• Kulturhistorische Etappe

    July 7 in Germany ⋅ ☁️ 13 °C

    Die Übernachtung in Weißenstadt war grandios. Vom gestrigen Fuß- und Rücken-Aua sowie dem allgemeinen Zustand vollkommener Fertigkeit war acht Stunden später am Morgen danach keine Spur mehr. Wandershirt, Unterhose und Socken trockneten super über Nacht, sodass ich nach einer weiteren Dusche unstinkend frühstücken konnte. Na wen hatten wir denn da? Hallo, Hikerhunger! Die Essensvernichtungsmaschine lief nach drei Tagen mit insgesamt knapp 100 km auf Hochtouren und weg waren drei Gläser Orangensaft, zwei Tassen Kaffee, zwei Brötchen, ein Croissant, je vier Scheiben Wurst und Käse, einmal Nutella, einmal Marmelade, paar Scheiben Tomate, ein Apfel, eine Nektarine und eine Banane. Das tat ungemein gut! 😋

    Nach der überaus freundlichen Verabschiedung erwischte ich meinen Bus heute mal perfekt und gelangte wieder nach Röslau. Das Örtchen Grub war ausgeschildert, das mir gestern auf dem Umweg nach Weißenstadt das Gehirn zerstört hat. 🤣 "Wer anderen eine Griebe grubt, braucht ein Griebengrubgerut" - und das ganze mit durchgemischten Umlauten und Vokalen. Ja sorry, meine Dichtkunst - die viertschlechteste im Universum - setzt dem Fass hier wirklich die Krone auf. 🤭

    Egal, die Busfahrer waren echt cool drauf und in Röslau folgte ich bei Nieselregen dem Jean-Paul-Weg. Nein, nicht der Nuschel-Rapper, sondern der klassisch-romantische deutsche Dichter aus Wunsiedel mit Faible für Herrn Rousseau. Das ist der Grund, warum der gebürtige Johann seinen Namen frankophonisiert hat. Die Hinweistafel mit kurzen Auszügen und Limericks begeisterten mich. Ohnehin kann ich mit derlei Texten beim Wandern deutlich mehr anfangen, als im heimischen Elfenbeinturm. Durch häufiges Anhalten war ich zumeist langsamer unterwegs als gestern. Nach Röslau waren Bibersbach und Valetsberg die ersten Käffer des Tages, ehe ich in Wunsiedel kräftig Nachschub einkaufen ging. So hatte ich endlich mal nur 7 km bis 12 Uhr auf dem Tacho. 😁

    Dort war - tadaa - Stadtfest! 🤣 Großzügig umgangen, damit mich ja niemand als Sprengstoff-Schlepper verwechselt und im steilen Wald am Katharinenbrrg war ich wieder allein auf weiter Flur. Beeindruckend fand ich die St.-Katharina-Ruine und nun begannen die häufigen Trecker-Ausweichungen am heutigen Tag. Fünf- oder sechsmal hat mich so ein Teil überholt. Naja, nach einer riesigen Bundesstraßen-Auffahrt streifte ich Bad Alexandersbad und streckte mein Gesöff mit Heilwasser - es sollte mir nicht schaden. Ohne Kurtaxe abzudrücken lief ich weiter, fand einen schönen Unterstand zum Pennen und watschelte weiter durch den schönen Park vor Marktredwitz mit vielen einzeln aufgebauten Sportstationen. Hier landete meine Oma mit ihrer Familie nach dem Krieg, nachdem sie von den Polen aus Schlesien vertrieben wurden. Am Krankenhaus vorbei und hinter dem Bahnhof dann der erste Goldsteig-Zuweg, welcher mich dank Sperrung nicht zum Portal im Auenpark führte. Ich fand es trotzdem.

    Durch die Drei-Bogen-Brücke und erstmal kräftig Asphalt schrubben. Direkt unbeliebt gemacht durch die Selbstbezeichnung als längsten (660 km > 3.700 km?) und abwechslungsreichsten (Meer, Heide, Hochgebirge?) Qualitäts-Fernwanderweg Deutschlands. Nope, die Titel gehen an den NST. 😁 Dafür gibt es hier besonders hässlich konzipierte Schutzhütten aus EU-Mitteln. 🙄 Der Weg wurde vor und hinter Waldershof aber besser und nahm langsam Fahrt auf. Das taten auch entgegenkommende Mountainbiker. Einmal beim Selbstgespräch über den Wetterbericht ertappt, einmal mit 30 Sachen fast umgenietet worden und einmal knapp am Herzinfarkt vorbei. Bei wechselhaftem Wetter (Sonne, Wolken, Nieselregen) bis in die Abendstunden pausierte ich oft, aber immer nur kurz. Ich sah Überreste der Kurbayerischen Landesdefensionslinie ehe es auf schönen Trails weiterging.

    Es wurde immer später. In Walbenreuth gab es nix, in Kaltenlohe nur "feine Jagd- und Sportwaffen" und das Martktredwitzer Haus hatte zu. An der Ruine Weißenstein war ich - leider ohne Sonnenuntergang - ganz allein (die ist was für den Freestyla 😉), fand sogar im Bergfried einen ganz geilen Platz, aber ich hatte etwas Sorge, weil es zuvor ordentlich gewittert hat und ich ungerne unter dem höchsten Punkt liege. Bank fiel aus, es sollte nachts regnen. Die beiden Unterstände dort begeisterten mich ebenfalls nicht. Also einen Umweg zur Dreifaltigkeitskapelle gedreht und mal den Joker Gott für mich arbeiten lassen. 😉 Das tat er komischerweise auch. Hätte sicher auch hier bleiben können, aber mir fiel nach etwa 15 min ein Spot bei komoot ein - nämlich eine verwilderte Schutzhütte. 3 km entfernt, I take it. Second-Half-Turbo auf 6,2 km/h gestellt und nach 36 km insgesamt kam ich an diesem wunderhübschen Teil an. Es dauerte etwas, dann überwältigte mich aber die Freude. Das ist wahrhaftige Freude, weil es beim Fernwandern nur um meine Grundbedürfnisse geht und ich so eine perfekte Hütte genau in diesem Moment gebraucht habe. Die Verarbeitung dauerte bis 22:45 Uhr dann war ich weg vom Fenster.

    Song des Tages ist "She Doesn't Mind" von Sean Paul.
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