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  • Day 66

    Abenteuer auf dem Whanganui River

    January 24 in New Zealand ⋅ ☁️ 21 °C

    Was bin ich aufgeregt: Heute endlich geht unsere Kanu-Tour auf dem Whanganui River los. Obwohl es sich um eine Flussreise handelt, ist die Etappe mit knapp 120 km Teil des Te Araroa Trails. Gestern Abend haben wir extra dafür noch 3 Steaks (Danny zwei, ich eins) im „Rusty Nail“ gegessen. Erstens, um Kraft und Energie zu haben und zweitens, weil wir die nächsten Tage wieder nur die übliche Wander-Nahrung zu uns nehmen können und da wollten wir noch ein letztes Mal schlemmen.

    Treffpunkt ist 6:45 Uhr beim Kanu- und Bootsverleih. Damit wir zu dieser unchristlichen Zeit pünktlich auf der Matte stehen, haben wir gleich dort im Mehrbettzimmer im Doppelstock-Bett geschlafen. Das war sehr speziell und ich habe mich an meine früheren Klassenfahrten erinnert.

    Schnell verstauen wir unsere letzten Habseligkeiten in den Tonnen, die gleich mit aufs Boot kommen. Die große Frage: Handy mit in die wasserdichte Tonne legen oder am Körper tragen? Da ich panische Angst habe, wir könnten kentern und alles inklusive Handy wird nass, verstauen wir unsere mobilen Endgeräte sicherheitshalber in den Tonnen.

    Ein weiteres Mal nehmen wir an der Sicherheitsunterweisung teil. Der Raum ist brechend voll. Diesmal finde ich es schon weniger aufregend als beim ersten Mal. Der Trainer macht die gleichen Witze an den gleichen Stellen. Es gibt Kaffee aus der Barista-Maschine und selbstgebackenes Brot. Wir bekommen Schwimmwesten, werden in Gruppen eingeteilt und schon sitzen wir im Bus nach Whakahoro, von wo unsere Kanu-Tour startet.

    Vor Ort herrscht ein ganz schönes Wooling. Alle helfen mit, die Kanus und Tonnen vom Hänger zu laden. Ein Glück ist alles gut beschriftet, denn ich habe schon befürchtet, dass unsere Tonnen bei anderen auf dem Boot landen und die dann meinen leckeren Käse und die Kräcker essen. Wir bekommen verschiedene Seile, ein Ersatzpaddel und eine Schöpfkanne. Jetzt sollen wir alle Tonnen fest mit dem Kanu verzurren. Das überfordert uns. Aber nur kurz, denn schnell zeigt uns ein Mitarbeiter der Kanu-Firma wie man es richtig macht. Plötzlich muss ich vor lauter Gewusel aufs Klo. Sowas gibt’s hier aber nicht und außerdem steigen alle schon in ihre Kanus ein. Kurz entschlossen, renne ich die Straße hoch und hocke mich schnell an eine Ecke. Wenn jetzt ein Auto kommt, bin ich restlos verloren. Es kommt keins und erleichtert renne ich zurück. Schnell noch ein letztes Foto und dann sitze ich auch schon vorn und Danny hinten. Ein kurzer Schubs und wir schippern los.

    „Wer vorn sitzt, ist der Motor und wer hinten sitzt, ist der Steuermann“ - so hat es uns der Trainer erklärt. Das eine geht nicht ohne das andere. Alles gut und schön, wären da nicht diese gemeinen Stromschnellen, „rapid“ genannt auf Englisch. Die ersten Minuten laufen noch recht entspannt und wir gleiten mit der Strömung sanft flussabwärts. Doch dann höre und sehe ich es schon plätschern. Wie in der Unterweisung gelernt, presse ich meine Knie nach außen und beuge mich nach vorn. Und dann - platsch! bekomme ich auch schon einen Schwall Wasser ins Gesicht. Danny schreit von hinten „rechts!“ oder „links!“. Ich werde hektisch, verliere fast mein Paddel und verwechsle die Seiten. Klatsch! Die nächste Welle schwappt über den Bug, meine Hose und Unterhose sind komplett nass. An dieser Stelle bin ich eigentlich schon im wahrsten Sinne des Wortes durch. Ich möchte aussteigen. Dankeschön. Auf Wiedersehen. Die Weiterfahrt bitte ohne mich.

    Geht aber nicht, denn es ist keine Anlegestelle in Sicht und der Fluss treibt unser Boot gnadenlos weiter. Ich schimpfe, fluche und jammere leise vor mich hin. 4 Tage soll dieses „Spektakel“ gehen. Dabei ist Wasser - im Gegensatz zu Danny - doch gar nicht mein Element. Der jubelt sich von Stromschnelle zu Stromschnelle und hat natürlich den Spaß seines Lebens hinter mir. Klar, er kriegt auch nicht das ganze Wasser in die Gusche wie ich. Außerdem wippt das Kanu vorn viel mehr als hinten.

    Die ersten Stromschnellen sind geschafft, der Fluss wird ruhiger und im Sonnenlicht offenbart er die einzigartige Schönheit der buschbewachsenen Täler und abgelegenen Hügel. Wir fahren an Enten und Gänsen vorbei, Wasservögel flattern vor unseren Augen davon und erheben sich stolz in die Lüfte. Es ist ein weitestgehend naturbelassenes Paradies, in dem ich mich hier befinde.

    Spät am Abend kommen wir an unserem Campingplatz an. Die Anlegestelle ist schmal, es gibt nicht viel Platz zum Aussteigen. Da der Fluss durch Regen pro Stunde bis zu einem halben Meter anschwellen kann, liegt der Campingplatz sehr hoch. Ein glitschiger Trampelpfad und ausgewaschene Treppenstufen führen nach oben. Wir schleppen unsere 7 schweren Tonnen hinauf und sind danach fix und foxi. Die 1.5 Liter Flasche Cola trinken wir noch am selben Abend aus. Sie sollte eigentlich für 4 Tage reichen. Ok, das war etwas naiv. Nach und nach treffen die anderen Te Araroa (Wasser-)Wanderer ein, die mit uns im Kanu gestartet sind. Wir sitzen zusammen am großen Holztisch, tauschen Erlebnisse aus und teilen unser Essen. Irgendwann verschwinden wir alle in unsere Zelte. Nachdem die Geräusche vom Auf- und Zuziehen sämtlicher Reißverschlüsse verstummt sind, höre ich nur noch das Rauschen des Flusses und die Stimmen der Vögel. Noch ein bisschen spüre ich das Schaukeln des Kanus. Es wiegt mich in den Schlaf.
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