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  • Aufstieg für den Weitblick

    September 29, 2023 in Turkey ⋅ ☀️ 23 °C

    Zeitig sind wir auf den Beinen und frühstücken in in unserem Hotelzimmer. Mit leichtem Gepäck stiefeln wir anschließend zur nahegelegenen Bushaltestelle. Eine knappe Dreiviertelstunde stehen wir einigermaßen dicht gedrängt im Bus und rollen auf Ankara zu. Heute und morgen wollen wir uns die Stadt ansehen. Weil es deutlich angenehmer und praktikabler ist, planen wir etwas, was wir so vorher noch nie getan haben: Um die Zeit in der Stadt bestmöglich ausnutzen zu können, werden wir zusätzlich zu unserem Hotelzimmer in Esenboğa, welches wir bis Sonntag gebucht haben, eine weitere Unterkunft in der Stadt mieten. Im Zentrum angekommen begeben wir uns also zunächst auf Hotelsuche. Wir beziehen schließlich ein schickes Zimmer im 5. Stock mit überdimsionierter Terrasse und tollem Blick auf das Atatürk Mausoleum. Nach kurzer Verschnaufpause mit ersten Überlegungen zur Tagesplanung stürzen wir uns ins Getümmel. Ankara ist seit 1923 die Hauptstadt der Türkei und mit 5,7 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Eingebettet in schroffe Bergkuppen, was uns bei der Einfahrt mit dem Bus eher überrascht, hat sich Ankara als kulturelles und politisches Zentrum der Türkei zu einer modernen Großstadt entwickelt.
    Das Stadtbild präsentiert sich traditionell und modern zugleich. Imposante Hochhausbauten wechseln sich ab mit ziegelgedeckten kleinen Häusern in den Altstadtbezirken, historischen Moscheen und den üblichen Märkten. Hoch oben auf dem Burgberg weht die türkische Flagge im Wind. Und weil wir große Freunde der Vogelperspektive sind, zieht es uns zuallererst an ebendiesen Ort in luftiger Höhe. Der Weg wäre auch als Spaziergang problemlos machbar, angesichts der eher unattraktiven Strecke lassen wir uns aber dekadent von einem Taxi auf den Hügel chauffieren. Die imposante Burg oder auch Zitadelle von Ankara ist eine historische Festung, deren Geschichte bis in die Römerzeit zurückreicht. Das genaue Datum des Baus ist unbekannt, dennoch gilt die Zitadelle als der älteste Teil von Ankara, was wir sehr gut nachvollziehen können, während wir von den Befestigungsmauern den Blick über die Stadt schweifen lassen. Der Ausblick ist nicht nur herrlich, er zeigt auch sehr gut die Entwicklung der städtischen Expansion auf. Historisch diente die Zitadelle dank ihrer strategischen Lage sowohl der Verteidigung als auch der Besiedlung. Sie erfuhr eine Teilung in die Innen- und Außenstadt. Die Mauern der Innenstadt sind noch fast vollständig erhalten, wovon wir uns bei einem Spaziergang durch das Burgareal überzeugen können. Eines der frühesten Wohngebiete liegt hier im Inneren der Mauern und ist bis heute bewohnt. Viele traditionelle Restaurants, Antiquitätenhändler, Teppich-Verkäufer und verschiedene Stiftungen sollen an diesem Ort dazu beitragen, die türkischen Traditionen am Leben zu halten. Wir lassen uns durch die belebten Gassen treiben und kehren für Tee und Kuchen im recht kultig wirkenden Grammophon-Café ein.
    Nachdem uns der Blick über die Stadt so gut gefallen hat, würden wir an diesem Ort gerne auch den Sonnenuntergang bestaunen. Die Zeit bis dahin wollen wir nutzen, um im Rahmen eines Spaziergangs durch die Stadt unser Hotel aufzusuchen, damit Heiko seine im Zimmer vergessene Kamera holen kann. Wir bewegen uns also hügelabwärts und erreichen bald mit Haci Bayram eine weitere Sehenswürdigkeit von Ankara. Haci Bayram ist der Name eines Stadtviertels und einer 600 Jahre alten Moschee im Zentrum von Ankara. Die Moschee ist eines der ältesten Bauwerke aus der frühen osmanischen Zeit in Ankara. Direkt neben der Moschee stehen die Ruinen eines 25 v. Chr. erbauten römischen Augustustempels, der später zu einer byzantinischen Kirche umgewandelt wurde. Mit nur zwei Mauern und einer noch intakten Tür liegt der Ort größtenteils in Trümmern, wird aber wohl für seine Inschriften aus der Römerzeit geschätzt, die die Taten des römischen Kaisers Augustus darstellen. Für eine gebührende Wertschätzung sind wir dann allerdings doch zu sehr Banausen...! Wir verschnaufen auf einer Bank im Schatten und verwerfen die Idee, bis zum Hotel zu laufen und die Kamera zu holen. Die Aktion würde womöglich in Stess ausarten und selbigen gilt es ja bekanntlich zu vermeiden. Wir begeben uns stattdessen auf direktem Weg zurück auf den Burgberg und werden bei der Ankunft mit Musik empfangen. Eine Weile schauen wir dem uniformierten Ensemble zu und lauschen den dargebotenen Liedern. Das Wort Mehterhan ist auf der Verkleidung der Trommeln zu lesen und wir recherchieren dazu später: "Mehterhâne ist der seit dem 17. Jahrhundert gängige osmanische Name für Musikkapellen, die nach 1453 einheitliche Besetzungen erhielten und hauptsächlich als Militärmusikkapellen und Repräsentationsensembles des Sultans und weiterer osmanischer Würdenträger sowie innerhalb von Zünften für die Öffentlichkeit tätig waren. Dabei gründeten sie auf Traditionen, die im frühtürkischen und im osmanischen sowie insgesamt im islamischen Kulturbereich bereits bestanden. Im Gefolge der Heeresreform unter Sultan Mahmud II. wurden die herrschaftlichen Mehterhâne 1826 offiziell abgeschafft und ihrer Funktionen beraubt. Erst 1914 wurden die mehterhâne und ihre Musik im Osmanischen Reich aus historischem Interesse wiederbelebt. Heute werden Mehterhâne in der Türkei an wichtigen historischen Jahrestagen, bei Umzügen sowie bei folkloristischen Veranstaltungen eingesetzt."
    Mit dem Eindruck einiger dargebotener Lieder geben wir uns zufrieden und ziehen weiter. Erneut steigen wir hinauf zur Festungsmauer und freuen uns über die Aussicht. Und so stehen wir hier und lassen unseren Blick über die Stadt schweifen, während die untergehende Sonne den Horizont in rotes Licht taucht, bevor die Dunkelheit einbricht und in der Stadt nach und nach die Lichter angehen. Der anschließende Abstieg ist etwa zur Hälfte gemeistert, als wir ein gelbes Taxi anhalten und uns zum Hotel bringen lassen. Bevor wir aber im Zimmer den Feierabend einläuten, kehren wir erst auf einen Iskender-Kebab in einem Restaurant ein und vernichten danach im Café gegenüber etwas zu viel Baklava. Satt und zufrieden führt uns der letzte Aufstieg des Tages (ehrlich gesagt handelt es sich eher um eine Fahrstuhlauffahrt...) in unser "Loft" im fünften Stock, wo wir einen letzten Blick auf das beleuchtete Atatürk Mausoleum werfen und dann dem Ruf der Matratze folgen.
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