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  • Day 30

    Im Polarexpress nach Antigua

    November 22, 2022 in Guatemala ⋅ 🌧 20 °C

    Um von Flores nach Guatemala zu reisen kann man entweder das überteuerte Flugzeug nehmen, oder man verhält sich mal wie ein richtiger Backpacker und bucht sich den Nachtshuttle. Der fährt einen um 9 Uhr abends innerhalb von 12 Stunden nach Guatemala-Stadt und von dort sind es dann nochmal 1,5 Stunden mit dem Kleinbus bis Antigua. So ganz Backpacker sind wir dann doch nicht und buchen uns die Business-Class mit etwas breiteren, zurückstellbaren Sitzen, damit wir die Garantie haben, auf der Langstreckenfahrt ein bisschen die Augen zuzumachen.

    Nach zahlreichen Busfahrten in Mexiko wissen wir, dass die Klimaanlagen in zentralamerikanischen Bussen schon mal gerne auf Hochtouren laufen. Das gepaart mit wenig Bewegung sorgt bei mir schnell für Kältezustände. Also trage ich zwei Leggings (eine davon gefüttert), ein paar dicke Socken, ein paar dünne Socken, ein T-Shirt, ein Longsleeve und eine Fleecejacke. Man kann sich ja immer noch zwiebeln. Kurz überlege ich, auch noch die Mütze anzuziehen, einfach weil es sich so besser schlafen lässt, aber dann lasse ich es bleiben. Wir haben schließlich sommerliche Temperaturen von 24 Grad.

    Kaum dass der Bus angefahren ist, fängt auch die Klimaanlage an zu laufen. Um 21.30 Uhr wird mir langsam kalt. Um 22 Uhr wird es unangenehm. Um 22.30 Uhr hat der Bus die Temperatur von der Fleischereiabteilung im Handelshof erreicht. Nach diversen Box- und Fahrradfahrübungen wird mir gegen 22.45 Uhr klar, dass ich diese Fahrt keine weiteren zehn Stunden aushalte. Ich befinde mich in einem geschlossenen Abteil, die Tür zum Fahrer ist ebenfalls verbarrikadiert und der Bus rauscht durch die dunkle Nacht wie ein Trockeneistransporter.

    „Was ist los, Amyli?“, fragt Joe, der von meinen anhaltenden Aufwärmungübungen wach wird.
    „Ich kann das nicht“, sage ich und halte meine Tränen zurück in dem Wissen, dass sie sofort zu Eis gefrieren würden, „Ich versteh’ auch nicht, wie andere Leute das aushalten können. Es ist einfach 5 Grad hier drin.“

    Einmal wach fällt Joe auch die gefallene Temperatur auf. Kurzerhand steht er auf, klettert herüber in meinen Sitz und breitet seine Fleecejacke über uns beiden aus. „So besser?“
    Viel besser. Erschöpft von der Kälte und der späten Uhrzeit fallen wir beide sofort in einen Tiefschlaf und werden nur wach, wenn wir merken, dass wir die Seiten wechseln müssen, weil unsere Gliedmaßen schwer werden.

    Irgendwann schaut Joe auf sein Handy und sagt: „Nur noch fünf Kilometer bis Guatemala-Stadt.“
    Noch nie war ich so erleichtert, eine Busfahrt zu beenden.

    Auf dem Weg zum Gepäckfach schubsen mich drei Leute aus dem Weg. Sie rempeln mich nicht an, sie boxen mich mitsamt Rucksack einfach zur Seite. Über ruckelige Straßen geht es in einem kleinen Shuttle weiter nach Antigua.

    Dort angekommen verkündet der verschlafene Rezeptionist, dass unser Zimmer erst ab 15 Uhr beziehbar sei.
    „Und da kann man nichts machen?“, frage ich.
    „Nein, die Leute checken erst um 12 aus und dann müssen wir die Zimmer alle sauber machen.“
    Nie im Leben checken alle Leute erst um Punkt 12 aus und nie im Leben dauert es 3 Stunden um ein einziges Zimmer für uns sauber zu machen. Wir sind müde, wir sind halb erfroren und wir wollen einfach nur duschen und schlafen. Verzweifelt wie wir sind lassen wir uns die Suite für 15 Dollar mehr pro Nacht aufquatschen. Der einzige Unterschied zum normalen Zimmer ist, dass es ein Bett mehr gibt und eine Badewanne. Dieses Bad ist die 45 Dollar mehr als wert.

    Später erfahren wir, dass wir scheinbar alles richtig gemacht haben. Denn als Joe unsere Wäsche weg bringt hört er, wie ein anderes Pärchen in der Lobby einchecken will und erfährt, dass ihr Zimmer noch nicht zur Verfügung steht. Da ist es 15.40 Uhr.
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