Bayerische Voralpen

September 2022 - April 2024
Von Benediktbeuern aus zu verschiedenen Touren am Alpenrand Read more
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    "Mekka" der Voralpen(Eine Gratwanderung)

    September 2, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 22 °C

    Endlich Urlaub und Reif für die Insel. Nach langem Zaudern entscheide ich mich dann doch gegen den Flieger. Zuviel Erfahrungsberichte von Kollegen bzgl. Flughafenchaos inklusive verschollener Koffer und verspäteter oder ausgefallener Flüge geben letztendlich den Ausschlag. Also bleibe ich mal wieder schön im Land. Jetzt heißt es nur noch Meer oder Berge. Die Wettervorhersage nimmt mir schließlich die Entscheidung ab und führt mich an den Alpenrand. Hat gleichzeitig den Charme, auf dem Weg dorthin einen Abstecher in die Pfalz zu machen und den WWW für 2 weitere Tage auf dem NST zu begleiten. Zwei sehr schöne Touren auf dem Pfälzer Weinsteig, von dem ich nun auch schon fast die Hälfte kenne. Danke auch hier nochmal an Dieter und Kai. Der Riesling Hiker war ja an Tag 1 auch noch mit von der Partie.

    Am Donnerstag führte mich dann der Weg weiter bis kurz vor die ersten Ü1500er. In Benediktbeuern hatte ich eine schicke Unterkunft gebucht. Benediktbeuern, da war doch was mit BonnGiorno und dem Nikolaus? Richtig! Nachdem die beiden im letzten Jahr die Gegend unsicher gemacht haben und mir das gesehene so gut gefiel, landeten einige ihrer Touren natürlich prompt auf meiner Liste. Das es nun schon dieses Jahr so weit ist sie abzuarbeiten, war eigentlich gar nicht geplant! 😅

    Als erste Tour habe ich mir lt. Beschreibung einen echten Klassiker der Bayrischen Voralpen vorgenommen. Es geht über den Heimgarten und einen sensationellen Grat bis auf den Herzogstand. Im Gegensatz zu BonnGiorno und Nikolaus starte ich nicht von Ohlstadt. Eine halbstündige Autofahrt führt mich zur Talstation der Herzogstandbergbahn an den Walchensee. Für schlappe 8 Euronen darf ich hier mein Fahrzeug abstellen! 😬

    Nachdem die Wanderstiefel geschnürt sind geht es los. Zunächst auf Asphalt entlang eines Bachs. Der Asphalt wird zum Forstweg und schließlich zum Steig, der mich nun gut 2 Stunden lang bis auf den Gipfel des Heimgarten führt. Die steilen Höhenmeter, im Laufe der Tour sollten es über 1.100 werden, stecke ich erstaunlich gut weg. Das „Trainingslager“ in der Pfalz zeigt offensichtlich Wirkung. Auf dem Parkplatz war der Aufstieg mit 2:45 h ausgeschildert. Als ich oben ankomme nutze ich die verbliebenen 30 Minuten für eine Erfrischung in der Heimgartenhütte. Diese ist sehr gut besucht und ich muss mit einem Platz in zweiter Reihe vorliebnehmen. Nachdem die Dame aus einer lustigen Dreiergruppe das Beweisfoto von mir gemacht hat, geht es weiter zum Gipfelkreuz. Hier entsteht das Panoramavideo.

    Das Wetter meint es sehr gut. Die Aussicht ist großartig, auch wenn es in der Ferne etwas diesig ist. Entsprechend voll ist es auf dem Berg. Momente der Stille sind eher selten und dann nur von kurzer Dauer. Vor mir liegt nun der Pfad über den Grat. Der führt erste mal wieder ein ganzes Stück nach unten. Nach einiger Zeit erreichen seltsame Laute mein Ohr. Singt da jemand? Einige Kurven weiter die Auflösung. Ein Anhänger des Islamischen Glaubens Singbetet im Gehen lautstark vor sich hin. Der ältere Herr war mir schon an der Heimgartenhütte aufgefallen. Erst als ich 5 Meter hinter ihm bin bemerkt er mich, macht höfflich Platz und singt einen Moment später weiter hinter mir her. Ich schaue das ich Land gewinne auf meinem Weg Richtung Mekka, ääähm Gipfel des Herzogstand.

    Diese Gratwanderung ist einfach unbeschreiblich. Den Gipfelpavillion des Herzogstand fest im Blick, schweifen die Blicke aber auch immer wieder zur Seite. Rechts der wunderbar türkisblaue Walchensee, links der kleinere Kochelsee. In der flachen Ebene der Voralpen auch gut erkennbar, der Staffelsee, daneben der Riegsee und in weiterer Entfernung das südliche Ufer des Starnberger Sees, davor die Osterseen. Ab der Hälfte wird der Weg etwas schwieriger, aber nie gefährlich. Einige Stahlseilversicherte Stellen, dienen mehr der Aufstiegshilfe.

