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  • Day 21

    Municipio Copacabana

    December 11, 2022 in Bolivia

    Wo sind wir gerade: Lago de Titicaca, Copacabana, Hostal Mio Posada

    Wofür sind wir heute dankbar:
    1. Eine warme Decke
    2. Die Regenpause zwischen 13 und 17 Uhr

    Tolle Dinge, die wir erlebt haben:
    Da muss jetzt etwas weiter ausgeholt werden. Die Schreibdisziplin lässt in ihrer Regelmäßigkeit etwas zu wünschen übrig. Nervt aber auch, wenn man sich da jeden oder jeden 2. Abend überlegen muss, was man alles gemacht und erlebt hat. Postkarten zu schreiben ist das gleiche Thema! Die haben wir jetzt seit 4-5 Tagen und haben erst 2-3 von 10 fertig. Sind wir mal ehrlich: Das Postkartenthema ist in jedem Urlaub akut und bleibt auch bis zum letzten Tag akut. Wenn man sie abschickt, kann man sich das Porto fast sparen und sie seinen/ihren Liebsten auch persönlich übergeben, wenn man sie das nächste Mal sieht 😊

    Zurück zum Thema Bolivien: Wir waren in Coroico. Dort sind uns auf dem Plaza immer die Jungs aufgefallen, die die Minibusse nach La Paz beworben haben. Es wurde sich mit beispiellosen Aneinanderreihungen der Silben „A“, „La“ und „Paz“ gegenseitig überboten. Wer lauter schreit und mehr Silben aneinanderreiht, bekommt den Bus am schnellsten voll: „ALaPaLaPaLaPaLaPaLaPaLaPaLaPaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaazzzz!!!“ Samy Deluxe wäre stolz! Als wir am Morgen des 7.12. wegwollten, war aber nicht so viel los mit ALaPaLaPaLaPaLaPaaaz. Unsere Herbergsmama, der wir 15 Minuten vorher noch Wohnung und Schlüssel übergeben hatte, trafen wir am Plaza wieder und sie vermittelte uns 2 freie Plätze in einem Minibus nach ALaPaLaPaz. Zum Local-Preis. Mega! Wir fuhren innerhalb von 2 Stunden wieder aus unserer Schlucht heraus und landeten 2.000 Höhenmeter weiter oben im Hexenkessel von La Paz. Da wir in Coroico für 20 € pro Nase und Nacht für unser Budget relativ dekadent residierten, entschieden wir uns in ALaPaLaPaz für das bescheidenere Skyline-Hotel mitten in der Innenstadt. Für 8 € p.P. waren wir dabei. Leider war die Butze ne richtige Butze: Das Bad stand noch unter Wasser, als wir reinkamen. Zudem registrierten wir 3 Fenster: 1x Glasbausteine in Richtung Flur, 1x Glasbausteine ins Nachbarzimmer, 1x zu öffnendes Fenster in eine Art innenliegenden Schacht mit Verdacht auf Frischluft, gepaart mit einigen würzigen Noten. Woher die kamen (also die würzigen Noten) bemerkte Dirk, als er an Tag 2 oder 3 das Zimmer lüften wollte und aus dem Fenster schaute. Der akustischen Ankündigung einer Klospülung aus dem Stockwerk über uns folgte ein um ca. 1-2 Sekunden verspäteter Flüssigkeitsschwall in den Schacht durch ein undichtes Abflussrohr. Das Fenster blieb danach dauerhaft geschlossen.

    Bei der Erkundung der näheren Umgebung machten wir einige Entdeckungen: In der Parallelstraße gab es ganz viele Trikots zu kaufen, die aber nicht aus Herzogenaurach kamen. Einfach göttlich! Dann haben wir den Hexenmarkt entdeckt. Da kann man tolle Pulver zur Steigerung der Potenz, zum Geldverdienen oder für die Vertreibung von bösen Geistern und Gedanken kaufen. Wer es damit total ernst meint, kann einen getrockneten Lamafötus kaufen, den dann opfern und verbrennen lassen und sich was wünschen oder seine Probleme lösen lassen. Um das nochmal klarzustellen: Da hängen keine Lamapfoten, sondern Föten. Also tote, ungeborene, getrocknete Lamas in verschiedenen Entwicklungsstadien. Völlig bescheuert, scheint hier aber ein Ding zu sein.

