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  • Day 43

    Panama Stadt

    December 5, 2022 in Panama ⋅ 🌧 26 °C

    Die Abreise von Bocas del Toro erfolgt diesmal nicht per Motorboot, sondern mit der Propellermaschine. Etwas verwundert schauen wir auf unsere Bordkarten, denn es gibt keine Sitzplätze.
    „Setzt euch einfach hin, wo Platz ist“, sagt der Mann am Schalter.
    Gerade als wir zur Security gehen, ruft er uns hinterher: „Hey, wollt ihr vielleicht die frühere Maschine in 15 Minuten nehmen? Da ist auch noch Platz frei!“
    So landen wir etwa anderthalb Stunden früher in Panama als geplant.

    Panama-Stadt ist ein Mix aus allem: eine silberne Skyline aus Wolkenkratzern, eine bunte Altstadt, Küstenboulevard und wild bewachsene Berge im Hintergrund. Dazwischen tummeln sich amerikanische Ketten (u.a. eine der ältesten McDonalds-Filialen der Welt) und zahlreiche asiatische Restaurants. Die Stadt ist ein Sammelpunkt für alle kulturellen Einflüsse.

    Hauptgrund hierfür ist der Panama-Kanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Schon vom Flugzeug aus können wir die riesigen Schiffe sehen, die sich alle einreihen, um den Kanal zu durchqueren. Die Passage dauert etwa 12 Stunden und man spart sich die Rundfahrt um ganz Südamerika, was in etwa 3 Wochen dauern würde. Kein Wunder also, dass die Schiffe tagelang anstehen und bis zu 1 Mio. Dollar zahlen.

    Als wir den Kanal am nächsten Tag besichtigen, erzählt Dan, unser Guide, dass es die Franzosen waren, die mit dem Bau des Kanals begonnen haben, aber aufgrund von Malaria und Gelbfieber aufgeben mussten, nachdem sie etwa 22.000 Arbeiter verloren hatten. Die Amerikaner haben den Kanal ein Vierteljahrhundert später zu Ende gebaut, indem sie vorher mehrere Ärzte in die gefährlichen Regionen geschickt haben, um durch Straßenbau und ein Abflusssystem der Mückenplage Herr zu werden.

    Sechs Stunden am Tag fahren Schiffe von der Atlantikseite in den Kanal und passieren die Schleusen, dann wechselt die Fahrtrichtung und die Schiffe von der Pazifikseite dürfen passieren. Wir beobachten, wie ein riesiges Containerschiff, beladen mit Autos, in die Schleuse einfährt und angehoben wird.
    „Und, willst du auch mal durchfahren?“, fragt Joe.
    „Auf jeden Fall“, sage ich, „Aber auf einem Containerschiff.“
    Ich habe nämlich erstens wenig Lust, mich um einen Sichtplatz boxen zu müssen und zweitens stelle ich mir die Durchfahrt auf einem Containerschiff viel authentischer vor. Ich spüre, wie Joes Hand auf meiner Schulter aufschlägt. „Der Horst ist stark in dir.“
    Ich grinse, denn ich weiß, dass Joe mindestens genauso begeistert ist von der Technik und Präzision, die hier angewandt wird. Der Panama-Kanal ist ein modernes Weltwunder. Und der Beweis dafür, dass alle großen Erfindungen mit einer absurden Idee beginnen.

    Nachdem das riesige Schiff zentimetergenau durch die Schleusen gezogen worden ist, fahren wir weiter ins Casco Viejo, das Altstadtviertel Panamas. Farbenfrohe Häuser säumen hier die eng gepflasterten Straßen. Wir besuchen das Central Hotel Panama, in dem schon amerikanische Präsidenten geschlafen haben. Die Inneneinrichtung mit der ausladenden Holztreppe erinnert uns an die Titanic. Wir schießen Fotos, Joe ist aber schnell am WM Spiel interessiert, das in der Bar gezeigt wird und mein Blick fällt auf den großen, weißen Flügel.
    „Setz’ dich, setz’ dich, ich mach’ ein Foto!“, sagt Dan und ich setze mich auf den Hocker.
    Schon setzt sich ein Mann neben mich und zeigt mir einen Akkord, den ich spielen soll, um ihn zu begleiten. Zusammen spielen wir eine Melodie. Er spricht so schnelles, fremdes Spanisch, dass wir uns nicht austauschen können. Als er Halleluja von Leonard Cohen anspielt, stimme ich ein und übernehme die Hauptmelodie, während er auf die Begleitung überspringt. Wie wir beide so zusammen spielen wird mir klar, dass es andere Wege als Sprache gibt, um sich auszutauschen.

    Immer wieder wird der Tag von heftigen Regenschauern überdeckt.
    „Ich versteh’ nicht, woher dieser Regen kommt“, sagt Dan und schaut durch die Windschutzscheibe gen Himmel.
    „Oh, das ist unser Regen“, sagen wir, „Der verfolgt uns seit Costa Rica. Keine Sorge, morgen ist der weg.“
    Wir haben allerdings keinen Grund, uns zu beschweren. Denn in den Stunden, in denen die Sonne scheint, ist es weit über dreißig Grad. Da tut die Regenwasserdusche nahezu gut.

    Es gibt Orte, bei denen beschließt man schon früh im Leben, dass man sie sehen muss. Der Panama-Kanal war für uns beide so ein Sehnsuchtsort. Mit ihm haben wir das südlichste Ziel unserer Lateinamerika Reise erreicht. Wir haben weit mehr gesehen, als wir uns vorgenommen hatten, denn immer wieder haben sich überraschend Türen auf dieser Reise geöffnet. Wir haben Orte besucht, von denen wir nie gehört hatten und Menschen getroffen, die uns berührt haben. Wir sind reicher geworden. Reicher an Erfahrung, an Perspektiven, an Erinnerungen.

    Bevor wir uns in eisigere Gefilde verabschieden, genießen wir die Sonne in den kommenden Wochen noch einmal ausführlich in der Karibik. Welche Schätze wir da finden? Wahrscheinlich kein Gold, dafür aber sicherlich ein paar immaterielle Güter.
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