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  • Day 3

    3. Tag Saalfeldner Höhenweg

    July 5, 2023 in Austria ⋅ ⛅ 10 °C

    Den Tipp zweier Österreicher am Vortag, nicht den Normalweg (Eichstätter Weg) zur nächsten Hütte zu nehmen, beherzigte ich, nachdem der Wetterbericht bis 16 Uhr gutes Wetter voraus sagte. Zwar war mir klar, dass wenn Österreicher sagen: „Der Weg sei einfach“ man als Nicht-Alpenbewohner noch zwei Schwierigkeitsgrade drauf rechnen kann.
    Bevor es jedoch losging, war frühs um 6 Uhr bereits nicht mehr an Schlaf zu denken. Das Licht drang in den Raum ein und der erste Blick nach draußen war ein faszinierender Blick auf den Alpenhauptkamm, den keine Wolke trübte. Es lies mich nicht los und ich musste die Situation nutzen, um auf den 30 Minuten entfernten Sommerstein das herrliche Panorama anzuschauen.
    Ein einfacher Weg führte hinauf. Oben war bereits ein Gleichgesinnter von der Hütte, der ebenfalls das klare Wetter ausnutzte. Im Süden sah man die auftürmenden Berge der Hohen Tauern mit Großglockner, Großvenediger und den Gletschern, die sie umgeben. Auf der anderen Seite sah man über das Steinerne Meer (was man spätestens hier sieht, woher der Name kommt) bis zum imposanten Watzmann-Massiv in den Berchtesgadener Alpen.
    Nach einer Weile gingen wir wieder hinunter zum Frühstück. Die meisten packten es bereits kurz nach 7 Uhr. Auch so eine Besonderheit, denn wenn man, wie ich, um acht losgeht, gehört man schon zu den letzten und tatsächlich kamen die ersten Besucher bereits wieder an.
    Bevor es losging, verabschiedete ich mich noch von denen, die ich nicht mehr sehen sollte. Für die, die am Abend wieder im Ingolstädter Haus anzutreffen seien, reichte ein „Bis später“.
    Dann ging der aufregende Steig über den Saalfeldner Höhenweg los. Die ersten Meter über das Breithorn war noch ein gangbarer Pfad. Ab da begann es mit Seilen und Sicherungen über ausgesetzte Stellen zu gehen. Noch etwas unsicher, den Weg überhaupt in Angriff zu nehmen, verschwand der Großteil der Unsicherheit, als mich zwei Bergläufer im joggenden Tempo überholten, um die Hindernisse in einer Leichtigkeit zu überwinden.
    Vom Breithorn führte ein Grat zum Mittelhorn. Soweit ich die Erinnerung noch behalten konnte, war es kein besonderes schweres Stück. Vom Mittelhorn zum nächsten Gipfel, dem Äulhorn, sah die Welt schon anders aus. An einer glatten Wand, die mit einem Seil überspannt war, hatte man nur für seine Füße halt. Die Hände, so verstand ich die Vorgehensweise, müsse man am Seil halten und sich zurückfallen lassen, um sich dann nach links zum Ausgang des Hindernisses zu ziehen. Fazit: Ging gar nicht. Eine Blockade im Kopf verhinderte jeden weiteren Fortschritt. Gut muss ich im Nachhinein sagen, denn Leichtsinnigkeit ist kein guter Begleiter. Es ist die richtige Mischung aus Mut und Sicherheit zu finden. Überfordern sollte man sich nicht und zum Glück, war es möglich das Hindernis zu umwandern. Es ging zum vierten Gipfel und so langsam wurde es auch zur Geduldsprobe. Als ich den vierten und meiner Meinung nach letzten Gipfel erreichte, war ich glücklich und machte eine lange Pause in dieser schönen Umgebung. Komoot, meine Navigationsapp zeigte auf der Karte, dass es keine weiteren Anstiege mehr gäbe und ich vertraute darauf, an der nächsten Scharte einen Weg ins Tal zu finden. Das war eine Fehleinschätzung. Der Höhenweg sollte sich noch eine ganze Stunde hinziehen und es wurde kein leichtes, die Hindernisse mit fortschreitendem Tag zu überwinden. Was mich antrieb, war die Möglichkeit für eine mögliche Watzmannüberschreitung in zwei Tagen zu trainieren und ebenso, das Glücksgefühl, unten anzukommen und nicht mehr den Stress der Überquerung zu spüren. Ein Gefühl der Erleichterung, etwas geschafft zu haben und das auch zu genießen. Es sollte noch dauern, denn es war die Hälfte. Noch ein Anstieg, noch ein Hindernis, nochmal rückwärts hinabklettern, es zog sich.
