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  • Day 351

    Albaniens Meisterstück

    July 16, 2023 in Albania ⋅ ☀️ 30 °C

    Die albanischen Alpen werden auf Kroatisch Prokletije und auf Albanisch Bjeshkët e Nemuna genannt - beide Namen bedeuten grob übersetzt " Verfluchte Berge".
    Die Legende, die dahinter steckt, will ich euch natürlich nicht vorenthalten.
    Gott brauchte bekanntermaßen sechs Tage, um die Erde, das Meer und den Himmel zu erschaffen.
    Laut einer lokalen Legende benötigte der Teufel für die "Verfluchten Berge" jedoch nur 24 Stunden.
    Das war nicht mehr als ein einziger Arbeitstag.
    Der Volksmund erzählt, er habe mit seinem Schwanz wie besessen tiefe Schluchten geschlagen und mit seinen scharfen Krallen Respekt einflößende Felsvorsprünge geformt. Dass ein Fluch über dem Gebirge liegt, blieb noch geraume Zeit in den Köpfen der Menschen verankert.

    So wurde die unwirtliche Gegend lange gleich gesetzt mit grausamen Banditenüberfällen, Blutfehden und den unterschiedlichsten Unglücksfällen, um die sich über Jahrhunderte hinweg Sagen und Legenden rankten.

    Unter kommunistischer Regierung dienten die tückischen Pässe als eine Art gigantische und unüberwindliche geologische Berliner Mauer des Diktators Hoxha.
    Sie wurden zur Hürde für jeden, der aus Albanien fliehen wollte, mit der Absicht, Montenegro zu erreichen, das damals noch Teil Jugoslawiens war.

    Inzwischen sind die Albanischen Alpen ohne Zweifel eines der schönsten Reiseziele des Landes geworden.
    Während sie im Winter unter einem dicken Schneeteppich schlummern und weitgehend verlassen sind, lockt die Wärme des Sommers eine Welle von neugierigen Abenteurern herbei - bereit und neugierig, sie zu erkunden.
    Sobald die weiße Decke des Winters verschwindet, treten aus dem geschmolzenen Schnee kristallklare Flüsse hervor, die sich durch duftende Kiefernwälder schlängeln.
    Mächtige Kalksteinberge, teilweise in von Wind gebeutelte Geröllfelder zerfallen, ragen aus der Landschaft empor.
    Dazwischen, wie eingestreut, unzählige Hirtenhütten aus Stein, deren bröckelige Schornsteine umgestürzt oder einfach in sich zusammengefallen sind.
    Das Valbona Tal ist eine wahre Schatztruhe, die noch nicht von solchen Touristenmassen wie anderswo in Europa entdeckt wurde.
    Die Abgeschiedenheit des Valbona Tal Nationalparks und die relativ kleine Bevölkerung sowie die große Variationsbreite der Ökosysteme und klimatischen Bedingungen sorgen für die Existenz einer unbeschreiblichen Vielfalt an Flora und Fauna.
    In den versteckten, felsigen Abschnitten sollen noch Wölfe und Braunbären leben. Sogar die vom Aussterben bedrohten Balkanluchse, von denen kaum noch ein paar Dutzend existieren, durchstreifen die kargen Hochebenen.

    Die Wanderstrecke von Valbona nach Theth gilt als eine der beliebtesten Albaniens. Mancher Reiseblog bezeichnet sie gar als eine der schönsten Europas.
    Auch wir wollen ein Stück dieses Weges erkunden.
    Er ist sehr gut ausgeschildert und führt abwechslungsreich durch offene Berghänge oder dichten Buchenwald, dann wieder über eine Hochebene mit Wiesenlandschaft sowie über steile Karsthänge.
    Schutz vor der Sonne, die um 11 Uhr gnadenlos vom Himmel brennt, finden wir nur auf den Passagen, die durch den Wald führen.
    Es sind die heißesten Tage des Jahres, die sogar die Einheimischen nur noch stöhnen lassen.
    Doch trotzdem ist die Wanderung unbeschreiblich.
    Aus dem Tal hinauf hören wir das Meckern der Ziegen und Läuten der Kuhglocken. In der Ferne plätschert ein Mühlenrad.
    Ansonsten ist es friedlich und still.
    Der urwüchsige Pfad verlangt uns einiges ab: Wir steigen fast stetig bergauf über Wurzeln und Felsen.
    Kreuz und quer liegen Bäume und Gehölz, dazwischen türmen sich tonnenschwere, bemooste Felsbrocken vor uns auf.
    Manchmal ist der Trampelpfad kaum zu erkennen, die roten Markierungen, meist an Felsen gepinselt, sieht man jedoch sehr gut.
    Halb verfallene Steinhäuser mit ihren mit großen Holzschindeln gedeckten Dächern liegen verstreut im Tal und scheinen aus einer anderen Zeit zu stammen.

    Sehr gerne würden wir in diesem Augenblick einmal einen kurzen Blick in die Zukunft werfen: wie wird es wohl in zehn oder zwanzig Jahren hier aussehen? Alles voller Hotels????
    Was wird noch übrig sein von der Ursprünglichkeit eines der abgeschiedensten Täler in den nordalbanischen Alpen?
    Und spätestens in diesem Moment wird uns bewusst, was für ein Glück wir haben, gerade JETZT an diesem Ort sein zu dürfen.
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