    Am Gipfelpavillon des Herzogstand herrscht reges Treiben. Zu der Vielzahl an Wanderern die über den Grat gekommen sind, gesellen sich gefühlt doppelt so viele Bergbahnfahrer, immer gut erkennbar am „professionellen“ Schuhwerk! Ich glaube das ändert sich nie. Trotz des Trubels verweile ich noch sehr lange hier oben und genieße die Aussicht. Unzählige Gipfel bis in die Hochalpen erzeugen eine Traumkulisse. Drei Schautafeln im Pavillion erklären was man dort alles sehen oder vermuten kann. Die bekanntesten Namen sind natürlich die ca. 30 km entfernte Zugspitze, aber auch der Großvenediger (3.657 m) und der Großglockner (3.798 m).

    Irgendwann heißt es dann doch Abschied nehmen, auch wenn es schwer fällt diesen Ort zu verlassen. Der Weg hinunter zum Berggasthof Herzogstand wird zunehmend breiter und einfacher zu gehen. Kurz überlege ich noch auf ein Radler einzukehren. Das rege Treiben auf der hoffnungslos überfüllten Aussichtsterrasse lässt mich aber den geordneten Rückzug antreten. Der führt 1,5 Stunden, teils steil herab über wurzelfelsige Pfade, ähnlich denen wie ich sie beim Aufstieg zum Heimgarten vorgefunden habe. Nach fast 7 Stunden, davon 4,5 in Bewegung ist der Parkplatz an der Talstation Herzogstand erreicht. Was für ein großartiger Wandertag!!! 😃

    Das war nun meine dritte Gratwanderung in den Deutschen Alpen. Die Nagelfluhkette war schon fantastisch, ebenso die leichtere Überquerung vom Söllereck über das Fellhorn zur Kanzelwand zwischen Oberstdorf und dem Kleinwalsertal. Mein neuer Favorit steht jedoch seit heute fest! Und während ich das hohe Lied auf Heimgarten und Herzogstand anstimme, sitze ich auf dem Balkon meiner Unterkunft und schaue schon auf das nächste Objekt meiner Begierde...die Benediktenwand! 😊
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  • Day 3

    Folklore am Rabenkopf

    September 4, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 23 °C

    Unterschätze mir die Kleinen nicht! Eine Erfahrung die ich heute machen musste. Schaut man von Benediktbeuern auf die Alpenkulisse, fällt dieser bewaldete „Winzling“ Namens Rabenkopf (1.559 m) zwischen Jochberg und Benediktenwand gelegen, zunächst gar nicht weiter auf. Dass die Besteigung dieses "Hügels" mehr als ein großer Spaziergang werden würde war klar, aber was ich dann insbesondere auf den letzten 200 Höhenmeter durchleben sollte, hatte ich so nicht erwartet.

    Los geht’s vom Wanderparkplatz im Kocheler Ortsteil Pessenbach. In etwas über einer Stunde führt ein unspektakulärer Waldweg hinauf zur wunderbar gelegenen Orterer Alm. Der Streckenbelag wird dabei zusehends grobfelsiger und unangenehm zu begehen. Auf der Alm angekommen ordere ich Erfrischung in Form einer kühlen Johannisbeerschorle und lasse es mir auf der letzten übrig gebliebenen Schattenbank gut gehen. Das Essensangebot beschränkt sich auf Marmorkuchen und so entscheide ich mich mit der Nahrungsaufnahme bis zum Rabenkopfgipfel zu warten. Großer Fehler!

    Ich sitze gerade ein paar Minuten, da gesellt sich ein etwa gleichaltriger Mountainbiker zu mir auf die Bank. Die Almwirtin kommt, reicht ihm die bestellte Erfrischung, er kramt ein Buch aus seinem Rucksack und beginnt darin zu lesen. Ich überlege derweil welchen Weg zum Gipfel ich von hier einschlagen soll. Da ich zuvor mitbekommen hatte, dass es sich bei meinem Banknachbarn um einen Einheimischen oder zumindest Ortskundigen handeln muss, nehme ich mein Herz in die Hand und spreche den hochkonzentriert in sein Buch vertieften Bayern an.

    Der reagiert alles andere als grantig, muss aber auf meine Frage nach dem besten Weg auch passen. Jetzt traue ich mich was und haue BonnGiorno’s und meinen Lieblingsspruch in solchen Situationen raus: „Frage nie einen Einheimischen nach dem Weg!“ Er lacht und bestätigt mir, schon häufig genug die gleichen Erfahrungen auf Reisen gemacht zu haben. Er verrät mir etwas südlich von München sehr ländlich zu wohnen, dass er schon oft hier hochgekommen ist, aber dass es mit dem Rad nie weiter als bis zur Alm geht. Nachdem ich später den Gipfel erklommen habe, wird mir auch klar warum. Nun entwickelt sich ein kurzweiliges Gespräch über seine und meine Heimat, die Liebe zur Natur und die Geschehnisse unserer Zeit. Halt Gschichten, nicht aus dem Paulanergarten, sondern von der Orterer Alm. Irgendwann bemerke ich das ich schon viel zu lange hier sitze und verabschiede mich.

