäre. Ohne die er jetzt gerade nicht in diesem Zustand der Befreiung ruhen würde. Olli hat durch seine Geschichte seinen ganz eigenen Weg gefunden. Zu sich selbst und auch zu jenen Dingen, die ihn wirklich nähren. Er hat es vollbracht, die Fesseln aus fremden Erwartungen und Glaubenssätzen, die ihn schon so früh im Leben gebremst und beengt haben, abschütteln. Hat der Welt und sich selbst verzeihen können, dass seine Vergangenheit nunmal so war, wie sie ist aber, dass die Zukunft in unserer Verantwortung liegt. Er hat trotz allen Schmerzen immer wieder eine Möglichkeit gefunden, sich selbst und allem um ihn herum, mit Liebe und Mitgefühl aufrichtig und ehrlich zu begegnen, statt sich in Vorwürfe und Konflikte zu verstricken.
    Seine Geschichte hat mich sehr berührt. Sie zeugt von Stärke und Wille, aber auch von Weichheit und Sanftmut.

    Ich stelle mit vor, was wohl geschehen würde, wenn wir alle einmal die Gelegenheit hätten, unsere Lebensgeschichte zu erzählen. Wieviel mehr Verstehen, Verbindung und Mitgefühl könnte daraus entstehen?
    Wie oft empfinden wir nur den Weg der vor uns liegt als wertvoll und vergessen die ganzen Schätze in unserem Rücken. Wie können wir wissen wohin wir gehen, wenn wir verdrängen und nicht würdigen woher wir kommen? Wie könnten wir glauben uns ohne unsere Vergangenheit jemals selbst verstehen zu können?
    Danke Olli, für deine Geschichte.
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