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  • Day 2

    Abenteuer

    May 12, 2019 in Spain ⋅ ☀️ 27 °C

    Der gestrige Marsch entlang eines schnurgeraden Weges in der prallen Sonne und brennender Hitze ohne Bäume, Büsche und Schatten entsprach eigentlich ziemlich genau dem, was ich mir unter der Via de la Plata vorgestellt habe. Ich wusste, dass der Weg landschaftlich nicht an den Camino del Norte herankommen würde, aber das war mir auch nicht so wichtig.
    Umso positiver wurde ich auf der heutigen Strecke überrascht. Nach einigen Kilometern der Hauptstrasse entlang bog man ein und landete praktisch mitten in den Olivenbaumplantagen. Hie und da ragte ein riesiger Kaktus empor, wie man es sich in diesen heissen Gebieten vorstellt. Nach einigen weiteren Kilometern betrat man eine "Weide". Der Boden war zum Teil sandig, zum Teil mit Gras bedeckt. Bäume und Sträucher zierten den Wegrand. Die Strecke war wunderschön, mir blieb der Mund nur noch offen stehen. Als dann noch ein feines Lüftchen ging, war alles perfekt.

    Heute konnte ich entweder 18 oder 48 km machen. Auch wenn ich mir die 48 mittlerweile zutraue, habe ich doch noch ziemlich Respekt vor der Hitze und so blieb es dann bei den 18 km. Das hiess dann leider auch, dass ich (trotz Trödeln auf der Strecke) bereits um 12 Uhr im Dorf ankam. Sogar die Herberge öffnete erst um 13 Uhr, das ist mir jetzt also noch nie passiert! Also ass ich noch was zu Mittag und telefonierte nach Hause. Nach dem Bett beziehen liess ich mir ordentlich Zeit mit Duschen, Kleider waschen etc.

    Irgendwann setzte ich mich mit einer meiner Orangen (ich esse momentan nur noch Orangen, weil ich 5 geschenkt gekriegt habe und die viel zu schwer sind im Rucksack!) an den Küchentisch, wo ein älterer Norweger sitzt. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir von seiner Reise. 5 Wochen lang sei er bereits mit dem Fahrrad in Marokko unterwegs gewesen, jetzt macht er Spanien und danach noch Frankreich. Nur schon das finde ich eine beeindruckende Leistung, ich schätze ihn auf ca. 75 Jahre. Irgendwann stellt sich dann heraus, dass das für ihn mehr so eine Luxusreise ist, denn der war schon so ziemlich überall mit seinem Fahrrad. Für den Rest des Abends unterhielt er mich mit seinen Abenteuergeschichten. Er erzählt mir davon, wie er es illegal über die Grenze von China nach Tibet geschafft hat, wie er in Kolumbien ganz knapp den Guerillakämpfern entwischt ist, wie er in der Karibik auf einem Segelboot einen Monat mit seinem Freund gefangen war, wie er sich in Nepal fast die Finger abgefroren hat, wie er auf die Vulkane Südamerikas kraxelte, oder wie er sein Fahrrad im Sudan auf einen Güterzug lud und damit durchs Land fuhr. Unglaublich! Besser wie jedes Buch, besser wie jeder Film! Ich sass nur noch mit offenem Mund da. Und ich dachte der Camino sei ein Abenteuer. Das fühlt sich plötzlich alles so sicher an hier! Nein, der Camino ist Urlaub, das Risiko ist hier eigentlich gleich null.
    Spass machts ja aber trotzdem, deswegen freue ich mich jetzt auf Morgen und hoffe auf einen abenteuerreichen Tag!
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