• Ich habe am Morgen echt Schwierigkeiten, den Weg hinaus aus Najera zu finden. Irgendwie bin ich im Kreis gelaufen und wieder am Ausgangspunkt gelandet. Schiesslich finde ich in der Nähe der Kirche aber den richtigen Weg. Durch sehr schöne rote Felsen aufsteigend verlasse ich die Stadt.

    Es ist eiskalt heute Morgen. Reif liegt auf den Gräsern. Beim Gang über die Felder frieren einem fast die Hände ein. Gut, dass ich die Handschuhe, die ich wegen der Passage über die Pyrenäen eingepackt hatte, nicht nach Hause geschickt habe, so wie ich das eigentlich geplant hatte. Jetzt leisten sie mir nochmals gute Dienste.
    Es bläst ein eiskalter Wind. Die Sonne hat einfach noch nicht die Kraft, die Luft am Morgen aufzuheizen.

    Zum Weg führt heute erst eine Weile über geteerte Sträßchen. Das schmeckt meinen Beinen wieder mal garnicht. Später dann verläuft der Camino wie gewohnt auf geschotterten Feldwegen. Das ist besser. In Cirinuela und Ciruena konkurrieren die beiden Ortschaften wohl um den Wegverlauf. Es sieht für mich so aus, als würden die sich hier gehenseitig die gelben Pfeile übermalen.
    Heute zeigen die gelben Pfeile nach Ciruena in Richtung eines unschönen Neubaugebiets. Den Weg nehmen auch die meisten, bzw. nahezu alle Leute in meiner Nähe. In beiden Orten gibt's wohl eine Bar nebst einer Unterkunft. Ich nehme den etwas kürzeren Weg, durch Cirinuela. Für diese Dörfchen, bzw. für die Inhaber der Bars/Pensionen/Läden solcher Dörfchen ist es wohl existenziell, wo der Weg verläuft. Denn nur dort lässt sich etwas verdienen.

    Nicht in den Kirchen und Kathedralen, genau HIER an diesem Abzweig offenbart sich klar der Sinn und Zweck, den der Jakobsweg seit Jahrhunderten hat, sozusagen seine Grundintention: Es geht darum, eine strukturschwache Region in Nordspanien wirtschaftlich zu stärken und anzubinden. Das religiöse drumherum ist nur Mittel zum Zweck, um Leute dazu zu bewegen, hierher zu kommen.
    Von der Reconquista bis heute hat sich da nix geändert. Hier gibt es nichts zu verdienen, es sei denn an den tausend Pilgern, die durch die Landschaft ziehen.

    Nach einem letzen Ansteig ist von weitem die Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada zu sehen. In der Stadt endet heute mit einer Prozession die Fiesta zu Ehren des Patrons der Stadt, Santo Domingo. Leider bekomme ich vom gestrigen Fest nur noch die Aufräumarbeiten mit. So werden in den Strassen die riesigen Paellapfannen gereinigt und geschrubbt.
    Die das Fest abschliessende Prozession ist aber sehr schön: Vom Platz vor der Katherale aus zieht eine Gruppe Musikanten einmal im Ring um die Altstadt. Zur Musik tanzt eine Gruppe Jungs einen Tanz, der mich irgendwie an einen Schuhplattler erinnert.
    Den Musikanten und Tänzern folgen die Honoratioren der Stadt mit großen Fahnen. Auf diesen sind vermutlich die Familienwappen zu sehen. Der Zug endet wieder auf dem Platz der Kathedrale.
    Diese Rückkehr auf den Platz verfolge ich vom sehr sehr schönen Glockenturm aus. Weit hinein ins Land kann man von dort oben sehen. Als eine der dicken Glocken plötzlich leutet (die werden durch einen elektrischen Hammer angeschlagen) schrecke ich zusammen.

    Danach besuche ich die Kathedrale. Um die Stadt Santo Domingo de la Calzada dreht sich eine Legende, bei der die Unschuld eines armern Pilgers, welcher zu unrecht verurteilt wurde, durch das Wiederauferstehen zweier Hühner bewiesen wird. Aus diesem Grund befinden sich in der Kathedrale hinter Glas ein paar Hühner.
    Eine Holländerin versucht durch lautes gackern die Hühner ebenfalls zu einigen Äusserungen zu animieren. Das find ich irgendwie daneben. Ich setzte mich erstmal in eine Bank und lasse den Tag noch mal in Gedanken passieren.
    Mit meinem Bett habe ich heute leider Pech: In einem Raum von 40 Betten habe ich ausgerechnet das obere Bett direkt neben der Tür bekommen. Über mir prangt die Notausgangslampe, welche so hell ist, dass ich ohne Probleme etwas lesen könnte. Schlimm ist zudem, dass die Tür jedesmal mit Radau zufällt, wenn jemand zur Toilette geht. Das unangenehmste jedoch ist der extrem kalte Luftzug, der bei jedem Öffnen und Schliessen entsteht. Ich kann kaum ein Auge zu machen.
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