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  • Day 55

    La Serena

    December 26, 2016 in Chile ⋅ ☀️ 21 °C

    Die Fahrt nach „La Serena“ war trotz der Tatsache, dass es erst um kurz vor 2 in der Nacht losgehen sollte, fast ausgebucht. Unmengen von Menschen mit großen Tüten voller Geschenke fuhren an diesem Abend durchs Land. Wir schliefen nur leidlich, wie immer in den Nachtbussen, wenn wir uns die Liegesessel nicht leisten können.
    Als ich morgens aufwachte, war der Bus deutlich leerer geworden. Silke und ich konnten nun zusammensitzen. Im Vorfeld hatten wir nur noch zwei Plätze links und rechts vom Gang ergattern können.

    In La Serena hatten wir uns ein Hostel in der Nähe des Strandes ausgesucht und wurden von einem Taxifahrer dorthingefahren, der dachte, es sei für uns einfacher sein Chilenisch zu verstehen, wenn er ganz langsam und mit abgehackten Silben sprechen würde. Dazu muss man wissen, dass die Chilenen zwar auch Castilianisch sprechen, aber eine sehr eigene Interpretation gefunden haben. Sie verschlucken manchmal ganze Worthälften und weigern sich das „S“ am Wortende auszusprechen. Aus „los dos“ wird „lo do“, aus „gracias“ „gracia“ und das ganze wird dazu noch so ungemein schnell gesprochen, dass zeitweilig noch viel mehr verloren geht, etwa bei „graia“ (wer hat es erkannt?). Daneben verwenden sie Begriffe, oftmals entlehnt aus nativen Sprachen, die in keinem anderen Land von Südamerika bekannt sind. Einen kleinen Einblick findet Ihr hier:
    https://www.youtube.com/watch?v=k440LyK7xeo

    Dementsprechend ist es nicht sehr hilfreich, wenn man um hilfreich zu sein, die einzelnen Siblen überbetont. Wir brauchten eine Weile, um uns an die neue Sprachbariante zu gewöhnen. Umso erstaunter waren wir, als wir in unserem Hostel auf Franzosen trafen, die sich fließend mit unseren Gastgebern unterhalten konnten. Das Hostel gehörte einem älteren Ehepaar, mit dem wir auch am Weihnachtsabend zusammen aßen. Insgesamt waren wir dabei zu siebt. Die Franzosen, das Besitzerehepaat, wir und die kolumbianische Hostelangestellte, die auch dort wohnte. Wir glauben, dass die Besitzer uns alle an einen Tisch gebracht haben, um es gemütlich für ihre Angestellte zu machen, die die Festtage offenbar ziemlich weit weg von Zuhause verbringt.

    Ganz im Allgemeinen waren die Besitzer, insbesondere die Frau, allerdings etwas zerstreut. Als ich mir am nächsten Morgen Brötchen aufbacken wollte und beim Versuch den Gasherd anzuzünden einen Großteil meiner Unterarmbehaarung verloren habe, hat sie wie wild versucht mir zu helfen. Dazu hat sie aufgerollte Servietten angezündet, die sie dann in den Gasherd gehalten hat. Mit wenig Erfolg, es hat sich nämlich immer nur eine der Gasleisten anzünden lassen. Dauerhaft gebrannt hat keine. Bei diesen Experimenten sind auch mehrfach brennende Serviettenstücke auf den Holzfußboden gefallen, die ich versucht habe, ganz dezent und unauffällig auzutreten. Das Ende vom Lied war, dass ich die glutenfreien Brötchen, die ich einen Tag zuvor in dem gigantischen Supermarkt nahe des Busterminals gefunden habe, in einer Art Pfanne aufgebacken habe.

    Den Tag über verbrachten wir, indem wir etwas in der ausgestorbenen Stadt herumliefen. Für die Chilenen ist nicht Heiligabend, sondern der erste Weihnachtsfeiertag der Entscheidende und so hatte alles bis auf ein paar verloren wirkende Ständte auf einer Art Weihnachtsmarkt geschlossen. La Serena ist die zweitälteste Stadt Chiles und verfügt daher über ungemein viele Bauwerke aus der Kolonoalzeit. Einer der berühmtesten Söhne der Stadt ist der Tangosänger Pepe Aguirre, obwohl der Tango historisch gesehen nicht viel mit Chile zu tun hat.
    https://www.youtube.com/watch?v=lI734xXr1C8

    Den Tag darauf wanderten wir am Strand entlang nach Coquimbo, das fließend aus La Serena hervorgeht und auf der anderen Seite der Bucht liegt. Man muss sich das Ganze wie ein Hufeisen vorstellen, dessen eine Hälfte La Serena und dessen andere Coquimbo ist. Von den Franzosen wurden wir etwas vorgewarnt. Coquimbo habe etwas bedrohlich auf sie gewirkt. Es ist tatsächlich keine schöne Stadt, so richtig gefährlich kam es uns aber nicht vor. Die einizigen Sehenswürdigkeiten im Ort sind wohl das „Kreuz des dritten Jahrtausends“, das hoch überdie Stadt hinausragt: http://www.chilereisen.at/Fotos1/DSC_0122Lo2_Co…
    ...und die Mosche, die in einer Kooperation mit dem Königreich Marokko gebaut und der Mosche auf dem Djemaa el Fna („Platz der geköpften“) in Marrakesch nachempfunden wurde:
    http://www.nomadicchica.com/mosque-in-coquimbo-…
    Außerdem sollen hier manchmal Seelöwen auf den Straßen anzutreffen sein. Wir sind aber leider keinen begegnet.

    In einem kleinen Kaffee hatte ich die Gelegenheit mich etwas länger mit einem Angestellten zu unterhalten, der ziemlich begeistert von Deutschland war. Im Gegensatz zu vielen Orten der Welt, hat Deutschland in Chile einen ausnehmend guten Ruf.

    Am Abend dann holten wir unser Weihnachtsessen nach, dass wir eigentlich a Heiligabend geplant hatten. Wir aßen Sushi in einem Restaurant an der Strandpromenade, von wo aus wir den Sonnenuntergang über Coquimbo sehen konnten.

    Den letzten Tag verbrachten wir im kleinen japanischen Garten von La Serena und mit einem guten Buch am Strand. Zum Schwimmen es ist hier, zumindest für uns, eindeutig zu kalt. Der Humboldstrom zieht von der Antarktis hier herauf und macht die Westseite Südamerikas zu einem weniger guten Badeparadies als seine Atlantikküste, die zum Teil vom warmen Brasilstrom versorgt wird: https://de.wikipedia.org/wiki/Meeresströmung#/m…

    Ich habe es, nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit gebraucht habe, endlich geschafft, die Biografie von Che Guevara auszulesen. Geschrieben wurde sie von Jon Lee Anderson, der extra für sie für einige Jahre mit seiner Familie nach Kuba gezogen war. Sie ist wirklich sehr zu empfehlen. Da ich durch sie noch mehr Lust auf „südamerikanische Persönlichkeiten“ bekommen habe, habe ich abends noch mit der Serie „Llámame Francisco“ („Call me Francis“) über Jorge Bergoglio angefangen und mir die anderen Folgen für die nächsten Tage im Valle de Elqui runtergeladen. Als nächstes ist dann Pablo Escobar dran.
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