    Während der Zeit auf der Alm beobachtete ich wie Wanderer am Rande der Wiese einen Pfad steil hoch oder runter gingen. Diesen schlage ich nun ein und erreiche eine halbe Stunde später das große Kreuz mit schöner Aussicht auf dem Pessenbacher Schneid. Von hier führen nun 2 Wege auf den Rabenkopf. Ich behalte mir die Normaltroute für den Rückweg auf und schlage den Pfad über die Bergwachthütte steil hinauf zum Schwarzeck ein. Nach etwa 300 Metern merke ich wie meine Kraftreserven mich verlassen. Der Magen grummelt, die Beine zittern. Zum ersten Mal auf einer Wanderung mache ich Erfahrung mit einem Hungerast. Ein kurz hinter mir gehendes Paar mit zwei Hunden lasse ich vorbei, dann nix wie runter mit dem Rucksack. Seit dem Frühstück hatte ich nichts mehr gegessen und mittlerweile ging es auf 14:00 Uhr zu. Einen Riegel, eine Nektarine, etwas Trockenobst, ein kräftiger Schluck Wasser und einen längeren Moment ausruhen. Puuh! 🥵

    Dann geht es weiter, steil und immer steiler. Freiliegende Wurzeln dienen als Stufen und je näher ich dem Schwarzeck komme, desto ausgesetzter werden die Felsabschnitte. Das Trittmaß erreicht zeitweise Dimensionen eines halben Spagats und Stahlseile als Aufstiegshilfe sind Mangelware. Schließlich schaffe ich es dann doch hoch und lasse während ich das Video drehe erstmal meine Beine auszittern. So langsam kehrt die Kraft zurück. Die letzten 30 Höhenmeter wuchte ich mich problemlos über teils Seilversicherte Abschnitte hoch. Der kleine aber stolze Rabenkopf ist erklommen. Hallelujah! 😇😁

    Auf dem schmalen und Felszerklüftetem Gipfel befinden sich außer mir nur eine Handvoll Wanderer, u.a das Paar was mich zuvor überholt hatte. Ein Hoch auf die Gipfel, die nicht von Bergbahnen erschlossen sind! 👍 Die Aussicht ist wieder grandios, auch wenn der Walchensee von den höheren Nachbargipfeln verdeckt bleibt. Dafür ist heute sogar der Ammersee, 20 km westlich des Starnberger Sees zu erkennen und natürlich auch Kochel- und Staffelsee. In einem Kasten am Gipfelkreuz finde ich das extra für mich neu ausgelegte Gipfelbuch. Die Damen und Herren vom Gebirgs- Trachten- Erhaltungsverein waren wohl erst ein paar Stunden zuvor hier oben. Wer wissen möchte was ich da reingeschrieben habe, möge zeitnah dort vorbeischauen. Die Bücher scheinen sehr beliebt zu sein. 😄

    Plötzlich dringt von irgendwo gut hörbar Blechbläsersound ans Ohr. Zwei Madln fragen einen Buabn wo denn hier die Musi spuit? Jetzt wird’s auch noch zünftig! Eine gute halbe Stunde halte ich mich noch auf, dann geht es über die Normalroute wieder langsam runter vom Berg! Während im Abstieg die bewirtete Staffelalm ins Blickfeld rückt, erkenne ich viel weiter unten noch einen weiteren Hof. Dort herrscht reges Treiben und jetzt ist auch klar wo die Krachledernen Stimmungsmacher ihr Werk verrichten. Ein aus tiefer Brust erzeugter Jodler hallt durch die Berge und setzt dem folkloristischen Treiben das Sahnehäubchen auf. Das Auslegen eines neuen Gipfelbuches scheint offensichtlich ein besonderes Happening zu sein!? 😂 🤣 Heute aber kann mich nix mehr erschüttern!

    An der sehr idyllisch gelegenen Staffelalm mache ich lediglich Fotos, da ich mich auf dem Rabenkopf ausreichend gestärkt hatte. Sensationelle Pfade mit Wiesenreichen Ausblicken führen nun zurück zum Pessenbacher Schneid. Von hier geht es dann wieder zur Orterer Alm und über die bekannten, insbesondere Bergab sehr unangenehm zu laufende Schwerschotterpisten zurück ins Tal. Eine sehr anstrengende, aber auch sehr schöne Bergwanderung ist Geschichte. Blauweißer hätte ich sie nicht malen können!
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