    Danach sind wir mit dem Teleferico gen Süden gefahren. Der Teleferico ist der neueste Schrei im vielfältigen öffentlichen Nahverkehrsnetz von La Paz. Eine österreichische Firma, die sonst i.d.R. Skilifte baut, hat in den letzten Jahren etliche solcher Lifte in La Paz verbaut, um als Ersatz für eine nicht existierende U- oder S-Bahn zu dienen. Mal im Ernst: Eine absolut geniale Geschichte! Oder wer hat schonmal ne U-Bahn ein einen Berg gesprengt und versucht, bis zu 1.000 Höhenmeter im 45- bis 75-Grad-Winkel zu überbrücken?? Da legst Du Dich in der Bahn doch nur auf die Fresse oder musst 34 Serpentinen hochfahren! La Paz braucht Skilifte! Und La Paz hat Skilifte! Wir fuhren also mit dem Skilift über 1-2 Hügel in den La Pazer Süden. Dort wohnen viele Bonzen und da gibt es einen Golfclub. Wer sich an das Golfdilemma von Cochabamba erinnert, kann sicher sein: Diesmal waren wir vorbereitet! Wir trafen uns mit Pablo. Pablo ist der Inhaber der Agentur „Golf and Tours Bolivia“. Er ist derjenige, der den gemeinen Pöbel gegen eine Gebühr auf dem Golfplatz von La Paz spielen lässt. Der höchstgelegene Golfclub der Welt auf 3.300 m. Wenn das nicht geil ist! Pablo erzählte uns was wir dürfen, nicht dürfen, müssen etc. Z.B. mussten wir bunte Polos tragen. Er hatte welche für uns. Und wir durften keine Jeans tragen, da hatte er zumindest eine Hose für Anna. Etwas klein, aber egal! Nach dem Briefing vorab, verabredeten wir uns für den folgenden Tag um 11:30 Uhr an der örtlichen Teleferico-Station. Da wir noch shoppen waren, um einige Sachen zu haben, sammelte uns Pablo vorm Einkaufsladen ein. Er fuhr mit uns zu einem Aussichtspunkt, danach zum Golfplatz. Pablo war dort früher anscheinend ein Angestellter. Er kannte das Personal, das für die Bewirtschaftung und Pflege der Anlage zuständig war. Er war etwas nervös, besorgte uns einen Caddy (braucht man dort als Gast) und wollte irgendwie schnell weg. Er ließ uns dann im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. Als Anna starten wollte, öffneten sich für 45 Minuten alle Himmelsschleusen und es schüttete in einer Tour. Dann ging es aber los und Anna versenkte an den ersten beiden Löchern 4 Bälle im links gelegenen „Moon Valley“, dessen Namensgebung angeblich auf einen gewissen Herrn Armstrong zurückzuführen ist (der mit dem großen Schritt für die Menschheit und nicht der mit den EPO-Spritzen, wobei der bestimmt auch mal für ein Höhentraining in La Paz war). Aus ist Aus! Das war das Motto! Normalerweise sucht man auf anderen Plätzen die Bälle, wenn sie nicht auf dem Fairway landen. In La Paz fallen sie in die Schlucht und sind weg. Anna wurde mit den geliehenen Schlägern immer besser und passte sich so dem aufklarenden Wetter an. Interessant: Durch den geringeren Luftwiderstand fliegen die Bälle hier viel weiter. Ein bisschen wie auf dem echten Mond.

    Nach dem Golf ließ uns Pablo in Richtung Downtown raus und wir gingen ins Beef & Beer. Dort aßen wir Beef und tranken Beer. Dann sind wir kurz vorm Hostel nicht ins Hostel, sondern in die direkt daneben gelegene Karaoke-Bar gestolpert. Wir haben 2 große Pacena bestellt und einen Hit nach dem anderen ins Mikro geschmettert. Alles was man sich vorstellen kann! Wir waren neben dem Barkeeper-DJ die einzigen Gäste und hatten Spaß bis Meppen!

    Am nächsten Tag strebten wir nach dem nächsten Punkt auf der Bucket-List: Dirk brauchte den bolivianischen Länderpunkt! Ein Unterfangen, das durch den Saisonabbruch in Bolivien und das parallel stattfindende Wüstenturnier wahrlich keine leichte Aufgabe ist. Nahezu alle Anfragen an Vereine und Verbände nach Spielterminen von Jugend-, Frauen-, oder Amateurspielen blieben unbeantwortet. Dann gab es aber die Facebook-Seite der Asociacion de Futbol La Paz, auf der in unzuverlässig unregelmäßigen Abständen Ansetzungen gepostet wurden. Dirk guckte sich einen Leckerbissen im „Cancha del Kilometro 3“ zwischen der (vermutlich) U17 von The Strongest und Corocoro aus. Da wir früh dran waren, sahen wir noch die 2. Halbzeit von Always Ready U17 vs. New Stars U17. Dann wurde es kurios. Always Ready gewann 8:1, hatte damit die Meisterschaft sicher und die Jungs von The Strongest waren umgezogen, die Reservisten saßen auf der Bank, die erste Elf stand auf dem Platz und ballerte ein paar Dinger aufs Tor. Die Schiris waren auch da, nur Corocoro nicht. Nach 15 Minuten beendete der Schiri die skurrile Szenerie, pfiff an und sofort wieder ab. Always Ready war noch da und holte sich den fetten Meisterschaftspokal ab. The Strongest bekam als Liga-Zweitplatzierter den kleineren Pokal. Alle waren froh. Wir auch. Selten so einen Blödsinn auf einer Tribüne verfolgt, aber der Länderpunkt ist eingesackt.

    Frag mal den Reiseführer nach Sehenswürdigkeiten in La Paz. Jeder sagt Dir: Fahr oder lauf einfach los und lass es wirken. Das haben wir gemacht. Wir sind geflasht, verzaubert, verhext und beeindruckt. An jeder Ecke gibt es was neues zu sehen und zu erleben. Ob mit dem Teleferico hoch nach El Alto, dem „wahren“ Hexenmarkt in El Alto, Tausenden Tonnen Obst und Gemüsen auf unzähligen Marktständen, dreckigen Müllbergen, Straßenhunden, freundlichen Menschen, Menschenmassen, Abgasen, leckerem Essen, nicht eingehaltenen Kühlketten oder Underground-Tanzgruppen. Es gibt an jeder Ecke was neues und es wird überall gewuselt. Da bekommt man vor lauter Eindrücken den Mund nicht zu. Als krönenden Abschluss gewann Dirk auf dem Weihnachtsmarkt eine orangene Schuhputzbürste. Danke, La Paz. Du bist eine der, wenn nicht sogar die verrückteste Stadt, in der wir jemals (gemeinsam) waren!
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