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  • Day 39–42

    Bonito

    February 4, 2023 in Brazil ⋅ ☁️ 28 °C

    Nach dem Mittagessen geht es auf nach Bonito. Die Fahrt dauert etwa drei Stunden. Kurz nach dem wir losfahren säumen vor allem Sojaplantagen die Straße. Nur ein paar Hügel, die aus der Ebene ragen sind noch bewaldet. Am Straßenrand wird auch weiter fleißig abgeholzt um mehr Platz für Soja zu schaffen. Bonito ist ein kleiner Ort in der Nähe der paraguayischen Grenze und hat sich in den letzten Jahren zu der Ökotourismusdestination Brasiliens entwickelt. Matto Grosso do Sul ist ein Agrarstaat. Fast alles Land ist privat und in riesige Fazendas aufgeteilt. Nur der Pantanal ist als UNESCO Weltnaturerbe staatlich geschützt. Rund um Bonito hat man in den 90er Jahren begonnen, die Farmer davon zu überzeugen Teile ihres Landes oder teilweise auch die ganze Fläche freiwillig zu privaten Naturschutzgebieten zu erklären. Dieser Schutzstatus gilt dann für immer. Und so gibt es rund um Bonito ein paar Inseln in der Sojawüste, die allerdings alle auf privatem Farmland liegen. Die Farmer verdienen ihr Geld nun mit der touristischen Nutzung. Es sind immer nur eine begrenzte Anzahl an Touristen pro Tag erlaubt um einen möglichst sanften Tourismus zu garantieren. Der Boden rund um Bonito ist sehr kalkhaltig. Es gibt daher viele Tropfsteinhöhlen, Karsttrichter (Dolinen) und durch die Filterwirkung des Kalks gehören die Flüsse rund um Bonito zu den klarsten der Welt. Insgesamt gibt es einfach sehr viel Wasser, da es große unterirdische Süßwasserspeicher gibt. Die einzelnen "Passeios" muss man über Tourveranstalter in der Stadt buchen, den Transport organisiert man selbst oder man bucht ihn wieder einzeln dazu. Den Eintritt bezahlt man direkt an die Farmer, eine kleine Kommission geht an die Agentur.
    Unsere Unterkunft liegt in einem großen Garten und direkt vor unserem Zimmer gibt es Papageien und Tukane. Als wir am ersten Morgen aufwachen geht vor der Tür die Welt unter. Es gießt wie aus Eimern. Da unsere erste Station eine Höhle ist, machen wir uns darüber erstmal keine Gedanken. An der Gruta do Lago Azul angekommen, stehen wir trotzdem vor verschlossenen Türen. Nach einem kurzen Disput über WhatsApp (was sonst) mit der Agentur buchen sie uns einen Ersatz. Die Gruta Catedral. Dort angekommen dürfen wir erstmal das skurrile Museum bewundern in dem ein chaotisches Sammelsurium aus Schreibmaschinen, Autos und sonstigem Kram ausgestellt ist. Nach einer langatmigen Sicherheitseinweisung geht es los in die Höhle. Der Rest der Tour wird dominiert von der Lieblingsbeschäftigung vieler Menschen auf diesem Kontinent: "Tirarse Fotos", also Fotos machen. Ich meine Fotos machen wir ja alle, aber hier hat das nochmal ganz andere Ausmaße. Alle werden in den unterschiedlichsten Posen und Konstellationen an derselben Stelle fotografiert. Geduldig nimmt unsere Führerin Handys entgegnen und schießt Fotos - auf jeder einzelnen Treppe. Wir anderen warten brav in der Schlange bis wir dran sind. Die Höhle, die man gut in 30 Minuten besichtigen könnte wird so zu einer 1, 5 Stunden (Tor)tour. Eine Familie - wir nennen sie Familie Instagram - ist besonders fleißig beim posieren. Auch ein paar Brasilianer:innen sind genervt. Am Schluss drängeln wir uns einfach vor um nicht wieder ewig an der letzten Treppe zu warten, wir wollen ja auch gar keine Fotos. Am Nachmittag haben wir die größte Doline Südamerikas "gebucht". Durch den Wald drumherum und die steilen Felswände ist sie ein ideales Brutgebiet für rote Aras. Von den Aussichtsplattformen sieht man große Schwärme und wenn sie plötzlich auffliegen ist das ein ziemliches Spektakel. Am nächsten Tag sind wir den ganzen Tag in der Serra da Bodoquena, einem kleinen Gebirgszug. Die insgesamt 8 km lange geführte Wanderung (alles ist hier nur mit Guide möglich) führt an mehreren Wasserfällen vorbei und unterwegs kann man immer wieder in dem extrem klaren Wasser baden. Der Hauptwasserfall ist leider wegen Regenmangel ausgetrocknet. An unserem letzten Tag gehen wir in einem der Flüsse schnorcheln. Der Weg dorthin führt über 18 km Schotterpiste und teilweise fühlt es sich an wie in einem Computerspiel, wenn man versucht die Schlaglöcher zwischen die Reifen zu bekommen. Ich rase schon mit 80 km/h über die Straße und werde trotzdem noch überholt. Links oder Rechtsverkehr ist egal, man fährt dort wo die Straße es zulässt. Das Ganze hat irgendwie Rallyfeeling und wir sind ganz froh ohne Platten und sonstige Schäden anzukommen. Insgesamt ist in Bonito, ähnlich wie auf der brasilianischen Seite der Iguazufälle, für meinen Geschmack alles etwas überorganisiert. An jedem Passeio gibt es einen aufwendigen Empfangsbereich mit Pool, Restaurant und Hängematten. Die Wege sind alle akkurat angelegt und alles streng reglementiert. So der richtig unmittelbare Kontakt mit der Natur fehlt irgendwie, aber es scheint genau dass zu sein was die Menschen wollen. Bonito ist ein sehr beliebtes Sommerferienziel für Menschen aus Brasilien und dem benachbarten Paraguay.
    Mein Freund fliegt am Nachmittag von Bonito nach Sao Paulo, ich fahre mit dem Mietwagen zurück nach Campo Grande um meine Schwester zu treffen. Auf dem Weg gibt es Sojaplantagen so weit das Auge reicht und in jedem Ort eine Bayerniederlassung. An den Feldern stehen Werbeschilder für das verwendete Saatgut und große Werbetafeln für Pestizide. Zu allem Überfluss fliegt auch noch ein pestizidsprühendes Flugzeug über die Straße. In regelmäßigen Abständen sind auf dem Grünstreifen neben der Straße kleine Camps zu sehen die im vorhinein durch Straßenschilder angekündigt werden. Die Hütten bestehen nur aus ein paar Latten und großen Plastikplanen. Irgendwann verstehe ich, dass es sich um Camps indigener Communitys handelt. Der Streifen neben der Straße ist das einzige Land, das nicht in Privatbesitz ist. Irgendwie hinterlässt Bonito einen schalen Geschmack bei mir, auch wenn die erhaltenen Flecken Natur wirklich sehr schön sind.
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