    Zwischendurch kam mit einem 5 Meter breiten Grat ein kurzes Aufatmen. Keine Absturzgefahr und Anspannung durch das Halten am Berg, einfach kurz durchatmen. Das letzte Hindernis war ein Schacht, der 10 Meter nach oben ging, mit Seil und kleinen Felsvorsprüngen für die Füße. Nicht technisch schwierig oder kraftraubend, einfach vom Kopf her schwierig, denn darunter kam nichts mehr.
    Als dieses Hindernis dann auch überwunden wurde, war ich frei, frei für den Weg nach unten zur Weißbachlscharte. Und ich war über alles dankbar, unten angekommen zu sein.
    Eine junge Frau stand bereits an der Scharte und wollte wissen, wie der Höhenweg so ist, denn sie hatte sich auch schon überlegt da langzugehen. Super, dass ich ihr gleich von meiner Erfahrung berichten konnte. Nach der Beschreibung meinte sie nur, dass sie diesen Weg lieber in Begeleitung gehen würde. Für meinen Teil muss ich sagen, dass es mit einem der es kann durchaus seine Vorteile hätte, so musste ich mich an einigen Barrieren selbst ausprobieren und Mut zeigen, was durchaus auch schön ist, solange man mit beiden Beinen wieder gesund auf dem Boden steht.
    Es war noch nicht ganz zu Ende, den halben Eichstätter Weg musste ich jetzt noch bis zum Ingolstädter Haus gehen. Kein Problem, wenn es nicht so zuziehen würde. Es war 16 Uhr und Regen war gemeldet. Der steinige Weg war nach der Gratwanderung kein Problem mehr. Mit mehr Trittsicherheit und die Gedanken, nicht durch den Regen laufen zu wollen, machten mich zu einem schnellen Ausdauer-Bergsportler. Dennoch waren es immer noch 1,5 Stunden, die die Hütte ausgeschildert war. Im Hintergrund donnerte es bereits. Irgendwann begann es zu tröpfeln und es wurde stärker. Am letzten Schild vorm Ingolstädter Haus war die Unterkunft mit einer halben Stunde ausgeschrieben. Viel zu lange, denn wenn es auch nicht wie aus Eimern goss, war es kein angenehmes in dieser Höhe ohne schützenden Unterstand dazustehen. Ich musste eine Entscheidung treffen, ob hinknien und im Regen warten besser ist, als weiter laufen und möglicherweise vom Blitz getroffen zu werden. Schwieriges Bergwetter. Ich entschied mich weiterzulaufen und erreichte nach keinen 10 Minuten eine Hütte, in der ich mich unterstellen konnte. Es war das Ingolstädter Haus. Gerade noch rechtzeitig vorm durchnässt sein.
    Drinnen hielt ich Ausschau nach meinen Bekanntschaften vom Riemannhaus. Ich fand sie in der wieder sehr gemütlichen Gaststube. Aufgewärmt und abgetrocknet vom Regen, bot der Abend noch eine spontane Musik-Einlage. Wie man mir sagte, war es selbst nur ein Gast, der die Quetschn (Akkordion) in die Hand nahm und für sein Publikum einige Hits der österreichischen Volksmusik und des deutschen Schlagers spielte. Der Koch des Hauses begleitete mit zwei Löffeln, umfunktioniert als Schlaginstrument und der Wirt spielte auf seiner Tuba einige Töne passend zum Takt. Ein genialer Abend, in dem man schnell in eine andere Welt eintaucht, keinen Gedanken an gestern oder morgen verschwendet, sondern nur an das Hier und Jetzt denkt, hier, hoch oben in den Bergen.
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