Satellite
Show on map
  • Day 2

    Zweiräder, Kafka, Çerný und Aufbruch

    July 27, 2023 in Czech Republic ⋅ ☁️ 21 °C

    Nach einem gemütlichen und sehr leckerem Frühstück in der Unterkunft ging es erstmal zu Fuß über eine der vielen Brücken Prags zu einem Treffpunkt, der ziemlich versteckt und urig verwinkelt lag: Eine kleine Organisation, die Fahrräder verleiht und (E-bike)Touren anbietet. Dasha, die junge Tourguide begrüßte mich herzlich. Ein schöner Zufall war, dass die Tour (sie nehmen ohnehin nur max. 8 Personen mit auf die Fahrradtouren) nicht ausgebucht war. So machten Cathy und David (ein Ehepaar aus Utah und Texas), Stephanie und Kevin (ein Ehepaar aus dem State New York), Dasha und ich uns auf eine wirklich tolle Fahrradtour durch Prag! Ich habe während der Tour den Tracker laufen lassen, so könnt ihr die ca. 20km lange Strecke nachvollziehen. Dasha kommt ursprünglich aus Kaliningrad und gibt Stadtführungen seit sie 15 ist, mit ihren Eltern ist sie nach Tschechien ausgewandert und studiert nun Jura in Prag. Natürlich hatte sie viel Wissen über die Standorte, an denen wir hielten, da wir nur so eine kleine Gruppe waren, ergaben sich aber auch andere Gespräche. Sie war z.B. sehr politisch interessiert und erzählte uns wie groß die Solidarität Tschechiens mit der Ukraine ist. An jedem öffentlichen Gebäude flattert auch die ukrainische Flagge. Sie erzählte auch, dass die letzte Wahl in Prag ein absoluter Umbruch war: Die Kommunisten sind abgewählt worden, stattdessen wurde ein "junger Mann mit dreadlocks" von den Piraten gewählt, wie sie meinte. Überwiegend seien die Prager Atheisten, wenn sie religiös sind, dann meist Buddhisten. Historisch gesehen, gab es früher viel Austausch zwischen den kommunistischen Ländern, so ist heute die Tschechisch- Vietnamesische Verbindung deutlich in Prag zu sehen. Es hat sich sogar eine eigene hybrid Cuisine entwickelt - passend für eine Vegetarierin, die authentisch essen möchte ;-).
    Von alten Mühlen und Berichten über die Künstlerszene, zu einigen von Çernýs Kunstwerken (u.a. gruselige Babies ohne Gesicht, ähnliche Figuren krabbeln auch den Fernsehturm hoch), zur John Lennon Wall und Widerstand in der Kunst ("die Prager sind sehr offen, wollen raus aus Einheitlichkeit und wollen die Individualität"), zum ersten Crowd Funding (durch Bürger*innen finanziertes Theater, wo Tschechisch gesprochen wird, passte den Habsburgern nicht, die brannten es ab, die Bürger*innen bauten es einfach neu), zur Karlsbrücke (Bedeutung des Mannes und der Brücke für Prag), zu Flutkatastrophen (Deutsche historische Marker, neben tschechischen neuen, fast die ganze Stadt hat nun eine in den Boden eingelassene Flutmauer entlang der Moldau), zum Hauptplatz (historischer Ort-- Prager Frühling), zum Kafka Museum und "men (=Russland und Deutschland) taking a piss about Czechia", zur Wetterstation am Klementinum (hier üben auch die Studierenden der Oper), zur Bücherei mit einem besonderen Bücherturm), zum jüdischen Viertel und der Synagoge (rieeeeesiges Gelände auf engem Raum!), zur astronomischen Uhr auf dem alten Marktplatz (fun fact: sie hatte seit Inbetriebnahme nie still gestanden, an dem Tag, an dem Franz Kafka starb, blieb sie zum ersten Mal stehen und konnte erst 9 Tage später wieder zum Laufen gebracht werden), ging es dann hinauf (seeehr steile Straßen) zum Prager Schloss. Die Ausblicke auf die Stadt waren super schön! Und die Tour entlang des Parks machte richtig viel Spaß!
    Mit einer rasanten Fahrt hinab ging es dann mit nur wenigen weiteren Halten zurück zur Fahrradwerkstatt. Da die Bremsen meines Fahrrads nicht wirklich funktionierten und die Abfahrt extrem steil war, schoben wir ein gutes Stück 😁
    Unten angekommen, gab es ein gekühltes Bier für jeden und Dasha musste los zu ihrer nächsten Tour, empfahl uns aber noch ein gutes Lokal fürs späte Mittagessen. Kevin, gebürtiger Neuseeländer und gerade in Rente gegangen("hmmm... Mai, where are you from? You are not English, are you Australian?") und Stephanie (arbeitet mit autistischen Kindern und ist schon seit 4 Wochen in Europa, in einer Woche geht's nach Hause), fanden es selbstverständlich, dass wir gemeinsam lunchen. Witzigerweise schlossen sich David und Cathy später an und so hatten wir eine richtig schöne Zeit. Kevin erzählte von einem Jazzworkshop am Abend, als er hörte, dass ich diese Musik mag und Stephanie fragte, ob ich sie nicht begleiten wolle, da sie kein so großer Fan sei und sich freut, wenn musikalische Verstärkung da sei.
    Wir trennten uns also für den Nachmittag (für mich gab's nen Kaffe im "Louvre", hier haben auch Franz Kafka und Albert Einstein regelmäßig gespeist), ausruhen in der Unterkunft und nen Stadtbummel. Der Abend wurde lang, aber lohnenswert: Im JazzDock kamen renommierte Jazzmusiker und Musikerinnen zusammen (Kontrabass, Lateinpercussion, Saxophone, Gitarre, Klavier, alles was man braucht) und jammten zusammen mit ihren Studierenden! Richtig gut! Kevin und Stephanie erzählten mir von ihren Erlebnissen in Slowenien und zum Abschluss gab's ein Selfie.
    Fazit: Prag hat richtig viel zu bieten und die Zeit war zu kurz. Bemerkenswert finde ich, wie gut alles erhalten ist und vor allem gepflegt wird. Fortschrittliche Straßenschilder gibt es auch! :-)
    Read more